Stephan Lucas / Alexander Stevens

Garantiert nicht strafbar

Wie Sie ganz legal schwarzfahren, Drogen konsumieren und aus dem Gefängnis ausbrechen

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Stephan Lucas / Alexander Stevens

Die Strafverteidiger Stephan Lucas und Alexander Stevens betreiben in München eine erfolgreiche Anwaltskanzlei und sind einem breiten Publikum aus den TV-Serien Richter Alexander Hold, Im Namen der Gerechtigkeit und aus Galileo bekannt. Auch auf der Bühne gibt es sie nur im Doppelpack, sie sind »Die Anwälte«. Gemeinsam geben sie im Buch und auf der Bühne als Kabarettisten Einblick in die skurrilsten Abgründe des deutschen Rechts.

Impressum

© 2017 der eBook-Ausgabe Knaur eBook

© 2017 Knaur Verlag

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Roman Schmid

Illustration im Innenteil: Aleksandr Semenov/shutterstock.com

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München nach einem Entwurf von Julian Hartwig

Coverabbildung: Julian Hartwig; FinePic©, München/shutterstock

ISBN 978-3-426-44301-9

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Wo bleiben die Anwälte?

Stephan Lucas

Haben Sie sich das womöglich auch schon gefragt? Es gibt Hundetrainer, Köche, Ärzte, die alle etwas zu sagen haben. Mal lustig, mal ernst, jedenfalls meist unterhaltsam – in Büchern, Zeitschriften oder im Fernsehen. Nur die Anwälte fehlen. Dabei sind sie überall, treffen auf alle und jeden, mischen immer und überall mit. Warum plaudern nicht auch sie mal aus dem Nähkästchen und erklären, was sie für ihre Honorare eigentlich den lieben langen Tag so treiben? Vielleicht aus Angst, nicht verstanden zu werden? Oder wissen Sie auf Anhieb etwas damit anzufangen, wenn ein Anwalt Ihnen erklärt, zwei Menschen hätten einander »beigewohnt«? Natürlich geht es um Sex. Aber wenn die nachfolgenden Sätze dann ähnlich juristisch brillant bleiben – und das bleiben sie meistens –, dann kann es für den Leser schnell anstrengend werden. »Das ist alles so trocken«, hört man die Leute sagen. Wir sagen: Es kommt darauf an. Zugegeben: Garantiert positive betriebswirtschaftliche Effekte beim Zusammenschluss von Unternehmen könnte als Buchtitel tatsächlich abschreckend wirken. Auch wenig stimulierend wäre womöglich Garantiert volle Privatautonomie beim Abschluss von Kauf- und Mietverträgen. Daher der knappe Titel dieses Buchs: Garantiert nicht strafbar.

Und der Name ist Programm: Ob Verkehrsrowdy, Schwarzfahrer, Steuerverweigerer, Internetjunkie oder Lustmolch – sie alle dürfen viel mehr, als man annehmen möchte. Denn unsere Strafgesetze wimmeln nur so vor Widersprüchen und Lücken. Sie werden allzu oft mit viel zu heißer Nadel gestrickt – von Gesetzgebern, die mit Blick auf bevorstehende Wahlen in wildem Aktionismus dem verunsicherten Volk nach dem Mund reden. Zeit also, Klartext zu sprechen. Wir wollen Sie fit machen. Natürlich nicht im Juristendeutsch. Sondern so, dass Sie verstehen, sich wundern und darüber lachen können. Vor allem aber sollen Sie sich in Zukunft garantiert nicht mehr strafbar machen.

Sollte also mal wieder jemand fragen: »Wo bleiben die Anwälte?« Hier sind sie! Mein Kollege Alexander Stevens und ich nehmen das Strafrecht aufs Korn. Jeder auf seine Weise. Gegenseitige Sticheleien unter Freunden nicht ausgeschlossen. Wussten Sie zum Beispiel, dass Sie Ihr nicht vorhandenes Abiturzeugnis ganz einfach selbst zusammenkopieren können, ohne eine Strafe fürchten zu müssen? Auch können Sie sich in Deutschland munter Doktor, Kriminalbeamter oder Anwalt nennen, ohne in den Knast zu wandern. Oder wussten Sie, dass Christian Grey mit seinen Sexregeln einer der spießigsten und zugleich weitsichtigsten Juristen der Gegenwart ist? Seien Sie auf unsere Analyse gespannt! Und warum Sie unliebsame Zeitgenossen besser durch eine Atomexplosion als durch eine Axt eliminieren? Auch das werden Sie erfahren. Wie sagt man so schön? Hören Sie auf Ihren Anwalt. Oder: Hören Sie auf »Die Anwälte«.

Mein T-Shirt sagt mehr als tausend Worte – Wie Sie ganz legal schwarzfahren

Stephan Lucas

Neulich auf Mallorca kam mir an der Strandpromenade diese Mitvierzigerin in lustig bedrucktem T-Shirt mit der Aufschrift »Zicke« entgegen. Ihr kleines Töchterchen neben ihr outete sich als »Mini-Zicke«, und der genervte Papa und Ehemann kam im selben Style als »Zickenbändiger« daher. So wurde also ein Schuh daraus. Apropos: Kurz darauf verschwand die Ehefrau im Schuhgeschäft. Auch Mini-Zicke machte sich selbständig, rannte zum Eisstand und schrie »Eis, Eis, Eis!«. Und der selbsterklärte Zickenbändiger war ab diesem Moment offenkundig falsch betitelt. Vielleicht hätte ihm ein ehrliches »Schlank würde ich dich nur unnötig geil machen« besser gestanden. Meinetwegen auch ein aggressives »Ich bin dick und du bist hässlich – ich kann abnehmen und was machst du?«.

Eines jedenfalls ist klar: Der Drang nach T-Shirts mit lustigem Aufdruck ist ungebrochen. Und manch eine Strandpromenade auf meiner Lieblingsinsel muss als Laufsteg herhalten. Wer sich als Opfer fühlt, trägt »Warum ignorierst du mich? Bin ich Baumarktkunde oder was?«. Wer’s offensiv mag, lebt seinen Humor aus mit »Gemeinsam gegen Gruppenzwang!«. Das geile Luder kleidet sich mit »Suche Mann mit Pferdeschwanz – Frisur egal«. Und Blondchen trägt ihr neues Shirt mit dem Lieblingsspruch »In Mathe bin ich Deko«. Alles also eine Frage der Selbsteinschätzung.

Im Urlaub mag das keinen stören. Aber wehe, so manches Urlaubsfoto landet später auf Facebook. So wurde einem Richter aus Rostock sein Spaßshirt zum Verhängnis. Er posierte darin auf jener beliebten Social-Network-Seite, ein Angeklagter lehnte ihn deshalb aus Besorgnis, er könnte befangen sein, als Richter ab – und das nach Überzeugung des Bundesgerichtshofs zu Recht. Lachend hatte der Richter sich in seinem bedruckten T-Shirt auf Facebook präsentiert: »Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause – JVA«. Wer hier noch keine eigenen Erfahrungen vorweisen kann: JVA steht in Justizkreisen für Justizvollzugsanstalt, also für den Knast.

Da war mein Tierschützer-Mandant geistreicher und vor allem im Ergebnis deutlich erfolgreicher. Angeklagt wegen Beleidigung, erschien er zu seiner Verhandlung in weißem T-Shirt, darauf ein Schaf und darüber das putzige Wort »Unschuldslamm«. Er wurde schließlich vom Beleidigungsvorwurf freigesprochen. Ob aufgrund meiner phänomenalen Anwaltsleistung oder durch das putzige Outfit, kann ich, trotz eines Hangs zur Selbstüberschätzung, bis heute nicht mit Sicherheit sagen. Das T-Shirt war jedenfalls billiger.

Womit wir beim Kernpunkt angelangt wären. Unschuldslämmer, Mini-Zicken, Lustmolche und Spaßvögel, aufgepasst! Überlassen Sie niemals einen Spruch dem Zufall! Setzen Sie ihn lieber gezielt ein! Seien Sie hellwach und reflektiert! Und orientieren Sie sich ja nicht an den kleinen zwölfjährigen Orsay- und Pimkie-Kunden, die meist nicht mal drei Wörter Englisch sprechen, auf ihren neuen Lieblingsshirts aber mit großen Buchstaben behaupten: »Blowjob is better than no job!« Nein, so nicht! Auf gar keinen Fall! Sagen und tragen Sie im Gegenteil alles bewusst! Jonglieren Sie sich mit dem richtigen Spruch zur passenden Gelegenheit souverän aus der Strafbarkeit! Andere Unschuldslämmer können das schließlich auch.

 

Genau das durfte vor einiger Zeit die Frankfurter Verkehrsgesellschaft erleben. In einer ihrer U-Bahnen befand sich ein junger Mann. Offensichtlich war dieser gerade kein Unschuldslamm, sondern eher ein schwarzes – besser gesagt schwarzfahrendes – Schaf. An seinem Körper trug er, atmosphärisch passend, ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift »Ich fahre umsonst – ohne Fahrschein!«. Was an sich natürlich verboten ist und mit etwas Pech gleich doppelt bestraft wird. Denn wird man erwischt, will zunächst einmal die Verkehrsgesellschaft ein sogenanntes »erhöhtes Beförderungsentgelt«. Obendrein erstattet sie aber regelmäßig auch noch Strafanzeige. Der Tatvorwurf: Leistungserschleichung. So nennt es der Jurist, wenn jemand einfach eine Leistung beansprucht, ohne dafür bezahlt zu haben, während er aber in dreister Art und Weise so tut, als hätte er genau dies getan. Stellt sich die Frage: Wie bestimmt man, ob jemand in der U-Bahn so tut, als hätte er bezahlt? Die Antwort der Gerichte: Mitfahren wie alle anderen und dabei ganz einfach in der Gegend herumschauen. Jeder wird denken, Sie hätten ein Ticket gezogen. Denn sonst wären Sie ja nicht hier und würden auch nicht einfach in der Gegend herumschauen, oder?

Doch genau dieses Auftreten konnte man dem jungen T-Shirt-Träger aus Frankfurt ja gerade nicht nachsagen. Ganz im Gegenteil. Er setzte ja in dreister Offenheit jeden, der ihn sah, von seinem ignoranten Verhalten in Kenntnis. Schwarzfahren ja, aber eben ohne jede Heimlichtuerei. Da kann schon rein begrifflich von einem »Erschleichen« der Leistung kaum die Rede sein. Und so guckte der Rhein-Main-Verkehrsverbund nicht schlecht, als der junge Mann schließlich vom Amtsgericht Frankfurt vom Vorwurf der Leistungserschleichung freigesprochen wurde. Lediglich um den von der Verkehrsgesellschaft damals angedrohten Aufpreis von 40 € kam auch er am Ende nicht herum. Aber Strafe: Fehlanzeige.

Die Geschichte vom mutigen jungen Mann hat sich natürlich in der Schwarzfahrerszene schnell herumgesprochen. Seither gibt es immer wieder Nachahmer. Was aber mit Trittbrettfahrern passiert – der Begriff stammt übrigens passenderweise aus alten Nahverkehrszeiten –, wissen wir spätestens seit Frau Holles Pechmarie. Alles kann immer auch anders enden. Und das in unserem Rechtsstaat nicht zuletzt aufgrund der Unabhängigkeit eines jeden Richters. Jede Entscheidung ist eine Einzelfallentscheidung, und so setzen Richter in Fällen des offensiven Schwarzfahrens seither zunehmend strengere Maßstäbe an. Die zugrundeliegende juristische Frage ist, wie offen ein Schwarzfahrer kommunizieren muss, was er da gerade tut, um nicht als »Leistungserschleicher« bestraft werden zu können. So ein bedrucktes T-Shirt ist da schon mal ein guter Ansatz. Ein Richter aus Hannover warf einem solchen T-Shirt tragenden Schwarzfahrer jedoch vor, er habe sich damit noch längst nicht auffällig genug verhalten. Die kostenlose Fahrt habe er sich daher trotzdem erschlichen. Er hätte sich mit seinem T-Shirt zunächst vor dem Führerhaus postieren und mit auffallenden Bewegungen auf den Schwarzfahrerspruch auf seinem Shirt hinweisen müssen. Dann hätte der Zugführer diesen Sachverhalt auch tatsächlich wahrnehmen können – was freilich die Erfolgsaussichten des Plans durchaus gemindert hätte.

Daher ist wohl jeder Schwarzfahrer gut beraten, sich nicht alleine auf sein T-Shirt zu verlassen, sondern zu »pimpen«, was das Zeug hält – sicher ist sicher. Ergänzen Sie deshalb Ihr Schwarzfahrer-Shirt ruhig noch um Schwarzfahrer-Buttons und -Aufkleber sowie um eine modisch kleidsame schwarze Schwarzfahrer-Schirmmütze. Singen Sie während der Fahrt ruhig eine selbstkomponierte Schwarzfahrerhymne. Hauen Sie auch Ihre Mitreisenden aufmunternd an: »Na, was hat das Ticket gekostet? Ich bin voller Bewunderung ob Ihrer Zahlungswilligkeit. Ohne Leute wie Sie würde das ganze System hier zusammenbrechen!« Falls Ihnen dieser direkte Ansatz zu peinlich ist, fingieren Sie einfach ein Telefonat und brüllen Sie lauthals in den Hörer: »Heute Abend geb ich einen aus, ich habe heute wieder kein Ticket gezogen und wieder ganz viel Geld gespart!«

Und wer es komplett rund machen will, pimpt einfach noch einen coolen T-Shirt-Slogan. Da bietet sich so einiges an: »Schwarzfahrer-Bitch« oder »Hartz vier – schwarz hier«. Ihrer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Und wer dabei nicht ständig von der Gesellschaft geächtet werden will, dem empfehle ich einen ganz wunderbaren Trick. Einfach hinten aufs Shirt »Ich bin Alexander Stevens« drucken. Damit fährt man immer gut. Warum es außerdem völlig legal ist, erfahren Sie im nächsten Kapitel.

Du bist du und ich bin du – Straflos mit falscher Identität

Alexander Stevens

Stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor:

Der etwas extrovertierte Rechtsanwalt Lucas, der sich in Wahrheit in die völlig falsche Zeit hineingeboren sieht und viel lieber in Gewandung eines mittelalterlichen Mönchs devoten Gänsemägden nachstellen würde, besucht ein hochpreisiges All-inclusive-Wochenende auf einem Mittelalter-Event. Natürlich sind dort jungfräuliche Mägde, rauhe Rittersleut und auch zechende Mönche stets gern gesehen. Da Herr Lucas aber auf keinen Fall möchte, dass seine heimliche Leidenschaft öffentlich bekannt wird, gibt er sich – durch die Mönchskutte nebst Kapuze bereits umfassend verhüllt – gegenüber dem Veranstalter als Alexander Stevens aus. Stevens hingegen is not amused, als er im Programm des Spektakels als »der zechende Mönch Alexander Stevens, Schrecken der Gänsemägde« angekündigt wird. Und als Jurist stellt er sich sofort die entscheidende Frage: Darf der Lucas das?

Die Antwort kennt Stevens freilich schon, denn diese Frage ist ein alter Hut im Jurastudium und gleichzeitig auch nicht schwer zu beantworten: Ja, Lucas darf das. Er darf sich als Stevens ausgeben, denn dem Mittelalter-Veranstalter ist es – auf gut Deutsch – scheißegal, welcher gänsemagdverrückte Mönch da vor ihm steht. Ob Lucas oder Stevens, Hauptsache, der Typ bezahlt den Eintrittspreis – mehr interessiert ihn nicht. Und solange Lucas dabei keine Ausweisdokumente fälscht oder die Zeche prellt, macht er sich deshalb auch nicht strafbar. Und nein, der Schaustellerausweis des Mittelaltermarkts ist kein Ausweisdokument im rechtlichen Sinne.

Gut, Rechtsanwalt Stevens wird es sicherlich nicht so toll finden, von dem ein oder anderen Zeitgenossen von nun an als Sonderling mit skurriler Vorliebe für das Mönchstum, Gänse und jungfräuliche Mägde abgestempelt zu werden. Doch seien wir mal ehrlich, es hätte auch deutlich schlimmer kommen können. Zum Beispiel, wenn Rechtsanwalt Lucas zusammen mit einer heißen Affäre im stadtbekannten Grand Hotel unter Stevens’ Namen eincheckt und dabei dem Hotelportier auch von einem stark eiternden Hodenabszess erzählen würde. Da könnte Stevens durchaus auch in private Erklärungsnöte geraten. Etwa, wenn auch er mal zusammen mit einer netten Begleitung in besagtem Grand Hotel einchecken und vom arglosen Portier auf »seine« eitrige Hodenentzündung angesprochen würde. Oder gar auf die heiße Bekanntschaft vom letzten Mal, die diesmal plötzlich eine ganz andere sei.

Solange aber keine Urkunden im Rechtssinne hergestellt oder gefälscht beziehungsweise Betrügereien im Namen des anderen unternommen werden, ist das Handeln unter fremdem Namen nicht strafbar. Und das ist, wie gesagt, eigentlich ein alter Hut.

Nur, als sich der Gesetzgeber vor hundert Jahren diese Regelung ausdachte, konnte er ja nicht ahnen, dass in Zeiten von Internet, Facebook und Twitter so einiges anders läuft. Denn mittlerweile erfährt nicht mehr nur der skurrile Mittelalter-Event-Besucher von Stevens’ (vermeintlichem) Besuch auf besagtem Mittelalter-Event. Ganz abgesehen davon, dass ein zechender Raubritter einen Gänsemägde jagenden Mönch womöglich gar nicht so skurril findet. Durch die modernen Kommunikationsmittel aber taucht Stevens, der lüsterne Mönch, ganz schnell auch auf der wahrscheinlich vorhandenen Webseite des Events auf. In einer Liste der Schausteller zum Beispiel. So ist mittlerweile das Handeln unter fremdem Namen ganz schnell auch potenziell für die ganze Weltöffentlichkeit sichtbar, sofern es jemand darauf anlegt.

Wenn Sie also ungestraft Ihren Nachbarn, Ihre Freunde oder andere unliebsame Zeitgenossen ärgern wollen, dann melden Sie sich doch einfach mal im Namen eines anderen bei einem Onlinehandel an, um eine gelungene Kundenrezension zu den neuesten Noppen-Drehrotor-Vibratoren zu schreiben. Oder aber Sie erstellen sich unter entsprechendem Namen ein Fake-Profil in einem der vielen sozialen Netzwerke, um sich dort Nutzerratschläge zu alternativen Heilungsmethoden »Ihres« eitrigen Hodenabszesses einzuholen.

Noch hat der deutsche Gesetzgeber nämlich nicht bemerkt, dass es dem Stevens vielleicht egal sein wird, wenn jemand in seinem Namen im Geschäft irgendwelche Damenstrumpfhosen erwirbt und sich der Verkäufer hierüber womöglich schlapplacht. Nur wenn dieser Jemand das bei Amazon oder eBay tut und dabei noch eine detaillierte Kundenrezension schreibt, die dann ganz öffentlich auch noch Stevens’ Namen als Urheber ausweist, wird er das ganz schnell nicht mehr so lustig finden.

Vorsicht aber ist geboten bei der Auswahl der Bilder! Denn das eigene Bild ist im Gegensatz zum eigenen Namen durch das Kunsturhebergesetz strafrechtlich geschützt. Hierzu mehr im Kapitel Bitte recht freundlich. Der Kollege Lucas war aber, als er sich unter Stevens’ Namen auf einer bekannten Social-Media-Plattform anmeldete, auch hierfür schlau genug. Er lud einfach sein eigenes Bild unter Stevens’ Namen hoch. Das war kein Problem, er hatte die Kapuze seiner Mönchskutte einfach nur tief genug ins Gesicht gezogen. Die Status-Updates von »Alexander Stevens, zechender Mönch und Schrecken der Gänsemägde« hatten es trotzdem in sich:

Nach einer Woche Mittelalter hat der zechende Mönch Alexander Stevens alle Mägde und alle Gänse besser kennengelernt. Danke an die Gans Karin und den Gänserich Detlef für die besonders schöne Zeit mit euch!!!

Kennt sich jemand aus mit der alternativen Behandlung von Hodenabszessen? Das Ding eitert wieder raus, nervt voll, noch schlimmer als beim letzten Mal! Danke schon mal für die Tipps, euer Stephan L… äh, Alexander Stevens natürlich.

Man sieht: Solange dieser Identitätsdiebstahl nicht strafrechtlich sanktioniert wird, lassen sich im Schatten eines (un)geliebten Kollegen so wunderbar ganz ohne Scham sexuelle Vorlieben austauschen oder Behandlungsmethoden von seltenen Erkrankungen optimieren.

Man kann sich aber auch mit fremden Federn schmücken, um beispielsweise endlich einmal selbst den langersehnten Erfolg bei der Frauenwelt zu erhaschen. Zum Beispiel, indem man sich einfach als der heiße Bodybuilder von nebenan ausgibt. Oder warum, glauben Sie, habe ich mich bei einem schmuddeligen Dating-Portal unter dem Namen Lucas69 angemeldet?

Prof. Dr. mult. von Titelgeil – Wie Sie sich ganz einfach einen Titel zulegen

Alexander Stevens

Doktor, Diplom, Professor, Magister, Master, Sexgott. Was es im titelbewussten Deutschland nicht alles für geile Titel gibt, mit denen man – außer in Deutschland selbst – nirgendwo sonst richtig Eindruck schinden kann. Okay, in Österreich sogar noch etwas mehr, aber da ist ja schon jeder kraft Geburt mindestens ein Herr Geheimrat.

Titel sind jedenfalls heiß begehrt und schinden einen Mordseindruck, ob privat, beruflich oder gar in der Politik. Wobei sich ja in letzter Zeit immer wieder herausstellte, dass manch ein Politiker seinen Titel auf nicht ganz integre Art und Weise erhalten hat. Wenn aber solch finstere Machenschaften auffliegen, erregen sie den Zorn des Volkes und der selbsterklärten Plagiatsjäger. So ein Titel verschafft eben Ansehen und will ehrlich verdient sein, weswegen die meisten davon auch gesetzlich streng geschützt sind. Wer einen dieser supergeilen geschützten Titel unberechtigt führt, muss mit bis zu einem Jahr Gefängnis rechnen – ziemlich streng, im Vergleich zum völlig straflosen Missbrauch meines Namens durch den Kollegen Stephan Lucas (siehe Kapitel Du bist du und ich bin du).

Der Gesetzgeber begründet den sagenhaften strafrechtlichen Titelschutz damit, dass die Allgemeinheit vor unlauterer Titelführung ganz besonders geschützt werden muss. Denn durch den unbefugten Gebrauch einer solch qualifizierenden Bezeichnung erweckt man den Anschein besonderer Funktionen, Fähigkeiten und Vertrauenswürdigkeit. Okay, »Sexgott« ist zwar noch nicht rechtlich geschützt, aber Stephan Lucas hat bereits einen entsprechenden Antrag beim Justizministerium eingereicht – unter meinem Namen.

Allerdings macht sich des Titelmissbrauchs auch strafbar, wer bloße Phantasietitel oder -bezeichnungen benutzt, solange Verwechslungsgefahr mit geschützten Titeln gegeben ist. Der Schuhhersteller Doc Martens, der Zahnbürstenzombie Dr. Best und Kuchenopa Dr. Oetker sollten sich also besser in Acht nehmen – sollten die werten Herren kein Doc oder Doktor sein.

Warum ausgerechnet ein Titelgrad strafrechtlichen Schutzes bedarf – man weiß es nicht. In der Praxis kann es durchaus negative Folgen haben, wenn man sein Vertrauen allein auf formale Kriterien wie einen Doktortitel stützt. Ob ein herzkranker Patient begründetes Vertrauen in einen Augenarzt mit Doktortitel hat, der ihn wegen einer komplexen Herzklappen-OP berät, sei mal dahingestellt. Aber sei’s drum, Hauptsache, der Titel stimmt!

 

Was aber, wenn die Allgemeinheit gerade kein entsprechendes Vertrauen in den konkreten (falschen) Titel hat? Lustigerweise hat die Lirum-Larum-Löffelstiel-Gesetzesbegründung nämlich mit dem »besonderen Vertrauensschutz«, den Doktor- und andere Titel genießen sollen, im Umkehrschluss genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie bezwecken wollte: Denn anstelle des Schutzes nebst vorzüglicher Hochachtung der ehrwürdigen Titel bleibt der Missbrauch dann straflos, wenn die Allgemeinheit von dem falsch geführten Titel erst gar nicht berührt oder beeindruckt ist.

Will heißen: Wenn mein Kollege Stephan Lucas also seine neue Abendbekanntschaft mal wieder damit beeindrucken will, dass er sich als Major der Bundeswehr ausgibt, ist das nicht strafbar. Fast ein bisschen schade, denn seine komplett erfundenen Heldengeschichten vom Hindukusch kann außer ihm selbst wirklich keiner mehr hören. Von der Rechtsprechung geduldet wurde auch ein Kaufmann, der sich außerhalb seines Geschäfts als »Herr Doktor« ausgab, um ein wenig anzugeben. Auch ist die Selbstbezeichnung als Rechtsanwalt nicht strafbar, wenn Sie dies zum Beispiel bei einer Polizeikontrolle tun. Rattern Sie dazu ein paar sinnlose, aber gutklingende Juristenphrasen herunter, und Sie können die Polizisten womöglich sogar einschüchtern.

Ebenso wenig macht sich strafbar, wer eine Plakette mit der Aufschrift »Arzt« an seinem Pkw anbringt, um unbeanstandet in unmittelbarer Nähe von Krankenhauseingängen parken zu können.

In all diesen Fällen nämlich ist die Verwendung des geschützten Titels weder dazu bestimmt noch dazu geeignet, dass Dritte besonderes Vertrauen in die Fähigkeiten des »Doktors«, »Rechtsanwalts«, »Arztes« oder gar des »Major Lucas« fassen. Der Abschleppunternehmer braucht keinen ärztlichen Rat vom Arztplakettenverwender, der Polizist keinen anwaltlichen Rat vom falschen Anwalt, und seiner charmanten Abendbegleitung wird Lucas keine militärischen Befehle erteilen – und selbst wenn, wird sie diese kaum ernst nehmen. Wenn Sie also einen Titel nur außerhalb des dazugehörigen beruflichen Zusammenhangs führen, können Sie gar nichts falsch machen.

Gleiches gilt übrigens auch für förmliche Schreiben, zum Beispiel an eine Behörde. Denn hier darf ein Beamter, der bei seiner Entscheidung an Recht und Gesetz gebunden und zur Neutralität verpflichtet ist, sich nicht von einem Titel beeindrucken lassen. Die zahlreichen Beschwerden von »Major Prof. Dr. Stephan Lucas, Rechtsanwalt« gegen völlig zu Recht verteilte Strafzettel werden also weiterhin gänzlich erfolg- und straflos bleiben.

Zusammengefasst: Erhaschen Sie also im Umgang mit Ihren Mitmenschen beim Gebrauch des Ihnen nicht zustehenden Titels irgendwelche Vorteile, die sich aber nicht auf die besondere durch den Titel begründete Vertrauensstellung gründen, ist das nicht strafbar.

Beim nächsten Besuch Ihrer Hausbank können Sie sich also völlig straflos als frischgebackener Doktor vorstellen, wenn Sie künftig von Ihrem Bankberater ein Stück weit mehr hofiert werden wollen.

Übrigens, wenn Sie sich einen lustigen Titel im Internet kaufen wollen, einen Prof. Dr. h.c. der Ufologie zum Beispiel, dann können Sie diesen ebenfalls ganz straffrei führen. Zwar würden Sie einem Professor der Urologie zum Verwechseln ähneln. Aber mittlerweile ist die Existenz solcher Spaßtitel der Allgemeinheit hinreichend bekannt, so dass man von einem »besonderen Vertrauen« in sie und Ihren Titel nicht mehr sprechen kann. Einen Dummen, der Ihnen den Quatsch abnimmt, finden Sie aber in jedem Fall.

Aber es wird noch besser:

Weil die Vorschrift zum Titelmissbrauch voraussetzt, dass der Täter eine förmliche (Amts-)Bezeichnung führt, wie zum Beispiel Polizeihauptkommissar oder Oberfeldwebel, ist die Inanspruchnahme einer bloßen Gruppenbezeichnung auch nicht strafbar. Wer sich also etwa als Polizeibeamter, Bulle oder als Soldat bezeichnet und dadurch besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, bleibt straflos – solange er nicht beginnt zu »ermitteln« und etwa die Privaträume der hübschen Nachbarin zu »durchsuchen«.

Fairerweise kann auch nur bestraft werden, wer den Titel selbst und damit aktiv führt. Die passive widerspruchslose Hinnahme, etwa in einem Schreiben, einer Einladung oder einem Protokoll, reicht also noch nicht aus. Möchte Kollege Lucas also wieder einmal seine Dame beeindrucken und engagiert er dafür bezahlte Komparsen, die ihn während des Dates immer wieder mit »Herr Professor« ansprechen, hat er nichts zu befürchten. Die »Frau Doktor« vom Lande, die nur deshalb so bezeichnet wird, weil sie die Frau vom ortsansässigen Landarzt ist, macht sich ebenfalls nicht strafbar, ganz egal, wie viel Vertrauen man ihr beziehungsweise ihrem Gatten entgegenbringt.

 

Die Strafbarkeit des Missbrauchs von Titeln und geschützten Berufsbezeichnungen scheint also eine ziemlich leere Farce zu sein. Es gibt nach deutschem Recht ohnehin keinen Anspruch, mit seinen zahlreichen Titeln angesprochen zu werden. Zwar ist Deutschland – neben dem titelgeilen Österreich – das einzige Land weltweit, in dem etwa ein Doktorgrad in den Reisepass, den Personalausweis und den Fahrzeug- oder Führerschein aufgenommen wird. Der Titel wird deshalb aber noch nicht Bestandteil des Namens. Und in Deutschland hat man eben nur das Recht, mit seinem richtigen Namen angesprochen zu werden.

Den Satz »Für Sie immer noch Herr Doktor« können Sie also künftig mit einem hämischen Lächeln abwiegeln. Oder Sie machen es wie mein Kollege Stephan Lucas, als dieser einmal in einer Verhandlung von einem gegnerischen Verteidiger mit diesen Worten unterbrochen worden war. Lucas hatte seine Anrede nach Ansicht des Gegenübers nicht korrekt mit »Doktor Borchert« adressiert. Da entgegnete »Major Lucas« frech, dass die Anrede mit Titel eine reine Geste der Höflichkeit und des Respekts sei, er seinem Gegenüber aber eine solche Geste der Höflichkeit und des Respekts bewusst nicht entgegenbringen wolle. Ein paar Jahre später stellte sich übrigens heraus, dass Kollege Borchert gar nicht berechtigt war, einen Doktortitel zu führen.

Major Lucas scheint dafür ein Gespür zu haben.

Ich bin dann mal auf dem Klo – Wie Sie im Büro ganz legal faulenzen

Stephan Lucas

Ein feuchtes »Hatschi« von links in der U-Bahn, verschleimtes Geröchel und tuberkulöses Geschnaufe in der Fußgängerzone genau in dem Moment, wenn der entgegenkommende Passant mit gefühlten drei Zentimeter Abstand vorbeischlurft – nein, das alles ist gar nicht schön. Und klar: Solche Menschen sollen doch bitte, sich und ihrer Umwelt zuliebe, einfach noch ein paar Tage zu Hause bleiben und sich auskurieren!

Früher war ein solcher Gedanke nicht modern. Da schleppten sich selbst die weniger gewissenhaften Angestellten krank – und vor allem ansteckend – zur Arbeit und mischten sich so unters Volk. Zum Glück erwartet das heute kein vernünftiger Arbeitgeber mehr – und das ist auch gut so! Für alle und jeden.

Die Frage ist nur, wann ist man eigentlich wirklich krank? In einem arbeitsunfähigen Zustand also, den alle Beteiligten als guten Grund zum Fernbleiben anerkennen können. Erstaunlicherweise kennen so manche Ärzte – vor allem diejenigen mit besonders viel Zulauf von Arbeitnehmern – die Zahl der kommenden Krankheitstage ihrer Patienten immer schon Tage und Wochen im Voraus: »Sie sehen ja heute gar nicht gut aus. Ich schreibe Sie mal für die nächsten zehn Tage krank.«

Und da wird es dann gefährlich. Denn sollte die Krankheit überraschenderweise schon nach drei Tagen einen Abgang gemacht haben, fehlt der Kollege an den weiteren Tagen trotz putzmunterer Gesundheit an seinem Arbeitsplatz. Und das heißt im Klartext, dass der Arbeitgeber den Lohn fortzahlt, während sein Arbeitnehmer aber die dafür geschuldete Leistung, nämlich seine mehr oder weniger gute Arbeit, einfach grundlos nicht erbringt. Und das nennt man dann womöglich Betrug.

Und man muss noch nicht einmal ganze Tage fernbleiben. Grundloses Zuspätkommen, verpackt in eine plausible, aber eben unzutreffende Erklärung, führt zum selben Ergebnis. Auch hier zahlt der getäuschte Chef die verpasste Arbeitszeit, ohne dafür etwas von seinem Untergebenen zurückzubekommen.

 

Aber was passiert eigentlich, wenn der geschätzte Arbeitnehmer zwar gesund, munter und obendrein pünktlich an seinem Arbeitsplatz erschienen ist, also am »Erfüllungsort« seiner geschuldeten Arbeitsleistung – er jedoch ständig und immer wieder von dort verschwindet. Weil er zum Beispiel einen ganz anderen Ort aufsucht, das stille Örtchen nämlich? Wie viel örtchenbedingte Ortsabwesenheit muss der Arbeitgeber hinnehmen? Welche Dauer ist für die Abwesenheit normal, entspricht also einer durchschnittlichen und angemessenen Toilettensitzung? Und was darf der Mitarbeiter auf dem Klo so alles legal veranstalten, ohne dass er den Chef am Ende damit strafbewehrt an der Nase herumführt? Welches Verhalten ist also angebracht, um sich garantiert nicht strafbar zu machen?

Zunächst einmal muss man feststellen, dass die Toilette rechtlich so etwas wie ein »höchstpersönlicher Lebensbereich« ist. Da will, mag und soll der Arbeitgeber gar nicht groß mitmischen. Das führt sogar so weit, dass der Nasszellenbereich zur versicherungsfreien Zone erklärt wird. Das Verwaltungsgericht München entschied jedenfalls, dass der Aufenthalt auf der Toilette auch während der Arbeitszeit reines Privatvergnügen ist. Es steht zu vermuten, dass dabei ein verkappter Spaßminister am Urteil mitgeschrieben hat: Denn die Betonung sollte vermutlich eher auf dem Wörtchen »privat« als auf dem großen Wort »Vergnügen« liegen. Das mit dem Vergnügen möge aber jeder – in Rücksprache mit dem Gastroirgendwaslogen seines Vertrauens – für sich selbst beurteilen …

Mein geschätzter Dauermandant Bert Lochmüller, Beamter bei der Stadt München, hat sich jedenfalls mal während der Arbeitszeit auf dem Klo was eingeklemmt. Nicht, was man jetzt spontan denken mag. Nein, bei ihm war es der Daumen. Und die Erklärung, wie das genau vonstattengegangen sein soll, ist er mir bis heute schuldig geblieben. Vielleicht auch besser so.

Die Sache mit dem Daumen war dann auch gar nicht mehr das Thema, weil der Arbeitgeber ja ohnehin keinen Cent zahlen musste. Ganz gleich, ob Herr Lochmüller sich nun die Nase, den Zeh oder den Ellbogen – wie auch immer – eingeklemmt hätte. Denn wir erinnern uns: Herr Lochmüller hat sich mit seinem WC-Besuch auf die Ebene seines reinen Privatvergnügens in eine rechtsfreie Zone begeben.

Womit sich die spannende Frage stellt, wie es sich denn nun verhält, würde mein Mandant auf dem Klo arbeiten? Zum Beispiel, weil ihm sein Bürokollege fortwährend auf die Nerven geht oder er die Arbeitsatmosphäre auf der Toilette als besonders angenehm empfindet. Zugegeben, ein sehr theoretischer Ansatz, denn der Beamte Lochmüller arbeitet – als typischer Vertreter seiner Zunft – meist auch dann nicht, wenn er dann doch einmal an seinem Arbeitsplatz sitzt.

Interessanter ist da schon die Annahme, er würde auf dem Klo ein Nickerchen machen. Denn das tut er ja an seinem Schreibtisch bisweilen auch. Von daher sollte es ja keinen Unterschied machen. In gewisser Hinsicht würde er dann sogar auf der Toilette arbeiten, wobei juristisch betrachtet der Beamtenschlaf wohl nicht die geschuldete Arbeitsleistung darstellt.

Aber auch das bleibt eher theoretisch, denn wenn Bert Lochmüller schläft, dann kann er ja auch kaum einen Unfall haben. Wobei: Tatsächlich häufen sich die Fälle, bei denen sich Beamte schlimmste Verletzungen zuziehen, weil sie während der Arbeit einschlafen und mit dem Kopf auf die Tischplatte knallen oder vom Stuhl kippen. Bleibt die Frage, ob das Schlafen nicht doch zumindest ein Teil der zu verrichtenden oder zumindest von einem Beamten erwartungsgemäß erfüllten Arbeit sein kann? Und wenn nicht, wie sieht es dann aber aus, wenn die fortwährenden chronischen Schlafattacken nur daher rühren, dass der Beamte oftmals infolge von Überarbeitung vom Schlaf übermannt wird? So etwas soll es geben, zumindest behauptet mein Kollege Alexander Stevens das immer, wenn ich ihn mal wieder schlafend in seinem Büro antreffe.

 

Sie sehen, spätestens an diesem Punkt kommen wir Anwälte ins Spiel. Wir haben dann die dankbare Aufgabe, bei Gericht zu erklären, wie ein Beamter überhaupt aufgrund von Überarbeitung vom Schlaf übermannt werden kann. Wir sollen also etwas darlegen, das sich von vornherein ausschließt. Auch die besten Anwälte kommen vermutlich spätestens hier mit – wie der Anwalt es gerne formuliert – an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an ihre Grenzen. Vielleicht mit Ausnahme von meinem Kollegen Alexander Stevens, der möglicherweise seine eigene Sachkunde zum Thema Büroschlaf beisteuern könnte.

Obwohl eine gewisse Empathie zum Thema »Klo und Arbeitsplatz« traditionell auch bei manch anderem Kollegen der Juristenzunft vorhanden sein könnte. Denn im Aufs-Klo-Gehen sind die Juristen bisweilen großartig, vielleicht sind sie sogar die besten Klogänger von allen. Noch bis in den Beginn des neuen Jahrtausends hinein gab es bei Gericht sogenannte Klogespräche. Ein Prozess, der ins Stocken geraten war, konnte oftmals nach einem Dialog am Urinal wieder auf Spur gebracht werden. Spontan fanden sich Richter, Staatsanwalt und Verteidiger in der Sitzungspause dort wieder. Und womöglich aus der in diesem Moment eher gelösten Situation heraus verstand man sich plötzlich besser. Diese – ich möchte sagen – Tradition hat rapide nachgelassen, als die Zahl der Frauen unter den Rechtsorganen überproportional zu steigen begann. Was ich selbstverständlich in keinem Fall wertend meine. Ob im Nachbarklo mit Lippenstift und Wimperntusche vorm Spiegel diese alte Tradition aufgenommen und fortgesetzt werden konnte? Da fragen Sie den Falschen.

Einem angestellten Anwalt aus Köln wurde jedenfalls sein Gehalt um ein Drittel gekürzt, weil er sich dem Arbeitgeber schlichtweg zu viel mit dem Thema Klo auseinandergesetzt hatte. Sprich, er hatte einfach zu lange auf dem Klo gesessen. Nun stellte sich im Prozess die Frage, woran ein Arbeitgeber dieses »zu lange« denn genau festmachen will. Und vor allem: Wie lange darf ein durchschnittlicher Toilettengang eigentlich sein? Laut Statistischem Bundesamt verbringt der Durchschnittsbürger unseres Landes 11,02 Minuten täglich auf dem Klo. Ob Säuglinge da auch mit reinfallen, die das Klo ja bis zum dritten Lebensjahr und länger meiden wie der Teufel das Weihwasser, ist bislang nicht geklärt. Ebenso wenig, wie es sich verhält mit sogenannten Wild-Pieslern, die sich gerne und notorisch in aller Öffentlichkeit an einer Wand oder einem Baum erleichtern.

Jedenfalls kam der konkrete Anwaltskollege aus Köln innerhalb von zwei Wochen auf die stolze Bilanz von sage und schreibe 384 Minuten, was knapp 40 Minuten pro Tag entspricht – Arbeitstag, wohlgemerkt. So lange also, wie eine typische Sitzung mit einem Mandanten dauert. Nur möglicherweise deutlich ergiebiger. Letzterer Ansicht war wohl auch das Kölner Arbeitsgericht: Es entschied, dass die Gehaltskürzung wegen zu häufiger Toilettenbesuche unwirksam war.

Was das heißt? Sie dürfen sich an einem normalen Achtstundentag am Arbeitsplatz im Durchschnitt pro Stunde ganze vier Minuten lang auf dem Klo aufhalten – garantiert legal.

Aber Moment: Vielleicht besser, wenn Sie Magen-Darm-Grippe oder eine ähnlich »verdauungsfördernde« Krankheit haben. So war es vom Anwaltskollegen auch vorgetragen worden. Schwer nachweisbar. Leicht behauptet. Und damit wären wir wieder genau bei dem Punkt, mit dem ich in dieses Kapitel eingestiegen bin: Es riecht plötzlich ganz schön … nach Betrug.

Sicher aufs Klo gehen Sie also am besten zu Hause. Und das hat noch einen ganz gewaltigen Vorteil: Wenn Sie nämlich von zu Hause aus auf dem Klo arbeiten, können Sie das Klo theoretisch von der Steuer absetzen. Nicht allerdings, wenn Sie in Baden-Württemberg zu Hause sind. Richter des dort ansässigen Finanzgerichts haben nämlich entschieden, dass die Privattoilette – egal, wie viele Anstrengungen dort auch an den Tag gelegt werden – nicht steuerlich abschreibbar ist.

Viel Verwirrung also bei einem drückenden Thema, vor dem sich allerdings kein gesunder Mensch drücken kann. Ich jetzt aber schon. Soll doch der Kollege Stevens an dieser Stelle erst mal übernehmen, der ist sowieso schon wieder eingeschlafen. Und ich verdrück mich – aufs Klo! Aber das ist meine Privatsache – oder soll ich sagen: mein Privatvergnügen 

Besser leben mit Urkundenfälschung

Alexander Stevens

Was muss der Mensch nicht alles ertragen, um im Leben besser dazustehen. Schon in der Schule geht das mit den leidigen Schulaufgaben los und findet seinen Zenit in Lehre, Ausbildung oder Studium mit nervigen Prüfungen, Leistungskontrollen und Examina. Und wenn man dann glaubt, den ganzen Prüfungsquatsch nach Jahren des Büffelns hinter sich gelassen zu haben, kommen diverse Fort- und Weiterbildungen hinzu. Die muss man als deutscher Musterknabe natürlich auch alle mitmachen und die Teilnahme nachweisen. Schließlich gilt: Nur wer ’nen Wisch mit ’nem Stempel besitzt, der zählt auch was in good old Deutschlääänd.

Wie einfach könnte das Leben sein, wenn man sich solch lästige Dinge einfach sparen könnte – ganz ohne Sitzfleisch, Pauken und elendiges Zeittotschlagen? Oder noch einfacher, man ist gleich im Testament der reichen Erbtante großzügig bedacht …