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Impressum

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel «The Origin of Others» bei Harvard University Press, MA.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 2018

Copyright © 2018 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

«The Origin of Others» Copyright © 2017 by Tony Morrison

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung Anzinger und Rasp, München, nach dem Original von Harvard University Press

Umschlagabbildung Timothy Greenfield-Sanders

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.

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Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen

ISBN Printausgabe 978-3-498-04543-2 (1. Auflage 2018)

ISBN E-Book 978-3-644-00183-1

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-00183-1

Fußnoten

Der Begriff «kaukasische Rasse», 1795 von dem deutschen Anthropologen Friedrich Wilhelm Blumenbach geprägt, wird in den USA bis heute als Synonym für die sogenannte «Weiße Rasse» verwendet. (A.d.Ü.)

Im Original dark (A.d.Ü.)

Im Frühjahr 2016 hielt Toni Morrison an der Harvard University eine Reihe von Vorträgen über «die Literatur der Zugehörigkeit». Angesichts von Morrisons umfangreichem Werk ist es keine Überraschung, dass sie ihr Augenmerk auf den Komplex der Rassenzugehörigkeit richtete. Morrisons Vorlesungsreihe kam zu einem günstigen Zeitpunkt. Barack Obama ging in das letzte Jahr seiner zweiten Amtszeit, seine Zustimmungswerte stiegen. Die öffentliche Empörung in Gestalt der Black Lives Matter-Bewegung hatte die brutalen Übergriffe der Polizei zu einem nationalen Thema gemacht, und anders als die meisten Debatten über Rassenfragen blieb diese nicht folgenlos. Eric Holder und Loretta Lynch, die beiden schwarzen Justizminister Obamas, hatten Untersuchungskommissionen zu diversen Polizeibehörden überall im Land entsandt. Aus Ferguson, aus Chicago, aus Baltimore kamen Berichte, die den systemimmanenten Rassismus belegten, von dem immer nur gerüchteweise die Rede gewesen war. Man erwartete, dass diese entschiedene Linie unter Hillary Clinton weiterverfolgt werden würde – der ersten Kandidatin für das Präsidentenamt, die zu dem Zeitpunkt, da Morrison mit ihren Vorlesungen begann, als klare Favoritin gegenüber

Doch plötzlich wurde dieser Weg noch viel steiniger.

Die erste Reaktion auf den Wahlsieg von Donald Trump bestand in dem Versuch, zu bagatellisieren, was er über den Rassismus in den USA aussagte. Überall erhoben sich Stimmen, die das Ergebnis als populistischen Protest derjenigen zu erklären versuchten, die von der Wall Street und der New Economy abgehängt worden waren. Von Clinton hieß es, ihr sei die Konzentration auf «Identitätspolitik» zum Verhängnis geworden. Viele dieser Argumente trugen den Keim ihrer Widerlegung bereits in sich. Niemand vermochte je zu begründen, warum gerade jene, die die New Economy am gründlichsten abgehängt hatte – nämlich die schwarze und die hispanischstämmige Arbeiterschaft –, sich nie zu Trumps Anhängern gesellten. Überdies fanden einige der lautesten Kritiker von Clintons «Identitätspolitik» nichts dabei, selbst auf diesem Feld zu wildern. Clintons wichtigsten Konkurrenten, Senator Bernie Sanders, hörte man in der einen Woche seine Verwurzelung in der weißen Arbeiterklasse rühmen, während er seine Parteigenossen in der nächsten drängte, die Identitätspolitik hinter sich zu lassen. Nicht jede Identitätspolitik, so scheint es, ist vor ihren Verfechtern «gleich erschaffen».

Die Herkunft der anderen, das aus ihrer Vorlesungsreihe in Harvard hervorgegangene Buch von Toni Morrison, befasst sich nicht direkt mit dem Aufstieg

Morrisons Buch steht in einer im Lauf des vergangenen Jahrhunderts angewachsenen Reihe von Arbeiten, die überzeugende Argumente für die These zusammengetragen haben, dass der weiße Rassismus unüberwindlich ist. Zu ihren Verbündeten gehören Sven Beckert und Edward Baptist, die auf das Gewaltpotenzial dieses Rassismus und auf die Profite hingewiesen haben, die sich mit ihm erzielen lassen; James McPherson und Eric Foner, die gezeigt haben, wie dieser Rassismus zu einem Bürgerkrieg führte und danach die Bemühungen des Landes um eine neue Ordnung unterhöhlte; Beryl Satter und Ira Katznelson, die beschrieben haben, wie der Rassismus den New Deal korrumpierte; sowie Kahlil Gibran Muhammad und Bruce Western, die gezeigt haben, wie dieser Rassismus unsere Gegenwart zu einer Ära massenhafter Inhaftierung werden ließ.

Am engsten ist Morrisons Buch jedoch

Morrison bezieht den weniger tröstlichen Standpunkt, dass «Rasse» nur ganz am Rande mit den Genen zu tun hat. Von dieser Prämisse ausgehend, hilft sie uns, zu verstehen, wie ein Konzept, das so wenig tragfähig ist, einen so starken Einfluss auf Millionen von Menschen gewinnen konnte. Der Schlüssel, so ihr Argument, ist das Bedürfnis, sich sein Selbstbild als Mensch zu erhalten, während man unmenschliche Taten begeht. Sie sieht sich die Aufzeichnungen des Plantagenbesitzers Thomas Thistlewood an, der in seinem Tagebuch die

Die Notwendigkeit, die Sklaven zu einer fremden Art zu erklären, scheint ein verzweifelter Versuch zu sein, sich seiner eigenen Normalität zu versichern. Der Drang, einen Unterschied zu machen zwischen denen, die zur Menschenrasse gehören, und jenen anderen, die eindeutig nichtmenschlich sind, ist so machtvoll, dass der Lichtkegel vom Objekt der Erniedrigung auf deren Urheber schwenkt. Selbst wenn man den Sklaven ein gewisses Maß an Übertreibung zugutehält, lässt einen die Empfindsamkeit der Sklavenhalter schaudern. Es ist, als riefen sie: «Ich bin keine Bestie! Ich bin keine Bestie! Ich quäle die Hilflosen nur, um zu zeigen, dass ich kein Schwächling bin.» Mitgefühl mit einem Fremden zu

Morrison spricht von Sklavenhaltern und Sklaven, aber ihr Hinweis auf die Bedeutung des Rangs gilt heute genauso. In den vergangenen Jahren sind wir mit einer nicht endenden Reihe von Videos konfrontiert worden, in denen zu sehen war, wie amerikanische Polizisten schwarze Mitbürger wegen relativ harmloser Vergehen oder sogar völlig grundlos verprügeln, würgen, mit Elektroschockern traktieren oder niederschießen. Die afroamerikanische Gemeinde und auch viele andere Amerikaner waren entsetzt. Aber die Formeln der Rechtfertigung klingen vertraut wie eh und je. Der Polizist Darren Wilson gab, nachdem er Michael Brown getötet hatte, zu Protokoll, dass sich Brown, als auf ihn geschossen wurde, «aufzublähen» schien – eine Aussage, die Brown einen Zug ins Übermenschliche verleiht, ihn dadurch aber auch aus dem Bereich des Menschlichen ausgrenzt. Dass hier ein nicht mehr menschliches Wesen getötet worden war, zeigte sich auch daran, dass man Browns Leiche im Hochsommer auf dem heißen Beton schmoren ließ. Brown zu einer Art Ungeheuer zu machen bedeutet, einen Mord zu rechtfertigen und es einer Gruppe von Polizisten, die – laut dem Untersuchungsbericht des Justizministeriums – kaum mehr als eine Gangsterbande waren, zu erlauben, sich im Recht und im Vollbesitz ihrer Menschlichkeit zu fühlen.

Rassismus ist ein Thema. In diesem Land als andersartig qualifiziert zu werden ist ein Thema – und die deprimierende Wahrheit ist, dass es wahrscheinlich