Mitgefühl im Alltag leben

Dalai Lama

Mitgefühl im
Alltag leben

Den Geist erwecken,
das Herz erleuchten

Aus dem Amerikanischen
von Peter Kobbe

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Dalai Lama

Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, wurde 1935 in Osttibet geboren und bereits im Kindesalter als geistiges und weltliches Oberhaupt der Tibeter eingesetzt. Nach der Besetzung Tibets durch die Chinesen ging er 1959 unter abenteuerlichen Umständen ins Exil. Für seinen unermüdlichen Kampf gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit wurde dem Dalai Lama 1989 der Friedensnobelpreis verliehen.

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel Awakening the Mind, Lightening the Heart bei Harper, San Fransisco.

 

© 1995 by The Library of Tibet

© 2020 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Verlag

© 2020 der eBook-Ausgabe Knaur eBook

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: Collage aus Motiven von Hindustan Times/Kontributor/Getty Images und Mehta Nishant, sewonboy/Shutterstock.com

ISBN 978-3-426-45902-7

Endnoten

Er begründete die jüngste von den vier Schulen oder Überlieferungslinien des tibetischen Buddhismus, die Gelugpa-Schule, wörtlich »Schule der Tugendhaften«, die in der Nachfolge der Kadampa-Tradition (siehe Anm. 7) monastischer Disziplin und intensivem Text-Studium besondere Bedeutung beimisst.

Der Titel Rinpoche, wörtlich »Überragend Kostbarer«, wird einem spirituell hoch qualifizierten Lama verliehen. Ein Lama, wörtlich »Oberer«, ist im tibetischen Buddhismus ein spiritueller Meister, also der indischen (Sanskrit-)Bezeichnung nach ein »Guru«. Der Dalai Lama, wörtlich »Ozean-Lama«, ist das Oberhaupt der Gelugpas und auch das politische Oberhaupt der Tibeter; ihm kommt die spirituelle Qualität/Autorität eines Lama in höchstem Maß zu.

Geshe ist der höchste akademische Grad, der von tibetischen Klosteruniversitäten verliehen wird.

Der englische Text gibt Bodhichitta, wörtlich »Erleuchtungs-Geist/Erwachens-Geist«, durchgehend mit »the awakening mind« wieder, was sich mit »Geist des Erwachens« oder »der erwachende Geist« übertragen ließe. Die Übersetzung bleibt bei dem Begriff Erleuchtungsgeist, weil dieser die allgemein gebräuchliche deutsche Entsprechung für »Bodhichitta« ist. Die Übergänge sind freilich fließend: Erleuchtung (Bodhi) im buddhistischen Sinne kommt nicht als ein (wie immer beschaffenes) Licht von außen; sie ist ein Erwachen des (eigenen) Geistes zu der ihm keimhaft (und essenziell) innewohnenden, eben herauszuarbeitenden Grundnatur, und der Erwachende wird am Ende seines »Pfades« zu einem Buddha, einem Erwachten/ Erleuchteten.

Der spirituelle/religiöse Meister (sanskr.: Guru, tibet.: Lama), dem sich der Zuflucht nehmende Novize oder Laie in Vertrauen und Hingabe anschließt, wird zu dessen »Grund«- oder »Wurzel-Lama«.

Bodhisattva, wörtlich »Erleuchtungswesen«: im Mahayana-Buddhismus (vgl. Anm. 10) ein Wesen, das in systematischer Ausübung der »Vollkommenheiten« (Paramitas, vgl. Anm. 8) Erleuchtung anstrebt, und zwar allein aus dem uneigennützigen Motiv, allen anderen empfindenden Wesen helfen zu können und ihr Wohl zu erwirken. – Manjushri, wörtlich »Der Lieblich-Schöne«, ist der transzendente, göttlich geläuterte Bodhisattva der Weisheit und Wissenschaft, dessen ikonografische Attribute ein flammendes Schwert und das Buch der höchsten Mahayana-Weisheit sind. Sein Wirken besteht darin, das Dunkel der Unwissenheit zu beseitigen, analytische Urteilskraft und das Gedächtnis zu wecken.

Die Kadampa-Schule (tibet., wörtlich: »Mündliche Unterweisung«) ist eine auf den indischen Gelehrten Atisha (980/901055) zurückzuführende Schulrichtung des tibetischen Buddhismus, die sich nach dessen Niedergang im 10. Jahrhundert die Wahrung der angemessenen Auslegung des Schrifttums zum Ziel setzte. Ihre zentralen Lehren sind unter dem Titel Lo-jong, »Geistes-Läuterung«, überliefert. Als eigene Schule überdauerten die Kadampa-Meister oder Kadampas nicht, aber ihre Lehren gingen in alle vier großen tibetischen Schulen ein.

Die sechs Vollkommenheiten, Paramitas (von sanskr.: Paramita), sind: Freigebigkeit, Sittlichkeit, Geduld, Anstrengung, Konzentration, Weisheit. Sie bestimmen das Verhalten eines Bodhisattvas; durch ihre Ausübung erlangt er die Vollkommenheit eines Buddhas. Ebendeswegen werden sie auch schon auf der Ebene des Pfades »Vollkommenheiten« genannt.

Die vier Faktoren oder besonderen Qualitäten kennzeichnen ebenfalls das Verhalten eines Bodhisattvas. Es sind dies: Freigebigkeit, angenehme Rede, Betätigung zum Wohl der anderen und ein auf positives Verhalten anderer eingehendes Benehmen (man respektiert die Konventionen des jeweiligen sozialen Umfelds).

»Fahrzeug« bezeichnet im Buddhismus generell einen Teilaspekt der buddhistischen Lehre, der wie ein Vehikel die Last spiritueller und existenzieller Befreiung zu tragen vermag: der Befreiung aus dem Daseinskreislauf, also der »persönlichen Befreiung« (sie wird vom »Kleinen Fahrzeug«, dem Hinayana, getragen); oder die Last der Verantwortung für das Wohl und die Erleuchtung aller empfindenden Wesen ohne Ausnahme (sie wird vom »Großen Fahrzeug«, dem Mahayana, getragen). – Ferner gibt es das »Tantrische Fahrzeug«, Tantrayana, auch »Diamant-Fahrzeug«, Vajrayana, genannt (vgl. auch Anm. 22).

Das gesprochene Mantra, wörtlich »Schutz des Geistes«, ist eine spirituell »aufgeladene« Silbe oder Silbenfolge, eine Art komprimiertes Gebet, das sich, insbesondere als Namensmantra, im vielfach wiederholten Rezitieren an göttlich geläuterte, transzendente Bodhisattvas bzw. Buddhas richtet und ihren Segen, ihre vervollkommnende Einflussnahme auf den Sprechenden erbittet. Der tibetische Buddhismus macht das Mantra zu einem integralen Bestandteil der meditativen Praxis: Es dient bei der tantrischen Umwandlung von Körper, Rede und Geist dazu, in der Rezitation die normale Rede/Sprache auf die Höchste Wirklichkeit hin zu transzendieren.

Vgl. zur Leere/Leerheit, Shunyata, Kap. 8.

Die doppelte oder zweistufige Wahrheit (Satyadvaya) gehört ins Zentrum der Leerheits-Konzeption im Mahayana: Die konventionelle oder »verhüllte« Wahrheit (Samvriti Satya) betrifft jeweils die alltäglich-empirische, »phänomenale« Existenz von Dingen/Personen/Gegebenheiten; sie erscheinen als inhärent existierend, als unteilbare/ganzheitliche und aus sich heraus bestehende Größen. Dass sie (als solche Größen) lediglich aufgrund gedanklich-begrifflicher »Festlegung« und somit nur »konventionell« existieren, entspricht der letztgültigen oder höchsten Wahrheit (Parama-Artha Satya), die sich auf die eigentliche Bestehensweise alles empirisch Gegebenen bezieht – auf sein Leersein von inhärenter Existenz. Die konventionelle Wahrheit ist demnach als erkannte Wahrheit von der letztgültigen Wahrheit, d.h. von der Weisheit (des Mahayana), die die Leerheit realisiert, untrennbar. Siehe Kap. 8.

Das Rad des Dharma, das Dharma-Chakra, ist im Buddhismus das Sinnbild für die vom Buddha verkündete Lehre. Er (bzw. seine späteren transzendenten Emanationen) »drehte« es nach Auffassung des Mahayana dreimal. Es gibt demgemäß drei Dharma-Räder, drei unterschiedliche Lehr-Zyklen, die unter dem Gesichtspunkt ihres Offenbarungsorts oder dem ihres Inhalts oder dem ihrer Schüler umschrieben werden. Das erste Dharma-Rad umfasst insbesondere das Sutra von den Vier Edlen Wahrheiten bzw. die Lehren, denen die Anhänger des »Kleinen Fahrzeugs«/Hinayana folgen; das zweite Dharma-Rad umfasst insbesondere die Prajnaparamita-Lehren, also die höchsten Weisheitsbelehrungen mit dem Bodhisattva-Ideal und der Leerheitsphilosophie im Sinne Nagarjunas (vgl. Anm. 16) bzw. die Belehrungen, denen die Anhänger der »Schule des Mittleren Weges«, die Madhyamikas, folgen; und das dritte Dharma-Rad umfasst insbesondere das Sutra der Offenlegung der Intention (des Buddhas), das Samdhinirmocana bzw. die Lehren, denen die Anhänger der »Nur-Geist«-Schule, die Chittamatrin, folgen. – Es gibt – innerhalb der tibetischen Kagyü-Schule – auch eine Darstellung der Räder unter dem Gesichtspunkt der Existenz: Hier betont das erste Rad vor allem den Existenz- oder Daseins-Aspekt und damit die Gesetze von Karma und Samsara; das zweite den Aspekt des Leerseins (von inhärenter Existenz) und damit die Nicht-Existenz; und das dritte lehrt die letztgültige Bedeutung, das Freisein von diesen und allen Extremen und damit die nicht-begriffliche, alle Konzeptionen transzendierende Weisheit. – Siehe zu den einzelnen Schulen Anm. 16.

Siehe zu diesem Abschnitt Anm. 4.

Im Hinayana sind dies die Schulen der Vaibhashikas und Sautrantikas sowie im Mahayana die Schulen der Chittamatrin, der Vertreter der »Nur-Geist«-/Chittamatra-Konzeption – diese Richtung wird auch Vijnanavada, wörtlich »Schule, welche das Erkennen lehrt«, oder Yogachara, wörtlich »das Ausüben des Yoga« genannt –, und die Vertreter des »Mittleren Weges«/Madhyamaka, die Madhyamikas. Die Madhyamaka-Schule gliedert sich in zwei Unterschulen, die Svatantrikas und die Prasangikas, wörtlich »die, welche Folgerungen benutzen«. Das Prasangika oder die Konsequente Schule des Mittleren Weges gilt als das höchste Lehr-System innerhalb des tibetischen Buddhismus. Die wichtigsten Lehrer des Prasangika sind neben Nagarjuna (2./3. Jh.), dem Begründer der Schule des Mittleren Weges, Aryaveda, Buddhapalita, Chandrakirti, Shantideva und Atisha. Von der Schule des Mittleren Weges ist der »Mittlere Weg«, Madhyama-Pratipad, des historischen Buddhas zu unterscheiden. Er beinhaltet die Vermeidung aller Extreme, d.h. auf lebenspraktischer Ebene die Vermeidung von leiblich-sinnlichen Genüssen einerseits und von Askese oder Selbstkasteiung andererseits; und auf philosophischer Ebene die Vermeidung eines ontologischen Realismus (der Konzeption der inhärenten, aus sich heraus bestehenden Existenz/Seinsweise der Phänomene) einerseits und eines ontologischen Nihilismus (der Konzeption des gänzlich illusionären Charakters oder der Nicht-Existenz der Phänomene) andererseits. Nagarjuna, der wichtigste und tiefgründigste der Madhyamikas, verstand sich in erster Linie als Interpret und Kommentator ebendieses tradierten philosophischen Ansatzes.

»Höchstes Gut« (Parama-Artha), »das Beste« (Aggam) oder auch »eine und einzige Vollendung« (Eka Nittha) sind mehr oder minder synonyme Attribute von Nirwana als letztendlichem Heilsziel. Im Mahayana ist Nirwana identisch mit Leerheit (vgl. dazu Kap. 8).

Der Buddha-Dharma: die Lehre des historischen Buddhas.

Mit »Überwinder« oder »Siegreicher«, Jina, wird der historische Buddha bezeichnet sowie auch – im tibetischen Buddhismus – jemand, der in seinem Geistesstrom alles die Befreiung und Allwissenheit Behindernde überwunden hat und in anderen empfindenden Wesen die Überwindung des Behindernden, der Leidensursachen, erwirken kann.

Gemeint ist hier nicht der Buddha der Zukunft, Maitreya, wörtlich »der Liebende«, der als transzendenter Bodhisattva bis zu seiner Herabkunft noch im Götterhimmel weilt (siehe auch Anm. 46), sondern der gleichnamige Begründer der »Nur-Geist«-Schule (siehe Anm. 16) Maitreya(natha) (ca. 270350).

Siehe Anm. 6. Manjushri gilt als der transzendente Ahnherr der Schule des Mittleren Weges (Madhyamaka).

Der Dalai Lama charakterisiert knapp und klar das Sutra, wörtlich »Leitfaden«, als »den Pfad des Studiums und der Ausübung, nach dem viele Leben erforderlich sind, um Erleuchtung zu erreichen«, und das Tantra, wörtlich »Gewebe«/»Kontinuum«, als »die geheimen Praktiken, nach denen Erleuchtung auch in nur einer Lebenszeit erreicht werden kann« (in Der Weg zur Freiheit, Zentrale tibetisch-buddhistische Lehren, Knaur Taschenbuch, München 1996, S. 15). Ein einzelnes Sutra bzw. Tantra ist eine Schrift mit Unterweisungen und Übungen. Das überlieferte Sutra-Schrifttum umfasst die Hinayana- und nicht-tantrischen Mahayana-Lehrreden (Paramitayana-Lehrreden) des Buddhas; die Überlieferung des Tantra umfasst die Unterweisungen für einen engeren Kreis von Schülern. Vgl. auch Anm. 10.

»Übertragung« (siehe auch den gleich folgenden Vers aus der »Geistesschulung«): Sie erfolgt stets unmittelbar vom Meister auf den Schüler und ist damit gleichsam das Herz oder der Lebensnerv der buddhistischen Überlieferung. Die Schriften sind lediglich die Ergänzung dazu – erst durch die ungebrochene Linie der vom Meister auf den Schüler übergehenden Übertragungen werden sie mit Leben erfüllt.

Bekannter unter dem Namen Dharmakirti (10. Jh.).

Siehe Anm. 7.

Der Stupa, wörtlich »Haarknoten«, ist ein spezifisch buddhistischer Sakralbau, der sich strukturell aus runden Begräbnishügeln entwickelt hat. Er birgt entweder Reliquien buddhistischer Heiliger oder sakrale Bildnisse, Schriften etc. Aus der Sicht des tibetischen Buddhismus spiegelt der Stupa (tibet.: Chörten) in seinem charakteristischen dreigliedrigen Aufbau Körper, Rede und Geist des Buddhas wider.

Nagarjuna (2./3. Jh.), Ein kostbarer Kranz von Ratschlägen an den König (Rajaparikatha-ratnavali).

Die Kagyüpas-Schule, wörtlich »Mündliche Übertragungslinie«, ist eine der vier Hauptlinien des tibetischen Buddhismus. Hier ist die direkte Übertragung der meditativen Praktiken (und gleichzeitig des Segens der gesamten Praxis-Linie) vom Meister auf den Schüler besonders wichtig. Die Mahamudra-Praxis und die »Sechs Yogas« des Naropa (siehe Anm. 29 bzw. 95) stehen hier im Mittelpunkt ihrer Übungen.

Mahamudra, wörtlich »Die höchste oder großartige Haltung/Stellung/Geste«, die Große Versiegelung/das Große Siegel, zählt zu den herausragenden Meditationspraktiken des »Diamant-Fahrzeugs«/Vajrayana (vgl. Anm. 10) und bildet die zentrale Unterweisung/Praxis der Kagyiüpa.

Dzogchen, tibet., wörtlich »Die Große Vollendung«, ist die Hauptlehre/zentrale Meditationspraxis der Nyingmapa-Schule (wörtlich »die Schule der Alten«) des tibetischen Buddhismus. Wie bei Mahamudra (siehe Anm. 29) geht es auch in ihr um die ständig gegebene, freilich erst einmal zu realisierende Reinheit des die Leerheit erfassenden Geistes. Sie gilt als letztgültige Unterweisung des historischen Buddhas Shakyamuni. »Groß« wird sie genannt, weil sie das Erhabenste ist; und mit »Vollendung« wird sie bezeichnet, weil zum Erlangen/Realisieren des ursprünglich klaren Geistes keine sonstigen Hilfsmittel erforderlich sind.

Shantideva (8. Jh. n. Chr.), Eintritt in das Leben zur Erleuchtung/Eintritt in die Bodhisattvataten (Bodhisattvacaryavatara).

Gemeint sind wohl die »Fünf Plagen/Befleckungen/Leidenschaften« (Pancaklesa) Lust, Hass, Trägheit, Stolz und Eifersucht.

Dharmapalas, wörtlich »Schützer der Lehre«, ursprünglich zornvolle Gottheiten und Dämonen, sind im »Diamant-Fahrzeug« oder Vajrayana (siehe Anm. 10) zu Dharma-Schützern umfunktioniert.

Von den ca. fünfzig transzendenten oder göttlich geläuterten Bodhisattvas des Mahayana-Buddhismus ist Avalokiteshvara, wörtlich »der Herr, der herabschaut«, der bedeutendste. Seine zentrale Eigenschaft ist das grenzenlose Erbarmen. Es gibt 130 unterschiedliche Erscheinungsformen des Avalokiteshvara. Seit dem Großen Fünften Dalai Lama (16171682) gilt der Dalai Lama bei den Gläubigen als Inkarnation des Avalokiteshvara (tibet.: Chenresi).

Der weibliche transzendente/göttliche Bodhisattva Tara, wörtlich »die Retterin«, gilt als Emanation von Avalokiteshvara (siehe Anm. 34) und soll der Legende nach aus dessen Tränen entstanden sein. Sie verkörpert die weibliche Dimension des großen Mitgefühls, des Inbegriffs der Buddha-Aktivität.

Achala, wörtlich »der Unbewegliche/Standhafte«, ist ein Beiname des hinduistischen Gottes Shiva. Im Vajrayana (siehe Anm. 10) übernimmt Shiva eine Rolle, die weitgehend der eines Dharmapala gleichkommt (siehe dazu Anm. 33) – mit der vom Dalai Lama genannten Funktion.

D.h. Avalokiteshvaras.

Im tibetischen Buddhismus symbolisieren die vier unteren Stufen des Stupa (siehe Anm. 26) die positiven Geisteszustände oder Vier Unermesslichen (siehe Kap. 3) Liebe, Mitgefühl, Freude und Gleichmut; die anschließenden, bis zum Mittelteil reichenden zehn Stufen symbolisieren die zehn Stufen der spirituellen Entwicklung eines Bodhisattvas; und der Mittelteil oder »Körper« des Stupa symbolisiert den Erleuchtungsgeist.

Milarepa, wörtlich »Mila im Baumwollgewand (des Asketen)« (10401123), ist der wohl berühmteste Heilige Tibets. Von seinem Guru, dem berühmten Yogi Marpa (10121097), empfing er die Unterweisung in Mahamudra (siehe Anm. 29) und die »Sechs Yogas« des Naropa (vgl. auch Anm. 95).

Im Zustand des »ruhigen Verweilens«, Shamatha, kommt der Geist zur Ruhe und verharrt in nicht-analytischer Sammlung, Samadhi (wörtlich »Fixieren/Festmachen«) einsgerichtet auf einem Meditationsobjekt. Die Beruhigung der Geistestätigkeit ist die Grundvoraussetzung dafür, dass der Geist Stabilität, Klarheit und Einsicht in die eigene Natur entwickeln kann. Stabilität des Geistes wiederum ist das Fundament, auf dem dann viele Meditationsübungen im Mahayana und Vajrayana (vgl. Anm. 10) aufbauen.

D.h., man ersucht sie, den Existenzkreislauf, Samsara, nicht endgültig zu verlassen.

Damit ist im engeren Sinne der »Dreikorb« (Tripitaka) der kanonischen buddhistischen Schriften gemeint, bestehend aus Vinaya-Pitaka (dem »Korb der Disziplin«, den ältesten Teilen des Kanons), Sutra-Pitaka (dem »Korb der Schriften« mit den eigentlichen Lehrreden Buddhas) und Abhidharma-Pitaka (dem »Korb der besonderen Lehre«, einem Kompendium buddhistischer Philosophie und Psychologie). Im weiteren Sinne sind die Diskurse/Abhandlungen/Kommentare der drei »Fahrzeuge«, des Hinayana, Mahayana und Vajrayana (vgl. dazu Anm. 10) gemeint.

Enthalten sind diese in den 547 Jatakas, wörtlich »Geburtsgeschichten«, einem Teil des Sutra-Pitaka (siehe Anm. 42).

Mit Tilopa, tibet., wörtlich »Sesam-Zerstoßer« (9881069), einem der berühmtesten Mahasiddhas (Bemeisterer des Tantras), beginnt die Überlieferung des »Großen Siegels« (vgl. Anm. 29).

Siehe Anm. 39.

Nach buddhistischer Kosmologie befinden sich über dem »Weltenberg« Meru die 28 Bereiche der hohen »Himmelswesen« (Devas) und der Götter mit begierdeloser Körperlichkeit oder »reiner Form« (Rupaloka) sowie der Bereich der Formlosigkeit und die Reinen Länder der transzendenten Buddhas, Zwischen-Paradiese oder Vorstufen zu Nirwana (vgl. auch Anm. 102). Das Freudvolle Land ist der Bereich der »stillzufriedenen Götter«, der Tushita-Himmel, und insofern auch ein Reines Land, als es jenen Buddhas vorbehalten ist, die nur noch einmal wieder geboren werden müssen. All diese Bereiche symbolisieren freilich in erster Linie Aspekte des erleuchteten Bewusstseins bzw. der »höheren« Entwicklungsstufen auf dem Weg zur vollständigen Befreiung.

»Rad« ist die wörtliche Bedeutung von Chakra, der Bezeichnung für einen Brenn- oder »Vitalpunkt« feinstofflicher Energie, ein subtiles Energiezentrum. Von den sieben Chakras liegen sechs auf dem Mittleren Kanal oder Hauptkanal, der Avadhuti: aufsteigend von unten zwischen After und Zeugungsorgan, an der Wurzel der Genitalien, in der Nabelgegend, in der Herzgegend, am unteren Ende des Halses und zwischen den Augenbrauen. Das siebte Chakra liegt über dem Scheitelpunkt des Kopfes, außerhalb des physischen Bereichs und entspricht dem kosmischen Bewusstsein und der höchsten Erkenntnis. Von jedem Chakra strahlen Energiekanäle, Nadi(s), aus, und jedes Chakra wird durch einen Lotos mit jeweils unterschiedlich vielen Blütenblättern dargestellt bzw. meditativ geschaut. Durch den Hauptkanal strömen die »Tropfen«/vitalen Essenzen, Bindu(s), und die Energieströme/»Winde«, Prana(s), die durch die Nadis in ihrer Bewegungsfähigkeit gehemmt bzw. beeinflusst werden. – Der »unzerstörbare Tropfen« ist der einzig aus sich selbst entstandene »Weisheitstropfen« und gleichbedeutend mit der Weisheit des klaren Lichtes (siehe Anm. 48).

Das klare Licht/der Geist des klaren Lichtes (tibet.: Ösel) bezeichnet die subtilste aller Geistesebenen, die reine Lichthaftigkeit des durch keinerlei beigelegte Begrifflichkeit getrübten, also seiner Leerheit inne seienden Bewusstseins. Der Geist des klaren Lichtes ist der »Geistgrund«/das »Grundbewusstsein« im individuellen Sinne (vgl. zur trans-personalen Bedeutung dieses Begriffs Anm. 110) und somit die Wurzel aller anderen Bewusstseinsebenen; jeder Sterbliche trifft auf das klare Licht des Todes und kann dieses im »Normalfall« nicht erfahrend bewältigen. Die tantrische Praxis kann schon zu Lebzeiten die Erfahrung des klaren Lichtes zugänglich machen und so auf die Begegnung mit dem klaren Licht des Todes vorbereiten.

An welchem Ort der Dalai Lama diese Unterweisungen gegeben hat, geht aus der amerikanischen Originalausgabe nicht eindeutig hervor. Höchstwahrscheinlich war es aber in Dharamsala, seinem Exilwohnsitz.

Unser Weltsystem besteht nach der buddhistischen Kosmologie aus vier Kontinenten, dem Nördlichen, Südlichen, Östlichen und Westlichen Kontinent. Zwischen den Kontinenten liegen jeweils zwei Inseln. Das Zentrum des Weltsystems bildet der Berg Meru (mit den Wohnstätten der Halbgötter und der begierdeerfüllten Götter; siehe auch Anm. 46). Diese Grundstruktur gilt für alle unendlich vielen Weltsysteme.

Nach der tibetisch-buddhistischen Physiologie besteht der Körper aus den vier Elementen Erde, Wasser, Feuer und Wind (tibet.: Lung; hier im Sinne des Pneuma oder des »Odems«, des »Belebenden« schlechthin) sowie aus den drei Säften von Galle, Schleim und Wind (hier im Sinne der die Ausscheidung, Verbrennung, den Kreislauf, die Muskelbewegung und den Stoffwechsel regelnden/bestimmenden Lung-Funktionen).

Ist von der »Person« als Gesamtheit, als komplexem grob- und feinstofflichen Formaggregat die Rede, tritt als fünftes Element noch der Raum hinzu.

Freilich klingt in dieser Formulierung auch die Konzeption der »Daseinsfaktoren«, der Dharmas, mit an. Siehe dazu Anm. 122.

Siehe Anm. 48.

Den 6. Juli 1935.

Bodhisattva (tibet.: Djang chub sempa) bedeutet im Tibetischen wörtlich »Held des gereinigten und entfalteten Geistes«.

Siehe Anm. 10 bzw. 22.

Eine wörtliche Bezugnahme auf einen Passus in Nagarjunas Kostbarer Kranz (Der »König der Berge« ist der »Weltenberg« Meru. Siehe Anm. 50.) und sicher auch auf Maitreyanatha (siehe Anm. 20): Nach diesem ist »der König der Berge« die 9. der 22 Arten des Entstehenlassens von Erleuchtungsgeist, in der der Schwerpunkt auf der Meditation liegt; diese ist in sich so gefestigt wie der durch Unwetter und Stürme unerschütterbare Meru. Die 9. Art des Entstehenlassens von Erleuchtungsgeist entfaltet sich auf der 5. der zehn Bodhisattva-Stufen, Bhumis (wörtlich »Länder«), die ein Bodhisattva bis zur Erlangung der Buddhaschaft durchläuft. Vgl. auch Anm. 80 u. 105.

Der konventionelle Erleuchtungsgeist ist vom endgültigen/ höchsten Erleuchtungsgeist zu unterscheiden. Dieser ist der Geist vollkommener Erleuchtung/vollkommenen Erwachens, von dem ein Bodhisattva durchdrungen ist, der die Leerheit unmittelbar gewahrt (verwirklicht hat). Siehe auch Kap. 8 u. Anm. 30.

Gemeint sind die Prägungen oder »Karma-Samen« (Vasana) im Bewusstseinskontinuum bzw. der »Grundlage von allem«, dem »Speicherbewusstsein« (Alaya-Vijnana). Vgl. Anm. 48 u. 110.

Akonit/Aconitum ist der stark verdünnte Auszug aus den Wurzelknollen des gleichnamigen Hahnenfußgewächses (d.h. des Sturmhuts), das das Alkaloid/Nervengift Akonitin enthält.

Siehe Anm. 3.

Chandrakirti (6./7. Jh.) ist neben Shantideva und Atisha einer der wichtigsten Lehrer der Konsequenten Schule des Mittleren Weges. Vgl. dazu Anm. 16.

Siehe Anm. 40.

Die Guru Puja oder Darbringung an den spirituellen Meister ist ein Text des 1. Panchen Lama. – Der Panchen Lama, wörtlich »Lehrer, der ein großer Gelehrter ist«, war seit dem 17. Jahrhundert oftmals Lehrer und Stellvertreter des Dalai Lama.

Vgl. Anm. 9.

Lhamo (sanskr.: Devi), wörtlich »die Göttin«, ist der einzige weibliche Dharmapala (siehe Anm. 33). Sie ist die buddhistische Umgestaltung der Hindugöttin Kali, der Gemahlin des Gottes Shiva, und nicht nur eine Dharma-Schützerin, sondern auch die Schutzgöttin von Lhasa sowie des Dalai Lama und des Panchen Lama (siehe Anm. 63).

Die Methode besteht im Mahayana-Buddhismus aus dem strebenden und dem angewandten Erleuchtungsgeist, ferner dem Ausüben der sechs Vollkommenheiten (Freigebigkeit, Sittlichkeit, Geduld, Anstrengung, Konzentration und Weisheit). Weisheit (Verwirklichung der Leerheit) und Methode bilden eine untrennbare Einheit.

Verdienst und Einsicht entsprechen Methode und Weisheit. Vgl. Anm. 66.

Der Mahayana-Buddhismus gliedert die Götterwelt in 28 göttliche/himmlische Ebenen: sechs in der Sphäre der Begierde, 18 in der Sphäre der begierdelosen Körperlichkeit und vier in der Sphäre des Körperlosen. Die Wesen in diesen »günstigen« oder »glücklichen« Sphären bleiben, freilich in sphärenbedingter (und nach Sphären gestufter) Abmilderung, dem Existenzkreislauf, Samsara, unterworfen wie die Wesen der übrigen Existenzbereiche. Die Welt der Halbgötter oder Titanen (Asuras) gehört kosmologisch zum Teil in die himmlischen Ebenen, bildet aber gesondert einen der sechs Existenzbereiche.

Das ist die zehnte und höchste der Stufen (Bhumis, wörtlich »Länder«), die ein Bodhisattva in seiner Praxis zur Erlangung der Buddhaschaft durchlaufen muss. Sie wird »(Land der) Wolke des Dharma« genannt. Wissen und innere Vollkommenheit sind weitestgehend verwirklicht, und der Wahrheitskörper des Bodhisattvas ist ausgestaltet (siehe dazu Anm. 76).

D.h. angenehme/geliebte, unangenehme/verhasste und indifferente/neutrale Objekte bzw. Personen; die drei Gifte Begierde, Hass und Unwissenheit; sowie die »drei heilsamen Wurzeln«, also die Grundimpulse tugendhaften Verhaltens – Begierdelosigkeit, Hasslosigkeit und Nicht-Verblendung, die die Überwindung/Negation der drei Gifte oder »unheilvollen Wurzeln« in sich schließen.

Aus Nagarjunas Kostbarer Kranz (siehe Anm. 27).

D.h. Wesen »auf der Wanderung«/»wandernd« im Existenzkreislauf Samsara (wörtlich »Wanderung«). Die sechs Existenzbereiche heißen im Tibetischen »Sechs Arten von Wanderungen«.

Das sind einerseits die Arhats, wörtlich die »Würdigen« oder (nach tibet. Etymologie) »Feindzerstörer«, die die Feinde im eigenen Geist, die störenden Gemütsbewegungen, überwunden haben, und andererseits die Pratyeka-Buddhas, wörtlich die »Einsamen Verwirklicher«/»Einsam-Erwachten«, die die Erleuchtung nur für sich und ganz allein aus sich selbst erreicht haben. – Im Mahayana-Buddhismus entspricht dem Erlösungsweg eines Arhats die Arhat-Stufe der vierten und höchsten Verwirklichungsstufe der Shravakas, wörtlich »Hörer«: Diese erlangen die persönliche Erleuchtung nur durch das Hören der Lehre (und bringen ihren Praxis-Weg zu Gehör).

Siehe Anm. 69.

D.h. Samsara in Nirwana (wörtlich »Erlöschen«) verwandeln. Im Tibetischen bedeutet Nirwana wörtlich: »Über das Leiden hinweggeschritten sein«/»Über die Kümmernisse hinausgelangt sein«.

D.h., alle vollendeten Eigenschaften der Buddhanatur, die gemäß dem Mahayana die »Drei Körper« (oder »Zustände«), Trikaya, eines Buddhas konstituieren: den Dharmakaya, »Wahrheitskörper«, die unmittelbare Erkenntnis/Verwirklichung der universalen höchsten Wahrheit, des Wesens aller Phänomene/Gegebenheiten und das absolute Befreitsein von allem, was an der Erleuchtung und Vollendung hindert; den Sambhogakaya, »Körper des Entzückens« oder »Vollkommenen Genuss-Körper«, in dem sich die voll Erwachten am kontinuierlichen Strom des Mahayana erfreuen, also die in ihnen »verkörperte«/verwirklichte Wahrheit genießen; und den Nirmanakaya, »Hervorbringungs«-/»Emanations-Körper«, den Körper der feinstofflichen oder grobstofflichen Manifestationen, in denen die Buddhas den Menschen in der Welt erscheinen, um sie zur Erleuchtung zu führen. Sambhogakaya und Nirmanakaya dienen als »Formkörper« beide dazu, die an sich transzendente Wahrheitsdimension des Dharmakaya auf unterschiedlichen Offenbarungsebenen zu vermitteln. Die hierarchische und unauflösliche Zuordnung der drei Kayas gleicht – von »unten« nach »oben« – der von Körper, Rede und Geist.

Maitreya(natha), Schmuck der klaren Erkenntnis (Abhisamayalamkara). Vgl. auch Anm. 20.

Dies bezieht sich auf die Ausstrahlungen des im Existenzkreislauf erscheinenden Nirmanakaya/»Emanationskörpers«, der auch »Ausstrahlungskörper« genannt wird, und auf den Dharmakaya/»Wahrheitskörper« in seiner Eigenschaft, klares Licht zu sein (vgl. Anm. 76 bzw. 48).

Dies ist der einfachere Ausdruck für Tathagata-Garba, wörtlich »Essenz/Keim des Tathagata«, gleichbedeutend mit: »den Tathagata (d.h. den Buddha; siehe Anm. 83) in sich enthaltend«.

»Erde« bzw. »Gold« ist die Klassifizierung der ersten bzw. zweiten der 22 Arten des Entstehenlassens des Erleuchtungsgeistes gemäß Maitreyanathas Schmuck der klaren Erkenntnis. Vgl. auch Anm. 56 und 105.

Gemeint sind transzendente/göttliche Bodhisattvas wie Avalokiteshvara oder Manjushri. Vgl. Anm. 34 bzw. 6.

Siehe Kap. 3.

D.h. »Die so Dahingelangten/Gekommenen/Vollendeten«, die Tathagatas. Ein Tathagata ist ein auf dem Dharma-Pfad zur höchsten Erleuchtung Gelangter und einer der zehn Titel für einen Buddha; der historische Buddha bezeichnete sich und andere Buddhas selber so. Die »Essenz« des Tathagata ist die nicht-manifeste/keimhaft angelegte Buddhanatur. Siehe Anm. 79.

Der »Nicht(mehr)-Wiederkehrer« ist im Mahayana-Buddhismus ein Shravaka (siehe Anm. 73) auf der dritten Verwirklichungsstufe; er wird nicht mehr als Mensch, sondern nur noch einmal in den himmlischen Reichen wieder geboren.

Vgl. Anm. 40.

Das ist eine der zehn zu den sechs »Höheren Geisteskräften« (Abhijnas) zählenden magischen Kräfte (Riddhis, wörtlich »Reichtümer«); die Riddhis sind innerhalb der (Meditations-)Praxis des Vajrayana (siehe Anm. 10) weitgehend gleichbedeutend mit den »großen« paranormalen Kräften, den acht Siddhis, wörtlich »vollkommene Fähigkeiten«.

Siehe Anm. 73.

Siehe Anm. 14.

Siehe Anm. 41.

Siehe Anm. 76.

D.h.: noch nicht völlig ins Nirwana Eingegangenen. Vgl. Anm. 75.

Die So-Heit, Tathata, ist einer der zentralen Begriffe des Mahayana-Buddhismus. Er bezeichnet das wahre So-Sein der Dinge und damit das innerste Wesen/die Wahrheit der Wirklichkeit selbst. Daher ist er letztlich gleichbedeutend mit der »Essenz des Thatagata« (siehe Anm. 79) sowie mit der Buddhanatur und dem »Wahrheitskörper«/Dharmakaya (siehe Anm. 76) und der »Dharmaheit«, Dharmata, d.h. dem Wesen der Dharmas, der Manifestationen oder Gegebenheiten der Wirklichkeit.

Siehe Anm. 33.

Die »(Welt-)Hüter«, Lokapalas, sind die Beschützer der vier Haupt-Himmelsrichtungen. Sie behüten den buddhistischen Glauben und verhindern als Wächter und Beobachter der Welt das Eindringen von Dämonen.

Phowa (tibet.), wörtlich »Wechsel des Ortes«, ist eine der sechs Übungsmethoden, der »Sechs Yogas« des Naropa (10161100), die über Marpa nach Tibet gelangten (siehe Anm. 39). Im Phowa, einer Technik der »Bewusstseinsübertragung«, transferiert man im Moment des Todes das Bewusstsein in eines der »Reinen Länder« (Paradiese der transzendenten Buddhas) bzw. in den Dharmakaya-Bereich (siehe Anm. 76). Durch spezifische Meditationsübungen und Visualisierungsprozesse übt sich der Yogi/die Yogini (siehe Anm. 100) schon zu Lebzeiten darin. – Bezeichnend ist freilich, dass sowohl die Textpassage in Sieben Punkte der Geistesschulung wie auch die entsprechenden Ausführungen des Dalai Lama diese spezielle Praxis ausklammern und die »Bewusstseinsübertragung« eher nur andeutend als eine Art Schlusspunkt oder Endziel in der Anwendung der »fünf Kräfte« thematisieren.

D.h. die konstituierenden »Elemente«. Siehe Anm. 51.

Diese fünf »unaufhörlichen« Vergehen führen nach dem Tod des Täters zur unmittelbaren Wiedergeburt in der untersten der acht heißen Höllen, der »Unaufhörlichen Hölle«, der Avici-Hölle. Die Sühnezeit dauert dort ein »Kleines Weltzeitalter«.

Siehe Anm. 73.

D.h. über den Abbau aller »groben« und »subtilen« Bewusstseinsebenen – bis zur Ebene des klaren Lichtes. Vgl. auch Anm. 48.

Alle dem »langfristigen Wohl« dienenden spirituellen Übungen, also auch die Übungen des »Diamant-Fahrzeugs«/Vajrayana (siehe Anm. 10), werden im tibetischen Buddhismus jeweils als »Yoga«, wörtlich »Ins Joch des Göttlichen spannen«, und der sie Vollziehende wird als »Yogi« (bzw. »Yogini«) bezeichnet.

Dies sind Gelübde innerhalb des »Kleinen Fahrzeugs« bzw. Gelübde von Shravakas oder Pratyeka-Buddhas. Siehe Anm. 10 bzw. 73.

Die vier Formen/Arten der Geburt (auf dieser Welt) sind nach tibetisch-buddhistischer Klassifizierung: die Geburt aus einem Schoß, die Geburt aus einem Ei, die Geburt aus Feuchtigkeit und Hitze sowie die spontan erfolgende Geburt.

Sukhavati, wörtlich »das Glückvolle«, ist im Mahayana-Buddhismus eines der wichtigsten und populärsten Reinen (Buddha)-Länder, der »Paradiese« der transzendenten Buddhas des Raumes (vgl. auch Anm. 46). Es ist das westliche Reine Land der Glückseligkeit; sein Herrscher ist der Buddha Amitabha, wörtlich »Grenzenloses Licht«; dieser hat es durch sein karmisches Verdienst hervorgebracht. Die Reinen Länder sind nicht als Örtlichkeiten, sondern als Dimensionen des (auf dem Erlösungsweg befindlichen) Bewusstseins/Geistes aufzufassen.

Siehe Anm. 10 u. 22.

Eine Anspielung auf die dritte der 22 Arten des Entstehenlassens des Erleuchtungsgeistes (nach Maitreyanatha, vgl. Anm. 56 u. 80): Die mit »der anwachsende Mond« klassifizierte Art ist die Quelle für das Anwachsen der positiven Qualitäten, für die wachsende Steigerung alles Positiven.

D.h. durch das Umrunden von Stupas, Tempeln oder anderen Heiligtümern.

Siehe Anm. 16.

Siehe Anm. 13.

Siehe Anm. 57 sowie Kap. 5 u. Kap. 8.

»Grundlage von allem« ist die wörtliche Bedeutung des tibetischen Ausdrucks für Alaya, wörtlich »Speicher«/»Reservoir«, der den »Grund« des Bewusstseins sowie aller reinen und unreinen Phänomene bezeichnet. Der »Geist als Grundlage von allem« oder das »Speicherbewusstsein«/»Grundbewusstsein«, Alaya-Vijnana, ist die Basis von Samsara und Nirwana. Es bildet, über längere Zeiträume hin, den tragenden Grund für das »Bewusstseinskontinuum« bzw. dessen logische Voraussetzung. Das »Wesen« der »Grundlage von allem« entspricht ontologisch dem der raumgleichen Leerheit (vgl. Anm. 125). – Die Bedeutung von »Alaya« ist freilich stark kontextabhängig: Im vorliegenden Textpassus bezeichnet »Grundlage von allem« nicht oder nur indirekt die auf Maitreya(natha), Asanga und Vasubandhu zurückgehende Alaya-Konzeption der »Nur-Geist-Schule« (siehe Anm. 16), sondern eine grundlegende Bewusstseinsebene, auf der in reiner nicht-begrifflicher und nicht-dualer (den Gegensatz von Subjekt und Objekt überwindender) An-Schauung Leerheit realisiert wird.

Siehe Anm. 40.

D.h. der Kommentator Hortön Nam-kha Pel.

Die zwölf Faktoren, Nidana (wörtlich »Verbindungsglied«), die die Kette des »Entstehens in Abhängigkeit«/»bedingten Entstehens« bilden, sind: Unwissenheit; Willensimpulse/Tatabsichten und Gestaltungen; die sechs Arten des Sinnesbewusstseins; das Geistige und Körperliche des Individuums/der Persönlichkeit; die sechs dem Sinnesbewusstsein zugeordneten Objektbereiche; Berührung; Empfindung; Begierde/die Ursache des Anhaftens; das Ergreifen eines Mutterschoßes; Werden; Geburt; Alter; Tod.

D.h. die sich der Phänomene bemächtigt oder sie »hat« bzw. sie im weitesten Sinne »konsumiert«.

Die Schule Chandrakirtis ist die Konsequente Schule des Mittleren Weges. Siehe Anm. 16.

In dieser Formulierung schwingt eine Anspielung auf die Skandhas mit: Die vermeintliche »Person«/»Persönlichkeit« wird durch fünf »Gruppen« oder »Anhäufungen«, Skandhas, konstituiert – Leiblichkeit, Empfindungen, Wahrnehmung, mentale Formkräfte im passiven und aktiven Sinn und das sechsfach gegliederte Sinnesbewusstsein. Die Skandhas sind durch Geburt, Alter, Tod, Dauer und Wandel gekennzeichnet und ihrer Natur nach »nichtwesenhaft«, vergänglich, leer und leidbehaftet.

Form/Gestalt, Rupa, der materielle oder körperliche Aspekt der »Person«/»Persönlichkeit« und der dem Sinnesbewusstsein gegenwärtigen Dinge, ist das erste der fünf Skandhas. Siehe Anm. 116.

Gemäß dem »Diamant-Fahrzeug«/Vajrayana (siehe Anm. 10) gliedert sich das Bewusstsein in die »grobe Ebene« der fünf Arten von Sinnesbewusstsein (d.h. fünf Wahrnehmungsorganen oder »Grundlagen« – dem Auge, dem Ohr, der Nase, der Zunge, dem Tastsinn – sind jeweils konstitutiv entsprechende Wahrnehmungsobjekte zugeordnet) und die »subtile Ebene« des intellektuellen/geistigen Bewusstseins, der achtzig begrifflichen oder kognitiven Bewusstseinsstrukturen, die hinsichtlich ihres Subtilitätsgrades dreifach gestuft sind. Hinzu tritt als vierte und allersubtilste Stufe/Ebene der Geist des klaren Lichtes (siehe Anm. 48).

D.h. Nirwana. Siehe Anm. 75.

Im Gegensatz zu den Svatantrikas und den Chittamatrin sind für die Prasangikas, die Vertreter der Konsequenten Schule des Mittleren Weges (siehe zu diesen Schulen Anm. 16), die subtile Selbstlosigkeit von Personen und die subtile Selbstlosigkeit von Erscheinungen hinsichtlich der Tiefe oder Subtilität gleich. Im Hinblick auf das zu verneinende Objekt (das »Selbst« oder die »inhärente Existenz«) besteht somit kein Unterschied in der Subtilität. Eingeräumt wird lediglich ein Unterschied in Bezug auf die Komplexität/Beschaffenheit der Personen bzw. Erscheinungen als der empirischen Bezugsgrößen für die Analyse: Sie sind die »Substrate« oder »Träger« der zu verneinenden Objekte und – nach erfolgreicher Analyse/Begründung – der subtilen Selbstlosigkeit.

Siehe Anm. 110.

Nach buddhistischer, ursprünglich aus dem Hinayana (siehe Anm. 10) kommender Sicht setzt sich die empirische Person und die ihr zugeordnete (Um-)Welt aus insubstanziellen, d.h. letztlich »leeren« »Daseinsfaktoren«/»Grundfaktoren« oder »Bausteinen«/»Aufbauelementen«, den Dharmas, wörtlich »Trägern«, zusammen. Diese fluktuierenden Faktoren gruppieren sich jeweils eine Zeit lang zu Konglomeraten und bilden so im Miteinander und Nacheinander ihrer Aktivitäten »Person« und »Welt«. – Zugleich schwingt in diesem Passus auch die Elemente-Konzeption der tibetisch-buddhistischen Physiologie mit. Siehe dazu Anm. 51.

D.h. im Kommentar von Hortön Nam-kha Pel.

Siehe Anm. 117.

Gemeint ist der unbegrenzte Raum, Akasha, das »Alldurchdringende«, der als das Leere, sich mit nichts Vermischende für alles körperlich Ausgedehnte, für alles stofflich im Raum Enthaltene die unabdingbare Basis bildet. Seine zentralen Attribute sind: Unsichtbarkeit, Substanzlosigkeit/Immaterialität, absolute Indifferenz gegenüber Dauer und Vergänglichkeit bzw. Entstehen und Vergehen und begriffliche Unfassbarkeit bzw. Unbeschreiblichkeit.

D.h., es kommt auf der höchsten Erfahrungsebene der Erleuchtung zur Vereinigung des Geistes mit dem »Wahrheitskörper«/Dharmakaya (und damit auch den beiden »Formkörpern«) eines Buddhas (siehe Anm. 76): Der Geist entfaltet, da er von seinen durch die störenden Emotionen verursachten Verunreinigungen sowie von deren karmischem Potenzial völlig befreit ist, die ihm ursprünglich innewohnende Buddha-»Essenz« (siehe Anm. 79) zur vollen Buddhanatur und Buddhaschaft.

Das »große Mitgefühl/Erbarmen« ist der Inbegriff der Buddha-Aktivität und eine der sechs Qualitäten des »erleuchteten Zustands« (der ebenfalls mit »Buddha« bezeichnet wird). Vgl. auch Anm. 34 u. 35.

Die »sieben Punkte« sind hier in der traditionellen Weise nummeriert. »Die Schulung im endgültigen Erleuchtungsgeist«, Quintessenz und Letzte Stufe dieser Geistesschulung, ist zwar Punkt 2B (in Gegenüberstellung zu 2A, »Schulung im konventionellen Erleuchtungsgeist«). Da es sich aber um die letzte Stufe der Praxis, die letztendliche Verwirklichung des Erleuchtungsgeistes, handelt, kommt es zu der für uns ungewohnten Reihenfolge: Punkt 2B folgt nicht auf 2A, sondern auf 7.

Diese handlungsleitenden Grundtendenzen oder -perspektiven gliedern sich in die vier Paare: Neigung und Abneigung, Erstreben und Verlieren, Loben und Tadeln sowie Beachten von Ruhm und Schande.

Vorwort

Die hier von Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama
dargelegten Lehren zur Schulung des Geistes
basieren auf einem Text mit dem Titel
Die Strahlen der Sonne.

Dieser wurde im frühen 15. Jahrhundert von Hortön Nam-kha Pel verfasst, einem Schüler des großen Gelehrten und Meisters Tsong-kha-pa (13571419)[1]. Der Text ist ein Kommentar zu einer noch früher datierten Schrift namens Geistesschulung in sieben Punkten, auf deren Verse das vorliegende Buch laufend Bezug nimmt. Sie ist im vollständigen Wortlaut am Ende des Buches wiedergegeben. Strahlen der Sonne war Anfang des 20. Jahrhunderts ein ziemlich ausgefallener Text, dessen Sinn nicht mehr ohne Weiteres eingängig war. Nachdem Kyabje Ling Rinpoche[2], der Studienleiter des Dalai Lama, eine Erläuterung darüber gehört hatte, wurde die Schrift zu einem seiner Lieblingswerke, denn sie verbindet die Wesenszüge der Geistesschulung mit den Überlieferungen des tibetischen Buddhismus vom stufenweise verlaufenden Pfad und lässt sich aufgrund ihrer einprägsamen knappen, unmittelbar verständlichen Darstellungsweise leicht in die tägliche Praxis umsetzen. Ling Rinpoche sorgte dafür, dass der tibetische Text neu ediert und verbreitet wurde, und lehrte ihn auch selbst. In der Folge hat ihn der Dalai Lama bei vielen Gelegenheiten gelehrt, in seinem Wohnort Dharamsala, in den neu gegründeten Klöstern Südindiens und in Bodh Gaya, dem Ort, an dem der Buddha Erleuchtung erlangte. So erfreut sich diese Schrift mittlerweile wieder großer Beliebtheit.

Die hier vorgelegten Lehren Seiner Heiligkeit wurden von folgendem Team ins Englische übersetzt und herausgegeben: von Ehrwürden Geshe[3] Lobsang Jordhen, einem Absolventen des Instituts für buddhistische Dialektik, Dharamsala, der seit 1989 für Seine Heiligkeit den Dalai Lama als ordensgeistlicher Assistent und persönlicher Übersetzer tätig ist; von Lobsang Chophel Gangchenpa, der auch am Institut für buddhistische Dialektik studierte und als buddhistischer Übersetzer zunächst an der Bibliothek tibetischer Werke und Archive in Dharamsala und später über zehn Jahre in Australien arbeitete; und von Jeremy Russell, der seit über zwölf Jahren mit der tibetischen Gemeinde in Dharamsala zusammenarbeitet; er ist Chefredakteur der Zeitschrift Chö-Yang, die Stimme tibetischer Religion und Kultur, die vom Ministerium für religiöse Angelegenheiten der tibetischen Exilregierung publiziert wird.

 

Gerhard Riemann

Einleitung

Der Buddha ging in vielen unterschiedlichen
Unterweisungen auf die Interessen und
Anlagen derer ein, die kamen,
um ihn zu hören.

Und doch skizzieren diese Unterweisungen allesamt Methoden, durch die wir den Geist läutern und den voll erwachten Zustand der Erleuchtung erreichen können. Unter den verschiedenen Lehrzyklen gibt es eine Überlieferung, die als Geistesschulung oder Umwandlung des Denkens bezeichnet wird. Dies ist eine besondere Technik, die ersonnen wurde, um das zu entwickeln, was wir den »Geist des Erwachens« oder »Erleuchtungsgeist« (Bodhichitta)[4] nennen – das Streben nach Erleuchtung, um anderen helfen zu können. Diese Technik wurde durch den indischen Meister Atisha nach Tibet übermittelt; er unterrichtete seine tibetischen Schüler darin. Auf den Ersten Dalai Lama wurde sie durch Hortön Nam-kha Pel übertragen, und von diesem setzte sich die Übertragung zu meinem eigenen Wurzel-Lama[5], dem verstorbenen Kyabje Ling Rinpoche (19031983), fort, von dem ich sie erhalten habe.

Ihre Methoden verkörpern den Wesenskern, die Essenz der Lehren des Buddhas: die Herausbildung des Erleuchtungsgeistes. Ich freue mich sehr, dass ich die Möglichkeit habe, diese Überlieferung weiterzugeben, weil ich mich selbst in ihr übe. Zwar kann ich von mir nicht behaupten, alle nötigen Voraussetzungen mitzubringen, die jemanden dazu qualifizieren, derartige Unterweisungen zu erteilen, aber ich empfinde große Bewunderung und innige Verehrung für sie. Ich freue mich sehr, dass diese kostbare, vom Buddha übermittelte Unterweisung in diesem Zeitalter des Niedergangs, da die Lehren des Buddhas schon beinah ausgestorben sind, tatsächlich bis zu jemandem wie mir gelangt ist.

Zwischen dem, der die Unterweisung gibt, und dem, der sie hört oder liest, besteht keine Konkurrenz. Wir tun es ja nicht zum persönlichen Vorteil. Sofern diese Lehre aus dem reinen Wunsch weitergegeben wird, anderen zu helfen, besteht keine Gefahr, dass sich unser Geisteszustand verschlechtert; er kann sich dabei nur verbessern. Erleuchtung können wir nur durch die Meditationspraxis erreichen; ohne sie können wir keinesfalls unseren Geist umwandeln. Das Lesen oder Anhören buddhistischer Unterweisungen soll uns einzig und allein dazu befähigen, die Praxis angemessen zu vollziehen. Daher sollten wir unser Bestes tun, um das, was wir verstehen, in die Praxis umzusetzen. In diesem Augenblick verfügen wir über dieses kostbare Leben als freie und glücksbegünstigte Menschen, die imstande sind, sich in dieser Praxis zu betätigen. Wir sollten die Gelegenheit beim Schopf ergreifen. Zwar ist es wichtig, uns um unseren Lebensunterhalt zu kümmern, aber wir sollten nicht ausschließlich davon besessen sein. Wir sollten auch an unsere Zukunft denken, denn das Leben nach dem Tod ist etwas, worüber wir wenig wissen, und unser Schicksal ist nicht voraussagbar. Wenn es ein Leben nach dem Tod gibt, dann ist es sehr wichtig, darüber nachzudenken und sich darauf vorzubereiten. Zu diesem Zeitpunkt, da wir über sämtliche Voraussetzungen verfügen, die für das Üben des Dharma, der Unterweisungen Buddhas, erforderlich sind, sollten wir uns mit aller Anstrengung darauf konzentrieren, dies tatsächlich zu tun, und auf diese Weise unser Leben mit Sinn erfüllen.