Dalai Lama
Dem Leben einen Sinn geben
Die Freude, friedvoll zu leben und zu sterben
Aus dem Amerikanischen von Peter Kobbe
Knaur e-books
Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, wurde 1935 in Osttibet geboren und bereits im Kindesalter als geistiges und weltliches Oberhaupt der Tibeter eingesetzt. Nach der Besetzung Tibets durch die Chinesen ging er 1959 unter abenteuerlichen Umständen ins Exil. Für seinen unermüdlichen Kampf gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit wurde dem Dalai Lama 1989 der Friedensnobelpreis verliehen.
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Joy of Living and Dying in Peace« bei Harper, San Francisco.
© 1997 The Library of Tibet, Inc.
© 2018 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
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Coverabbildung: Hindustan Times / Kontributor / gettyimages
ISBN 978-3-426-45418-3
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Geshe ist der höchste akademische Grad, der von tibetischen Klosteruniversitäten verliehen wird.
Ein Lama, wörtlich »Oberer«, ist im tibetischen Buddhismus ein spiritueller Meister, also der indischen (Sanskrit-)Bezeichnung nach ein »Guru«. Der Dalai Lama, wörtlich »Ozean-Lama«, ist das Oberhaupt der Gelugpas (siehe Anm. 31) und auch das politische Oberhaupt der Tibeter: ihm kommt die spirituelle Qualität/Autorität eines Lama in höchstem Maß zu.
Shakyamuni, wörtlich »der Weise aus dem Haus/dem Geschlecht der Shakyas«, ist der Beiname von Siddharta Gautama, dem historischen Buddha und Begründer des Buddhismus.
Im englischen Text: »homeless life«. Gemeint ist das »Ziehen in die Hauslosigkeit« (Pravrajya), das Verlassen der Familie und Sichlösen aus allen sozialen Bindungen. Diese Handlung begründet den spirituellen Lebensweg des in Weltabkehr nach Erleuchtung und Befreiung strebenden Mönchs. Ursprünglich dem Hinayana (siehe Anm. 11) zugehörig, ist das » Ziehen in die Hauslosigkeit« für alle buddhistischen Schulen gleichbedeutend mit dem Eintritt in eine mönchische, ordinierte Lebenspraxis.
Botanisch die hochstämmige, in Indien wachsende Ficus religiosa (Heiliger Feigenbaum/Pappelfeigenbaum): unter solch einem Baum wurde (im nordindischen Ort Bodh-Gaya) der historische Buddha erleuchtet.
Das Rad der Lehre/des Dharma, das Dharma-Chakra, ist im Buddhismus Sinnbild der vom Buddha verkündeten Lehre. Er (bzw. seine transzendenten Emanationen) »drehte« es nach Auffassung des Mahayana (siehe Anm. 11) dreimal. Es gibt demgemäß drei Dharma-Räder, drei unterschiedliche Lehr-Zyklen, die mit Blick auf ihren Offenbarungsort, auf ihren Inhalt oder auf ihre Schüler umschrieben werden. Das erste Dharma-Rad umfaßt insbesondere das Sutra von den Vier Edlen Wahrheiten bzw. die Lehren, denen die Anhänger des »Kleinen Fahrzeugs«/Hinayana folgen; das zweite Dharma-Rad umfaßt insbesondere die Prajna-paramita-Lehren, also die höchsten eisheitsbelehrungen über das Bodhisattva-Ideal und die Leerheitsphilosophie im Sinne Nagarjunas (vgl. Anm. 93), bzw. die Belehrungen, denen die Anhänger der »Schule des Mittleren Weges«, die Madhyamikas, folgen; und das dritte Dharma-Rad umfaßt insbesondere das Sutra der Offenlegung der Intention (des Buddha), das Samdhinirmocana bzw. die Lehren, denen die Anhänger der »Nur-Geist«-Schule, die Chittamatrin, folgen. Es gibt – innerhalb der tibetischen Kagyü-Schule – auch eine Darstellung der Räder unter dem Gesichtspunkt der Existenz: Hier betont das erste Rad vor allem den Existenz- oder Daseins-Aspekt und damit die Gesetze von Karma und Samsara (siehe Anm. 13); das zweite den Aspekt des Leerseins (von inhärenter Existenz) und damit die Nicht-Existenz; und das dritte lehrt die letztgültige Bedeutung, das Freisein von diesen und allen Extremen und damit die nicht-begriffiiche, alle Konzeptionen transzendierende Weisheit. Siehe zu den einzelnen Schulen Anm. 31.
Siehe Seite 32f.
Im englischen Text: »the misconception ofself«. Die irrige Auffassung von einem Selbst verkennt bzw. betrifft nach der Konsequenten Schule des Mittleren Weges (siehe Anm. 93) einerseits die »grobe« Selbstlosigkeit (das Leersein/die Leerheit in bezug auf eigenständige und substantielle Existenz) von Personen/Individuen sowie andererseits die »subtile« Selbst-losigkeit (das Leersein/die Leerheit in bezug auf inhärente/wahre Existenz) von sämtlichen Phänomenen einschließlich der Personen. – Vgl. dazu auch die Ausführungen des Dalai Lama in Den Geist erwecken, das Herz erleuchten, Zentrale tibetisch-buddhistische Lehren, Knaur Taschenbuch, München 1996, Kapitel 8, S. 260ff.
Die sechs Existenzbereiche oder »Daseinsfahrten«/»Existenzweisen«, Gati(s), gliedern sich in drei »gute« oder »höhere« – die Bereiche der Götter, Halbgötter/Titanen und Menschen – und drei »schlechte« oder »niedere« – die Bereiche der Tiere, Hungergeister und Höllenbewohner.
Die Methode besteht im Mahayana-Buddhismus aus dem strebenden und dem angewandten Erleuchtungsgeist, ferner dem Ausüben der sechs Vollkommenheiten (siehe Anm. 15). Weisheit (die Verwirklichung der Leerheit) und Methode bilden eine untrennbare Einheit.
»Fahrzeug« bezeichnet im Buddhismus generell einen Teilaspekt der buddhistischen Lehre, der wie ein Vehikel die Last spiritueller und existentieller Befreiung zu tragen vermag – der Befreiung des Einzelwesens aus dem Daseinskreislauf, also der »persönlichen Befreiung« (sie wird vom» Kleinen Fahrzeug«, dem Hinayana, getragen); oder von der Last der Verantwortung für das Wohl und die Erleuchtung aller empfindenden Wesen ohne Ausnahme (sie wird vom »Großen Fahrzeug«, dem Mahayana, getragen). Gemäß dem tibetischen Buddhismus gliedert sich das Mahayana in das auf den Sutras basierende »Ursachefahrzeug«, Sutrayana, auch »Vollendungsfahrzeug«, Paramitayana, genannt, und das auf den Tantras basierende »Fruchtfahrzeug«, Tantrayana, auch »Diamantweg«/»Diamant-Fahrzeug«, Vajrayana, genannt. Zu Sutras und Tantras siehe Anm. 22.
Der englische Text gibt Bodhichitta, wörtlich »Erleuchtungsgeist«/»Erwachensgeist«, durchgehend mit »the awakening mind« wieder, was sich mit »Geist des Erwachens« oder »der erwachende Geist« übertragen ließe. Die Übersetzung bleibt bei dem Begriff Erleuchtungsgeist, weil dieser die allgemein gebräuchliche deutsche Entsprechung für »Bodhichitta« ist. Die Übergänge sind freilich fließend: Erleuchtung (Bodhi) im buddhistischen Sinne kommt nicht als ein (wie immer beschaffenes) Licht von außen; sie ist ein Erwachen des (eigenen) Geistes zu der ihm keimhaft (und essentiell) innewohnenden, eben herauszuarbeitenden Grundnatur, und der Erwachende wird am Ende seines »Weges« zu einem Buddha, einem Erwachten/Erleuchteten.
Gemeint sind die im Existenzkreislauf, in Samsara (wörtlich »beständiges Wandern«/»Daseinswanderung«) umherirrenden Wesen. Die sechs Existenzbereiche heißen im Tibetischen »sechs Arten von Wanderungen«.
Nach buddhistischer Kosmologie befinden sich über dem »Weltenberg« Meru die 28 Bereiche der hohen »Himmelswesen« (Devas) und der Götter mit begierdeloser Körperlichkeit oder »reiner Form« (Rupaloka) sowie der Bereich der Formlosigkeit und die Reinen Länder der transzendenten Buddhas, Zwischen-Paradiese oder Vorstufen zu Nirvana. All diese Bereiche symbolisieren in erster Linie Aspekte des erleuchteten Bewußtseins bzw. der »höheren« Entwicklungsstufen auf dem Wege zur vollständigen Befreiung. Als »Existenzbereich« gehört der Bereich der Himmelswesen bzw. Götter zu den »guten« Existenzbereichen (vgl. Anm. 9).
Ein Bodhisattva, wörtlich »Erleuchtungswesen«, ist im MahayanaBuddhismus (vgl. Anm. 11) ein Wesen, das in systematischer Ausübung der sechs »Vollkommenheiten«, Paramitas (von Sanskr.: Paramita) – Freigebigkeit, Sittlichkeit, Geduld, Anstrengung, Konzentration, Weisheit-, Erleuchtung anstrebt, und zwar allein aus dem uneigennützigen Motiv, allen anderen empfindenden Wesen zu helfen und ihr Wohl zu erwirken. Da ein Bodhisattva durch diese sechs Verhaltensweisen oder »Bodhisattva-Taten« schließlich die Vollkommenheit eines Buddha erlangt, werden sie auch schon auf dem Weg zur Erleuchtung »Vollkommenheiten« genannt. Der vorliegende Text des Dalai Lama ist großenteils, vor allem ab Kapitel 3, eine Einführung in den Bodhisattva-Weg und nimmt – wie die beiden vorherigen Bände der Bibliothek Tibets und wie sehr viele Texte zeitgenössischer buddhistischer Meister/Lehrer – in Aufbau, Inhalt und Argumentation, streckenweise auch in der Wortwahl, (allerdings ohne ausdrückliche Erwähnung) Bezug auf eine ›klassische‹ buddhistische Schrift, in diesem Fall auf das im tibetischen Buddhismus bis heute als Lehr- und Meditationstext verwendete Bodhi(sattva)caryavatara (Eintritt in das Leben zur Erleuchtung) von Shantideva (695 bis ca. 730), einem der wichtigsten Vertreter der Schule des Mittleren Weges (siehe Anm. 111). Deutsche Übersetzung v. Ernst Steinkellner, Eintritt in das Leben zur Erleuchtung, Diederichs Gelbe Reihe, Neuaufl. München 1997.
»Subtil« ist sie im Unterschied zur »groben Vergänglichkeit«: den unmittelbar beobachtbaren bzw. feststellbaren Erscheinungen der Zerstörung, des Todes, der Verwesung, des Verfalls, Welkens, Alterns etc.
»Ansammlung physischer und mentaler Komponenten« (Skandhas): Die vermeintliche »Person«/»Persönlichkeit« wird durch fünf »Gruppen« oder »Anhäufungen«, Skandhas, konstituiert – Leiblichkeit, Empfindungen, Wahrnehmung, mentale Formkräfte im passiven und aktiven Sinn und das sechsfach gegliederte Sinnes-Bewußtsein (siehe Anm. 74). Die Skandhas sind durch Geburt, Alter, Tod, Dauer und Wandel gekennzeichnet und ihrer Natur nach »nicht-wesenhaft«, vergänglich, leer und leidbehaftet.
Die Kadampa-Schule (tibet., wörtlich: »Mündliche Unterweisung«) ist eine auf den indischen Gelehrten Atisha (980/90–1055) zurückzuführende Schulrichtung des tibetischen Buddhismus, die sich nach dessen Niedergang im 10. Jahrhundert die Wahrung der angemessenen Auslegung des Schrifttums zum Ziel setzte. Ihre zentralen Lehren sind unter dem Titel Lo-jong, »Geistes-Läuterung«, überliefert. Als eigene Schule überdauerten die Kadampa-Meister oder Kadampas nicht, aber ihre Lehren gingen in alle vier großen tibetischen Schulen ein.
Zur Bedeutung von »einsgerichtet« siehe Anm. 46.
D. h. sichtbar im Unterschied zu den Höllenbewohnern und Hungergeistern (vgl. Anm. 9).
Der Stupa, wörtlich »Haarknoten«, ist ein spezifisch buddhistischer Sakralbau, der sich strukturell aus runden Begräbnishügeln entwickelt hat. Er enthält meist Reliquien buddhistischer Heiliger oder sakrale Bildnisse, Schriften etc. Aus der Sicht des tibetischen Buddhismus spiegelt der Stupa (tibet.: Chörten) in seinem charakteristischen dreigliedrigen Aufbau Körper, Rede und Geist des Buddha wider.
Der Dalai Lama charakterisiert das Sutra, wörtlich »Leitfaden«, als »den Pfad des Studiums und der Ausübung, nach dem viele Leben erforderlich sind, um Erleuchtung zu erreichen«, und das Tantra, wörtlich »Gewebe«/»Kontinuum«, als »die geheimen Praktiken, nach denen Erleuchtung auch in nur einer Lebenszeit erreicht werden kann« (in Der Weg zur Freiheit, Zentrale tibetisch-buddhistische Lehren, Knaur Taschenbuch, München 1995, S. 15). Ein einzelnes Sutra bzw. Tantra ist eine Schrift mit den entsprechenden Unterweisungen und Übungen. Das überlieferte Sutra-Schrifttum umfaßt die Hinayana- und nicht-tantrischen Mahayana-Lehrreden (Paramitayana-Lehrreden) des Buddha; die Überlieferung des Tantra umfaßt die Unterweisungen für einen engeren Kreis von Schülern. Siehe auch Anm. 11.
Siehe Anm. 15.
Das klare Licht/der Geist des klaren Lichtes (tibet.: Öse!) bezeichnet die subtilste aller Geistesebenen, die reine Lichthaftigkeit des durch keinerlei Begrifflichkeit getrübten Bewußtseins. Der Geist des klaren Lichtes ist der »Geistgrund«/das »Grundbewußtsein« und somit die Wurzel aller anderen Bewußtseinsebenen: Diese Geistesebene existiert in jedem Individuum anfangslos als subtiles »Bewußtseinskontinuum« von Leben zu Leben bis in die Buddhaschaft hinein. Jeder/jede Sterbende trifft auf das »klare Licht des Todes« und vermag diese Erfahrung im »Normalfall« nicht zu bewältigen. Die tantrische Praxis kann schon zu Lebzeiten die Erfahrung des klaren Lichtes zugänglich machen und so auf die Begegnung mit dem klaren Licht des Todes vorbereiten.
Im Retreat, wörtlich »Rückzug«, unterläßt man sämtliche weltlichen Aktivitäten, um in klausurähnlicher Zurückgezogenheit über einen kürzen oder längeren Zeitraum eine bestimmte spirituelle Praxis durchzuführen.
Der strebende Erleuchtungsgeist, das Streben nach Erleuchtung zum Wohle aller empfindenden Wesen, und der angewandte Erleuchtungsgeist, die Verknüpfung dieses Strebens mit dem Wirken eines Bodhisattva, sind die beiden Arten des konventionellen Erleuchtungsgeistes. Letzterer ist vom endgültigen/höchsten Erleuchtungsgeist zu unterscheiden. Dieser ist der Geist vollkommener Erleuchtung/vollkommenen Erwachens, von dem ein Bodhisattva durchdrungen ist, der die Leerheit unmittelbar verwirklicht hat.
Vgl. Anm. 24.
Siehe Anm. 22.
Die Bewußtseinsübertragung, tibet.: Phowa, wörtlich »Wechsel des Ortes«, ist eine der sechs Übungsmethoden, der »Sechs Yogas« (siehe Anm. 32), des Naropa (1016–1100), die über Marpa (1012–1097) nach Tibet gelangten. Im Phowa transferiert man im Moment des Todes das Bewußtsein in eines der »Reinen Länder« (siehe Anm. 14) bzw. in den Dharmakaya-Bereich (siehe Anm. 60). Durch spezifische Meditationsübungen und Visualisierungsprozesse übt sich der Yogi/die Yogini (siehe Anm. 32) schon zu Lebzeiten darin.
Milarepa, wörtlich »Mila im Baumwollgewand (des Asketen)« (1040–1123), ist der wohl berühmteste Heilige Tibets. Von seinem Guru, dem berühmten Yogi Marpa (1012–1097), empfing er die Mahamudra-Lehre, wörtlich »die höchste oder großartige Haltung/Stellung/Geste«, des Großen Siegels, einer der herausragenden Meditationspraktiken des »Diamant-Fahrzeuges«Najrayana (siehe Anm. 11), und die »Sechs Yogas« des Naropa (siehe Anm. 32 bzw. 29).
Je Tsong-kha-pa (1357–1419) begründete die jüngste der vier Schulen oder Überlieferungslinien des tibetischen Buddhismus, die Gelugpa-Schule, wörtlich »Schule der Tugendhaften«, die in der Nachfolge der Kadampa-Tradition (siehe Anm. 18) der monastischen Disziplin und dem intensiven Textstudium besondere Bedeutung beimißt. Oberhaupt der Gelugpa-Schule ist der Dalai Lama.
Dem »langfristigen Wohl« dienende spirituelle Übungen, also auch die Übungen des »Diamant-Fahrzeugs« Najrayana (siehe Anm. 11), bezeichnet man im tibetischen Buddhismus als »Yoga«, wörtlich »Ins Joch des Göttlichen spannen«. Wer sie ausführt, wird »Yogi« (bzw. »Yogini«) genannt.
Gemeint ist ein Reines (Buddha-)Land. Siehe Anm. 14.
An welchem Ort der Dalai Lama diese Unterweisungen gegeben hat, geht aus der amerikanischen Originalausgabe nicht eindeutig hervor. Höchstwahrscheinlich war es aber in Dharamsala, seinem Exilwohnsitz.
Der Mahayana-Buddhismus (siehe Anm. 11) kennt acht (transzendente) Medizinbuddhas, zu denen als zentraler Heilbuddha auch Siddharta Gautama/Buddha Shakyamuni, der historische Buddha, zählt. Sie sind freilich nicht als direkt eingreifende Heiler aufzufassen, sondern als Lehrer, Ratgeber, die Weisungen geben: Sie verkünden das ärztliche und die Heilsubstanzen betreffende Wissen. Sie werden (vom Kranken bzw. Arzt) angerufen/meditativ vergegenwärtigt, damit man durch ihre Inspiration und Anleitung das jeweils geeignete, »angezeigte« Heilverfahren/Heilmittel entdeckt.
Lam Rim oder Stufen des Weges zur Erleuchtung, von Tsong-kha-pa (siehe Anm. 31). – Auf diesem Text basiert der erste Band der Bibliothek Tibets: Dalai Lama, Der Weg zur Freiheit, Zentrale tibetisch-buddhistische Lehren, Knaur Taschenbuch, München 1995.
Siehe Anm. 25.
Gampopa, tibet., wörtlich »Mann aus Gampo« (1079–1153), auch bekannt als »der (Mönchs-)Arzt von Dhagpo«, wurde nach dem frühen Tod seiner Frau mit 26 Jahren Mönch innerhalb der Kadampa-Überlieferung (siehe Anm. 18). Er wurde dann Schüler von Milarepa und empfing von diesem die Mahamudra-Lehre (siehe Anm. 29). Nach Milarepas Tod begründete Gampopa die Schule der Kagyüpas (Kagyüpa, wörtlich »mündliche Übertragungslinie«), eine der vier Hauptlinien des tibetischen Buddhismus (hier ist die direkte Übertragung der meditativen Praxis – und gleichzeitig des Segens der gesamten Praxis-Linie – vom Meister auf den Schüler besonders wichtig).
Siehe Anm. 30.
Gemeint sind die (in diesem Falle positiven) Prägungen oder »Karma-Samen« (Vasana) im subtilen »Bewußtseinskontinuum«. Siehe Anm. 24.
Nach der tibetisch-buddhistischen Physiologie besteht der Körper aus den vier Elementen Erde, Wasser, Feuer und Wind (tibet.: Lung; hier im Sinne des Pneuma oder des »Odems«, des »Belebenden« schlechthin) sowie aus den drei Säften von Galle, Schleim und Wind (hier im Sinne der die Ausscheidung, Verbrennung, den Kreislauf, die Muskelbewegung und den Stoffwechsel regelnden Lung-Funktionen). Ist von der »Person« als Gesamtheit, als komplexem grob- und feinstofflichem Formaggregat die Rede, tritt als fünftes Element noch der Raum hinzu (siehe Anm. 71). – Der Dalai Lama umschreibt die »Elemente« in vereinfachter Form mit den (grob- bzw. feinstofflichen) Materie-Zuständen des Flüssigen und Festen sowie den dynamischen Faktoren Wärme/Hitze und Energie.
Siehe Anm. 24.
Der Titel Rinpoche, wörtlich »überragend Kostbarer«, wird einem spirituell hochqualifizierten Lama (siehe Anm. 2) verliehen.
Im englischen Text: »continuity«, d. h. das subtile »Bewußtseinskontinuum« auf der Ebene des »Grundbewußtseins«/»Geistgrundes« (siehe Anm. 24).
D. h. das positive Karmapotential heilsamen Handelns reifen lassen.
Im Zustand des »ruhigen Verweilens«, Shamata, kommt der Geist zur Ruhe und verharrt in nicht-analytischer Sammlung, Samadhi (wörtlich »Fixieren/Festmachen«), »einsgerichtet «, ekagra (wörtlich »einspitzig«), auf einem Meditationsobjekt. Die Beruhigung der Geistestätigkeit ist die Grundvoraussetzung dafür, daß der Geist Stabilität, Klarheit und Einsicht in die eigene Natur entwickeln kann. Stabilität des Geistes wiederum ist das Fundament, auf dem dann viele Meditationsübungen im Mahayana und Vajrayana (vgl. Anm. 11) aufbauen.
Siehe Anm. 25.
Gemeint sind die Erzeugungsstufe und die Vollendungsstufe des Höchsten Yoga-Tantra. Siehe Anm. 22 u. 50.
Den tantrischen Lehren (siehe Anm. 22) zufolge ist der menschliche Körper auf feinstofflicher/psychoenergetischer Ebene von einem in »Räder«/Chakras und »Kanäle«/Nadis gegliederten System durchzogen. Jedes Chakra ist ein Brenn- oder »Vitalpunkt« feinstofflicher Energie, ein subtiles Energiezentrum. Sechs der sieben Chakras liegen auf dem Mittleren Kanal oder Hauptkanal, der Avadhuti: aufsteigend von unten zwischen After und Zeugungsorgan, an der Wurzel der Genitalien, in der Nabelgegend, in der Herzgegend, am unteren Ende des Halses und zwischen den Augenbrauen. Das siebte Chakra liegt über dem Scheitelpunkt des Kopfes, außerhalb des physischen Bereichs und entspricht dem kosmischen Bewußtsein und der höchsten Erkenntnis. Von jedem Chakra strahlen Energiekanäle, Nadis, aus, und jedes Chakra wird durch einen Lotos mit jeweils unterschiedlich vielen Blütenblättern dargestellt bzw. meditativ geschaut. Durch den Hauptkanal strömen die »Tropfen«/vitalen Essenzen, Bindus, und die Energieströme/»Winde«, Pranas, die durch die Nadis in ihrer Bewegungsfähigkeit gehemmt bzw. beeinflußt werden.
Die Funktion des Gottheiten-Yoga, Devayoga, wörtlich »Himmelswesen-Yoga«, besteht darin, daß der/die Übende aus Mitgefühl für die anderen empfindenden Wesen den eigenen Geist, der die Leerheit erkennt und in dieser aufgeht, veranlaßt, als eine Gottheit zu erscheinen. Im Gottheiten-Yoga visualisiert der/die Meditierende eine göttliche Wesenheit (transzendente Buddhas und/oder Bodhisattvas bzw. Dharmaschützer), bis er sie in allen Einzelheiten vergegenwärtigt hat, sich mit ihr identifiziert, um sich dann in analytischer und stabilisierender/ruhig verweilender Meditation (vgl. Anm. 46) zu üben.
Siehe Anm. 29.
Der vollständige Weg umfaßt die Praxis des Mahayana und des Tantrayana-Najrayana.
D. h. die transzendenten Buddhas und Bodhisattvas, die im Norden, Osten, Nordosten, Nordwesten, Südosten, Südwesten, oben im Zenit und unten im Nadir weilen.
Dies sind normalerweise die Drei Juwelen (Buddha, Dharma und spirituelle Gemeinschaft); hier sind es die angerufenen/vergegenwärtigten Buddhas und Bodhisattvas (und der durch sie repräsentierte Dharma).
D. h. alle in Abhängigkeit entstandenen/entstehenden Phänomene, also: sämtliche Phänomene.
Die übliche Bezeichnung ist »die vier Unermeßlichen«, Apramana.
Alle Wesen, die dem Dharma-Schüler Gelegenheit geben, heilsame Qualitäten zu entwickeln bzw. heilsame Handlungen auszuführen, also Verdienst und Einsicht/Weisheit anzusammeln, sind Verdienstfelder. Man unterscheidet zweierlei Verdienstfelder – das der Buddhas/ Bodhisattvas (sowie des durch sie repräsentierten Dharma) und das der gewöhnlichen empfindenden Wesen; beide Felder bilden zusammen die Basis der gesamten spirituellen Verwirklichung des Praktizierenden.
Ein Mandala, wörtlich »Mitte-Kreisumfang«/» Kreis«, ist eine symbolische Darstellung kosmischer Kräfte in zwei- oder dreidimensionaler Form. Mandalas werden in erster Linie als Meditationshilfe, als Vorlage für bestimmte Visualisierungen oder für Initiationsrituale verwendet.
Siehe Anm. 21.
Gemäß dem Mahayana (siehe Anm. 11) hat ein Buddha» Drei Körper« (oder »Zustände«), Trikaya: den Dharmakaya, »Wahrheitskörper«, die unmittelbare Erkenntnis-Nerwirklichung der universalen höchsten Wahrheit, des Wesens aller Phänomene und das absolute Befreitsein von allem, was an der Erleuchtung und Vollendung hindert; den Sambhogakaya, »Körper des Entzückens« oder »vollkommenen Genuß-Körper «, in dem sich die voll Erwachten am kontinuierlichen Strom des Mäbayana erfreuen, also die in ihnen »verkörperte« Wahrheit genießen; und den Nirmanakaya, »Hervorbringungs-«/»Emanations-Körper«, den Körper der feinstofflichen oder grobstofflichen Manifestationen, in denen die Buddhas den Menschen in der Welt erscheinen, um sie zur Erleuchtung zu führen. Sambhogakaya und Nirmanakaya sollen als »Formkörper« die an sich transzendente Wahrheitsdimension des Dharmakaya auf unterschiedlichen Offenbarungsebenen vermitteln. Die hierarchische Zuordnung der drei Kayas gleicht – von »unten« nach »oben« – der von Körper, Rede und Geist
Siehe Anm. 60.
D. h. der primordial (wörtlich »uranfänglich«/»von erster Ordnung«), von anfangsloser Zeit bis zur Buddhaschaft existierende »Geistgrund« oder »Geist des klaren Lichtes«. Vgl. Anm. 24.
Siehe Anm. 30.
Das gesprochene Mantra, wörtlich »Schutz des Geistes«, ist eine spirituell »aufgeladene« Silbe oder Silbenfolge, eine Art komprimiertes Gebet, das sich, insbesondere als Namensmantra, in vielfach wiederholter Rezitation an göttlich geläuterte, transzendente Bodhisattvas bzw. Buddhas richtet und ihren Segen, ihre vervollkommnende Einflußnahme auf den Sprechenden erbittet. Der tibetische Buddhismus macht das Mantra zum integralen Bestandteil der meditativen Praxis: Es dient bei der tantrischen Umwandlung von Körper, Rede und Geist dazu, in der Rezitation die normale Rede/Sprache auf die Höchste Wirklichkeit hin zu transzendieren. – Das Hundertsilben-Mantra – Om Vajrasattva samaya … sattva A – richtet sich an Vajrasattva, wörtlich »Diamantwesen«, den Inbegriff der Reinheit und der Läuterung. Vajrasattva vereinigt in sich alle fünf Buddha-Familien (der transzendenten Buddhas) und verkörpert, als eine Form des Sambhogakaya (siehe Anm. 60), die Fähigkeit, geistige Verunreinigungen aller Art zu beseitigen, insbesondere Nachlässigkeiten, Pflichtverletzungen und Verfehlungen gegenüber dem »Wurzel-Lama«.
Die drei Schulungen bestehen in der Schulung der Sittlichkeit, der meditativen Sammlung (vgl. Anm. 46) und der Weisheit.
D. h. die zehn Stufen, Bhumis (wörtlich» Länder«), die ein Bodhisattva bis zur Buddhaschaft durchläuft.
Siehe Anm. 6.
Vgl. Anm. 49.
Was der Bodhisattva sagt, entspricht im Wortlaut weitgehend Shantidevas Bodhicmyavatara, Kap. 3, l 7ff. – Siehe auch Anm. 15.
D. h. eine Milchkuh, die im Überfluß (Milch) gibt/alle Bedürfnisse befriedigt. Vgl. Shantideva, Bodhicmyavatara, Kap. 3, 19.
Vgl. Anm. 41. – Der » Raum« ist das fünfte Element, der unbegrenzte Raum, Akasha, das »Alldurchdringende«, der als das Leere, sich mit nichts Vermischende für alles Stoffliche/ Ausgedehnte die unabdingbare Basis bildet.
Bodhisattvas werden auch als »Söhne/Töchter der Buddhas« bezeichnet.
»Zwischenzustand«, tibet.: Bardo, die gesamte Phase zwischen Tod und Wiedergeburt. Andererseits unterscheidet man im Vajrayana (siehe Anm. 11) sechs Bardos, die sämtliche Erfahrungen im Existenzkreislauf umfassen – den »Bardo zwischen Geburt und Tod«/»Bardo des Lebens«, den »Bardo meditativer Konzentration«/»Bardo der Versenkung«, den »Bardo des Träumens«, den »Bardo des Todesmoments«, den »Bardo der endgültigen Natur der Phänomene«/»Bardo der (höchsten) Wirklichkeit« und den »Bardo des Werdens«. Und drittens wird mit »Zwischenzustand« auch eine spezielle Phase innerhalb eines (der sechs) Bardos bezeichnet.
Gemäß dem Vajrayana (siehe Anm. 11) gliedert sich das Bewußtsein in die »grobe Ebene« der fünf Arten von Sinnes-Bewußtsein (d. h., den fünf Wahrnehmungsorganen oder »Grundlagen« – Auge, Ohr, Nase, Zunge, Tastsinn – sind jeweils konstitutiv entsprechende Wahrnehmungsobjekte zugeordnet) und die »subtile Ebene« des intellektuellen/geistigen Bewußtseins, der achtzig begrifflichen oder kognitiven Bewußtseinsstrukturen, die hinsichtlich ihres Subtilitätsgrades dreifach gestuft sind. Hinzu tritt als vierte und allersubtilste Stufe/Ebene der Geist des klaren Lichtes (siehe Anm. 24).
Siehe Anm. 17.
Die »Vollkommenheit des Gebens« ist die erste der sechs Vollkommenheiten (siehe Anm. 15).
Im englischen Text: »essence«. Wie das »Ich« haben auch alle anderen Phänomene keine Eigennatur/Wesenhaftigkeit (Svabhavata). Sie sind selbst-los.
Der Sangha, wörtlich »Menge«/»Schar«, ist die (buddhistische) spirituelle Gemeinschaft.
Die Vermeidung der beiden geschilderten Extreme entspricht der Lehre (des historischen Buddha) vom »Mittleren Weg«, Madhyama-Pratipad: Sie beinhaltet die Vermeidung aller Extreme, etwa die Vermeidung von leiblich-sinnlichen Genüssen einerseits und von Askese oder Selbstkasteiung andererseits: und auf philosophischer Ebene die Vermeidung eines ontologischen Realismus (der Konzeption der inhärenten Existenz/Seinsweise der Phänomene) einerseits und eines ontologischen Nihilismus (der Konzeption des gänzlich illusionären Charakters oder der Nicht-Existenz der Phänomene) andererseits. – Davon zu unterscheiden ist der »Mittlere Weg«, Madhyamaka, der Schule des Mittleren Weges. Siehe Anm. 93.
»Zwietracht stiften« – die fünfte der zehn unheilvollen Handlungen (siehe S. 36f.). – Im Sangha/der spirituellen Gemeinschaft Zwietracht zu stiften ist das fünfte der fünf »unaufbörlichen« Vergehen: Diese führen nach dem Tode zur unmittelbaren Wiedergeburt in der untersten der acht heißen Höllen, der »Unaufhörlichen Hölle«, der Avici-Hölle. Die Sühnezeit dauert dort ein »Kleines Weltzeitalter«.
Die vier großen Schulen des tibetischen Buddhismus sind: (1) Die Nyingmapas (Nyingmapa: wörtlich »die Schule der Alten«); sie beziehen sich auf die ältesten buddhistischen Überlieferungen, die von Padmasambhava (8. Jh. n. Chr.) und den Mönchen Vimalamitra und Vairochana von Indien nach Tibet gebracht wurden. (2) Die Sakyapas (benannt nach dem 1073 gegründeten Kloster Sakya, wörtlich »graue Erde«); sie waren um eine systematische Erfassung und Ordnung der Tantras/tantrischen Schriften (siehe Anm. 22) bemüht und befaßten sich auch intensiv mit Fragen buddhistischer Logik; ihre spezielle Lehre ist das Hevajra-Tantra und, in Verbindung damit, eine Variante des Vajrayana (siehe Anm. 11) namens »Weg und Frucht« oder »Weg und Ziel«, tibet.: Lamdre. (3) Die Kagyüpas (siehe Anm. 38). (4) Die Gelugpas (siehe Anm. 31).
Freigebigkeit basiert auf der zweiten der zehn heilsamen Handlungen (siehe S. 27) und ist die erste der sechs Vollkommenheiten (siehe Anm. 15).
In manchen buddhistischen Texten werden »Haß« und »Wut« weitgehend synonym gebraucht.
Siehe Anm. 1.
Vgl. Anm. 57.
Ein Bodhisattva verzichtet so lange auf vollständiges Nirvana, die endgültige Befreiung aus Samsara (siehe Anm. 13), bis alle empfindenden Wesen befreit sind. Vgl. auch das »Gebet« (von Shantideva), S. 238.
Ein Synonym für den Buddha.
Die Buddhanatur oder »Buddha-Essenz«, Thatagata-Garba, wörtlich »Essenz/Keim des Tathagata« oder »den Tathagata (d. h. den Buddha) in sich enthaltend«. Ein Tathagata, wörtlich »ein so Dahingelangter/so Gekommener-Nollendeter«, ist auf dem Weg des Dharma zur höchsten Erleuchtung gelangt; und die Bezeichnung »Thatagata« ist einer der zehn Titel für einen Buddha. Der historische Buddha hat sich und andere Buddhas so bezeichnet.
Siehe Anm. 41.
Siehe Anm. 18.
Siehe Anm. 30.
D. h., jedem empfindenden Wesen wohnt das »klare Licht«, der »Geistgrund« (siehe Anm. 24) inne und mit ihm die keimhaft angelegte Buddhanatur oder »Buddha-Essenz« (siehe Anm. 88)
Die (philosophische) Anschauung der Vertreter des »Mittleren Weges «/Madhyamaka, der Madhyamikas. Die Madhyamaka-Schule gliedert sich in zwei Unterschulen, die Svatantrikas und die Prasangikas, wörtlich »diejenigen, die Folgerungen benutzen«. Das Pransangika oder die Konsequente Schule des Mittleren Weges gilt als das höchste Lehrsystem innerhalb des tibetischen Buddhismus. Die wichtigsten Lehrer des Prasangika sind neben Nagarjuna (2.13. Jh.), dem Begründer der Schule des Mittleren Weges, Aryadeva, Buddhapalita, Chandrakirti, Shantideva und Atisha. Von der Schule des Mittleren Weges ist der »Mittlere Weg«, Madhyama-Pratipad, des historischen Buddha zu unterscheiden (siehe Anm. 79). Nagarjuna, der wichtigste und tiefgründigste der Madhyamikas, verstand sich in erster Linie als Interpret und Kommentator ebendieses überlieferten philosophischen Ansatzes.
Enthalten sind diese in den 547 Jatakas, wörtlich »Geburtsgeschichten«, einem Teil des Sutra-Pitaka. Dieses wiederum gehört zum »Dreikorb« (Tripitaka) der kanonischen buddhistischen Schriften, bestehend aus Vinaya-Pitaka (dem »Korb der Disziplin«, den ältesten Teilen des Kanons), Sutra-Pitaka (dem »Korb der Schriften« mit den eigentlichen Lehrreden Buddhas) und Abhidharma-Pitaka (dem »Korb der besonderen Lehre«, einem Kompendium buddhistischer Philosophie und Psychologie). Die Jatakas berichten von früheren Existenzen des historischen Buddha sowie seiner Anhänger und Feinde.
Veda, wörtlich »Wissen«, ist der (Sammel-)Name der ältesten heiligen Schriften der Inder; die frühesten Veden/Vedas sind etwa um 1250 v. Chr. entstanden. Zum Veda zählen auch die berühmten Upanischaden (Upanishad bedeutet wörtlich »Sitzung«/»vertrauliche Belehrung «), eine Gattung theologisch-philosophischer Texte von unterschiedlicher Relevanz und historischer Datierung.
Siehe Anm. 15.
Indra ist der altindische (mit Zeus/Jupiter oder dem germanischen Thor vergleichbare) Gewittergott, der König der vedischen Götter (siehe Anm. 95).
Siehe Anm. 10.
Diese Motivation ist charakteristisch für die Arhats, wörtlich die »Würdigen« oder (nach tibet. Etymologie) »Feindzerstörer«, die die Feinde im eigenen Geist, die störenden Gemütsbewegungen, überwunden haben, und andererseits die Pratyeka-Buddhas, wörtlich die » Einsamen Verwirklicher«/»Einsam-Erwachten«, die die Erleuchtung nur für sich und ganz allein aus sich selbst erreicht haben. – Im Mahayana-Buddhismus entspricht die Arhat-Stufe der vierten und höchsten Verwirklichungsstufe der Shravakas, wörtlich »Hörer«: Diese erlangen die persönliche Erleuchtung nur durch das Hören der Lehre.
Die Kombination von »besonderer Einsicht«, Vipashyana (d. h. der analytisch vorgehenden Einsicht in Leerheit, die wahre Natur aller Phänomene), und »ruhigem Verweilen«, Shamata, ist die Voraussetzung für die nicht-analytische Sammlung, Samadhi (siehe auch Anm. 46). Vipashyana und Shamata sind die beiden wesentlichen Faktoren für das Erlangen von Erleuchtung, Bodhi.
Das Kalachakra, wörtlich »Rad der Zeit«, ist das jüngste und vielschichtigste buddhistische Tantra (siehe Anm. 22) aus dem 10. Jh., dessen ursprünglicher Verfasser der (mythische) König Suchandra sein soll, Herrscher des mythischen Königreiches Shambala (aus dem, dem Mythos gemäß, dereinst die kosmischen Retter der Menschheit kommen werden). Kosmologie, Astronomie und Zeitrechnung spielen in der Kalachakra-Lehre eine zentrale Rolle; die Einführung des Kalachakra-Tantra (1027 n. Chr.) gilt als Basis des tibetischen Kalenders. Andererseits lehrt das Kalachakra-Tantra die (von dem/der Praktizierenden erfahrbaren) feinstoffiichen (Energie-)Strukturen des Körpers (vgl. auch Anm. 49) und einen spezifischen Gottheiten-Yoga (siehe Anm. 50). Die gleichnamige viergesichtige und vierundzwanzigarmige Gottheit steht im Mittelpunkt der Kalachakra-Initiation und des Kalachakra-Mantra bzw. -Mandala (siehe Anm. 64 bzw. 58).
Der/die Praktizierende des Höchsten Yoga-Tantra stützt sich in seiner/ihrer Praxis auf keinerlei äußere Handlungen. Er/sie gelangt auf der Vollendungsstufe des Höchsten Yoga-Tantra zur vollen inneren Verwirklichung des »Formkörpers« und nicht-begrifflichen »Wahrheitskörpers« eines Buddha (siehe Anm. 60), d. h. zur »Vollendung« des Gottheiten-Yoga, der – in unauflöslicher Verbindung mit dem Leerheits-Yoga – in allen vier Tantraklassen geübt wird. Siehe auch Anm. 50.
Siehe Anm. 24.
Siehe Anm. 17.
Siehe Anm. 6.
Als primordiale (wörtlich »uranfangliche«/»von erster Ordnung seiende «) Qualitäten des »Geistgrundes«/»Grundbewußtseins« (siehe Anm. 24) existieren sie seit anfangsloser Zeit und bis zur Buddhaschaft.
Das Abhidharmakosha, »Schatzhaus des Höheren Wissens«, ist das Grundlagenwerk des Abhidharma (wörtlich »besondere Lehre«) von Vasubandhu (4. oder 5. Jh. n. Chr.), einem Mitbegründer der »Nur-Geist«-(Chittamatra-)Schule des Mahayana-Buddhismus.
Das Abhidharmasamuccaya ist das Hauptwerk des Mahayana-Abhidharma (wörtlich »besondere Lehre«) vonAsanga (4. Jh. n. Chr.), dem Bruder Vasubandhus und Mitbegründer der »Nur-Geist«-(Chittamatra-)Schule des Mahayana-Buddhismus.
Siehe Anm. 22.
Die Soheit, Tathata, ist einer der zentralen Begriffe des Mahayana-Buddhismus. Er bezeichnet das wahre So-Sein der Dinge und damit das innerste Wesen der Wirklichkeit. Daher ist er letztlich gleichbedeutend mit der» Essenz des Thatagata« (siehe Anm. 88) sowie mit der Buddhanatur und dem »Wahrheitskörper«/Dharmakaya (siehe Anm. 60).
Der in seiner philosophischen Grundorientierung dem »Mittleren Weg« (siehe Anm. 93) verpflichtete Kommentator des Ashta-sahariska-Prajnaparamita (Sutra über die »Befreiende Weisheit in 8000 Versen«, des ältesten Mahayana-Texts überhaupt (aus dem 1. Jh. v. Chr.), sowie des Abhisamayalankara (»Schmuck der klaren Erkenntnis«) von Maitreyanatha (ca. 270–350), dem Begründer der »Nur-Geist«-(Chittamatra)-Schule.
Siehe Anm. 17.
D. h. »konventionell« im Sinne der doppelten oder zweistufigen Wahrheit (Satyadvaya), einer zentralen Vorstellung im Mahayana-Buddhismus: Die konventionelle oder »verhüllte« Wahrheit (Samvriti Satya) betrifft die alltäglich-empirische, »phänomenale« Existenz von Dingen/Personen/Gegebenheiten: sie erscheinen als wahrhaft/inhärent existierend, als unteilbare/ganzheitliche und aus sich heraus bestehende Größen. Daß sie in diesem Sinn lediglich aufgrund gedanklich-begrifflicher »Festlegung« und somit nur »konventionell« existieren, entspricht der letztgültigen oder höchsten Wahrheit (Paramartha Satya), die sich auf die eigentliche Bestehensweise alles empirisch Gegebenen bezieht – auf sein Leersein von inhärenter Existenz. Die konventionelle Wahrheit ist demnach als erkannte Wahrheit von der letztgültigen Wahrheit, d. h. von der Weisheit (des Mahayana), die die Leerheit realisiert, untrennbar.
Siehe Anm. 60.
Weisheit ist die sechste Vollkommenheit (siehe Anm. 15).
Siehe Anm. 77.
Vgl. Anm. 74.
Siehe Anm. 113.
Gemeint ist das Energie-Chakra in der Herzgegend. Vgl. Anm. 49.
Dieser Band der Bibliothek Tibets wurde von folgendem Team ins Englische übersetzt und herausgegeben: von Ehrwürden Geshe[1] Lobsang Jordhen, einem Absolventen des Instituts für buddhistische Dialektik, Dharamsala, der seit 1989 für Seine Heiligkeit den Dalai Lama[2] als ordensgeistlicher Assistent und persönlicher Übersetzer tätig ist; von Lobsang Chophel Gangchenpa, der ebenfalls am Institut für buddhistische Dialektik studiert hat und seit über zehn Jahren als buddhistischer Übersetzer arbeitet – zunächst an der Bibliothek tibetischer Werke und Archive in Dharamsala und später in Australien; und von Jeremy Russell, dem Chefredakteur der Zeitschrift Chö-Yang, die Stimme tibetischer Religion und Kultur, die vom Ministerium für religiöse und kulturelle Angelegenheiten der tibetischen Exilregierung publiziert wird.
Ich biete diese Unterweisungen für jene an, die nicht viel Zeit oder Gelegenheit zu umfassendem Studium haben. Ich habe nichts zu sagen, was nicht schon zuvor gesagt wurde. Lesen Sie also dieses Buch nicht einfach, um neue Erkenntnisse zu gewinnen, sondern versuchen Sie meine Erläuterungen zur Umwandlung Ihres Geistes zu nutzen. Es reicht einfach nicht aus, etwas schon zuvor gehört oder gelesen zu haben; Sie sollten sich wiederholt bemühen, es in Ihrer spirituellen Praxis anzuwenden, denn nur dann werden Ihnen diese Unterweisungen wirklich nützen.
Der Buddha selbst sagte: »Begeht keinerlei Missetaten; sammelt alle vorzüglichen Eigenschaften an; wandelt euren Geist vollständig um – das ist die Lehre des Buddha.« Wir sollten seinen Rat befolgen, weil dem innersten Empfinden nach keiner von uns Leid will; wir alle wollen Glück. Leid ist das Ergebnis irriger und negativer, Glück hingegen ist das Ergebnis positiver Handlungen. Negativität können wir jedoch nicht durch positives Handeln ersetzen, indem wir bloß unser körperliches oder verbales Verhalten ändern. Dies erfordert eine Umwandlung des Geistes.
Wir gehen im Leben auf intelligente Art an die Dinge heran, indem wir uns Ziele setzen und dann ausfindig machen, ob diese auch realisierbar sind. In der buddhistischen Praxis besteht unser Ziel darin, Nirvana und den Zustand von Buddhaschaft zu erlangen. Als Menschen besitzen wir glücklicherweise die Fähigkeit, diese Ziele zu erreichen. Der Erleuchtungszustand, nach dem wir streben, ist die Befreiung von der Last störender Emotionen. Die eigentliche Natur des Geistes ist rein; die störenden Emotionen. die ihn plagen. sind nur vorübergehende Mängel. Wir können jedoch negative Emotionen nicht beseitigen, indem wir bestimmte Gehirnzellen entfernen. Selbst die fortgeschrittenste Operationstechnik kann diese Aufgabe nicht leisten. Das läßt sich nur durch eine Umwandlung des Geistes erreichen.
Der Buddhismus lehrt, der Geist sei die Hauptursache für unsere Wiedergeburt im Existenzkreislauf. Aber der Geist ist auch der Hauptfaktor, der uns die Befreiung aus diesem Geburts- und Todeskreislauf ermöglicht – indem wir die negativen Gedanken und Emotionen eindämmen und die positiven fördern und entwickeln. Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß diese Aufgabe Jahre der Ausdauer und harten Arbeit erfordert. Wir können keine sofortigen Ergebnisse erwarten. Denken Sie an all die großen Meister der Vergangenheit. Auf ihrer Suche nach spiritueller Verwirklichung nahmen sie bereitwillig ungeheure Entbehrungen auf sich. Die Geschichte von Buddha Shakyamuni[3] ist dafür eines der besten Beispiele.
Motiviert durch das Mitgefühl mit allen empfindenden Wesen, wurde Buddha Shakyamuni vor mehr als 2500 Jahren in Indien geboren. Er kam als Prinz zur Welt. Schon als Kind war er hinsichtlich seines Wissens wie auch seines Mitgefühls innerlich reif. Er erkannte, daß wir alle von Natur aus Glück wollen und nicht leiden möchten. Leid kommt nicht immer nur von außen. Es ist nicht nur mit Problemen wie Hungersnot und Dürre verbunden. Wäre dies der Fall, dann könnten wir uns vor Leid schützen, indem wir beispielsweise Nahrungsvorräte anlegen. Aber Leiden wie Krankheit, Altern und Tod sind Probleme, die mit dem eigentlichen Wesen unserer Existenz verknüpft sind, und wir können sie nicht durch äußere Bedingungen bewältigen. Und was noch wichtiger ist: Wir haben diesen ungezähmten Geist in uns, der für alle möglichen Probleme anfällig ist. Er wird von negativen Gedanken wie etwa Zweifel und Wut geplagt. Solange unser Geist von dieser Vielzahl negativer Gedanken heimgesucht wird, wird er unsere Probleme nicht lösen, auch wenn wir weiche, bequeme Kleidung besitzen und köstliche Nahrung zu essen haben.
Buddha Shakyamuni sah all diese Probleme, und er sann über das Wesen seiner eigenen Existenz nach. Er stellte fest, daß alle Menschen Leid erdulden, und er erkannte, daß wir dieses Elend aufgrund unseres undisziplinierten Geisteszustands erfahren. Er erkannte, daß unser Geist so ungestüm ist, daß wir oft nachts nicht einmal schlafen können. Angesichts dieser Vielzahl von Leiden und Problemen war er weise genug, nach einer Methode zur Bewältigung dieser Probleme zu fragen.
Er kam zu dem Schluß, ein Leben als Prinz in einem Palast biete keinerlei Möglichkeit, Leid zu beseitigen. Es war allenfalls ein Hindernis. Darum gab er alle Annehmlichkeiten des Palastes auf, einschließlich der Gesellschaft seiner Frau und seines Sohnes, und begann das hauslose Leben.[4] Im Verlauf seiner Suche fragte er viele Lehrer um Rat und hörte ihre Unterweisungen. Er fand, daß ihre Lehren von einigem Nutzen waren, aber sie verhalfen nicht zu einer endgültigen Lösung des Problems – Leid zu beseitigen. Sechs Jahre lang unterzog er sich strenger Askese. Indem er sämtliche Annehmlichkeiten aufgab, die er als Prinz genossen hatte, und sich strenger asketischer Übung widmete, konnte er sein meditatives Verständnis stärken. Unter dem Bodhi-Baum[5] sitzend, überwand er die hinderlichen Kräfte und erlangte Erleuchtung. Später gab er Unterweisungen, auf der Grundlage eigener Erfahrung und Verwirklichung begann er das Rad der Lehre zu drehen.[6]
Wenn wir über den Buddha reden, reden wir nicht über jemanden, der von Anfang an ein Buddha war. Er begann genauso wie wir. Er war ein gewöhnliches empfindendes Wesen, mußte die gleichen Leiden mit ansehen wie wir: Geburt, Alter, Krankheit und Tod. Er hatte allerlei Gedanken und Gefühle, Empfindungen von Glück und von Schmerz, geradeso wie wir. Aber infolge seiner starken und ausgeglichenen spirituellen Praxis erreichte er die verschiedenen Stufen des spirituellen Weges zur Erleuchtung.
Wir sollten uns sein Beispiel vor Augen halten. Wir haben dieses Leben als freie und von Glück begünstigte Menschen begonnen, und wir sind zwar vielfältigen Leiden unterworfen, aber wir besitzen menschliche Intelligenz. Wir verfügen über Unterscheidungsfähigkeit. Wir sind auf die unermeßlich tiefgründige Lehre des Buddha gestoßen, und – was noch wichtiger ist – wir haben die Fähigkeit, sie zu begreifen. Seit Buddha Shakyamunis Zeit bis heute haben buddhistische Praktizierende sich von ihm und späteren erhabenen Lehrern inspirieren lassen.
Wir sind zwar als gewöhnliche Menschen geboren. Dennoch müssen wir, bevor wir sterben, diese kostbare Gelegenheit zur unerschütterlichen Verwirklichung des Dharma, der Lehren des Buddha, zu nutzen versuchen. Können wir dies tun, dann werden wir uns vor dem Tod nicht fürchten müssen. Ein guter Dharma-Schüler kann ohne Bedauern friedvoll sterben, weil sein oder ihr menschliches Potential voll verwirklicht ist. Wenn wir hingegen als Menschen unfähig sind, eine positive Prägung in unserem Geist zu hinterlassen, und nur negative Handlungen ansammeln, wird unser menschliches Potential am Ende wirkungslos vertan sein. Wer für den Schmerz und die Vernichtung von Menschen und anderen empfindenden Wesen verantwortlich ist, gleicht mehr einer bösen Macht als einem menschlichen Wesen. Machen Sie daher aus diesem menschlichen Leben etwas Lohnendes und nicht etwas Zerstörerisches.