Bolthar, der Wikingerfürst Band 8: Das Geheimnis des Sonnensteins
Published by BEKKERpublishing, 2018.
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Bolthar, der Wikingerfürst Band 8: Das Geheimnis des Sonnensteins
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Also By Tomos Forrest
About the Publisher
Bolthar, der Wikingerfürst Band 8: Das Geheimnis des Sonnensteins
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TOMOS FORREST
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IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author
© Cover: 123 RF mit Steve Mayer, 2018
Created by Thomas Ostwald mit Jörg Martin Munsonius, 2018
Lektorat: Kerstin Peschel
© dieser Ausgabe 2018 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
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Immer wieder erzählen erfahrene Seeleute von einem besonderen Stein, den sie ‚Sonnenstein‘ nennen. Mit seiner Hilfe wäre es möglich, über das große Wasser zu fahren und selbst bei bedecktem Himmel den Kurs zu halten. Bolthar würde gern nach Helluland fahren, wo es sagenhafte Reichtümer geben soll. Vom Erlös könnte er ein großes Heer aufstellen, um sich an König Harald zu rächen. Doch da ist auch der kleinwüchsige Andvardi, Jarle der Beserker, der von einem solchen Stein erfahren hat und ein erneutes feindliches Aufeinandertreffen der beiden Männer, scheint unausweichlich zu sein ...
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Das Steingeschoss hatte die oberen Plankenböden glatt durchschlagen und den untersten Plattengang noch so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass seit dem Gefecht ständig Wasser eindrang und von der erschöpften Mannschaft ausgeschöpft werden musste. Erschwerend kam für sie hinzu, dass fast alle bei dem Gefecht verwundet wurden, denn der Gegner war mächtig und verfügte über zwei große Langboote, die sogenannten þritugsessa, Kriegsschiffe mit jeweils dreißig Ruderern auf jeder Seite.
Der Überfall geschah im frühen Morgengrauen, begünstigt von schlechter Sicht. Auf dem Meer lag grauer Dunst, der sich nur schwer auflöste und dabei die Männer mit einer unangenehmen Nässe überfiel. Ihre Tuniken waren schnell vollgesogen und die wollenen Umhänge hingen ihnen schwer über die Schultern. Manche Ruderer warfen sie deshalb ab, weil sie die Arbeit nicht gerade einfacher machten.
Bolthar hatte zum raschen Aufbruch gedrängt, er wollte am heutigen Tag sein Ziel erreichen. Die beiden þritugsessa hatten ihnen offenbar auf dem Meer aufgelauert und vermutlich dort während der Nacht geankert. Plötzlich schossen die beiden herskip (Kriegsschiffe) aus dem Dunst wie zwei Fabelwesen heraus. Die Drachenköpfe im Bug glänzten vor Nässe, und die Augen, die man aus geschliffenen Muschelschalen eingesetzt hatte, sahen aus, als könnten sie wütend funkeln. Die schnell heraneilenden Langboote brachten aber die Mannschaften in den skútur, (Schute mit dreißig Ruderplätzen) nicht aus der Ruhe. Die Rundschilde an den Bordwänden schützten Bolthars Krieger vor dem ersten Pfeilbeschuss. Die See war heute erstaunlich ruhig – für ein Gefecht wie gemacht.
Bolthar gab nur zwei rasche, laute Befehle, und seine Unterführer Gulkollur, Bjor und vor allem Bent wussten, was zu tun war. Ihre Schiffe hätten sie im Schlaf steuern können, und Situationen wie diese waren einfach zu alltäglich. Doch heute sollte es eine unerwartete Wendung geben.
„Thor stehe uns bei!“, murmelte Bent halblaut, als sein Blick auf die feindlichen Boote fiel. „Das sind Haralds hirð, seine Leibgarde, die uns verfolgt haben muss. Heute werden viele gute Männer in Odins Langhalle versammelt werden und den Met trinken, den es nur in Walhall gibt! So sei es also!“ Damit hatte er seinen Sax gezogen, die Männer holten die Ruder ein und das erste Kriegsschiff kam längsseits. Wurfspieße zischten durch die Luft, bohrten sich in die Bordwand und die Rundschilde, richteten aber keinen weiteren Schaden an. Seine Männer erhoben sich nach dem ersten Speerangriff und schleuderten ihre skotvápn, die Wurfspieße, und nahmen sofort danach die lagvápn, die Langspieße in die Hand. Das feindliche Boot war schon zu nahe für weitere Würfe, jetzt versuchten beide Parteien, zwischen den Rundschilden hindurchzustechen und den Gegner zu treffen.
Gellende Schreie wurden laut, in das Kriegsgeschrei mischten sich die ersten Schreie der Verwundeten, und Bolthars Männer hieben und stachen nach ihren Feinden, wo sich nur eine Gelegenheit dazu bot. Inzwischen war auch Gulkollurs Boot im Nahkampf mit dem anderen Langboot, und Bolthar musste den ersten schweren Angriff mit seiner Breitaxt abwehren. Eine Zeit lang sah es gar nicht schlecht für seine zahlenmäßig weit unterlegene Mannschaft aus, aber dann drangen die hirð-Krieger immer stürmischer vor, die ersten sprangen in Bolthars Boot über und schlugen und hackten auf seine Krieger ein.
Mit einem Brüllen, das an ein wildes Tier erinnerte, sahen sich diese hirð jedoch plötzlich einem hünenhaften Krieger gegenüber, der wie ein Eisriese zwischen ihnen auftauchte. Über den Kopf schwang er seine Breiðöx, die mächtige Breitaxt, und ließ sie dem nächsten Mann auf die Schulter niedergehen. Der Angriff galt dem Kopf des Kriegers, aber der hatte eine instinktive Drehung gemacht, die ihn nun den rechten Arm kostete. Bolthars Axt fuhr mühelos durch Fleisch und Knochen und trennte den Arm dicht neben dem Hals ab.
Ein zweiter Mann glaubte, seine Chance zu erkennen und stieß mit seinem Sax nach der Brust Bolthars. Doch der hatte seine Axt in einer raschen Aufwärtsbewegung nach oben gerissen, rammte die breite Klinge in den Kiefer des Mannes und spaltete ihm zur Hälfte den Kopf. Der Angriff der hirð-Krieger geriet ins Stocken, weitere konnten von ihrem Boot nicht mehr herüberspringen, denn die Mannschaft verteidigte sich jetzt in einer geschlossenen Reihe mit dem Schildwall wie auf dem Land. Jeder hatte erkannt, dass ihnen Jarle Bolthar den Rücken freihielt. Ein Angreifer nach dem anderen fiel unter ihren Streichen, und als sie ihr Boot wieder befreit hatten, waren die Planken glitschig vom Blut der Getöteten.
Das stachelte Bolthars Krieger an, keiner sah sich nach den eigenen Toten um, als sie schreiend nun ihrerseits auf das große þritugsessa sprangen und dort ihre tödlichen Streiche nach allen Seiten verteilten. Auch hier war es Bolthar, der von seinem Steuerruder aus hinüber zu dem Anführer des Langbootes gesprungen war und ihn schon im Sprung mit seiner Axt erschlug, geschickt abfederte und sich auf die nächsten Krieger warf.
Doch hier war die Übermacht zu groß, zwar kämpften Bolthars Männer geschickt und ohne zurückzuweichen. Plötzlich war das halffertugt skip aufgetaucht und schoss schon während des raschen Herangleitens zwei schwere Steingeschosse ab. Das Katapult stand auf einem hohen Kastell, und zähneknirschend erkannte Bolthar, was sich die Götter erneut wieder erdacht hatten. Doch jetzt war es zu spät, Thor um Hilfe anzurufen. Bolthar hatte ihm kein neues Menschenopfer bringen können, er besaß keine Sklaven mehr.
Einen Moment lang glaubte er fast, das Lachen Lokis im Schreien der Männer zu hören, als das zweite Geschoss in sein skútur einschlug. Mit dem Beschuss schienen die Krieger in dem Langboot ihre Anstrengungen zu verdoppeln, und mit einem Warnschrei rief der Jarle seine Krieger zurück auf das eigene Schiff. Hier gab es nur noch die Rettung in der Flucht, denn Bolthar sah keinen Grund, bis zum letzten Mann zu kämpfen, bevor er nicht sein Ziel erreicht hatte: Die Bestrafung des lügenhaften Königs Harald (vgl. Bolthar der Wikingerfürst Band 7, König Haralds Verrat).
Der Letzte, der sich zum Rückzug entschloss, war Bent, und Bolthar musste ihm zurufen, dass die Walküren heute genügend Männer finden würden und sein Metbecher noch auf ihn warten müsse!
Mit einem letzten, gewaltigen Hieb streckte Bent seinen Gegner nieder und war neben Bolthar, als die Boote ihren Abstand vergrößerten, die Männer ihre Ruder gegen das Langboot stemmten und sie anschließend ins Wasser tauchten, um rasch Fahrt aufzunehmen. Erneut zischte ein Steingeschoss herüber, verfehlte die Mitte der skútur, traf aber das Dollbord und riss ein Stück der Planke dort heraus.
Bolthar hatte das Steuerruder wieder übernommen und musste erleben, dass ihm dabei Pfeile nachgeschickt wurden, die ihn nur um Haaresbreite verfehlten. Einer traf seine flatternde Tunica, zerrte wütend daran herum und blieb kraftlos stecken. Ein Blick hinüber zu dem zweiten Boot, das sich ebenfalls von dem Langboot freimachen konnte, und erleichtert berührte Bolthar den silbernen Anhänger an seinem Hals mit dem Mjölnir-Hammer.
Die nächsten Augenblicke waren entscheidend.
Nur, wenn es den beiden fliehenden Booten gelang, rechtzeitig die schützenden Untiefen und Felsenriffe vor der Küste zu erreichen, konnte Bolthars Vorhaben gelingen. Dabei fluchte und schimpfte der Jarle ununterbrochen über König Haralds Männer, die ihre beiden Langboote so schnell es ging, an den Rudern besetzten und wendeten. Das war jedoch nicht ohne Weiteres möglich, denn die Krieger Bolthars hatten fürchterlich unter ihnen gewütet. Von den sechzig Kriegern auf den Ruderbänken fehlte gut die Hälfte, und das wirkte sich natürlich auf die Schnelligkeit des Kriegsschiffes aus. Doch der besorgte Blick Bolthars zu seinem zweiten Boot zeigte, dass auch seine Kriegerschar stark reduziert war, wenn auch eine skútur mit wenigen Männern noch gut zu manövrieren war.
Eine große Gefahr bot allerdings noch immer das halffertugt skip mit seinem Katapult. Die Männer waren noch nicht durch einen Nahkampf geschwächt, und das große Kriegsschiff schoss jetzt mit schäumender Bugwelle heran. Ein erneuter Beschuss konnte in jedem Augenblick erfolgen, und Bolthar behielt deshalb das Kastell scharf im Auge. Als er erkannte, dass die Mannschaft am Katapult das Seil ergriff, mit dem die Sperre gelöst wurde, riss er das Steuerruder herum, sodass sein Schiff in einem steilen Bogen eine Halse ausführte, bei der er auch ein Kentern riskierte. Das auch von der Nebelfeuchtigkeit schwere Wollsegel schwang an dem Baum herum und hätte um ein Haar zwei Ruderer von den Bänken gefegt. Im letzten Moment erkannten sie die Gefahr und duckten sich tief hinunter.
Durch dieses waghalsige Manöver entging Bolthars Schiff dem Steingeschoss, das unschädlich seitlich von ihnen ins Wasser schlug. Schon hatten sie die ersten schroffen Felsen passiert, und mit scharfem Auge steuerte Bolthar sein leckendes Boot hindurch. Niemand hatte bislang Zeit gehabt, sich um das eindringende Wasser zu kümmern. Jetzt ließen die Männer die Riemen fahren und begannen hastig, mit allen Gefäßen das Boot auszuschöpfen.
Gleich darauf kam das zweite Boot herein, schrammte etwas an einem der Felsen vorüber, ohne jedoch ernsthaften Schaden zu nehmen, und ein jubelnder Schrei drang an Bolthars Ohren.
„Diese verfluchten Níð des lügnerischen Harald! Diese elenden Schwanzlutscher eines lügenhaften Rig!“, fluchte Bolthar, musste dann aber doch grinsen, als er sah, wie seine Verfolger abdrehten und zunächst ihre Kriegsschiffe vor die Zufahrt legten. Doch es gab keinen Grund für gute Laune. Sein skútur war nicht mehr seetüchtig, wenn überhaupt, wäre nur eine Flussfahrt noch denkbar, bevor man die Schäden umständlich an Land beheben konnte.
Dazu kam der Zustand seiner wenigen, noch verbliebenen Männer.
Schnittwunden, Abschürfungen, schwere Prellungen waren die leichteren Verletzungen, die für die Krieger als unerheblich galten. Doch plötzlich brach Gulkollur lautlos zusammen, und als man seine blutdurchtränkte Tunica öffnete, wurde eine stark blutende Brustverletzung erkennbar, die offenbar von einem Schwertstreich herrührte.
Mit Hede und Werg gelang es, die Blutung zu stoppen, und dabei kam der Gelbkopf wieder zu sich, wollte sich aufrichten und sank mit einem Stöhnen zurück.
„Wir müssen hier verschwinden, Jarle!“, mahnte Bjor. „Ich kenne die Küste gut, etwas weiter hinunter gibt es einen Strand, der den Langbooten das Landen leicht macht. Dann kommen sie hierher, um das zu vollenden, was ihnen beim ersten Mal nicht gelungen ist.“
Bolthar musterte ihn schweigend mit finsterem Blick, dann nickte er langsam.
„Gut, gibt es ein Dorf in der Nähe, Bjor?“
„Ungefähr ein halbes Dutzend tylft (=10 Kilometer) von hier aus, Jarle!“
„Nehmt keine Rücksicht auf mich, ich bleibe hier!“, warf Gulkollur ein.
„Wir stützen dich, Gelbkopf!“
„Dann seid ihr zu langsam!“