Wolf Schneider

Mythos Titanic

Das Protokoll der Katastrophe - drei Stunden, die die Welt erschütterten

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

WARUM DIESES BUCH GESCHRIEBEN WURDE

23.39 BIS 23.45 UHR

EIN PALASTHOTEL WIRD AUFGESCHLITZT

23.50 BIS 0.15 UHR

DAS TODESURTEIL IST GEFÄLLT

0.15 BIS 0.45 UHR

«WARUM BENIMMT SICH DIESES SCHIFF SO ALBERN

0.50 BIS 0.55 UHR

DIE RETTER SIND NAHABER SIE SCHLAFEN

1.00 BIS 1.40 UHR

DIE LETZTE NOTRAKETE ZISCHT IN DEN HIMMEL

1.45 BIS 2.07 UHR

DIE MILLIARDÄRE WERDEN ABGEWIESEN

2.07 BIS 2.19 UHR

DAS SCHIFF STELLT SICH AUF DEN KOPF

2.20 BIS 2.30 UHR

CHORÄLE GEGEN TODESSCHREIE

1912 BIS 1986

EIN SPUKSCHLOSS AUF DEM MEERESGRUND

BILDNACHWEIS

Er ist als die größte Blamage, die die Technik je erlitten hat, zum Mythos geworden: der Untergang der Titanic vor hundert Jahren. Mit ihr versank der hemmungslose Fortschrittsglaube der modernen Menschheit. Sie war das größte Schiff der Welt, erbaut auf der Werft Harland & Wolff in Belfast, zur Jungfernfahrt ausgelaufen am 10. April 1912, untergegangen am 15. April, Rauminhalt: 46 328 BRT, Wasserverdrängung 60 000 Tonnen, Länge 269 m, Breite 28 m, Geschwindigkeit: 22 Knoten (41 km/​h). Für 1490 Menschen wurde sie zum Sarg.

Exakt nach den Protokollen der Überlebenden, ohne Ausschmückung und frei von Legenden hat Wolf Schneider in einem atemberaubenden Bericht die dramatischen letzten drei Stunden der Titanic im Minutentakt nacherzählt. Der Text dieses Buches ist ein Klassiker der Titanic-Literatur und schon einmal als Stern-Buch erschienen. Er wurde vom Autor aktualisiert, die reichhaltige lllustrierung wurde für diesen Band neu besorgt und vom Autor mit neuen Texten versehen.

«Wenn du nicht aufhörst, durch dieses Loch in deiner Visage zu quatschen, dann haben wir bald einen weniger im Boot.» Das ist ein starker Satz, zumal da er in einem der Rettungsboote der Titanic gesprochen worden ist, von einem Steward zu einem Matrosen, der ihm einen Befehl erteilen wollte; und ein starker Satz erst recht, wenn eine gehbehinderte Dame mit einem Herrensitz im Staat New York und einer ständigen Suite im Waldorf-Astoria-Hotel ihn empört zitiert, weil sie als Überlebende nach dem Hergang der Katastrophe befragt wird.

Zu lesen, was diese Dame in der Nussschale ihres Rettungsboots erlebte an jenem schrecklichen 15. April 1912, ihre Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des amerikanischen Senats im englischen Original zu lesen und hundert solcher Episoden mehr in den 1200 Seiten, die das Protokoll umfasst: Das war für mich, nach der Lektüre von zwei Dutzend Büchern aus zweiter Hand, wie ein Hinabtauchen zu dem geschundenen Wrack – ja noch faszinierender, weil hier die Toten noch sprechen, weil der Atem jener eisigen Nacht einem heiß entgegenschlägt.

Zu der Faszination kam ein Erstaunen: Wie ist es möglich, dass man in zwei Dutzend Büchern den Satz mit dem Loch in der Visage und hundert weitere atemraubende Details aus dem Protokoll und den anderen Berichten der Überlebenden nie gelesen hat? Das ermutigte mich, über die Titanic doch noch ein Buch zu schreiben – strikt nach den Quellen, weil sie von keiner Phantasie übertroffen werden können; energisch gegen die berühmten Legenden wie die, die Titanic habe einen Geschwindigkeitsrekord aufstellen wollen, und der Kapitän habe die Passagiere der dritten Klasse mutwillig ersaufen lassen; erst recht gegen die oft albernen Erfindungen, von denen es in Romanen und der Mehrzahl der Verfilmungen wimmelt.

Auch las man bisher nirgends, welcher Sicherheitsfanatiker ausgerechnet der legendäre Milliardär John Jacob Astor war: Sechs Rettungsboote und vier Schnellfeuergeschütze hatte er auf seiner Privatyacht installiert, und mit der Titanic ging er unter. So wenig wie man über die menschlichen Hintergründe las oder über das Zeitklima zwei Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs: Da gab es jene angelsächsische Herrenkaste, die ihre Pferde bedeutend besser behandelte als ihre Diener, wie die amerikanische Historikerin Barbara Tuchman schreibt – und deren Angehörige unter den Passagieren der Titanic dennoch mit stoischer Ruhe zusahen, wie ihre Dienstboten gerettet wurden und sie selber nicht.

Kurz: Zu entdecken gab es vieles, und irgendetwas zu erfinden lohnte sich nicht – so unglaublich ist das, was in jener Schreckensnacht des Jahres 1912 wirklich geschah.

Mythen haben die Katastrophe überwuchert.

Ein bisschen lieben wir alle das versunkene Riesenschiff. Was Goethe 1787 über den Untergang von Pompeji schrieb, hätte er auch über den Untergang der Titanic schreiben können: «Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachfahren so viel Freude gemacht hätte.»

 

Wolf Schneider