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Fußnoten

www.tabea-fachklinik.de/kliniken/hamburg/media/dateien/arztprofile/profil_gauck.pdf.

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Juliano Mer Khamis wurde am 4. April 2011 von einem maskierten Täter vor seinem Theater erschossen.

Leo Lania

(Zu moderne Zeiten)

1 Raketen nach Ratingen! / Über alltäglichen Terror

Zwischen 18 Uhr 30 und 19 Uhr bekomme ich immer Anrufe. Am Mittwoch waren es drei. Beim ersten nannte eine männliche Stimme irgendeine Abkürzung, in welchem Auftrag sie anrufe, und dann fragte die Stimme:

»Führen Sie einen Single-Haushalt?«

»Wollen Sie wissen, ob ich Single bin?«, fragte ich.

»Nein«, sagte die Stimme, »ich will wissen, wie Ihr Reinigungsverhalten ist!«

»Reinigen denn Singles anders als Paare?«, fragte ich.

»Paare waschen mehr! Bei Ihnen wäre die Trockenreinigung sinnvoller, weil die Intervalle zwischen den Waschgängen größer sind!«

Beim nächsten Anruf gratulierte mir eine weibliche Computerstimme aus 40822 Ratingen zur BARGELDNOMINIERUNG OHNE HAKEN, ich bräuchte nur die Taste 1 plus die Sternchentaste zu drücken, um die »Gewinnübergabe« vornehmen zu lassen, die Freischaltung zur Gewinnübergabe berechne man mit einem Verbindungsentgelt von 1,99 Euro pro Minute usw., was »bequem« über die Telefonrechnung abgerechnet werde. Die Stimme sagte wirklich »bequem«. Welche Tasten man noch drücken sollte: die 5 plus Sternchen, dann die 2 plus Raute, wieder die 5 plus Sternchen, endgültige Freischaltung mit zusätzlicher SACHPREISOPTION, dann folgte Musik, Musik …

Zwischendurch bekam ich eine SMS: »Ich bin hier unter meiner Schmusedecke. Kommste? Hast du ihn schon in der Hand? ILONA freut sich auf dich. (1, 86 EUR/MIN

Am Festnetz fragte die Computerstimme aus Ratingen, ob man sich für Auto und Wirtschaft (1 plus Raute), Freizeit und Reisen (2 plus Sternchen), Computer und Mobilfunk (3 plus Raute) oder Wellness und Lifestyle (4 plus Sternchen) interessiere. Musik, Musik …

Als ich auflegte, rief eine Frau von der Forschungsgruppe »Allergie in Deutschland« an, ob ich wüsste, dass sich Allergien vermeiden ließen, wenn im Haushalt Hygiene mit Tiefenreinigung herrsche.

Ich fragte: »Haben Sie was mit der Trockenreinigung von vorhin am Hut?«

Habe sie nicht, versicherte die Frau.

»Mit ILONA?!«

Ilona kenne sie nicht, sagte sie.

Jedes Jahr gibt es schätzungsweise 328 Millionen solcher Anrufe. 328 Millionen! Wenn da nur jeder Hundertste auf die 1 plus Sternchentaste drückt! Wir sind vermutlich eine völlig tiefen- und trockengereinigte Republik, in der überall abgezockte Telefonopfer umherlaufen, denen der Innenminister oder der Verbraucherschutz keine Abwehrsysteme und Bundestrojaner zur Verfügung gestellt haben, obwohl die EU-Datenschutzrichtlinien eigentlich eine größere Gegenwehr des Gesetzgebers gegen diesen Telefonterror verlangen!

Der Soziologe Wolfgang Sofsky schreibt in seinem Buch »Die Verteidigung des Privaten«, dass man dem »Ruin der Freiheit« mit allen Mitteln sofort entgegentreten müsse. Das kann man wohl sagen, am besten mit Online-Durchsuchung, GSG-9-Einsätzen in Callcentern und Raketen nach Ratingen.

Und wenn jetzt nichts geschieht, habe ich mir gedacht, dann rede ich mal mit ILONA. Ich kenne ja ein paar Handynummern von Politikern. Danach sind die reif für die Trockenreinigung.

Ich bin Migrationskunde! – Ich möchte endlich ein sozialistisches Handy mit einem kommunistischen Mobiltarif! / Über die Tücken des Internets

Manchmal sehe ich sie noch im Fernsehen, diese Frau: Groß, schlank, sehr schön, und immer zieht sie tanzend rote Bänder hinter sich her, die sich dann zu einer Schleife vor der Frau verdichten, so als wollte sie sich selbst verschenken. Früher habe ich die Frau sogar auf dem neobarocken Charlottenburger Tor der Straße des 17. Juni gesehen: ungefähr 25 Meter groß, die Beine allein waren bestimmt 15 Meter lang. »Mein ein und Alice« stand da sehr originell in Höhe der Waden, sie warb fürs Surfen im Internet. Ich bin dann durchs barocke Tor durchgefahren und habe an diesen Schlager gedacht: »Auf Wiedersehen, mein schönes Mädchen«, ladda, ladda, ladada dada, so geht, glaube ich, der berühmte Refrain, Henry Valentino.

Ein paar Wochen später habe ich dann in meine Kontoauszüge geguckt: 341, 45 Euro Lastschrifteinzug AOL. Ich rief bei »AOL Deutschland« an und fragte, was das bitte soll, und dann hieß es, dass sei ALICE.

Ich sagte: »Die mit den langen Beinen?«

»Ja«, antwortete die AOL-Kundenberaterin. »Genau die!«, ich hörte sogar einen fast vorwurfsvollen Unterton heraus, so als stünde ich eigentlich der Kundenberaterin nahe, hätte aber ein Techtelmechtel mit ALICE.

 

»Entschuldigung«, sagte ich, »mir wurden 341,45 Euro abgebucht, das Problem habe doch ich! Und abgebucht hat es AOL DEUTSCHLAND

»Aha«, sagte ich, MIGRATIONSKUNDE, so ein irres Wort habe ich noch nie gehört! Wo kann ich bitte kündigen?«

»Keine Ahnung«, sagte sie, »bei uns nicht, wir sind nicht mehr zuständig, aber ALICE betreut Sie noch nicht, da können Sie erst im Dezember kündigen.«

»Habe ich das richtig verstanden?«, fragte ich, »ich bin MIGRATIONSKUNDE, weil ich mich für 1, 5 Cent pro Minute bis Dezember always on im Bermuda-Dreieck zwischen AOL, ALICE und HanseNet befinde??«

»So kann man das sagen«, erklärte die Beraterin.

»Das ist ja grotesk!«, erklärte ich.

Ich rief sofort bei der T-Com an: »Guten Tag, ich bin woanders Migrationskunde und möchte schnell zu T-Com, bitte ein DSL-Anschluss ohne ALWAYS ON, weil das bedeutet ALWAYS PAY

»Haben Sie doch schon seit zwei Jahren, Call & Surf Basic two«, sagte der T-Com-Berater. Scheiße, dachte ich, wusste ich gar nicht, »dann brauche ich unbedingt die Zugangsdaten für meinen Router, damit man das umstellen kann, ich bin nämlich bei ALICE, dieser Schlampe.«

»Sie sind im T-Com-Kundenservice, Zugangsdaten gibt’s nur bei der Bestell-Hotline.«

Dort hieß es: »Bei uns gibt’s alles außer Zugangsdaten

Ich schwöre, wenn man da anruft, dann geht danach das Telefon nicht mehr.

Ich weiß nicht mehr, ob wir die Welt noch verstehen, und ob diejenigen, die sie mit ihren grauenvollen Übernahmen, globalen Fusionen und intransparenten Always-on-Machenschaften behelligen, sie selbst überhaupt verstehen. So geht es auf jeden Fall nicht weiter, das ist ja so, als hätte sich der Kapitalismus mit dem Kommunismus zusammengetan, und jetzt sitzt man da mit lauter Raubtieren, die nicht zuständig sind.

Vielleicht sollten wir uns alle auf Kuba treffen und noch einmal grundsätzlich reden. Bis dahin muss ich einfach sämtliche Stecker rausziehen.

 

PS: Als ich später zu O2 wechselte, die mit dem blauen Himmel, passierte dies: Ich bekam einen O2-Anruf, ob ich nicht mit ALICE ins Internet wolle?

»Was haben Sie denn bitte mit ALICE zu tun??«, fragte ich panisch.

»Ja, das ist so«, sagte die O2-Stimme, »die Telefónica hat jetzt die HanseNet gekauft und deren Mobilfunktochter ALICE mit O2 verschmolzen.«

Das ist fast wie Stalking. Zwei Stunden später hatte ich ein Drama-Seminar an der Uni, und mitten in meine Ausführungen zum Katharsis-Begriff bei Aristoteles kamen Monster in den Raum gelaufen, dann folgten Frauen mit himmelblauen O2-T-Shirts, angeblich im Kampf gegen »Monstertarife«. Die eine O2-Frau stellte sich sogar guerillamarketinggerecht vor die Studenten und sprach statt von Aristoteles von Alice, ihrer neuen Tochter.

Wenn die Wolke Daten speichert / Über die Zukunft unseres Wissens

Cloud Computing! Ich dachte zuerst, das sei ein Witz. »Datenverarbeitung in einer Wolke«, hat ein Freund mir erklärt, nachdem ich ihm von meinen Sorgen mit dem iPhone 4 berichtet hatte.

»In einer Wolke?? Mein altes und mein neues Handy schaffen es ja nicht mal, ihre Daten miteinander zu verbinden oder zu verarbeiten, wie soll das denn in einer Wolke gehen?«

Mein ganzer Bekanntenkreis ist nämlich weg. Die Kontakte werden einfach übertragen, heißt es so schön bei der Kundenberatung im Mobil-Shop. Und dann sind nach dem Kauf und der Datenübertragung ausgerechnet nur die Kontakte auf dem neuen Handy, die man gar nicht braucht und von denen man sich sowieso schon längst hätte trennen müssen. Aber die anderen, die tollen Kontakte, die sind jetzt alle in dem alten Handy oder auf der alten Sim-Karte, und die neue Mini-Apple-Sim-Karte, die passt schon gar nicht mehr in das alte Handy.

»Das ist doch Wahnsinn, bei jedem neuen Handy und dieser bescheuerten Datenübertragung ändert sich mein Leben!«, sagte ich.

»Aber Cloud Computing«, fing der Freund wieder an. »Warte«, rief ich, »ich bin noch nicht fertig mit meinem iPhone-Wahnsinn! Wenn sich meine Bekannten nicht von selbst bei mir melden, sehe ich die nämlich nie wieder! Ich habe versucht, die neue Mini-Sim-Karte mit so einem Scheiß-Plastik-Adapter in das alte Handy zu kriegen, aber

»Das wird dir nun nicht mehr passieren«, sagte der Freund. »Wegen Cloud Computing!« Bald nämlich würden wir unsere Daten gar nicht mehr bei uns in den Elektrotrümmern haben, sondern in irgendeinem Rechenzentrum im Internet.

»Also, das ist gar keine richtige Wolke?«, fragte ich.

»Nein, aber theoretisch könnte das Rechenzentrum in Timbuktu stehen, und du mietest dann da online Platz für deine Daten und kannst immer ran.«

»Und wenn der Strom ausfällt? Wie komm ich dann an meine Daten??«

»Keine Ahnung, vielleicht wird die Wolke dann mit Diesel betrieben.«

Das ist total irre. Die Handy-Industrie schafft es nicht einmal, zuverlässig Kontaktdaten von einem Handy auf das andere zu übertragen, und ich soll am Ende meine Romanfassungen und Kontoführungen in Timbuktu in einer Wolke abspeichern? Und wenn dann der Strom weg ist, brauche ich Diesel, um meine Liebesbriefe zu überarbeiten?

Kürzlich stand ich im Museum vor dem handschriftlichen Original von Mozarts »Die Hochzeit des Figaro«. Was wäre denn gewesen, wenn er die Oper in einer Wolke abgespeichert hätte? Was wird überhaupt von unseren Werken und Gedanken bleiben, wenn sie mit jedem neuen Rechner in alten, stillgelegten Computergehäusen festsitzen und wir vielleicht nicht einmal mehr ein passendes Kabel haben, um sie aufzurufen?

Ich stelle mir vor, wie die Menschen der Zukunft vor unseren unsinnlichen Wolken und Rechenzentren stehen und mit den Schultern zucken. Und keiner wird mehr die Gabe haben, uns zu restaurieren.

4 All unsere schönen Daten / Über Facebook

In Samuel Becketts Stück »Das letzte Band« wühlt der 69-jährige Schriftsteller Krapp in den Schubladen seiner Vergangenheit; er öffnet Schachteln mit Tonbändern, die vor vielen Jahren von ihm besprochen wurden, und er hält sein Ohr an das Abspielgerät, um sich zu erinnern. »Mein Gott … ah! Das kleine Luder«, dann hält er sich ein anderes Tonband ans Ohr: »Ah! Die kleine Range (…) Ein unvergleichlicher Busen … (…) Leichte Besserung der Darmtätigkeit … Schauerlich diese Ausgrabungen. Eintausendsiebenhundert Stunden von den achttausendundsoundsoviel verflossenen ausschließlich bei Facebook verplempert …«

»Facebook« steht bei Beckett natürlich nicht, das habe

Der 24-jährige Schrems ist der erste Nutzer, der über die irische Datenschutzbehörde eine CD mit allen Daten anforderte, die Facebook bisher über ihn gesammelt hat. Es sind ausgedruckt 1200 Seiten, und bestimmt ist Schrems’ Konvolut schon umfangreicher als Krapps letztes Band.

Wie das wohl sein wird, wenn die heute 20-Jährigen irgendwann auf ihr Leben zurückschauen? Werden sie dann bei der irischen Datenschutzbehörde anfragen und eine CD mit 12000000000000 Druckseiten bekommen?

»30. Oktober 2011, vor 5 Minuten: Ich esse Pommes!«. 27 Personen gefällt das. »2. November 2012, vor 3 Minuten: Ich bin gerade in Lüdenscheid!«. 48 Personen gefällt das. »25. Juli 2016, vor 2 Minuten: Ich hab jetzt iPhone 55. Damit kann man sich sogar die Haare föhnen«. 980 Personen gefällt das. Gefällt mir! Gefällt mir! Gefällt mir! Gefällt mir!

Nicht auszudenken, vor welchen Dimensionen von historisch relevanten Datenmengen wir stehen werden! Und nichts wird mehr in der »Timelime« zu löschen sein, wenn bald ALLES FÜR ALLE per Live-Stream übertragen wird: jede Bewegung, jeder Dialog im Netz, jeder angeklickte Link, jede virtuelle Regung, jedes »Gefällt mir«.

Berühmt geworden sind »Samuel Pepys geheime Tagebücher«, weil der Staatssekretär Pepy nicht nur über die Restaurationsepoche unter König Karl II. von England berichtete, sondern auch über seinen Stuhlgang, seine Puderungen und seine sonstigen Neigungen. Nur, was machen wir mit Datenmengen von 800 Millionen Pepy-Nachfolgern? Pepy brachte zehn Bände auf 3000 Seiten heraus, da

Irre wird auch sein, wie wir später die Biografien der Politiker oder Dichter verfassen. Bei Martin Walser oder Christa Wolf schreiben die Forscher wahrscheinlich schon jetzt ehemalige Geliebte an, ob sie denn nicht noch alte Briefe des Dichters oder der Dichterin hätten; bei den Jüngeren wird man sich an die irische Datenschutzbehörde oder an die Geheimdienste wenden müssen.

Und werden die Dichterinnen und Dichter dann überhaupt noch selbst wissen, ob die intensivsten Begegnungen ihres Lebens in der analogen oder in der digitalen Welt stattfanden?

Bei Krapp lautet die schönste Stelle auf den Bändern: »Wir trieben mitten ins Schilf und blieben stecken. Wie sich die Rohre seufzend bogen unterm Bug! Ich sank auf sie nieder … Nie erlebte ich eine solche Stille …«

Vielleicht sind das die Krapps von morgen: Millionen, die über ihren Daten aus Irland sitzen und darüber rätseln, was sie draußen oder drinnen erlebt haben und ob sich die Rohre doch eher digital seufzend bogen.

5 Der Eisbär antwortete nicht / Ein umweltpolitischer Traum vom Jahr 2041

Beim Einschlafen und Grübeln über die Themen Finanzkrise, Atomausstieg, Ägypten, Syrien, unsere Koalition und das Dioxin in den Eiern ist mir etwas eingefallen, das ich total vergessen hatte: Das OZONLOCH!

Vorm Einschlafen hatte ich mir »2001: Odyssee im Weltraum« von Kubrick angeschaut, ein visionärer Film. Er wurde in den Sechzigern gedreht, spielt mehr oder weniger hinter dem Loch im Weltall, weil man schon nach Alternativen für die Erde sucht. Auch werden die ganze Zeit bunte Pillen gegessen, und nach so etwas wie Gurken oder Biosprossen kann man bei Kubrick lange suchen, wahrscheinlich hatte er schon Ehec, BSE, Dioxin, Glykol & Gammelfleisch etc. vorausgesehen, und nun gibt es eben nur noch Pillen oder Frankenstein-Gen-Fisch. Aber zurück zum vergessenen OZONLOCH.

Ich schlief ein und träumte, ich säße in meiner Heimat an der Weser im Jahre 2041: Gewaltige dahinschmelzende Eisberge flossen an mir vorbei. Einmal sah ich sogar einen Eisbären auf einem der Berge, er sah mich genauso irritiert an wie ich ihn.

»Sag mal, ist das die POLSCHMELZE, von der immer gesprochen wurde?«, fragte ich. Der Eisbär antwortete nicht.

Jetzt tauchte plötzlich der Urenkel von Jacques-Yves Cousteau, dem Tiefseeforscher, aus der Weser auf, der gerade mit einem Fernsehteam Haie filmte.

»Bonjour«, sagte ich. »Passen Sie bitte auf! Haie in der Weser kommen mir spanisch vor, vielleicht sind die alle durchgedreht?«

»Merci«, antwortete Cousteau und tauchte ab.

Ich lief befremdet durch meine alte Hansestadt. Wie lebhaft Bremen geworden war! Früher hatte es hier nur stumme, grußlose Bremer gegeben, doch nun war alles anders: Migrationsdruck und die Unbewohnbarkeit weiter Teile der Erde hatten Bremen zu einem neuen Kalifornien gemacht, natürlich auch wegen der KLIMAVERÄNDE

Irgendwann stieg eine junge Frau zu. Wie schön sie war! In meiner Jugend hatte ich nie etwas mit einer Bremerin gehabt, ich war von Natur aus schüchtern, die Bremerinnen waren stumm, wie sollte da ein anregendes Gespräch zustandekommen? Als die Frau mir plötzlich gegenübersaß, dachte ich, jetzt oder nie, ich war immerhin schon 73!

»Wie heißt du?«, fragte ich.

»Yetunde«, antwortete sie.

»Bremerin?«

»Ja.«

Dann schickte mir mein iPhone 44444 alle Yetundes aus Bremen per Infrarotsendung auf meine WAP-Brille, und drei Minuten später wusste ich alles über jene Yetunde.

Leider stieg sie aus. Tja, das ist aber jetzt wie früher, dachte ich. Nun weißt du zwar alles über sie, aber gesprochen hast du schon wieder nicht mit der Frau. Ich hatte noch überlegt, ob ich sie per Infrarot über Facebook anstupsen sollte, aber dann ermahnte ich mich: Du bist 73, hör endlich auf mit der Anstupserei! Außerdem hast du eine 12-jährige geklonte Tochter.

6 Vampire in der Küche / Meine persönliche Geschichte der Lebensmittelskandale

Eigentlich wollte ich hier über »50 Jahre Sportschau« schreiben, aber jetzt habe ich mich doch für »30 Jahre Lebensmittelskandale« entschieden.

Alles begann am Mittagstisch meiner Oma mit den wachstumssteigernden Östrogenen, da war ich dreizehn, aß immer sonntags in Bremen bei den Großeltern, und meine Großmutter sagte eines Tages zu meinem Großvater: »Kalbfleisch kommt nie wieder auf den Tisch, basta!«