Essen gut, alles gut

Inhaltsverzeichnis

meinen Vater Werner Niemeier

und Thomas Fabritius,
den Mann an meiner Seite.

Einführung

Essen oder Ernähren …
oder vielleicht beides?

Schöne neue Esswelt

»Essen ist fertig!«

In meiner Kindheit verhießen diese Worte gute Hausmannskost zu regelmäßigen Zeiten und in vertrauter Runde. Seit dieser Zeit ist in meiner Heimatstadt viel Wasser die Elbe hinuntergeflossen. Heute wartet in unserer westlichen Welt ständig Essen, zu jeder Gelegenheit und auch mal ohne Anlass, für kleines und großes Geld. Das ist ein im Vergleich zur Situation vieler Menschen auf der Welt ein Segen – doch zugleich auch ein Fluch.

Es ist ein Segen, weil Essen und Trinken (ebenso wie Schlafen und körperliche Nähe) zu unseren wichtigsten Bedürfnissen gehören. Was wir uns in welcher Menge einverleiben, ist grundlegend für all das, was wir in jungen wie in späteren Jahren, im Arbeitsalltag wie in der Freizeit erleben und erreichen wollen. Ist das Essen gut, ist das die Basis dafür, dass auch alles andere gut sein kann. Gut zu essen, bedeutet für gesunde Menschen dabei keineswegs, extreme Diäten zwanghaft einzuhalten – insbesondere dann, wenn sie gegen das eigene gute Bauchgefühl arbeiten. Ganz im Gegenteil sogar: Gutes Essen sorgt für ein gutes Bauchgefühl.

Mit einer wachen Körperintelligenz können die eigenen Signale aus dem Bauch und aus dem restlichen Körper wahrgenommen werden. Und diese Achtsamkeit ist die wichtigste Ratgeberin, wenn die Essensangebote auf der Straße, an Bahnhöfen, in Büros und auch in den eigenen vier Wänden rufen: »Iss mich!«

Denn der Fluch der ständigen Angebote kann seine Wirkung nur entfalten, wenn wir nicht mit einer gewissen Aufmerksamkeit für uns selbst sorgen. Während gutes Essen uns satt, fit und

Es sind nicht alle Lebensmittel gleich gut oder gleich schlecht. Ein Smoothie ist für den Körper nicht das Gleiche wie ein Stück Obst, ein Fruchtjoghurt nicht das Gleiche wie ein Naturjoghurt, eine Wurst nicht das Gleiche wie ein Stück Fleisch und auch in den vegetarischen und veganen Fertigprodukten gibt es fragwürdige Zutaten.

Aufgrund ihrer Zusammensetzung kann es ihnen gelingen, den Körper auszutricksen – insbesondere dann, wenn uns das Gefühl dafür, was der Körper will und braucht, durch Werbung, durch unser schlechtes Gewissen oder gar durch unsere Erziehung verloren gegangen ist.

Dabei händelt der Körper Junkfood meist mit links – zumindest dann, wenn er sich nur ab und zu damit beschäftigen muss. Doch so gut Junkfood seinen Fans auch schmecken mag: Irgendwann ist es zu viel des Guten. Die Zunge mag der Geschmack überzeugen, aber dem Rest des Körpers gehen auf Dauer die Reserven aus, um sich fit und aktiv zu halten. Das, was er benötigt, um die Stimmung und das Immunsystem stabil zu halten, findet er im Junkfood trotz seiner gründlichen Suche nicht: Vitamine, Mineralstoffe und andere lebensnotwendige Nährstoffe. In gutem Fast Food, einem schnellen Essen, können diese hingegen allesamt gefunden werden – zur Freude der Zunge und des restlichen Körpers.

Fast Food ist nicht unbedingt Junkfood!

Fast Food (fast, englisch für schnell) ist schnell zubereitetes Essen. Ob man es auch schnell isst, kann jede*r selbst entscheiden – ebenso die Qualität der schnellen Mahlzeit. Es gibt viele gute Rezepte, mit denen sich auch ohne große Kochkünste im Handumdrehen ein leckeres und gutes Essen auf den Tisch zaubern lässt.

 

Junkfood (junk, engl. für Müll) hingegen ist minderwertiges Essen. Dabei ist es gar nicht so schwer, in der neuen Esswelt schnelle Lösungen zu finden: Gemüse! Obst! Sie lassen sich so einfach und fix sehr lecker zu bereiten. Auch wenn es nicht ratsam ist, sich ausschließlich von ihnen zu ernähren, so sollten sie doch eine Hauptrolle auf dem Teller einnehmen.

Der Teller ist im besten Fall genauso wie das Leben: bunt. Jeden Tag treffen wir etwa 20.000 Entscheidungen, darunter auch an die 2000 Essentscheidungen. Nur eine davon ist die, ob man isst oder nicht. Wenn man sich für das Essen entschieden hat, kommen schon die nächsten Fragen: Jetzt oder gleich? Was? Wie viel? Wo? Mit wem? Wie zubereitet? Ist noch etwas im Tiefkühlfach? Dieses oder jenes Gemüse? Knackig oder weich gekocht? Nudeln? Aus Dinkel oder Weizen? Olivenöl? Wenn ja, welches? Und genau für diese Entscheidungen gebe ich Menschen Anregungen und

Die Arbeit findet dabei mal in meiner Praxis und mal bei Kunden statt, mal sitze ich, mal reise ich, mal esse ich allein, mal in Gesellschaft, mal koche ich, mal lasse ich mich bekochen. Auch ich stehe also ständig vor diesen Entscheidungen und kann Ihnen sagen: Um das Leben in all seinen Facetten leben zu können, sollten wir uns diese Entscheidungen vor allem nicht zu schwer machen.

Ganz im Gegenteil: Wir sollten sie uns leicht machen, wie die Sozialpsychologin Prof. Wendy Wood sagt. Es sind nicht die riesigen Kraftakte und die kaum zu bewältigenden Herausforderungen, sondern die kleinen, täglichen Entscheidungen, die unsere (Ess-)Gewohnheiten formen und mit denen wir eine gesunde Richtung einschlagen können.

Nicht perfekt ist perfekt! So überschrieb eine Zeitung im

Und ob mit Rundungen oder gertenschlank, mit Vorerkrankung oder kerngesund, es gilt: Wer zum guten Essen greift, kann sich mit einer soliden Lebensmittelauswahl und bewussten Essgewohnheiten ganz leicht etwas Gutes tun. Sie helfen in Sachen Vorbeugung, aber auch, wenn sich Erkrankungen vorübergehend oder chronisch im Körper befinden.

In der Therapie vieler Erkrankungen können strengere Diäten maßgeblich zur Gesundung beitragen, in manchen Fällen ist eine moderate Ernährungsumstellung schon vollkommen ausreichend – und bei fast allen Beschwerden kann eine Ernährung, die das Genießen nicht aus den Augen verliert, die Lebensqualität steigern. Essen kann heilen, lindern und stärken – und so auch müde Geister wecken.

»Und was bedeutet das genau?«, werde ich bei meiner Arbeit manchmal gefragt. Von uns Ernährungsberater*innen werden oft klare Aussagen erbeten. Ich möchte sie Ihnen geben: Sie finden in diesem Buch an der einen oder anderen Stelle Zahlen, Fakten und Empfehlungen. Ich möchte aber auch sagen: Nutzen Sie diese als Orientierungshilfen und nicht als Gesetze. Denn Essen funktioniert anders als ein Medikament: Ihren Körper interessiert es nicht, ob Sie vom Gemüse, Fleisch, Butter oder Öl – oder sogar von einem bestimmten Vitamin oder Mineralstoff – in der einen Mahlzeit etwas mehr und in einer anderen etwas weniger essen.

Letztlich entscheiden Sie. Ihr Körper ist Ihr Hoheitsgebiet und Sie allein bestimmen, was in welcher Menge wann einreisen darf. Nehmen Sie dabei ruhig mal im Rahmen von Urlauben, Einladungen oder Partys ein paar ungewohnte Lebensmittel-Gäste auf. Nichts ist verboten.

Das Buch »Kaffee und Zigaretten«, so hörte ich den Schriftsteller Ferdinand von Schirach kürzlich eine Lesung eröffnen, »ist kein Ernährungsratgeber«: Es verteufele weder den Weizen, noch lobe es den Kuchen in den Himmel, sagte er, und so etwas werde heutzutage ja erwartet von diesen Büchern, in denen es letztlich doch nur um eines ginge: weniger essen. Ich verspreche Ihnen hiermit: Alle drei von Herrn von Schirach angesprochene Punkte macht dieses Buch nicht! Es verteufelt nicht und es geht auch nicht darum, weniger zu essen. Höchstens ein Lob können Sie hier und da entdecken. Denn es geht um das gute Essen – und dazu kann auch ein guter Kuchen gehören.

Mit diesem Buch möchte ich Ihnen viele Einladungen aussprechen. Ich möchte Sie mitnehmen in die Welten des Essens und der Ernährung und ich möchte gemeinsam mit Ihnen darüber nachdenken, warum die beiden nur zusammen zu haben sind – und was das für uns, unseren Alltag, für unsere Wünsche und Gewohnheiten bedeutet. Dabei orientieren wir uns an drei Fragen, wobei die erste aus gutem Grund am Anfang steht. Sie lautet: »Wozu über das Essen nachdenken?« Hier erfahren Sie, aus welchen Gründen wir über unser Essen nachdenken oder eben nicht darüber nachdenken, und auch, was wir davon haben, wenn wir es tun. Dabei geht es genau um jene Fragen, die Menschen dazu bewegen, in meine Praxis zu kommen, und die vermutlich auch Sie dazu gebracht haben, dieses Buch zur Hand zu nehmen. Leider haben allzu viele dieser Gründe mit Äußerlichkeiten zu tun – im ersten Teil werfen wir einen Blick darauf, welche überraschenden Auswirkungen die Ernährung auf Ihre inneren Werte hat. Im zweiten Abschnitt wenden

Die drei Abschnitte sind in kleine überschaubare Kapitel unterteilt, in denen Sie leicht verdauliche Wissenshäppchen, Essperimente, Einkaufstipps, Rezepte für jeden Geschmack und natürlich auch Informationen, die manche Mythen aus der Gerüchteküche ins rechte Licht rücken, finden. Lassen Sie uns dem Essen und der Ernährung einen angemessenen Stellenwert geben. Sie sind nicht alles, worum sich das Leben dreht, doch ein gesunder Körper und ein gutes Bauchgefühl sind die besten Voraussetzungen, um sich ganz nach dem eigenen Geschmack ins Leben zu stürzen. Essen gut, alles gut!

Was macht eigentlich eine Ökotrophologin?

Essen! Auch Ökotropholog*innen essen – und das sogar gern. Zumindest ich. Ich habe schon immer gern gegessen und eigentlich bin ich auch deswegen zum Studium der Ökotrophologie gekommen. Glauben Sie mir, ich wusste nicht, worauf ich mich da einlasse. Ich habe beim Essen immer mein Bauchgefühl sprechen lassen und war in meiner Pubertät auch mal ein echter Zuckerjunkie. Aber irgendwie ohne dadurch zuzunehmen – wahrscheinlich, weil ich damals fast auf dem Niveau einer Leistungssportlerin Handball gespielt habe und für mein Leben gern Fahrrad gefahren bin. Ich wurde selten von meinen Eltern irgendwo hingefahren. Ich erinnere mich eher an die Worte: »Du hast zwei gesunde Beine, du kannst sie auch nutzen!«

Nicht nur beim Essen, auch bei der Studienwahl hat der Bauch

Auch ich zweifelte anfangs daran, ob es irgendjemanden auf der Welt gab, der in einen Apfel aufgrund seines Vitamin-C- und Ballaststoffgehaltes biss. War es wirklich dieses Wissen oder war es nicht eher der Geschmack eines reifen, saftigen, süßsauren, spritzigen Apfels, der einen verleitet hineinzubeißen? Mit der Zeit begriff ich auch, dass das vermittelte Wissen sehr wenig mit dem einer studierten Hausfrau zu tun hatte. Es ging um grundlegendere Fragen: »Warum essen wir, wie wir essen?« war Teil des Fachs Ernährungspsychologie, »Warum und wofür kaufen wir Lebensmittel?« hieß es in der Vorlesung Verbraucherverhalten und in den Bereichen Lebensmittel- und Biochemie ging es in die naturwissenschaftlichen Details. Es war, kurz gesagt, eine umfassende Beschäftigung mit allen Einzelheiten unserer Ernährung, ihrer Herkunft, ihrer Zusammensetzung und ihrer Auswirkung.

Nach dem Studium führte mich mein Weg in die USA. Ich lebte aufregende zwei Jahre in Long Beach/Kalifornien und tat, wie mir im Studium gelehrt worden war: Ich ernährte mich fettarm. Mein damaliger Freund stellte mich seiner Familie mit den Worten vor: »That’s Heike. She’s from Germany. And she’s a good eater!« Was im ersten Augenblick despektierlich klingt, war in Wahrheit ein großes Lob: Viele Frauen in Südkalifornien folgten einem sehr fragwürdigen Ess- und Lebensstil, der viel mit Verzicht und Hungern zu tun hatte. Ich nicht! Das war erleichternd für meine

In Südkalifornien machte ich noch eine andere weitreichende Entdeckung: Ich wurde zum ersten Mal mit einer neuartigen Ernährungsform namens »Low Carb« konfrontiert, die im Wesentlichen in einer Reduktion (engl. low für »niedrig«) von Kohlenhydraten (engl. carbohydrates, kurz: »carbs«) steht. Ich konnte nicht glauben, auf was für einem Irrweg sich die USA befanden. Denn wenn jemand weniger Kohlenhydrate isst, dann muss er ja von anderem mehr essen!? Und das müssten ja dann Fett und Eiweiß sein. Oh Schreck, dachte ich, dabei war die Übergewichts-Epidemie hier doch eh schon viel weiter fortgeschritten als in Deutschland! Hätte ich mein Hochschulwissen damals schon richtig eingeordnet, hätte ich den Sinn hinter Low Carb verstanden, so war ich einfach fassungslos.

Zurück in Deutschland habe ich mich als Ökotrophologin selbstständig gemacht. Vermutlich hat mir meine damals schon große Begeisterung für diesen Beruf geholfen, denn ich erhielt ziemlich schnell interessante Aufträge: Zu Beginn waren das

Mit Anfang 30 – ich hatte gerade alle Hände voll zu tun – tat sich eine Chance auf, die ich nicht ungenutzt lassen wollte: Mir wurde eine Promotion angeboten. Da ich die praktische Arbeit dabei nicht aufgeben konnte, schrieb ich meine Doktorarbeit neben dem Job und machte nebenbei auch die Erfahrung, dass Lehrjahre tatsächlich keine Herrenjahre sind. Doch gerade in der Verbindung mit meiner praktischen Tätigkeit war das wissenschaftliche Arbeiten unheimlich bereichernd. Mit der Doktorarbeit hatte ich die einmalige Gelegenheit, der Frage nachzugehen, die mich durch mein Studium und durch die ersten Jahre meines Berufslebens begleitet hatte: Ich wollte sachlich und wissenschaftlich den Einfluss untersuchen, den Essen auf das Wohlbefinden hat. Für meine Forschungen konnte ich mich auf die Zusammenarbeit einer deutschen und einer schottischen Hochschule stützen und so hatte ich zwei Doktorväter, einen Gesundheitswissenschaftler in Hamburg und einen Psychologen in Paisley bei Glasgow. Und beide teilten meine Faszination für das Thema: Mit

Das richtige Essen kann wie Medizin wirken, klar, aber es ist auch irre wichtig für das Wohlbefinden und kann so wiederum auch die körperliche Gesundheit beeinflussen. Diese Erfahrung mache ich jeden Tag bei meiner Arbeit: Essen aus purer Lust und Ernährung als Notwendigkeit sind keine Gegensätze und können in einer guten Mischung maßgeblich das eigene Körperglück steigern – ganz gleich, ob schon eine Vorerkrankung vorliegt oder aber der Körper noch in bester gesundheitlicher Verfassung ist.

Nicht nur mein Vater hat seine Meinung zu meiner Berufswahl geändert. Auch ich schätze mich mit jeder neuen Erfahrung glücklicher mit dieser Arbeit. Und ich freue mich, meine Erfahrungen und Einsichten auf den nächsten Seiten mit Ihnen zu teilen.

Gesundheit ist (k)ein Geschenk!

Der Philosoph Arthur Schopenhauer, der einst auch ein Medizinstudium begonnen hatte, prägte den berühmten Spruch »Gesundheit ist nicht alles. Aber ohne Gesundheit ist alles nichts«, den wir also durchaus ernst nehmen dürfen. Denn ein gesunder Mensch nimmt seinen Zustand meist als Selbstverständlichkeit an – das ändert sich schlagartig, wenn die Knochen schmerzen, der Bauch bläht, der Bluthochdruck einen nicht zur Ruhe kommen lässt und andere kleinere Zipperlein oder größere Einschränkungen uns zu schaffen machen.

Im Zeitalter der Selbstoptimierung müssen wir uns stets vor Augen halten, dass wir vieles, aber nicht alles verändern können. Gesundheit ist so ein Fall, denn sie hat zwei Seiten: Die eine können wir beeinflussen, die andere nicht. Das Alter, die Genetik und die Herkunft sind Faktoren, die Auswirkungen auf die Gesundheit

Neben diesen drei Faktoren, die wir nicht oder nur durch einigermaßen mühsame Gymnastikübungen beeinflussen können, tragen viele andere Bereiche zu unserer Gesundheit bei – und viele davon kennen wir vielleicht noch nicht einmal: Derzeit wird in den Medien wie auch in der Wissenschaft immer wieder vom sogenannte Mikrobiom gesprochen. Darunter versteht man die unzähligen für uns unsichtbaren Mikroorganismen, die unseren Körper besiedeln. Das Augenmerk der Forschung liegt dabei insbesondere auf den winzigen Tierchen in unserem Darm. Wir werden uns im Kapitel Futter für Ihre Freund*innen noch genauer damit beschäftigen. Doch so viel vorab: Es mehren sich die Erkenntnisse, dass wir mit unseren Abermillionen Mitbewohnern im Darm sehr freundschaftlich umgehen sollten, denn sie können einen viel größeren Einfluss auf unsere Gesundheit nehmen als lange Zeit vermutet. Einen Freundschaftsbeweis liefern wir ihnen mit bestimmten Stoffen in unserem Essen. Was Möhren für Pferde, Käse für Mäuse und Schokolade für Naschkatzen ist, das sind die Ballaststoffe für die guten Bakterien im Darm. Daraus nehmen sie den Energieschub, den sie benötigen, um sich zu vermehren und um uns gesund zu halten. In diesem Bereich der medizinischen Forschung werden gerade ganz neue Kapitel geschrieben, die längst auch in den Ernährungswissenschaften eine wichtige Rolle spielen.

Dies ist also ein Bereich, bei dem wir unserem Schicksal in der Frage gesund oder nicht gesund unter die Arme greifen können: Anstatt über Alter, Genetik und Herkunft zu grübeln, kümmern wir uns lieber um ausreichend Bewegung, einen guten Umgang mit dem Stress – mit dem sozialen ebenso wie mit dem körperlichen –, um wertvolle zwischenmenschliche Beziehungen und natürlich um gutes Essen. Diese Faktoren liegen alle mehr oder weniger fest in

Denn das Altern findet auf zweierlei Weise statt: Während wir mit jedem Geburtstag das kalendarische Alter bejubeln dürfen, können unsere Zellen biologisch gesehen tatsächlich jung bleiben. Das wurde mir sehr bewusst, als ich kürzlich mit meiner Damenrunde zusammensaß und eine Freundin der Gastgeberin dazukam. Sie war voller Feuer, interessierte sich für vieles und schwärmte immer noch für ihren Beruf als Modedesignerin. Als sie stolz verkündete, dass sie sich zu ihrem 70. Geburtstag mit ihren Töchtern den lang ersehnten Traum einer Reise nach Fernost erfülle, staunten wir nicht schlecht: 70 Jahre!? Wir konnten es kaum glauben, zumal sie Typ-1-Diabetikerin war, das heißt, eine Stoffwechselerkrankung hatte, die im Alltag viel Aufmerksamkeit erfordert. Diese Frau ist eine von vielen lebenden Beweisen dafür, dass es sich durchaus lohnt, gut auf sich aufzupassen und sich auf das zu konzentrieren, was man selbst in der Hand hat. Ich war natürlich sehr daran interessiert, mehr über ihr Geheimrezept zu erfahren. Als eine Frau mit Typ-1-Diabetes legte sie besonderen Wert auf eine gute und für sie passende Ernährung und auf gute soziale Kontakte. Sie hat sich zwar nicht direkt als Sportlerin beschrieben, aber es wurde deutlich, dass ihr Lebenswandel sehr aktiv war.

Anton ist ein weiteres Beispiel: Mein Freund und ich reisen seit Jahren regelmäßig in den Südosten Mallorcas, wo wir von der Frühstücksterrasse unserer Unterkunft die Bucht einsehen können. Jeden Morgen zur gleichen Zeit beobachten wir dort einen älteren Herrn, der strammen Schrittes den Strand auf und ab geht. Durch einen Zufall lernten wir seinen Sohn kennen, der wie ich aus Norddeutschland stammt und wie sich herausstellte bereits 70 Jahre alt war. Damit stellte sich die Frage, wie alt denn dann der Vater sei? 93 Jahre, eröffnete er uns. Und was ist sein Geheimnis? Das solle ich ihn doch selbst fragen! Peter, 1927 in Ostpreußen geboren, hat einen inneren Leitspruch, der bis heute gilt: »Ich kann das. Ich schaff’ das!« Sie werden später im Buch im ( Kapitel Yes, I can!) noch einmal vom unschätzbaren Wert dieser

Wer abnehmen will, muss essen!

Meine Tante Helga war eine sehr weise Frau. Sie war Krankenschwester und hatte das Herz am rechten Fleck. Ich habe noch lebhaft vor Augen, wie sie, als wir unangekündigt vor ihrer Tür standen, den Staubsauger fallen ließ und darauf bestand, uns hereinzubitten: Ihrer Ansicht nach waren Gespräche und Treffen zwischen Menschen immer wichtiger als Staub! Wie wahr, denke

Eine andere Geschichte, die mir in Erinnerung geblieben ist: In meiner Jugend unterhielten sich die Erwachsenen über das Thema Abnehmen und meine Tante Helga sagte den für mich unvergesslichen Satz »Wer abnehmen will, muss essen!«. Ich verstand es damals nicht, denn ich hatte von den anderen Erwachsenen längst gelernt, dass das Weglassen von Kalorien, also das Fasten, zwangsläufig zum Abnehmen führen würde. Doch wie ich heute weiß, hatte meine Tante recht!

Essen verändert den Körper

Manches ist uns in die Wiege gelegt, doch wir können unserer Gesundheit und unserem guten Körpergefühl auch unter die Arme greifen: Mit dem, was wir essen, wie viel wir essen und wofür wir essen, bestimmen wir viele Prozesse in unserem Körper mit.

Viele Menschen wollen abnehmen, ob es nun gesundheitlich notwendig ist oder anderen Zielen dient. Und die angewendeten Methoden und Mittelchen sind so unterschiedlich wie die Menschen und ihre Gründe dafür. Mich stimmt es immer wieder äußerst nachdenklich, wenn ich selbst bei normalgewichtigen Menschen bemerke, dass sie der Wunsch umtreibt, schlanker sein zu wollen. Wie konnte es nur dazu kommen, dass wir ständig über das Gewicht reden und »zwei, drei Kilo weniger« immer als besser erachten als unser aktuelles Gewicht? Ich habe noch keine abschließende Antwort gefunden, doch das liegt vielleicht auch daran, dass ich aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln schaue: Der eine ist der private, der mich nur den Menschen sehen lässt, die Wirkung, die Gestik und Mimik, die Wortwahl und den Umgang mit anderen Menschen. Das Gewicht ist für mich dabei so irrelevant

Liebe Leserin, lieber Leser, führt auch bei Ihnen das Körpergewicht zur Unzufriedenheit oder körperlichen Einschränkungen und möchten Sie daher auch liebend gern ein paar Kilos loswerden? Haben Sie möglicherweise auch schon einmal einen Abnehmversuch gestartet? Einen, bei dem Sie gänzlich auf das Essen verzichtet haben? Null-Diät wurde das früher genannt, heute meist Fasten. Hat es Sie zum erwünschten Erfolg geführt? Kurzfristig ja, werden Sie jetzt höchstwahrscheinlich sagen, aber dann waren sie wieder da, all die weggehungerten Pfunde. Es tut mir leid um Ihren erfolglosen Versuch, denn es ist meist mit großer Anstrengung verbunden, mehrere Tage oder Wochen ohne Essen zurechtzukommen – erst recht, wenn Sie gleichzeitig auch gearbeitet haben. Aber leider überrascht mich der Verlauf Ihres Vorhabens überhaupt nicht.

Das Nicht-Essen führt natürlich erst einmal dazu, dass Sie Gewicht verlieren. Wenn Sie nur Wasser und ungesüßten Tee trinken, reduzieren Sie ja Ihre Kalorienaufnahme um Ihren gesamten täglichen Bedarf, der bei 1600, 1800, 2000 oder auch mehr Kilokalorien liegen kann. Doch die entscheidende Frage ist, was da verschwindet, wenn die Zahl auf Ihrer Waage kleiner wird. Ist es tatsächlich das unerwünschte Fett? Tatsächlich stecken drei ganz verschiedene Dinge hinter dem verschwindenden Gewicht und es beginnt eher überraschend: In den ersten Tagen verlieren Sie vor allem Wasser. Durch das Nicht-Essen werden die Zuckerspeicher

Die Kohlenhydratspeicher aber, die da gerade geleert werden, befinden sich in den Muskeln und mit dem Inhalt der Speicher baut der Körper auch die Muskeln ab. So verlieren Sie mit dem Fett zugleich Ihre wertvollsten Verbrennungsmotoren und damit sinkt auf Dauer Ihr Grundumsatz: Je weniger Muskeln in Betrieb sind, desto weniger Kalorien werden verbraucht – für den weiteren Fettabbau sind das keine guten Voraussetzungen. Es geht also nicht um eine Gewichtsreduktion, es geht um eine Fettreduktion (siehe Kapitel Ihr Gewicht ist nicht alles)!

 

Um die Muskulatur zu erhalten und gleichzeitig vor allem Körperfett schmelzen zu lassen, ist eine eiweißreiche Kost mit viel Gemüse vorteilhaft – warum, werden Sie vertiefend an vielen anderen Stellen in diesem Buch lesen.

Um dauerhaft Fett, aber keine Muskeln zu verlieren, bedarf es noch einer anderen Sache: Bewegung! Sie haben es in der Hand – oder besser gesagt, in Ihren Armen und Beinen: Ihr möglicher Muskelerhalt hängt davon ab, wie viel, wie lange und wie intensiv Sie Ihre Muckis reizen. Use it or loose it! – erinnern Sie sich? Ihre Muskeln wollen gebraucht werden, sonst ziehen sie sich beleidigt zurück, weil sie sich für sinnlos halten. Um das zu vermeiden, lassen Sie Ihre Muskeln spielen! Es ist dabei erst einmal egal, ob ausdauernd beim Spazierengehen, Walking, Joggen, Schwimmen, Radfahren oder kräftig beim Gewichte-Training.

Nach getaner Arbeit sind die bewegten Muskeln besonders hungrig. Am meisten freut sich der Körper dann über Eiweiß, denn das kann er direkt für die Reparatur der vorhandenen und den Aufbau neuer Muskeln nutzen. Sie bereiten sich schon mal auf ihren nächsten Einsatz vor. In den 60 bis spätestens 120 Minuten nach dem

Und das ist noch nicht alles! Nach dem Sport stellt sich – sofern Sie sich gefordert, aber nicht überfordert haben – ein umjubelndes »Yeah!«-Gefühl ein. Dieses haben Sie sich selbst verdient, durch Ihr eigenes Tun! Bravo! Ihr Körper schüttet durch Bewegung und Sport den Neurotransmitter Dopamin aus. Dopamin wirkt in Ihrem Nervensystem als Botenstoff und sorgt für jede Menge positive Gefühle, man kennt es auch als »Glückshormon«. Der Belohnungseffekt sorgt dafür, dass Sie die sportliche Herausforderung wieder aufnehmen wollen. Und das sollten Sie auch, denn einmal ist keinmal! Wer auf Dauer sein Gewicht reduzieren möchte, benötigt neue Gewohnheiten – und dazu gehört neben dem regelmäßigen Sporteln und ausreichend Schlaf auch das Essen und gerade nicht der komplette Verzicht.

Ihr Körper erträgt es nämlich auf Dauer nicht, nichts zu essen. Wie auch? Er ist abhängig von Stoffen, die ihn gut ernähren, also Nähr-Stoffen (siehe Kapitel Jeder braucht andere Energiequellen), weil er ein großes Interesse daran hat, gesund zu sein! Bekommt er nicht, was er braucht, stellt er sich stur, taub und gibt nichts her – auch keine Kilos. Da ist es schon sinnvoller, Freundschaft mit seinem Körper zu schließen und zu verstehen, was er wirklich braucht. Doch nicht nur das: Ihr Körperglück hängt auch ganz eng mit Ihrem Verständnis dafür zusammen, wann Ihr Körper und Ihre Seele was in welcher Menge möchte. Gesund und dem Abnehmen zuträglich ist nicht, alles in sich hineinzuschaufeln, aber auch nicht, auf alles zu verzichten! Wer will denn das auch auf Dauer durchhalten?

Ich möchte Ihnen reinen Wein einschenken und kann Ihnen etwas aus der Wissenschaft verraten: Die meisten Diäten bringen auf Dauer keine großartigen Erfolge für das Abnehmen – auch

Im wissenschaftlichen Vergleich sind diejenigen Kostformen am erfolgreichsten, bei denen man die Kohlenhydrate auf eine sehr geringe Menge reduziert. Doch auch dabei kann das Gewicht früher oder später wieder (leicht) steigen. Es gibt in der Tat nur wenige Menschen, die auf Dauer das Gewicht reduzieren können, und zu denen gehören in der Regel diejenigen, die konsequent (und auch nach Rückfällen) einen anderen, gesünderen Lebensstil mit guten täglichen Gewohnheiten pflegen (siehe die Kapitel Diät bedeutet nicht abnehmen! und Yes, I can!). Gesundes Abnehmen geht (leider) nicht schnell, ist aber mit den richtigen Entscheidungen und vielen kleinen Schritten in die richtige Wohlfühl-Richtung durchaus möglich.

Und wenn Ihnen das Abnehmen vielleicht nicht so gelingt, wie Sie es gern hätten: Schauen Sie auf Ihre inneren Werte! Angefangen bei Ihren Blutwerten, die durch gutes, zu Ihnen passendes Essen immer positiv beeinflusst werden – ganz unabhängig von Ihrem Gewicht. Was letztlich aber nicht minder wichtige innere Werte sind, sind Ihre Körperzusammensetzung und natürlich auch Ihre persönlich empfundene Lebensqualität. Und diesen nähern wir uns jetzt.

Nicht nicht, sondern richtig und gut essen ist das Ziel!

Statt nicht zu essen, ist es sinnvoller, richtig zu essen. Und dabei geht es keineswegs um Verzicht, sondern darum, Ihren Geschmack, Ihre Gesundheit, Ihren Genuss und Ihre Gewohnheiten in ein gutes Gleichgewicht zu bringen.