2011 wurde Leonard Cohen der Prinz-von-Asturien-Preis in der Sparte »Geisteswissenschaften und Literatur« verliehen.
Riccardo Muti erhielt im gleichen Jahr einen Prinz-von-Asturien-Preis in der Sparte »Kunst«.
Conde ist eine Gitarrenwerkstatt in Madrid.
Dieser Band enthält die letzten Arbeiten meines Vaters als Dichter. Ich wünschte, er hätte noch die Fertigstellung erleben können – nicht, weil es durch seine Hände zu einem besseren Buch geworden wäre, das deutlicher und großzügiger und stärker geformt gewesen wäre oder weil es ihm und der Form, die er seinen Lesern anbieten wollte, eher entsprochen hätte, näher gekommen wäre, sondern, weil es das war, wofür er versuchte am Leben zu bleiben, am Schluss der einzige Grund für ihn weiterzuatmen. In der schwierigen Zeit, in der er das Buch zusammengestellt hat, schrieb er E-Mails mit der Titelzeile »Bitte nicht stören« an die wenigen von uns, die regelmäßig bei ihm vorbeikamen. Er erneuerte seine tiefe Hinwendung zu ausgiebiger Meditation, um seinen Geist trotz der durch die multiplen Kompressionsbrüche hervorgerufenen akuten Schmerzen und seines geschwächten Körpers fokussiert zu halten. Er hat mir gegenüber oft geäußert, dass er sich gewünscht hätte, bei allen künstlerischen und das Leben betreffenden Strategien, die er in seinem reichen und komplizierten Leben angewendet hat, unbeirrter bei der Erkenntnis geblieben zu sein, dass das Schreiben sein einziger Trost, sein wahrhaftigster Lebenszweck war.
Mehr noch als alles andere war mein Vater ein Dichter. Das verstand er als seine eigentliche Berufung, wie er in seinen Notizbüchern schrieb, als eine »Mission G-ttes«. (Der Gedankenstrich deutet auf seine Ehrfurcht vor der Gottheit, sein Zögern, den Namen der Gottheit selbst im Englischen auszuschreiben, ist eine alte jüdische Tradition und ein weiterer Beleg für seinen festen Glauben, den er mit seiner eigenen Freiheit kombiniert hat.) »Religion, Lehrer, Frauen, Drogen, die Straße, Ruhm, Geld … nichts davon macht mich high oder verschafft mir Linderung wie das Füllen von Seiten, das Schreiben.« Diese Aussage war auch der Ausdruck von Bedauern: er bot hier seine Hingabe an die Literatur als Erklärung für das, was er wohl als schlechte Vaterschaft, gescheiterte Beziehungen und Unachtsamkeit in Bezug auf Finanzen und seine Gesundheit empfand. Ich erinnere mich dabei an einen seiner weniger bekannten Songs, (der zugleich einer meiner liebsten ist): »I came so far for beauty, I left so much behind.« [Dt. Ich bin so weit für Schönheit gegangen, ich habe so viel zurückgelassen / hinterlassen.] Offenbar aber war er nicht weit genug gegangen: aus seiner Sicht hatte er nicht genug hinterlassen. Und dieses Buch, das wusste er, würde sein letztes Angebot an uns werden.
Wenn ich meinen Vater als Kind um Geld bat, um mir Süßigkeiten im Eckladen kaufen zu können, sagte er mir oft, ich solle in den Taschen seines Blazers nach Scheinen und Kleingeld suchen. Unweigerlich stieß ich dabei auf Notizbücher. Als ich ihn später im Leben nach einem Feuerzeug oder Streichhölzern fragte, fand ich in seinen Schubladen Notizblöcke und Kladden. Als ich ihn einmal fragte, ob er Tequila da habe, schickte er mich zum Kühlschrank, wo ich ein eingefrorenes, verirrtes Notizbuch fand. Meinen Vater zu kennen hieß (neben vielen anderen wundersamen Dingen), einen Mann zu kennen, der überall Zettel, Notizbücher und Cocktailservietten – jede mit unverkennbarer Handschrift beschrieben – (ordentlich) verteilt aufbewahrte. Sie stammten von Nachttischen aus Hotels oder aus 99 Cent Shops; jene, die vergoldet, ledergebunden, schick waren oder auf andere Weise Bedeutung verhießen, benutzte er nie. Mein Vater bevorzugte schlichte Hilfsmittel. In den frühen 1990ern waren ganze Schränke gefüllt mit Boxen, in denen seine Notizbücher lagen, Notizbücher, die eine lebenslange Aufopferung für das bezeugten, was diesen Mann ausgemacht hat. Das Schreiben war sein Lebenszweck. Das war das Feuer, das er hegte, die bedeutendste Flamme, die er schürte. Sie ist niemals erloschen.
Es gibt viele Themen und Wörter, die sich im Werk meines Vaters unaufhörlich wiederholen: gefroren, zerbrochen, nackt, Feuer und Flamme. Auf der Rückseite seines ersten Albumcovers befinden sich, wie er es in einem späteren Song schrieb, die »Flammen, die Jeanne d’Arc verfolgten«. »Who by fire?«, lautete seine berühmte Frage in einem Song über das Schicksal, der sich auf schelmische Weise eines jüdischen Gebetes bedient. »I lit a thin green candle to make you jealous of me.« [Dt. Ich habe eine dünne grüne Kerze angezündet, um Dich eifersüchtig zu machen.] Diese Kerze gab nur den ersten von vielen Funken. Es folgten Feuer und Flammen für die Schöpfung, für die Zerstörung, für die Hitze und das Licht, für Begierde und Vollendung, die sich durch sein ganzes Werk zogen. Er entzündete Flammen und hütete sie sorgfältig. Was daraus folgte studierte er genau und zeichnete sie auf. Die Gefahr, die von ihnen ausging, beflügelte ihn – er sprach oft davon, dass die Kunst anderer Leute nicht ausreichend »Gefahr« enthalte, und er lobte das »Aufregende in einem Gedanken, der in Flammen stand«.
Dieses glühende Wirken hielt bis zu seinem Ende an. »You want it darker, we kill the flame«, so intoniert er auf seinem letzten Album, seinem Abschiedsalbum. Er starb am 7. November 2016. Es fühlt sich nun dunkler an, aber die Flamme ist nicht erloschen. Jede Seite Papier, die er füllte, war der Beleg zu einer brennenden Seele, der bleibt.
Adam Cohen, Februar 2018
In den letzten Monaten seines Lebens hat Leonard Cohen trotz schwerer körperlicher Beschwerden eine Auswahl für seinen letzten Band mit Gedichten vorgenommen. »Die Flamme« zeigt dieses Werk so, wie seine Herausgeber, Professor Robert Faggen und Alexandra Pleshoyano, sowie sein langjähriger kanadischer Verlag glauben, dass es auf Grundlage des von Leonard erstellten Manuskripts und unter Zuhilfenahme der stilistischen Entscheidungen, die er für seine vorherigen Bücher getroffen hat, seinen Intentionen entspricht. Robert Faggen hat das Projekt in enger Zusammenarbeit mit Leonard begonnen, und Alexandra Pleshoyano half ihm bei der Fertigstellung der Edition im April 2017. Leonards Sohn, Adam Cohen, hat den Titel für das Buch vorgeschlagen.
Leonard hat klare Anweisungen für die Zusammenstellung des Buches gegeben, in dem seine Texte wie auch eine großzügige Auswahl seiner Zeichnungen und Selbstporträts versammelt sein sollten. Er hat sich dabei drei Abschnitte vorgestellt. Der erste Abschnitt besteht aus 63 Gedichten, die er sorgfältig aus einem Schatz an unveröffentlichten Werken ausgewählt hat, der mehrere Jahrzehnte umspannt. Leonard war bekannt dafür, mehrere Jahre an seinen Gedichten zu arbeiten – manchmal viele Jahrzehnte lang –, bevor sie veröffentlicht wurden; er betrachtete diese 63 Gedichte als abgeschlossene Werke.
Der zweite Abschnitt enthält Gedichte, die zu Songtexten für seine letzten vier Alben wurden. Alle Songtexte für Leonards Songs haben ihren Ursprung als Gedichte genommen und können somit eher als eigenständige Gedichte betrachtet werden als jene der meisten anderen Songwriter. Bemerkenswerterweise hat Leonard einige seiner Songtexte zunächst als Gedichte im New Yorker veröffentlicht, noch bevor das Album veröffentlicht wurde, auf dem der Song mit dem entsprechenden Songtext erschienen ist. Das jüngste Beispiel dieser Art ist »Steer Your Way«, davor waren es »A Street«, »Almost Like the Blues« und »Going Home«. In der Anordnung der Songtexte von Anjani Thomas’ Album Blue Alert (2006), das von Leonard produziert worden ist, und Leonards eigenen Alben Old Ideas (2012), Popular Problems (2014) und You Want It Darker (2016) sind wir der Formatierung gefolgt, die Leonard in seinem Buch mit ausgewählten Gedichten und Songtexten Strange Music (1993), in dem zahlreiche Songtexte aufgenommen wurden, vorgenommen hat. Aufmerksame Leser werden die Unterschiede zwischen den Gedichten und den Songtexten für die dazugehörigen Alben bemerken.
Der dritte Abschnitt des Buches präsentiert eine Auswahl von Einträgen aus Leonards Notizbüchern, die er seit seiner Teenagerzeit bis zum letzten Tag seines Lebens täglich geführt hat. Robert Faggen hat die Transkription von mehr als dreitausend Seiten der Notizbücher aus sechs Jahrzehnten überwacht. Wenngleich Leonard an der Auswahl der Einträge aus den Notizbüchern für The Flame mitgewirkt hat, hinterließ er keine finale Entscheidung über ihre Anordnung. Es wäre eine Herausforderung – wenn nicht gar ein Ding der Unmöglichkeit –, dabei chronologisch vorzugehen, da Leonard oft in den gleichen Notizbüchern über viele Jahre hinweg mit unterschiedlichen Farben unterschiedliche Einträge vorgenommen hat. Leonard hat die Notizbücher nach einem System nummeriert, das wir nicht verstehen. Dessen ungeachtet haben wir uns dazu entschieden, dieser Nummerierung für die Notizbücher zu folgen, auch wenn diese nicht chronologisch erscheint. Die Auswahl aus den Notizbüchern enthält eine Vielzahl von Strophen und Versen – die Leonard »Scraps« nannte – und Leser, die mit Leonards Werk vertraut sind, werden häufig -erkennen, dass manche Einträge offenbar Entwürfe für Gedichte und Songtexte sind. Es wurde kein Versuch unternommen, eine klare Narration zwischen diesen Notizbüchern herzustellen, und die Einträge sind hier so nah wie möglich an der Art und Weise wiedergegeben, wie sie in den Notizbüchern selbst vorkommen, wobei keinerlei Versuch unternommen wurde, Interpunktion oder Zeilenumbrüche zu verändern. Bei der Transkription der Notizbücher sind wir bestimmten Konventionen gefolgt, und die folgenden Symbole wurden genutzt, um Varianten zu kennzeichnen: { } weist auf ein Wort oder einen Satz, der über oder unter der Zeile steht; [?] markiert Worte und Sätze, die nicht zu entziffern waren; und *** kennzeichnen einen Abstand zwischen Notizbucheinträgen.
Neben diesen drei Buchabschnitten wollte Leonard seine Dankesrede zur Verleihung des Prinz-von-Asturien-Preises, der ihm am 21. Oktober 2011 in Spanien überreicht worden ist, in die Auswahl für das Buch aufnehmen. Darüber hinaus hat mit Genehmigung von Leonards Freund und Kollegen, Peter Scott, einer der letzten E-Mail-Wechsel, der noch weniger als 24 Stunden vor Leonards Tod stattfand, einen Platz im Buch bekommen.
Leonard hat vorgeschlagen, dass einige seiner Selbstporträts und Zeichnungen ebenfalls abgedruckt werden, ein Vorgehen, das er mit Book of Longing begonnen hatte. Da Leonard diese Auswahl selbst nicht vornehmen konnte, hat Alexandra Pleshoyano aus über 370 von Leonard angefertigten Selbstporträts eine Auswahl getroffen und diese um einige Zeichnungen ergänzt. Leonard war außerdem damit einverstanden, dass wir einige der Seiten aus den Notizbüchern zur Illustration des Buches reproduzieren.
Schließlich noch ein paar Hinweise zu einzelnen Gedichten. Das Gedicht »Full Employment« ist im Grunde eine längere Version des Gedichts »G-d Wants His Song«. Die Ähnlichkeiten zwischen dem Gedicht »The Lucky Night« und dem Gedicht »Drank A Lot« ist ebenfalls bemerkenswert. Das Gedicht »Untertow« wurde als Song auf Leonards Album Dear Heather (2004) veröffentlicht. Das Gedicht »Never Gave Nobody Trouble« wurde als Song auf Leonards Live-Album Can’t Forget: A Souvenir of the Grand Tour (2015) herausgebracht. Die Gedichte »A Street« und »Thanks for the Dance« werden in leicht unterschiedlichen Versionen als Songtexte im zweiten Abschnitt des Buches erneut vorgestellt. Wer sich mit der Homepage Leonard Cohen Files auskennt, die von Jarkko Arjatsalo betrieben wird, könnte einige Gedichte, Selbstporträts und Zeichnungen wiedererkennen, die dort zuvor mit Leonards Erlaubnis veröffentlicht worden sind.
Robert Faggen und Alexandra Pleshoyano
Juli 2018
Die Flamme von Leonard Cohens Texten in die deutsche Sprache zu übertragen, ist eine heikle Angelegenheit. Zunächst ist die Übersetzung von Lyrik niemals ein leichtes Unterfangen und bewegt sich in gewisser Hinsicht immer am Rand der Unmöglichkeit. Im besten Fall gelingt sie als Verneigung vor dem Original, und in zweisprachigen Ausgaben wie dieser hier kann sie zudem als vertiefendes Leseerlebnis neue Ebenen eröffnen, selbst wenn man mit den einzelnen Entscheidungen der Übersetzerinnen und Übersetzer womöglich nicht einverstanden ist.
Der letzte von Leonard Cohen zusammengestellte Band enthält aber nicht nur Gedichte, sondern neben Auszügen aus seinen Notizbüchern auch Songtexte. Wie jeder weiß, der sich schon mal daran versucht hat, seinen Lieblingssong ins Deutsche zu übertragen, stellt die anschmiegsame Leichtigkeit der mit Musik verstärkten Texte für den Übersetzer eine nahezu unlösbare Aufgabe dar.
Das Übersetzerteam bestehend aus Nora Bossong, Matthias Kniep, Nicolai Kobus, Simone Kornappel, Nadja Küchenmeister, Léonce W. Lupette, Christian Lux, Klaus Modick, Kerstin Preiwuß, Marcus Roloff, Ron Winkler und Katja Winter hat es dennoch versucht und ist sich der freundlichen Vermessenheit im gesamten Prozess der Entstehung dieses Bandes bewusst gewesen.
Bei der Übersetzung konnten die einzelnen Übersetzer frei entscheiden, welche Texte sie übernehmen und welchen Ansatz sie beim Übersetzen verfolgen. So finden sich viele Übertragungen in diesem Band, die den Versuch unternommen haben, für den Reim Entsprechungen zu finden. Sie haben ihren eigenen Charme, weil sie mitunter Klang, Ton und Rhythmus privilegieren und zu ganz anderen Ergebnissen kommen als die Übersetzungen, die sich für eine wortgetreue Nähe zum Text entscheiden. Der vermeintlich leichtere Verzicht auf den Reim aber verpflichtet zu einer sprachlichen Genauigkeit, die ihrerseits eine erhebliche Spannung und neue Sichtweisen ins Zwiegespräch mit dem Original trägt.
Bei Interpunktion sowie bei Groß- und Kleinschreibung sind wir im Wesentlichen Leonard Cohens recht flexiblen Entscheidungen gefolgt. Insbesondere bei der Übersetzung der Notizbücher stützen sich die Entscheidungen auf die Transkription der Notizbücher, die Leonard Cohen nicht mehr selbst überwachen konnte. Dies führt im Deutschen zu einer hier und da uneinheitlichen Verwendung von Kommata sowie Groß- und Kleinschreibung. Durch den Blick zum gegenüberliegenden Original können diese aber jederzeit überprüft werden.
Christian Lux
I was always working steady
But I never called it art
I was funding my depression
Meeting Jesus reading Marx
Sure it failed my little fire
But it’s bright the dying spark
Go tell the young messiah
What happens to the heart
There’s a mist of summer kisses
Where I tried to double-park
The rivalry was vicious
And the women were in charge
It was nothing, it was business
But it left an ugly mark
So I’ve come here to revisit
What happens to the Heart
I was selling holy trinkets
I was dressing kind of sharp
Had a pussy in the kitchen
And a panther in the yard
In the prison of the gifted
I was friendly with the guard
So I never had to witness
What happens to the Heart
I should have seen it coming
You could say I wrote the chart
Just to look at her was trouble
It was trouble from the start
Sure we played a stunning couple
But I never liked the part
It ain’t pretty, it ain’t subtle
What happens to the Heart
Now the angel’s got a fiddle
And the devil’s got a harp
Every soul is like a minnow
Every mind is like a shark
I’ve opened every window
But the house, the house is dark
Just say Uncle, then it’s simple
What happens to the heart
I was always working steady
But I never called it art
The slaves were there already
The singers chained and charred
Now the arc of justice bending
And the injured soon to march
I lost my job defending
What happens to the Heart
I studied with this beggar
He was filthy he was scarred
By the claws of many women
He had failed to disregard
No fable here no lesson
No singing meadow lark
Just a filthy beggar blessing
What happens to the heart
I was always working steady
But I never called it art
I could lift, but nothing heavy
Almost lost my union card
I was handy with a rifle
My father’s .303
We fought for something final
Not the right to disagree
Sure it failed my little fire
But it’s bright the dying spark
Go tell the young messiah
What happens to the heart
June 24, 2016
Meine Arbeit war stets redlich
Die ich Kunst nicht nennen mag
Finanzierte meinen Kummer
Traf auf Jesus, las in Marx
Meinem Feuer zwar kein Beistand
Doch der Funke, sterbend, glüht
Geh und sag dem jungen Heiland
Was mit dem Herz geschieht
Es weht ein Dunst von Sommerküssen
Wo im Parkverbot ich hielt
Der Wettbewerb war sehr verbissen
Die Frauen bestimmten das Spiel
Rein dienstlich, kaum von Interesse
Eine fiese Narbe aber blieb
Und ich kehrte zurück um zu wissen
Was mit dem Herz geschieht
Ich verkaufte heiligen Nippes
Ich trug Kleidung raffiniert
Hatt ’ne Mieze in der Küche
Einen Mähnenwolf im Revier
Hinter Mauern weil ich dichte
War ich stets zum Wärter lieb
Und hab nie mit ansehen müssen
Was mit dem Herz geschieht
Ich hätt es wissen sollen
Als wär’s ein Plan von mir
Schon ein Blick hieß Ärger wollen
Und Ärger gab’s immer mit ihr
Mir gefiel nie diese Rolle
Jenes Traumpaars, das wir spielten
Es ist nicht fein, nicht würdevoll
Was mit dem Herz geschieht
Und der Engel hat ’ne Geige
Wo der Teufel Harfe spielt
Jede Seele ist ein Fischchen
Jeder Geist zum Hai geriet
Hab die Fenster aufgerissen
Dunkel bleibt das Domizil
Sag nur Onkel, dann wird’s einfach
Was mit dem Herz geschieht
Ich arbeite in einem fort
Aber Kunst nannt’ ich das nie
Die Sklaven waren schon vor Ort
Die Sänger versengt im Verlies
Das Schwert des Rechts gezückt
Die Verletzten gehen marschiern
Ich geh stempeln, denn ich schützte
Was mit dem Herz geschieht
Hab gelernt mit diesem Bettler
Voller Narben, blutverschmiert
Durch die Krallen vieler Frauen
Die er besser ignoriert
Keine Fabel keine Lehre
Keine Lerche tiriliert
Nur ein Bettler, dreckig, ehrt
Was mit dem Herz geschieht
Die Arbeit hab ich stets erledigt
Aber Kunst nannt ich das nie
Leichtes, doch nichts Schweres hob ich
Nie war mir die Gewerkschaft grün
Ein Colt lag gut in meinen Händen
Meines Vater’s .303
Wir kämpften für ein großes Ende
Nicht für das Recht auf Streit
Meinem Feuer zwar kein Beistand
Doch der Funke, sterbend, glüht
Geh und sag dem jungen Heiland
Was mit dem Herz geschieht
24. Juni 2016
Übersetzung: Léonce W. Lupette
I do, I love you Mary
More than I can say
Cuz if I ever said it
They’d take us both away
They’d lock us up for nothing
And throw away the key
The world don’t like us Mary
They’re on to you and me
We got a minute Mary
Before they pull the plug
50 seconds maybe
You know that’s not enough
30 seconds baby
Is all we got to love
And if they catch us laughing
They gonna rough us up
I do, I love you Mary
More than I can say
Cuz if I ever said it
They’d take us both away
They’d lock us up for nothing
And throw away the key
The world don’t like us Mary
They’re on to you and me
Ja, ich liebe dich, Maria
Mehr als ich sagen kann
Denn: wenn ichs sagen würde
Wären wir beide dran
Sie sperren uns ein für gar nichts
Und schmelzen die Schlüssel ein
Die Welt hasst uns, Maria
Und wird uns auf den Fersen sein
Maria, wir haben eine Minute
Bevor sie den Stecker ziehn
Vielleicht noch 50 Sekunden
Du weißt, das reicht nicht hin
30 Sekunden, Schätzchen
Bleiben uns, um uns zu lieben
Und wenn sie uns lachend erwischen
Reiben sie uns auf
Ja, ich liebe dich, Maria
Mehr als ich sagen kann
Denn: wenn ichs sagen würde
Wären wir beide dran
Sie sperren uns ein für gar nichts
Und schmelzen die Schlüssel ein
Die Welt hasst uns, Maria
Und wird uns auf den Fersen sein
Übersetzung: Nicolai Kobus
thinking of those lambchops
at Moishe’s the other night
we all taste good to one another
most bodies are good to eat
even reptiles and insects
even the poisonous lutefisk of Norway
buried in the dirt a million years before serving
and the poisonous blowfish of Japan
can be prepared
to insure reasonable risks
at the table
if the crazy god did not want us to eat one another
why make our flesh so sweet
I heard it on the radio
a happy rabbit at the rabbit farm
saying to the animal psychic
don’t be sad
it’s lovely here
they’re so good to us
we’re not the only ones
said the rabbit
comforting her
everyone gets eaten
as the rabbit said
to the animal psychic
2006
ich denk an diese Lammkoteletts
bei Moishe’s neulich abends
wir alle schmecken einander gut
die meisten Körper lassen sich gut essen
sogar Reptilien und Insekten
sogar der toxische Lutefisk aus Norwegen
für eine Million Jahre im Dreck eingebuddelt bevor er serviert wird
und der giftige Kugelfisch aus Japan
können so zubereitet werden
dass ein vernünftiges Maß an Risiko
am Tisch gewährleistet ist
wenn der verrückte Gott nicht wollte dass wir einander essen
warum hat er dann unser Fleisch so schmackhaft gemacht
Ich habs im Radio gehört
ein glückliches Kaninchen auf der Kaninchenfarm
sagt zur Tierhellseherin
sei nicht traurig
hier ist es zauberhaft
sie sind so gut zu uns
wir sind nicht die Einzigen
sagte das Kaninchen
um sie zu trösten
jeder wird gefressen
so sagte das Kaninchen
zur Tierhellseherin
2006
Übersetzung: Léonce W. Lupette
No time to change
The backward look
It’s much too late
My gentle book
Too late to make
The men ashamed
For what they do
With naked flames
Too late to fall
Upon my sword
I have no sword
It’s 2005
How dare I care
What’s on my plate
O gentle book
You’re much too late
You missed the point
Of poetry
It’s all about them
Not about me
Für den Versuch
Zurückzusehn
Geliebtes Buch
Ist es zu spät
Zu spät um
Menschen vorzuhalten
Was sie der
Reinheit vorenthalten
Zu spät mich in
Mein Schwert zu stürzen
Ich hab kein Schwert
Es ist 2005
Was stört es mich
Wenn etwas fehlt
Oh liebes Buch
Du kommst zu spät
Der Grund für Dichtung
Erreicht dich nicht
Es geht nur um sie
Nicht um mich
Übersetzung: Kerstin Preiwuß
I knew that I was weak
I knew that you were strong
I did not dare to kneel
Where I did not belong
And if I meant to touch
Your beauty with my hand
Then come the boils and blood
Which I would understand
You tore your knees apart
The loneliness revealed
That drew this unborn heart
From chains that would not yield
But weakened by your exercise
You fell against my soul
The stricken soul the mind denies
Until you make it whole
So I can love your beauty now
Though seeming from afar
Until my neutral world allow
How intimate you are
Sometimes it gets so lonely
I don’t know what to do
I’d trade my stash of boredom
For a little hit of you
I didn’t know
I didn’t know
I didn’t know
How much you needed me
Ich wusste, ich war schwach
Ich wusste, du warst stark
Wo ich nicht hingehörte
Hab ich zu knien nicht gewagt
Und wäre ich auserwählt
Deine Schönheit zu berühren
Mir kochte wohl mein Blut
Und ich verstünde
Du spreiztest deine Beine
Die entblößte Einsamkeit
Die dieses ungeborene Herz
Aus schwachen Ketten riss
Von deinen Übungen geschwächt
Sankst du an meine Seele
Die gebeutelt und verleugnet
Durch dich nun wieder ganz
So kann ich deine Schönheit lieben
Wenn auch nur als fernen Schein
Bis meine Nüchternheit erlaubt
Dir wirklich nah zu sein
Manchmal wird es einsam
Was mach ich dann mit mir
Ich gäbe meine Langeweile
Für einen kleinen Schlag von dir
Ich wusste nicht
Ich wusste nicht
Ich wusste nicht
Wie sehr du mich gebraucht
Übersetzung: Nicolai Kobus
O apple of the world
we weren’t married on the surface
we were married at the core
I can’t take it anymore
surely there must be
a limit for the rich
and a hope unto the poor
I can’t take it anymore
and the lies that they tell
about G-d
as if they owned the store
I can’t take it anymore
Oh Weltenapfel, wir
waren nicht an der Kruste
vermählt, sondern im Kern
ich kann nicht mehr
Beschränkungen für die Reichen
und den Bedürftigen Hoffnung
sicher, das brauchen wir sehr
ich kann nicht mehr
und die Lügen die sie streuen
über G-tt
als wären sie die Herrn
ich kann nicht mehr
Übersetzung: Léonce W. Lupette
I set out one night
When the tide was low
There were signs in the sky
But I did not know
I’d be caught in the grip
Of the undertow
And ditched on a beach
Where the sea hates to go
With a child in my arms
And a chill in my soul
And my heart the shape
Of a begging bowl
Eines Nachts brach ich auf
Bei Ebbe am Strand
Am Himmel blinkten Zeichen
Doch war mir nicht bekannt,
Dass ich mich bereits im Lauf
Des Brandungssogs befand
An ein Ufer verschlagen
Das das Meer selbst nicht mag
Mit einem Kind in den Armen
Und der Kälte in meiner Seele
Einer Bettelschale