Die Originalausgabe erschien unter dem Titel «Tar Baby» 1981 bei Alfred A. Knopf, Inc., New York.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Januar 2020
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«Tar Baby» Copyright © 1981 by Toni Morrison
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Coverabbildung Ute Klaphake
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ISBN 978-3-644-00469-6
www.rowohlt.de
Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.
ISBN 978-3-644-00469-6
FÜR
Mrs. Caroline Smith
Mrs. Millie MacTeer
Mrs. Ardelia Willis
Mrs. Ramah Wofford
Mrs. Lois Brooks
– und ihre Schwestern,
die alle ihr wahres Erbe
kannten.
Denn es ist vor mich gekommen,
liebe Brüder, durch die aus Cloes Gesinde
von euch, daß Zank unter euch sei.
1. Korinther 1. 11
Er dachte, er wäre in Sicherheit. Er stand an der Reling der HMS Stor Konigsgaarten und sog in großen Zügen Luft in sich hinein; sein Herz schlug schneller, als er voller Erwartung auf den Hafen starrte. Queen de France errötete ein wenig in dem nachlassenden Licht und senkte vor seinem Blick die Lider. Sieben mädchenhaft weiße Segelschiffe schaukelten im Hafen, aber zwei oder drei Kilometer weiter, wenn man der Strömung folgte, war eine verlassene Pier. Betont ungezwungen ging er nach unten zu den Quartieren, die er mit den schon an Land gegangenen Kameraden teilte, und da er nichts besaß, was er hätte mitnehmen können – kein Briefmarkenalbum, kein Rasiermesser, keinen Schlüssel zu irgendeiner Tür –, schlug er nur noch einmal etwas exakter die Decke unter der Matratze seiner Koje ein. Er zog seine Schuhe aus und knotete die Schnürsenkel an der Gürtelschlaufe seiner Hose fest. Dann, nachdem er sich in aller Ruhe noch einmal umgeschaut hatte, verdrückte er sich mit eingezogenem Kopf durch die Zwischendeckpassage und ging auf das Oberdeck zurück. Er schwang ein Bein über die Reling, zögerte und überlegte, ob er einen Kopfsprung machen sollte; da er seinen Füßen aber mehr vertraute als seinen Händen, machte er einfach einen Schritt weg vom Schiff. Das Wasser war so weich, daß er es erst wahrnahm, als es ihm schon bis zu den Achselhöhlen reichte. Rasch zog er die Knie an und schoß davon. Er war ein guter Schwimmer. Bei jedem vierten Schwimmstoß drehte er sich um und hob den Kopf, um sich zu vergewissern, ob er seinen Kurs parallel zur Küste auch beibehielt und ihr nicht zu nahe kam. Obwohl sich seine Haut kaum von dem dunklen Wasser unterschied, achtete er darauf, daß seine Arme nicht zu weit aus den Wellen tauchten. Die Pier kam näher, und er stellte zufrieden fest, daß seine Schuhe immer noch an seinen Hüften baumelten.
Nach einer Weile beschloß er, zum Land zu schwimmen – auf die Pier zu. Als er die Beine grätschte, um zu drehen, legte sich ein Ring aus Wasser um sie und zog ihn in einen weiten, leeren Tunnel. Er versuchte, sich daraus zu befreien und wurde dreimal herumgewirbelt. Gerade als er unter Wasser hätte atmen müssen, wurde er wieder an die samtene Luft befördert und lag ausgestreckt auf der glatten Oberfläche des Meeres. Er trat ein paar Minuten lang Wasser und versuchte, gleichmäßig zu atmen, dann nahm er wieder Kurs auf die Pier. Wieder legte sich der Ring um seine Fußgelenke, und der nasse Schlund schluckte ihn. Er sank tiefer und tiefer, landete jedoch nicht, wie er erwartet hatte, auf dem Meeresboden, sondern wurde in einem Strudel herumgewirbelt. Sein einziger Gedanke war, ich bewege mich gegen den Uhrzeigersinn. Kaum hatte er das gedacht, beruhigte sich die See und spülte ihn nach oben. Wieder trat er Wasser, hustete, spuckte und schüttelte den Kopf, um seine Ohren vom Wasser zu befreien. Als er sich etwas ausgeruht hatte, beschloß er es im Schmetterlingsstil zu versuchen, um seine Füße vor dem Sog zu schützen, den er beide Male von rechts verspürt hatte. Als er jedoch die Wasserfläche vor sich aufriß, fühlte er einen sanften, beharrlichen Druck auf Brust und Bauch, bis hinunter zu den Schenkeln. Als bedränge ihn die Hand einer Frau, die nicht locker ließ. Er wehrte sich mit aller Kraft, aber es nützte nichts. Die Hand schob ihn immer weiter, weg vom Land. Er drehte den Kopf, um zu sehen, was hinter ihm lag. Er sah nur Wasser, das die Sonne, die wie ein blutendes Herz in ihm versank, purpurrot färbte. In weiter Ferne, zu seiner Rechten, lag die in ganzer Länge erleuchtete Stor Konigsgaarten.
Seine Kräfte ließen nach, und ihm war bewußt, daß er sie nicht im Kampf gegen die Strömung vergeuden durfte. Er beschloß, sich eine Weile treiben zu lassen. Vielleicht würde der Sog nachlassen. Zumindest konnte er neue Kräfte sammeln. Er trieb so gut er konnte im Wasser, das sich hob und senkte und in der nach Ammoniak riechenden Luft pulsierte und immer dunkler wurde. Er wußte, daß er sich in einem Teil der Welt befand, der keine Dämmerung kannte und nie kennenlernen würde und daß er jeden Augenblick in einem pechschwarzen Meer dem Horizont entgegentreiben könnte. In Queen de France gingen schon die ersten Lichter an, tropften wie Tränen aus einem weinenden Himmel, der von der scharfen Spitze eines frühen Sterns aufgerissen worden war. Die Wasserfrau hielt ihn immer noch in ihrer hohlen Hand und schubste ihn hinaus aufs Meer. Plötzlich sah er neue Lichter – vier an der Zahl – zu seiner Linken. Er konnte die Entfernung nicht abschätzen, aber er wußte, daß sie gerade eben auf einem kleinen Boot angegangen waren. Die Wasserfrau zog genauso plötzlich ihre Hand zurück, und der Mann schwamm auf das Boot zu, das im blauen, nicht im grünen Wasser ankerte.
Als er näher heran kam, umkreiste er es. Er hörte nichts und sah niemanden. Auf der Hafenseite entdeckte er den Namen Seabird II und eine kurze, etwa einen Meter lange Strickleiter, die sacht gegen den Bug schlug. Er hielt sich an einer Sprosse fest und hievte sich an Bord des Schiffes. Keuchend kroch er über das Deck. Die Sonne war verschwunden, und seine Segeltuchschuhe hingen auch nicht mehr an seinem Gürtel.
Er schob sich seitlich über das Deck, preßte sich gegen die Wand des Ruderhauses und schaute in die gewölbten Fenster. Niemand war zu sehen, aber er hörte von unten Musik, und es roch nach kräftig mit Curry gewürztem Essen. Er wußte nicht, was er sagen sollte, falls plötzlich jemand auftauchte. Es wäre besser, wenn er es nicht im voraus plante, da solche Geschichten doch immer wie Lügen klangen, auch wenn sie noch so schlüssig waren. Er würde sich davon inspirieren lassen, ob dieser Jemand ein Mann oder eine Frau war, ob er groß oder klein war, wie er sich verhielt.
Er ging zum Achterdeck und stieg vorsichtig eine kurze Treppe hinunter. Die Musik wurde lauter und der Currygeruch stärker. Die Tür am andern Ende stand offen, und aus ihr kamen das Licht, die Musik und der Currygeruch. In seiner Nähe befanden sich zwei geschlossene Türen. Er entschied sich für die erste; sie führte in einen dunklen Wandschrank. Er kroch hinein und schloß leise die Tür hinter sich. Es roch stark nach Zitrusfrüchten und Öl. Da er nichts erkennen konnte, hockte er sich einfach dort, wo er stand, auf den Boden und hörte der Musik zu, die aus einem Radio oder Plattenspieler zu kommen schien. Langsam streckte er die Hand im Dunkeln vor, sein ausgestreckter Arm stieß aber nirgends auf Widerstand. Als er nach rechts tastete, berührten seine Finger eine Wand. Er kroch darauf zu und setzte sich, mit dem Rücken zur Wand, auf den Boden.
Er wollte unter allen Umständen wach bleiben, aber die Wasserfrau fuhr ihm mit ihren knöchernen Fingern über die Lider, und er fiel wie ein Stein in Schlaf.
Der Motor weckte ihn nicht – er hatte jahrelang beim Geräusch stärkerer Motoren geschlafen. Und auch das Rollen des Schiffs machte ihm nichts aus. Stärker als die Geräusche des Motors war der ungewohnte Klang einer Frauenstimme – so ungewohnt und verheißungsvoll, daß sie seine Traumwelt zum Platzen brachte. Er wachte auf und dachte an eine kurze Straße mit gelben Häusern und offenen weißen Türen, in denen Frauen standen, die ihm zuriefen, «Komm rein, Süßer, komm», und ihr Gelächter breitete sich wie eine Daunendecke über den Befehl. In der Stimme dieser Frau lag jedoch nichts dergleichen.
«Ich bin nie einsam», sagte sie, «nie.»
Die Kopfhaut des Mannes juckte. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schmeckte das Salz in seinem Schnurrbart.
«Nie?» Es war die Stimme einer andern Frau – heller, halb zweifelnd, halb bewundernd.
«Nein, nie», sagte die erste Frau. Ihre Stimme schien an den Rändern kalt, innen jedoch warm zu sein. Oder war es gerade umgekehrt?
«Ich beneide dich», sagte die zweite Stimme, aber sie klang schon ferner, nach oben entschwebend, begleitet von Schritten auf einer Treppe und dem Geräusch sich reibenden Stoffes – Kordsamt gegen Kordsamt oder Segeltuch gegen Segeltuch –, einem Geräusch, das nur Frauenschenkel machen können. Eine wundervolle Herbsteinladung, sich aus dem Regen an den häuslichen Herd zu flüchten und es sich dort bequem zu machen.
Der Mann konnte den Rest des Gespräches nicht verstehen – die Frauen waren inzwischen an Deck. Er lauschte noch eine Zeit und richtete sich dann langsam und vorsichtig auf und tastete nach dem Türknopf. Der Gang war hell erleuchet – aber die Musik hatte aufgehört, der Currygeruch hatte sich verflüchtigt. Durch den Spalt zwischen Türrahmen und Tür sah er ein Bullauge, und in ihm spiegelte sich tiefe Nacht. Irgend etwas fiel aufs Deck, und einen Augenblick später rollte es auf die Türschwelle und blieb in dem fingerbreiten Lichtstreifen vor seinem Fuß liegen. Es war eine Flasche, auf deren Etikett er mit Mühe Bain de Soleil entziffern konnte. Er rührte sich nicht. Dachte an nichts, wartete nur. Er hatte niemanden die Treppe herunterkommen hören, aber plötzlich wurde eine Frauenhand sichtbar. Wunderbar geformte, rosa lackierte Fingernägel, elfenbeinfarbene Finger, Ehering. Sie hob die Flasche auf, und er hörte die Frau leise seufzen, als sie sich bückte. Sie richtete sich auf, und ihre Hand verschwand. Ihre Füße bewegten sich lautlos auf den Teakbohlen, aber kurz darauf hörte er, wie eine Tür – wahrscheinlich die Kombüsentür – auf- und zuging.
Er war der einzige Mann an Bord. Er fühlte es – irgend etwas fehlte, wie er erleichtert feststellte. Die zwei oder drei Frauen – er wußte nicht, wie viele es waren –, die das Schiff manövrierten, würden sicher bald an einer privaten Anlegestelle festmachen, wo es keinen Zollbeamten gab, der Stempel in die Pässe drückte und dabei bedeutsam die Brauen zusammenzog.
Das Licht vom Gang erlaubte es ihm, sich im Wandschrank umzusehen. Es war eine Abstellkammer mit Regalen, auf denen Taucherausrüstungen, Angelgeräte und sonstige Bootsutensilien lagen. Ein offener, auf dem Boden stehender Korb nahm den meisten Platz ein. In ihm standen zwölf winzige Orangenbäumchen, die alle Früchte trugen. Er riß eine der Miniaturorangen, die nicht größer war als eine Erdbeere, ab und aß sie. Das Fruchtfleisch war weich, faserfrei und bitter. Er aß noch eine. Und noch eine. Und während er aß, tat sich wie eine Wunde ein bohrender Hunger in ihm auf. Er hatte seit der letzten Nacht nichts mehr gegessen, aber der Hunger, der ihn jetzt durchschnitt, war ebenso unerklärlich wie plötzlich.
Das Boot war unterwegs, und er merkte sehr schnell, daß es auf die offene See zuhielt, nicht auf Queen de France. Aber es wird wohl nicht allzuweit davon entfernt sein, dachte er, Frauen mit lackierten Fingernägeln, die Sonnenöl brauchten, werden nicht in die Nacht hinausfahren, wenn sie einen weiten Weg vor sich haben. Er kaute weiter bittere Orangen, blieb im Wandschrank hocken und wartete ab. Als das Boot endlich anlegte und der Motor abgestellt wurde, war sein Hunger nicht mehr zu bändigen; er mußte die Finger zu Fäusten ballen, um nicht aus dem Wandschrank in die Küche zu stürzen. Aber er wartete, bis die leichten Schritte nicht mehr zu hören waren. Dann ging er auf den Gang, auf den an zwei Stellen Mondlicht fiel. Vom Deck aus sah er zwei Gestalten, die dem Lichtstrahl einer starken Taschenlampe folgten. Als er den Motor eines Autos aufheulen hörte, ging er wieder nach unten. Er fand sofort die Kombüse, aber da das Licht nicht ausreichte, tastete er die Anrichte nach Streichhölzern ab. Es waren keine da, und der Herd war elektrisch. Er öffnete einen kleinen Kühlschrank und fand eine Flasche Mineralwasser und eine halbe Limone. Irgendwo im schwachen Licht des Kühlschranks machte er noch einen Topf Dijon-Senf ausfindig, aber von dem Curryessen war offenbar nichts übriggeblieben. Die Teller und der weiße Behälter waren abgewaschen. Die Frauen hatten nicht selbst gekocht – sie hatten ein Fertiggericht mit an Bord gebracht und heiß gemacht. Der Mann fuhr mit dem Finger in die Ecken des weißen Behälters und an den Kanten entlang. Sie mußten die Reste an die Möwen verfüttert haben. Er schaute in die Schränke: Gläser, Tassen, Teller, ein Mixer, Kerzen, Plastikstrohhalme, bunte Zahnstocher und schließlich eine Packung norwegisches Fladenbrot. Er bestrich das Brot mit Senf, aß es und trank das Mineralwasser aus, bevor er wieder oben an Deck ging. Er sah die Sterne und tauschte lange Blicke mit dem Mond aus; aber er konnte kaum etwas von der Küste sehen, und das war auch besser so, denn er starrte auf die Küste einer Insel, bei deren Anblick vor dreihundert Jahren eine ganze Schiffsladung Sklaven mit Blindheit geschlagen worden war.
Wie es sich herausstellte, war das Ende der Welt nichts weiter als eine Ansammlung herrlicher Winterhäuser auf der Isle des Chevaliers. Als die von Haiti importierten Arbeiter das Land rodeten, waren Wolken und Fische überzeugt, daß es mit der Welt vorbei sei, daß das meergrüne Grün des Meeres und das himmelblaue Blau des Himmels nun bald nicht mehr da sein würden. Die wilden Papageien, die vor den Steinen der hungrigen Kinder aus Queen de France geflüchtet waren, stimmten ihnen zu, und es gab ein Riesenspektakel, als sie wegflogen, um sich wieder ein neues Refugium zu suchen. Nur die Riesenolearia blieben heiter und gelassen. Schließlich und endlich waren sie Teil eines schon zweitausend Jahre alten und für die Ewigkeit bestimmten Regenwaldes; also ignorierten sie die Männer und wiegten weiterhin die Diamantklapperschlangen, die in ihren Armen schliefen. Erst der Fluß konnte sie davon überzeugen, daß sich die Welt tatsächlich geändert hatte. Daß der Regenwald nie wieder so sein würde wie früher, und als sie es schließlich einsahen und ihre Wurzeln tiefer in den Boden senkten, sich an der Erde festklammerten wie heimkehrende verlorene Söhne, war es bereits zu spät. Die Männer hatten schon Hügel aufgeworfen, wo es keine Hügel gegeben hatte, und Täler gegraben, wo keine Täler gewesen waren. Und das erklärt auch das Geschick des Flusses. Er staute sich, verlor seinen Lauf und schließlich den Kopf. Vertrieben von dem Platz, an dem er gelebt hatte, und in unbekanntes Terrain gezwungen, konnte er nicht mehr seine Tümpel und Wasserfälle bilden und rannte in alle Richtungen. Die Wolken zogen sich zusammen, standen still und beobachteten, wie der Fluß über den Waldboden eilte, kopfüber gegen die Hüften der Hügel prallte, ohne eine Vorstellung zu haben, wohin es ging, bis er erschöpft, krank und kummervoll kaum zwanzig Meilen vom Meer entfernt zum Stillstand kam.
Die Wolken sahen sich an und stoben verwirrt auseinander. Die Fische hörten, wie ihre Hufe über den Himmel donnerten, um den Gipfeln der Riesenolearia und der Hügel die Neuigkeit von dem kopflos gewordenen Fluß zu erzählen. Es war jedoch zu spät. Die Männer hatten so lange an den Bäumen genagt, bis diese mit aufgerissenen Augen und schreiend auseinanderbrachen und zu Boden stürzten. In der großen Stille, die ihrem Fall folgte, beugten sich spiralförmig Orchideen zu ihnen hinab.
Als alles vorbei war und an ihrer Stelle Häuser in den Hügeln wuchsen, träumten die verschont gebliebenen Bäume noch jahrelang von ihren Kameraden, und ihr Alptraum-Gemurmel störte die Diamantklapperschlangen, die sie daraufhin verließen, um sich in den neu gewachsenen Pflanzen, an Stellen, die noch nie zuvor die Sonne gesehen hatten, ein Zuhause zu suchen. Dann veränderte sich der Regen, er war nicht mehr derselbe. Jetzt regnete es nicht mehr nur eine Stunde am Tag, immer um dieselbe Zeit, sondern es gab Regenzeiten, wodurch der Fluß noch mehr mißhandelt wurde. Armer beleidigter Fluß mit dem gebrochenen Herzen. Armer verrückt gewordener Strom. Er hockte jetzt an ein und derselben Stelle, wie eine alte Frau, und wurde zu einem Sumpf, den die Haitianer Sein de Veilles nannten. Und er sah aus wie ein Altweiber-Busen: ein verschrumpeltes, in Nebel gehülltes Oval, aus einer sickernden, zähen, schwarzen Masse, die sogar die Moskitos mieden.
Aber hoch oben gab es Hügel und Täler, so üppige, daß die Besucher es müde wurden, sie zu betrachten: Bougainvillea, Avocado, Weihnachtssterne, Limonen, Bananen, Kokosnüsse und die letzten Könige des Regenwaldes. Von den Häusern, die dort gebaut worden waren, war L'Arbe de la Croix das älteste und eindrucksvollste. Es war von einem brillanten, mexikanischen Architekten entworfen worden, aber die haitischen Arbeiter hatten keine Gewerkschaft und konnten deshalb nicht zwischen Handwerk und Kunst unterscheiden; so paßten die Fensterscheiben oft nicht in ihre Rahmen, während Fensterbänke und Türschwellen kunstvoll geschnitzt waren. Manchmal vergaßen oder ignorierten sie die Tatsache, daß Wasser grundsätzlich bergabwärts fließt, und die Toiletten und Bidets waren deshalb nicht immer in der Lage, einen gleichmäßig starken Strudel zu produzieren. Das Dach stand jedoch so weit vor, daß man selbst bei Gewitter die Fenster offenlassen konnte, ohne daß es hereinregnete – nur Wind, Gerüche und abgerissene Blätter kamen herein. Die Holzdielen waren gespundet, aber die handgefertigten Fliesen aus Mexiko, die wunderschön anzuschauen waren, lösten sich, wenn man sie berührte. Die Türen waren jedoch sehr kräftig und die Griffe, Scharniere und Schlösser so stabil wie der Panzer einer Schildkröte.
Es war ein wundervolles Haus. Geräumig, voller Licht und luftig. Da es zu einer Zeit gebaut worden war, in der man mit Baumaterialien noch verschwenderisch umging und an Sonne und natürliche Ventilation dachte, brauchte es keine Klimaanlage. Eine reizvoll gestaltete Umgebung ließ seine Schönheit beinahe unerträglich werden. Man hatte sehr viel Mühe darauf verwandt, es nicht «gestaltet» erscheinen zu lassen. Fast nichts fiel aus dem Rahmen, und die wenigen Dinge, die es taten, hatten Charme: kleine, für die Insel typische Details (ein Waschhaus, einen Küchengarten zum Beispiel), die praktisch waren. Zumindest nach der Meinung urteilsfähiger Besucher. Sie waren sich alle einig, daß es, abgesehen von seinem unglücklichen Namen, das «hübscheste und unorthodoxeste Haus in der Karibik war». Ein oder zwei Besucher hatten Vorbehalte – fragten sich, ob das einströmende Sonnenlicht nicht etwas zu grell wäre und ob der Besitzer mit dem Anbau eines Gewächshauses nicht doch etwas zuviel des Guten getan hätte. Valerian Street hörte sich zwar ihre Kritik an, aber sie glitt völlig von ihm ab. Seine grauen Augen wanderten über die Gesichter solcher Gäste wie ein Vier-Uhr-Schatten auf dem Weg zur Dämmerung. Sie erinnerten ihn an die Witwen aus Philadelphia, die, als sie hörten, daß er das ganze erste Jahr seines Ruhestandes in seiner Karibikvilla verbringen wollte, prophezeiten: «Sie werden zurückkommen. Sechs Monate, und Sie werden sich zu Tode langweilen.» Das war im Dezember vor vier Jahren gewesen, und das einzige, was er hier vermißte, waren Hortensien und der Postbote. Das neue Gewächshaus machte es möglich, die Hortensien zu züchten, aber der Postbote war für immer für ihn verloren. Alles was er sonst noch liebte, hatte er mitgebracht: ein paar Schallplatten, Gartenscheren, einen Kronleuchter mit vierundsechzig Birnen, ein hellblaues Tennishemd und die Allerschönste von Maine. Die Brüder Ferrara (Inland und Ausland) kümmerten sich um den Rest, und mit Hilfe von zwei Bediensteten, der Allerschönsten von Maine und einem Haufen gewissenhaft geführter Korrespondenz hatte er sich schließlich für ein Jahr auf einem Hügel eingerichtet, der hoch genug war, um auf drei Seiten das Meer sehen zu können. Nicht daß es ihn interessierte. Abgesehen davon, daß es die Wetterlage verkündete, von der es abhing, ob die Schiffe Post bringen konnten oder nicht, hatte er noch nie einen Gedanken an das Meer verschwendet. Und wann immer er nachdenken wollte, tat er es in seinem Gewächshaus in aller Stille. Spätnachmittags, wenn einem die Hitze wirklich zu schaffen machte, und am frühen Morgen war er dort. Lange bevor die Allerschönste ihre Schlafmaske entfernte, knipste er den Schalter an, der die Goldberg-Variationen ins Gewächshaus fließen ließ. Zuerst hatte er es mit Chopin und ein paar von den Russen versucht, aber die Magnum Rex-Pfingstrosen, überwältigt von so viel Leidenschaft, weinten und kräuselten ihre Lippen. Er entschied sich schließlich für Bach zum Keimen, für Haydn und Liszt zum kräftigen Wachsen. Danach schienen alle Pflanzen zufrieden mit Rampals Rondo in D-Dur. Und wenn er seinen Frühstückskaffee zuckerte, hatten die Pfingstrosen, die Anemonen und all ihre Verwandten vierzig oder fünfzig Minuten lang Musik gehört, die sie wachsen und gedeihen ließ, jedoch Sydney, den Butler, nervös machte, obwohl er einige Spielarten davon vierzig Jahre lang jeden Tag gehört hatte. Was es jetzt erträglicher machte, war, daß die Musik auf das Gewächshaus beschränkt war und nicht durch das ganze Haus strömte, wie es früher in Philadelphia oft der Fall gewesen war. Er konnte sie jetzt nur noch schwach hören, während er mit einer weißen Serviette feuchte Perlen von einem Glas mit eisgekühltem Wasser wischte. Er setzte es nahe an die Tasse und Untertasse heran und bemerkte, wieviel blasser die Leberflecken auf der Hand seines Arbeitgebers geworden waren. Mr. Street dachte, es läge an der Tinktur, die er nachts einrieb, aber Sydney dachte, es läge an der natürlichen Bräunung der Haut hier auf der Insel, wohin sie alle vor drei Jahren gekommen waren.
Abgesehen von der Küche, die dauerhaft wirkte, hatte das Haus eher eine Hotelatmosphäre an sich, erweckte den Eindruck, daß man es früher oder später wieder verlassen würde: ein, zwei Bilder hingen zwar an einem günstigen Platz, aber keines war richtig befestigt oder beleuchtet; das wirklich feine Porzellan war immer noch in Kisten verpackt und wartete auf eine Entscheidung, die niemand zu treffen willens war. In einem solchen Provisorium ließ sich schlecht wirtschaften. Da kein Kristall vorhanden war (es war auch in Philadelphia zurückgeblieben), mußten ein paar wenige Silbertabletts für alles, vom Obst bis zu den Petit-Fours, dienen. Ab und zu brachte die Allerschönste von einer ihrer kurzen Reisen in die Staaten einen Karton voller Sachen mit, um die Sydney gebeten hatte: den Mixer, den Mörser, zwei weitere Tischtücher. Diese Dinge mußten sorgfältig ausgewählt werden, da sie für andere Gegenstände ausgetauscht wurden, die sie unweigerlich mit zurück nach Philadelphia nahm. Auf diese Weise hielt sie die Illusion aufrecht, daß sie noch in den Staaten lebten und hier auf Dominika nur den Winter verbrachten. Ihr Mann bestärkte sie darin, indem er alle losen Fäden einer Unterhaltung mit der Bemerkung verknotete: «Das kann warten, bis wir wieder zu Hause sind.» Sechs Monate, nachdem sie angekommen waren, meinte Sydney zu seiner Frau, das periodische Lüften der Schrankkoffer in der Sonne wäre mehr eine Angewohnheit als Absicht. Sie müßten schon das Gewächshaus abreißen, um ihn von der Insel wegzukriegen, denn solange es da wäre, würde auch er dableiben. Was zum Teufel treibt er nur darin, hatte sie ihn gefragt.
«Ruht sich ein bißchen aus, das ist alles. Nimmt ab und zu einen Schluck, liest und hört sich seine Platten an.»
«Es kann doch niemand drei Jahre lang Tag für Tag in einem Verschlag verbringen, wenn er nicht etwas im Schilde führt.»
«Es ist kein Verschlag», sagte Sydney, «es ist ein Gewächshaus, wie oft soll ich dir das noch sagen.»
«Nenn es, wie du willst.»
«Er züchtet Hortensien dort. Und Dahlien.»
«Wenn er Hortensien haben will, soll er nach Hause fahren. Er verschleppt uns alle an den Äquator, um Blumen zu züchten, die ein nördliches Klima brauchen?»
«Es ist noch was anderes. Erinnerst du dich, welchen Wert er zu Hause auf sein Arbeitszimmer legte? Das hier ist etwas Ähnliches, nur daß das Arbeitszimmer hier ein Gewächshaus ist.»
«Jemand, der am Äquator ein Gewächshaus baut, sollte sich schämen.»
«Hier ist nicht der Äquator.»
«Was du nicht sagst.»
«Wir sind nicht mal in seiner Nähe.»
«Glaubst du, es gibt auf unserm Planeten noch einen Ort, wo es heißer ist als hier?»
«Ich dachte, es gefällt dir hier.»
«Tut es auch.»
«Warum beklagst du dich dann?»
«Weil es mir hier gefällt, deshalb. Ich würde gern wissen, ob wir hier bleiben. So wie wir leben, kannst du gar nichts darüber sagen. Er könnte von einem Tag auf den andern abhauen und woanders hingehen.»
«Er wird hier bleiben, bis er stirbt», sagte Sydney zu ihr. «Es sei denn, dieses Gewächshaus brennt ab.»
«Dann werde ich darum beten, daß ihm nichts passiert», sagte sie, aber sie brauchte es nicht zu tun. Valerian paßte sehr gut auf sein Gewächshaus auf, denn es war ein idealer Ort, um friedlich mit seinen Geistern Zwiesprache zu halten, während er Pflanzen versetzte, düngte, den Boden lockerte, Wurzeln eingrub, wässerte, entwässerte und ausdünnte. Er hatte einen kleinen Kühlschrank mit Blanc de Blancs und las Samenkataloge, während er an seinem Wein nippte. Manchmal starrte er durch die kleinen Gewächshausscheiben zum Waschhaus hin. Oder er blätterte in Katalogen und Broschüren und fing eine rege Korrespondenz an mit Gärtnereien von Tokio bis nach Newburgh, New York. Er las in dieser Zeit nur seine Post, Bücher hatte er aufgegeben, weil sich die Sprache in ihnen so sehr verändert hatte, durchsetzt war mit Rinnsalen der Unordnung und Bedeutungslosigkeit. Er liebte das Gewächshaus und die Insel, nicht jedoch seine Nachbarn. Glücklicherweise war da jedoch eine Nacht gewesen, vor drei Jahren, als er gerade anfing, sich in den Tropen einzuleben, eine Nacht, in der er mit so brutalen Zahnschmerzen aufwachte, daß es ihn aus dem Bett hob und auf die Knie zwang. Er kniete auf dem Boden, klammerte sich an den Billy-Blass-Laken fest und dachte, das muß ein Schlaganfall sein. Ein Zahn könnte mir das nicht antun. Direkt über den Wogen des Schmerzes strömten Tränen aus seinem linken Auge, während das rechte trocken wurde vor Wut. Er kroch zum Nachttisch und drückte den Knopf, der Sydney herbeirief. Als er kam, bestand Valerian darauf, daß man ihn sofort nach Queen de France brachte, aber es gab keine Möglichkeit, dorthin zu kommen. Um diese Tageszeit rührte sich noch kein Fischer, und das Passagierboot fuhr nur zweimal in der Woche. Sie selbst besaßen kein Boot, aber auch wenn sie eines gehabt hätten, hätte weder Sydney noch sonst jemand es handhaben können. Also rief der findige Butler die verhaßten Nachbarn an und bekam beides: ein siebzehn Meter langes Boot, das den Namen Seabird II trug, und einen philippinischen Hausburschen, der sich damit auskannte. Nach einer waghalsigen Jeepfahrt durch die Nacht, einer endlosen Bootsfahrt und einer Taxifahrt, die allein schon unvergeßlich war, standen sie um zwei Uhr morgens vor Dr. Michelins Tür. Sydney hämmerte dagegen, während sich der philippinische Hausbursche mit dem Taxifahrer unterhielt. Der Zahnarzt schrie aus dem Fenster im zweiten Stock. Er war aus Algerien verjagt worden und glaubte, seine Tür würde von einheimischen Schwarzen gestürmt, denen er nicht die Zähne reparieren wollte. Schließlich saß Valerian, erschöpft und ängstlich, im Zahnarztstuhl und überließ sich willenlos dem Franzosen. Dr. Michelin setzte Valerian eine Spritze an den Gaumen, schien es sich aber in letzter Sekunde anders zu überlegen, denn Valerian hatte das Gefühl, die Nadel steche genau ins Nasenloch bis in die Pupille und käme an der linken Schläfe wieder heraus. Er streckte die Hand nach der Hose des Doktors aus und hoffte, daß in seinem Todesgriff – einer von denen, die immer aufgebrochen werden mußten – die zerquetschten Eier eines Doktors med. dent. vorgefunden würden. Bevor er jedoch unter den karierten Bademantel greifen konnte, war der Schmerz verschwunden, und Valerian ließ seinen Tränen freien Lauf, dankbar für das Fehlen jeder Empfindung in seinem Kopf. Etwas anderes tat Dr. Michelin nicht. Er setzte sich hin, goß sich einen Drink ein und betrachtete schweigend seinen Patienten.
Diese Begegnung, die anfangs Gereiztheit und Haß ausgelöst hatte, endete in Zuneigung. Der gute Doktor ließ Valerian durch einen Strohhalm und gegen besseres Wissen ein bißchen von seinem Brandy trinken, und Valerian erkannte einen Mann, der seinen Hippokrates-Eid ernst nahm. Sie mochten sich und tranken zusammen in dieser Nacht, und die Kombination von Novocain und Brandy machte Valerian mitteilsam wie seit Jahren nicht mehr. Sie besuchten sich gelegentlich, und immer, wenn Valerian an ihre erste Begegnung dachte, berührte er die Stelle, an der der Abszeß gewesen war und lächelte. Es hatte etwas von einem Comic an sich: zwei ältere Männer, die tranken und sich über Pershing stritten (dem Valerian tatsächlich begegnet war), und keiner von ihnen erwähnte je das Thema Exil oder Alter, obwohl es gerade das war, was sie gemeinsam hatten. Beide hatten das Gefühl, als wären sie aus ihrer Heimat vertrieben worden. Robert Michelin mußte Algerien verlassen, Valerian Street war freiwillig von Philadelphia ins Exil gegangen.
Beide waren schon einmal verheiratet gewesen, und keiner hatte in den langen Jahren der zweiten Ehe die erste vergessen können. Die Erinnerung an diese kummervollen Jahre, die sie im Sog einer streitsüchtigen Frau verbracht hatten, war bei beiden noch lebendig. Michelin war ein Jahr nach seiner Scheidung wieder verheiratet, während Valerian lange Zeit Junggeselle blieb, mit voller Absicht, bis er dann an einem frostigen Wintertag in Maine nach dem Lunch einen Spaziergang machte, in der Hoffnung, die gereizte Langeweile loszuwerden, die er in Gesellschaft all der Vertreter aus der Lebensmittelindustrie empfunden hatte. Nach zwei Straßen war er auf der Hauptstraße gewesen und hatte sich mitten im Gedränge eines Karnevalzugs befunden. Zuerst sah er den Eisbären, und dann sah er sie. Der Bär stand auf seinen Hinterbeinen, die Vorderbeine hatte er wie segnend erhoben. Ein Mädchen mit rosigen Wangen hielt wie eine Braut die eine Vorderpfote des Bären fest. Der Plastik-Iglu hinter ihnen ließ ihren roten Samtmantel und den Hermelinmuff, mit dem sie der Menge zuwinkte, sehr effektvoll hervortreten. In dem Augenblick, als er sie erblickte, kniete etwas in ihm nieder.
Jetzt saß er in der Dezembersonne und schaute zu, wie sein Butler Kaffee in seine Tasse goß.
«Ist es gekommen?»
«Sir?»
«Das Postschiff.»
«Noch nicht.» Sydney riß eine kleine Schachtel mit Saccharintabletten auf und schob sie seinem Herrn zu.
«Sie lassen sich Zeit.»
«Die Post kommt nur noch zweimal wöchentlich, ich sagte es Ihnen schon.»
«Es ist einen Monat her.»
«Zwei Wochen. Tut es immer noch weh?»
«Im Augenblick nicht, aber es wird bald wieder anfangen.» Valerian streckte die Hand nach den Zuckerwürfeln aus.
«Sie sollten nicht so auf diesen Schuhen bestehen. Sandalen oder ein Paar hübsche huaraches über Tag würden Ihre entzündeten Ballen in Ordnung bringen.»
«Es sind nicht die Ballen. Es sind Hühneraugen.» Valerian ließ die Zuckerwürfel in seine Tasse fallen.
«Hühneraugen auch.»
«Wenn Sie Ihren Doktor machen, sagen Sie mir Bescheid. Hat Ondine das hier gebacken?»
«Nein. Mrs. Street brachte sie gestern mit.»
«Sie benutzt das Boot wie ein Fahrrad, hin und her, und hin und her.»
«Warum kaufen Sie sich nicht ein eigenes? Dieses Ding ist zu groß für sie. Man kann nicht Wasserski damit fahren. Man kann es nicht einmal in der Stadt am Kai festmachen. Sie müssen es woanders lassen und in ein kleines Boot umsteigen, wenn sie an Land wollen.»
«Warum sollte ich ihr ein Boot kaufen und es zehn Monate im Jahr unnütz herumstehen lassen. Wenn diese Schwachköpfe sie ihres benutzen lassen, habe ich nichts dagegen einzuwenden.»
«Vielleicht würde sie das ganze Jahr über bleiben, wenn sie eines hätte.»
«Unwahrscheinlich. Und ich würde es vorziehen, sie bliebe ihres Mannes wegen hier und nicht eines Bootes wegen. Sagen Sie jedenfalls Ondine, sie soll diese Dinger nicht mehr auf den Tisch bringen.»
«Sind sie nicht gut?»
«Mit am schlimmsten am Altwerden ist das Essen. Erst muß man einmal etwas finden, was man essen kann, und dann muß man aufpassen, daß man sich nicht über und über damit bekleckert.»
«Dessen war ich mir nicht bewußt.»
«Natürlich nicht. Sie sind ja auch eine Viertelstunde jünger als ich. Trotzdem, sagen Sie Ondine: nichts mehr von diesem Zeug. Sie sind zu blätterig. Egal wie man es anstellt, sie fliegen überallhin.»
«Croissants müssen so sein. So mürbe wie möglich.»
«Sagen Sie es ihr, Sydney, und damit basta.»
«Jawohl, Sir.»
«Und fragen Sie den Boy, ob er die Ziegelsteine in Ordnung bringen kann. Sie stehen überall hoch.»
«Er braucht Zement dazu, sagt er.»
«Nein. Keinen Zement. Er muß sie nur ordentlich runterdrücken, wenn er es richtig macht, bleiben sie auch im Boden.»
«Jawohl, Sir.»
«Ist Mrs. Street wach?»
«Ich glaube. Brauchen Sie noch etwas für die Feiertage?»
«Nein. Nur die Gänse. Ich werde zwar nichts davon essen können, aber ich möchte sie trotzdem auf dem Tisch sehen. Und noch etwas Thalidomid.»
«Soll Ihnen der Boy das Thalidomid mitbringen? Er kann das Wort nicht einmal aussprechen.»
«Schreiben Sie eine Notiz. Und sagen Sie ihm, er soll sie Dr. Michelin geben.»
«In Ordnung.»
«Und sagen Sie Ondine, daß halb Sanka, halb Kaffee scheußlich schmeckt. Scheußlicher als Sanka allein.»
«Okay, okay. Sie dachte nur, es würde Ihnen helfen.»
«Ich weiß, was sie dachte, aber die Hilfe ist schlimmer als das Problem.»
«Vielleicht ist es gar nicht dieses Problem, das Ihnen Schwierigkeiten macht.»
«Sie wollen mir unbedingt ein Magengeschwür anhängen. Ich habe keins. Sie haben ein Magengeschwür. Ich habe nur gelegentlich Beschwerden.»
«Ich hatte ein Magengeschwür. Es ist jetzt weg, und das verdanke ich dem Malzkaffee.»
«Freut mich. Sagten Sie, sie wäre wach?»
«Sie war wach. Vielleicht ist sie aber wieder eingeschlafen.»
«Was wollte sie?»
«Was sie wollte?»
«Ja, was wollte sie. Sie können doch nur wissen, daß sie wach war, weil sie nach Ihnen geklingelt hat. Was wollte sie?»
«Handtücher, frische Handtücher.»
«Sydney.»
«Wirklich. Ondine hatte vergessen –»
«Was war in den Handtüchern eingewickelt?»
«Warum glauben Sie das immer? Sie trinkt nicht mehr als das, was Sie sie trinken sehen. Etwas Wein zum Abendessen, das ist alles, und kaum mehr als ein Gläschen. Sie hat noch nie getrunken. Wenn jemand hier trinkt, dann sind Sie es. Warum wollen Sie unbedingt eine Trinkerin aus ihr machen?»
«Ich werde mit Jade reden.»
«Was könnte Jade wissen, was ich nicht weiß?»
«Nichts, aber sie ist die Ehrlichkeit in Person.»
«Hören Sie, Mr. Street, es ist die Wahrheit.»
Valerian hielt mit seiner Gabel ein Viertel der Ananas fest und zerteilte es in kleine Stücke.
«Okay», sagte Sydney, «ich will's Ihnen sagen. Sie wollte, daß der Boy am Donnerstag bevor er herkommt, noch beim Flughafen vorbeifährt.»
«Und weshalb, wenn ich fragen darf?»
«Wegen eines Koffers. Sie erwartet einen Koffer. Er ist schon aufgegeben worden, sagte sie, und müßte längst hier sein.»
«Idiotisch.»
«Sir?»
«Idiotisch. Idiotisch.»
«Mrs. Street, Sir?»
«Mrs. Street, Mr. Street, Sie, Ondine. Alle. Dies ist das erste Mal seit dreißig Jahren, daß ich dieses Haus genießen konnte. Wirklich darin leben konnte. Nicht nur für einen Monat oder für ein Wochenende, sondern für längere Zeit, und sie alle haben nichts anderes im Sinn, als mir das zu verderben. Ein ständiges Kommen und Gehen. Ich fange an, mich wie auf dem Bahnhof an der 30. Straße zu fühlen. Warum könnt ihr euch nicht zufriedengeben, euch entspannen und ein hübsches schlichtes Weihnachtsfest feiern. Nicht ein Haufen Menschen, sondern nur ein hübsches einfaches Festessen.»
«Ich nehme an, sie langweilt sich ein bißchen. Hat mehr Zeit als sie braucht.»
«Verrückt. Jade ist hier. Sie sind wie die Schulmädchen zusammen – jedenfalls kommt es mir so vor. Oder irre ich mich?»
«Nein, das stimmt. Sie vertragen sich gut, sie mögen es, wenn sie beieinander sind, beide.»
«Aber wohl nicht genug, um es dabei zu belassen. Wir erwarten offenbar noch mehr Gesellschaft, und da ich nur der Besitzer und Manager dieses Hotels bin, hält man es nicht einmal für nötig, mich zu unterrichten.»
«Wollen Sie noch etwas Toast?»
«Und Sie! Sie haben mich völlig überrascht. Was haben Sie mir sonst noch verheimlicht?»
«Essen Sie Ihre Ananas.»
«Ich bin dabei.»
«Ich kann nicht den ganzen Morgen hier herumstehen. Sie haben Hühneraugen – ich habe entzündete Ballen.»
«Wenn Sie meinen Rat nicht annehmen, müssen Sie die Konsequenz tragen – Ballen.»
«Ich kenne meine Arbeit. Ich bin ein erstklassiger Butler, und in Slippern kann ich nicht erstklassig sein.»
«Sie kennen Ihre Arbeit, aber ich kenne Ihre Füße. Thom McAns werden Sie noch ins Grab bringen.»
«Ich habe in meinem Leben noch nie Thom McAns getragen. Nie. Auch 1929 habe ich keine getragen.»
«Ich erinnere mich genau an mindestens vier Paare anständiger Schuhe, die ich Ihnen gegeben habe.»
«Mir sind meine Ballen lieber als Hühneraugen.»
«In Ballyschuhen bekommt man keine Hühneraugen. Sie bewahren einen eher davor. Wenn man schwitzt, bekommt man welche. Wenn –»
«Sehen Sie? Sie sitzen in der Falle. Genau das meinte ich. Schuhe, die für Philadelphia gut sind, taugen nichts in den Tropen. Die Füße schwitzen nur in ihnen. Sie brauchen ein Paar hübsche huaraches. Das tut den Füßen gut. Läßt Luft an sie heran, so daß sie atmen können.»
«Ein Tag in huaraches ist für mich wie ein Tag in einer Zwangsjacke.»
«Wenn Sie weiter an Ihren Zehen mit einem Rasiermesser rumhacken, werden Sie noch um eine Zwangsjacke betteln.»
«Sie werden jedenfalls nichts davon mitkriegen, denn Ihre Thom McAn-Ballen werden Sie für den Rest Ihres Lebens in einen Schaukelstuhl verbannen.»
«Ich habe nichts dagegen.»
«Ich auch nicht. Vielleicht finde ich dann jemand, der mir nicht alles verheimlicht. Mir nicht einen anständigen Topf Kaffee mit Malzkaffee und eine Zitronencreme mit Saccharin versaut. Und glauben Sie nur nicht, ich wüßte nicht, daß das Salz auch kein richtiges Salz ist.»
«Die Gesundheit ist das wichtigste in Ihrem Alter, Mr. Street.»
«Keineswegs. Es ist das am wenigsten Wichtige. Ich habe nicht die Absicht, nur am Leben zu bleiben, um aufzuwachen, mich die Treppe runterzuschleppen und morgens eine Tasse Malzkaffee zu trinken. Sehen Sie mal im Schrank nach, und geben Sie mir etwas Medizin für dieses Zeug.»
«Cognac ist keine Medizin», Sydney ging auf das Buffet zu und bückte sich, um eine der Türen zu öffnen.
«Mit siebzig ist alles Medizin. Sagen Sie Ondine, sie soll damit aufhören. Es hilft mir überhaupt nicht.»
«Ihre Laune verbessert es wirklich nicht.»
«Richtig. Und nun sagen Sie mir bitte sehr ruhig und sehr schnell, wer das ist, dieser Gast, den wir erwarten.»
«Es ist kein Gast, Mr. Street.»
«Sie sollten netter sein zu einem alten Mann, der Malzkaffee trinken muß.»
«Es ist ihr Sohn. Michael ist kein Gast.»
Valerian stellte seine Tasse vorsichtig auf die Untertasse.
«Hat sie das gesagt? Daß Michael kommt?»
«Nein. Nicht ausdrücklich. Aber sie sagte, woher der Koffer käme und welche Farbe er hätte, damit ich dem Boy Bescheid sagen konnte.»
«Dann kommt er aus Kalifornien.»
«Er kommt aus Kalifornien.»
«Und ist rot.»
«Und ist rot. Feuerrot.»
«Mit Dick-Gregory-for-President-Aufklebern an den Seiten.»
«Und einer aufgemalten Zielscheibe auf dem Deckel.»
«Und einem Schloß, das sich nur schließt, wenn man dagegen tritt und das man mit einer Haarnadel wieder öffnen muß, und der Schlüssel ist …» Valerian hielt inne und sah zu Sydney hoch. Sydney sah Valerian an. Sie sagten es zusammen:
«… auf dem Gipfel des Kilimandscharo.»
«Ein Witz», meinte Valerian.
«Nicht schlecht für einen Siebenjährigen.»
Sie schwiegen eine Zeitlang, Valerian kaute seine Ananas, Sydney lehnte sich gegen das Buffet. Dann sagte Valerian:
«Warum er wohl immer noch so an ihm hängt? Ein Ferienkoffer fürs Sommerlager aus seiner Kindheit!»
«Er kann seine Garderobe darin verstauen.»
«Töricht. Das Ganze. Der Koffer, er und dieser Besuch. Außerdem wird er nicht erscheinen.»
«Sie denkt, dieses Mal kommt er.»
«Sie denkt überhaupt nicht. Sie träumt, das arme Kind. Sind Sie sicher, daß nichts zwischen diesen Handtüchern war?»
«Hier kommt Madame. Fragen Sie sie selbst.»
Das leise Klicken auf den mexikanischen Fliesen wurde lauter.
«Wenn der Boy zum Flugplatz geht», flüsterte Valerian, «sagen Sie ihm, er soll auf dem Rückweg etwas Darmol mitbringen.»
«Olala», sagte er zu seiner Frau, «wer kommt denn da? Die Wunderfrau?»
«Bitte», sagte sie, «es ist zu heiß. Guten Morgen, Sydney.»
«Morgen, Mrs. Street.»
«Und was ist das zwischen deinen Augenbrauen?»
«Ein Fältchenpflaster.»
«Wie bitte?»
«Ein Fältchenpflaster.»
Sydney ging um den Tisch, neigte die Kanne und goß geräuschlos Kaffee in ihre Tasse.
«Hindert dich das, die Augenbrauen zusammenzuziehen?» fragte ihr Mann.
«Ja.»
«Und das hilft?»
«So sagt man.» Sie hielt die Tasse an ihre Lippen und schloß die Augen. Der Dampf stieg ihr ins Gesicht, während sie einatmete.
«Ich bin verwirrt. Nicht senil, keine Sorge. Nur verwirrt. Warum möchtest du denn die Augenbrauen runzeln?»
Margaret sog noch einmal den Kaffeedampf ein und öffnete dann langsam ihre Augen. Sie blickte ihren Mann an, mit der ganzen Abneigung, die ein Langschläfer für einen gutgelaunten Frühaufsteher empfindet.
«Ich möchte es ja gar nicht. Wenn man die Augenbrauen runzelt, kann man nicht die Stirn runzeln. Das wirkt den Folgen des Stirnrunzelns entgegen.»
Valerian öffnete den Mund, sagte jedoch einen Augenblick nichts. Dann: «Warum läßt du es dann nicht einfach? Dann brauchtest du dir auch keine Tesafilmstückchen ins Gesicht zu kleben.»
Margaret trank etwas Kaffee und stellte die Tasse wieder auf die Untertasse. Sie zog den Ausschnitt ihres Kleides nach vorn, blies sanft auf ihren Busen und betrachtete die blassen Ananas-Stückchen, die Sydney vor sie hingestellt hatte. Ondine hatte absichtlich die stachelige Schale unten drangelassen – nur um sie zu ärgern und zu verwirren. «Ich dachte, es gäbe … Mangos.» Sydney nahm die Frucht weg und eilte zur Schwingtür. «Was ist nur los? Jeden Morgen dasselbe!»
«Ich wollte Ananas haben. Wenn du keine magst, dann sag Sydney am Abend vorher Bescheid, was du am nächsten Morgen gern zum Frühstück hättest. Dann kann er …»
«Sie weiß, daß ich frische Ananas nicht ausstehen kann. Die Fasern bleiben mir in den Zähnen hängen. Aus Dosen mag ich sie. Ist das so schrecklich?»
«Ja. Schrecklich.»
«Sie bestimmen, was wir zu essen haben. Wer arbeitet hier eigentlich für wen?»
«Wenn du Ondine den Speisezettel für die ganze Woche gibst, dann wird sie sich genau danach richten.»
«Wirklich? Du hast das dreißig Jahre lang versucht und hast sie nicht einmal dazu gebracht, daß sie dir eine Tasse Kaffee macht. Sie läßt dich Malzkaffee trinken.»
«Das ist etwas anderes.»
«Natürlich.»
Sydney kam mit einer Schale zerstoßenem Eis zurück, aus der eine Mango ragte. Die Haut war in perfekten Rollen von der glänzenden Frucht abgezogen. Die Einschnitte im Fruchtfleisch waren kaum zu sehen. Valerian gähnte hinter der vorgehaltenen Faust und sagte: «Sydney, kann ich nun eine Tasse Kaffee haben oder nicht?»
«Jawohl, Sir. Natürlich.» Er stellte die Mango hin und füllte Valerians Tasse.
«Siehst du, Margaret. Da ist deine Mango. Vierhundertfünfundzwanzig Kalorien.»
«Und dein Croissant?»
«Hundertsiebenundzwanzig.»
«Du lieber Himmel.» Margaret schloß ihre Augen, ihre ach-soblauen Augen, und legte die Gabel auf den Tisch.
«Iß eine Pampelmuse.»
«Ich will keine Pampelmuse. Ich will eine Mango.»
Valerian zuckte die Schultern. «Iß, was du willst. Obwohl du gestern abend drei Portionen Creme gegessen hast.»
«Zwei, ich habe nur zweimal genommen. Jade hatte drei.»
«Also gut, nur zwei …»
«Wozu haben wir eigentlich einen Koch? Pampelmusen kann ich selbst zerteilen.»
«Um das Geschirr abzuwaschen.»
«Wer braucht Geschirr? Deiner Meinung nach brauche ich doch nur einen Teelöffel.»
«Den auch jemand abwaschen muß.»
«Und deine Schaufel.»
«Komisch. Sehr komisch.»
«Es stimmt aber.» Margaret hielt den Atem an und stieß die Gabel in die Mango. Sie atmete langsam aus, als die Zinken einen Teil davon aufspießten. Sie warf Valerian einen Blick zu, bevor sie das Stück in den Mund schob. «Ich habe noch nie erlebt, daß jemand so viel essen kann wie du und kein Gramm zunimmt – noch nie. Ich glaube, sie tut etwas in mein Essen hinein. Weizenkeime oder so etwas ähnliches. Schleicht sich nachts mit einem von diesen intravenösen Dingern in mein Zimmer und pumpt mich voll mit Malzextrakt.»
«Niemand pumpt dich mit etwas voll.»
«Oder vielleicht mit Schlagsahne.»
Sydney hatte sie während ihrer Kaloriendiskussion verlassen und kam jetzt mit einem silbernen Tablett zurück, auf dem hauchdünne Scheiben Schinken mit einem verlorenen Ei in der Mitte in einem Toastkörbchen steckten. Er ging zum Buffet und hob sie auf die Teller. Auf den rechten Rand legte er etwas Petersilie, auf den linken zwei Tomatenscheibchen. Er schob die Schalen mit den Früchten zur Seite, vorsichtig, damit nichts von dem Eiswasser verschüttet wurde, und beugte sich dann mit der heißen Speise vor. Margaret runzelte die Stirn und winkte ab. Sydney ging zum Buffet zurück, stellte den verschmähten Teller ab und nahm den andern hoch. Valerian nahm ihn freudig in Empfang, und Sydney schob das Salz und die Pfeffermühle ein paar Zentimeter aus seiner Reichweite weg. «Ich nehme an, du dekorierst das Haus mit Weihnachtsgästen. Gib mir doch bitte das Salz.»
«Warum nimmst du das an?» Margaret streckte eine perfekt manikürte Hand aus und reichte ihm das Salz und den Pfeffer. Ihr kleiner Sieg mit der Mango stärkte sie genug, um sich auf das, was ihr Mann sagte, zu konzentrieren.
«Weil ich dich gebeten hatte, es nicht zu tun. Und daraus folgt, daß du mir Trotz bieten würdest.»
«Ganz wie du meinst. Laß uns die Feiertage nur allein im Keller verbringen.»
«Wir haben gar keinen Keller, Margaret. Du solltest dich einmal genauer hier umschauen. Vielleicht würde es dir sogar gefallen. Ich könnte mir vorstellen, daß du noch nie die Küche gesehen hast, stimmts? Wir haben zwei, zwei Küchen. Eine ist …»
«Valerian, bitte, sei still.»
«Aber es ist aufregend. Wir kommen erst seit dreißig Jahren hierher, und schon hast du das Eßzimmer entdeckt. Das sind im ganzen drei Zimmer. Alle zehn Jahre eines. Zuerst entdecktest du das Schlafzimmer. Das heißt, ich nehme es an. Es ist schwer zu sagen, wenn eine Frau getrennt von ihrem Ehepartner schläft. Dann, 1965 war es, glaube ich, entdecktest du das Wohnzimmer. Erinnerst du dich daran? An die Cocktailparties? Das waren gute Zeiten. Höhepunkte, würde ich sagen. Du kanntest nicht nur den Flugplatz und den Anlegeplatz und das Schlafzimmer, sondern auch das Wohnzimmer.»
«Ja, ich habe Gäste für Weihnachten.»
«Und dann das Speisezimmer. Was für eine Entdeckung! Dinner für zehn, zwanzig, dreißig Personen. Und bedenke, was für Möglichkeiten noch in einer Küche stecken, von zwei ganz zu schweigen. Wir können Hunderte, Tausende bewirten.»
«Michael kommt.»
«Ich würde es nicht mehr länger aufschieben an deiner Stelle. Wenn wir uns beeilen, können wir zu meinem achtzigsten Geburtstag ganz Philadelphia einladen.»