Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 2018
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ISBN Printausgabe 978-3-499-29053-4 (1. Auflage 2018)
ISBN E-Book 978-3-644-40082-5
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ISBN 978-3-644-40082-5
Adolf Friedrich Holstein; Versuch einer Rekonstruktion der Krankengeschichte Fritz Schumachers, in: Jahrbuch des Freundes- und Förderkreises des UKE e.V. 2009, Selbstverlag, Hamburg 2009, S. 51–61
Wolfgang Voigt; Zwei Städte, zwei Stadtarchitekten, zwei Junggesellen: Gustav Oelsner und Fritz Schumacher in Altona und Hamburg, in: Burcu Dogramaci (Hrsg.), Gustav Oelsner – Stadtplaner und Architekt der Moderne, Junius, Hamburg 2008, S. 67–74
Die Hamburger Altstadt auf einem Plan von 1925.
Juli 1925
Als sie die Augen aufschlug, suchten ihre Blicke die Decke des Raumes automatisch nach Anhaltspunkten ab. Aber da war nichts. Nur der Hauch einer schläfrigen Unschärfe. Kein Hinweis darauf, wo sie war und warum sie hier war. An der Wand gegenüber einige Bilder, darunter Regale. Staubpartikel, die in einem gleißenden Sonnenstrahl durch den Raum schwebten. Aus der Ferne war Verkehrslärm zu hören. Ein leichter Druck in ihren Schläfen. Dazu der Durst. Das röchelnde Schnarchen neben ihr auf dem Divan holte sie langsam in die Gegenwart zurück. Vorsichtig rollte Ilka sich zur Seite und setzte sich auf die Kante des Bettes. Überall Unordnung. Ihre Kleider waren auf dem Fußboden verteilt. Beim Aufstehen stieß sie mit dem Fuß gegen eine leere Vodkaflasche. Ihr Kopf dröhnte. Langsam erinnerte sie sich. Erst der Champagner, dann das Pulver. Eine besorgniserregende Kombination.
Er hatte sie gefragt, ob er sie malen dürfe, und sie war mitgegangen, obwohl sie genau wusste, worauf es hinauslaufen würde. Wie es enden würde. Oder aber gerade deshalb. Wie immer waren es ihre Brüste gewesen. Sie erhob sich und ging zur Staffelei, hob das Tuch an und schlug es zurück. Ja, das war sie. Ohne jeden Zweifel. Ihr Gesicht, dazu die Frisur. Jeder, der sie kannte, aber nicht unbedingt je nackt gesehen haben musste, konnte das Modell sofort erkennen. Es lag auf der Hand.
Langsam strich sie über ihre Brüste, verglich sie mit ihrem Ebenbild auf der Leinwand, betrachtete sich dabei im Spiegel neben der Anrichte, die über und über mit Farben, Pinseln, Gläsern und Näpfen dekoriert war. Für ihre Größe sehr aufrecht. Groß und spitz, wenn auch nicht voluminös. Und eben nach oben gebogen. Was hatte Puni damals zu ihr gesagt? Geformt wie bei jungen Negerinnen. Und dann hatte er statt ihrer Bananen gemalt. Eine solche Unverfrorenheit war das gewesen. Stundenlang hatte sie ihm Modell gestanden, und Puni hatte Bananen gemalt. Ausgerechnet Bananen! Wahrscheinlich hatte er bei seiner Arbeit nur ein nacktes Modell vor sich gebraucht. Zum persönlichen Vergnügen, zur Befriedigung irgendwelcher Phantasien vielleicht, was wusste sie. Konstruktivisten, Suprematismus, kinetische Rhythmen, alles Spinner. Genau wie Dada. Das war nicht ihre Kunst, und Dada war Vergangenheit. Davon hatte sie genug. František hingegen hatte sie gut getroffen. Die Proportionen stimmten. Die Farben auch. Selbst das sonnengegerbte Gesicht mit den Sommersprossen. Sie stellte etwas irgendwie Geheimnisvolles dar, wie sie sich auf den Propeller stützte. Nichts Ordinäres, nichts Maschinelles, und auch keine wirren Farbklekse.
Sie blickte zum Divan, wo František vor sich hin schnarchte. Wie lange war sie überhaupt hier? Sicher nur, dass sie sich länger als einen späten Morgen auf dem Schlaflager geliebt hatten. Die Sonnenstrahlen blendeten. Behutsam schlüpfte sie in ihre Wäsche, rollte sich die Strümpfe über die Schenkel. Keine Laufmaschen, wie sie erleichtert feststellte. Dafür Farbspritzer. Auch auf dem luftigen Sommerkleid. Selbst auf ihrer Haut winzige Kleckse. František hatte sie gleichsam aus dem Kleid gehoben. Nicht gerissen so wie László. László, das Tier. Dafür war der eindeutig der bessere Liebhaber gewesen, wie sie sich eingestehen musste. Auch wenn bei ihm nur Punkte und farbige Striche herauskamen. Allen war gleich, dass sie zu viel tranken. Vor allem Vodka. Da war dann immer irgendwann schlagartig das Licht aus. Meist im schönsten Augenblick.
Auf der Leinwand allerdings war František eindeutig der Begabtere. Nicht nur wegen der Brüste. Noch ein kontrollierender Blick in den Spiegel. Unter dem hauchdünnen Sommerkleid waren ihre Konturen immer noch gut zu erkennen. Gut so. Vor allem, weil sie keine Korsage benötigte, um sie in Form zu halten. Wie lange wohl noch? Seit sie die Dreißig überschritten hatte, machte sie sich hin und wieder Gedanken um den Erhalt ihres Körpers.
Sie warf sich ihr Jäckchen über die Schultern und griff nach ihrer Unterarmtasche. Im Kopf immer noch das Rauschen und Dröhnen. Es würde sich legen, wenn sie an der frischen Luft war. Das kannte sie. So angenehm das Zeug war – wenn die Wirkung nachließ, fühlte man sich unendlich matt und ausgelaugt. Keine Ahnung, wie spät es war. Welcher Tag war heute? Sie erschrak. Hoffentlich hatte sie das Treffen mit Parabellum nicht verpasst. Storck hatte sich nicht wieder gemeldet. Nur die Nachricht, dass er gut angekommen sei. Aber wo er in Russland steckte, hatte er nicht geschrieben. Sie brauchte diese Informationen dringend. Dabei fiel ihr ein, dass sie auch in der Redaktion längst überfällig war. So ging es nicht weiter. Donnerstag musste sie pünktlich auf dem Flugplatz sein. Sie überlegte nur kurz, dann hatte sie die Prioritäten wieder klar im Blick. So berauschend der Sex und die Sause mit dem Schnee auch sein mochten, die Fliegerei stand nach wie vor an oberster Stelle. Sie musste dringend weg von dem Zeug.
Ilka hatte ein Bad genommen, das neue cremefarbene Etuikleid mit dem dünnen Pelzbesatz angezogen und sich dann auf den Weg zum Romanischen gemacht. Eigentlich war das Kleid zu warm für das sommerliche Juliwetter, aber es sollte getragen werden. Wenn sie morgen nach Staaken fuhr, würde sie es wieder gegen die lederne Fliegerkleidung tauschen. Aber jetzt war ihr noch einmal nach mondäner Eleganz. Auf Federkappe und Handschuhe hatte sie ganz bewusst verzichtet. Ihre freche Kurzhaarfrisur war doch viel aufsehenerregender. Sie mochte es, wenn sich die Leute fragend nach ihr umdrehten, weil man sie zuerst für einen Mann hielt. In der Schaufensterscheibe von Buicks am Ku’damm kontrollierte sie den Sitz von Kleid und Jäckchen. Das Spiegelbild erinnerte fast an ein Filmplakat mit Margaret Horan. Es hätte auch eine Werbetafel für Schaumwein zieren können. Dazu die flachen Pumps mit den über die Knöchel gewickelten Lederbändern. Leicht und beschwingt. Genau so fühlte sie sich. Von Kopfschmerz keine Spur mehr.
Ilka stockte kurz, als sie von einem Trupp SA-Leute überholt wurde. Idioten, dachte sie sich. Auf diesem Boulevard flaniert man nicht im Stechschritt. Aber man sah diese Marionetten jetzt immer häufiger durch die Straßen ziehen. Der Klang ihrer Stiefel auf dem Pflaster hatte etwas Bedrohliches. Eine Gruppe von Amerikanern machte ihnen ehrfürchtig Platz. Zwei Russen riefen ihnen Unverständliches hinterher. Dem Klang nach sicher nichts Schmeichelhaftes. Ja, Russen und Amis, wohin man auch schaute. Nicht nur auf dem Ku’damm. Die Russen waren gefühlt schon immer hier gewesen, weshalb man inzwischen schon von Charlottengrad und Kurfürsten-Prospekt sprach, aber seit Dawes-Plan und Einführung der Rentenmark hatten sich auch zunehmend Amerikaner dazugesellt. Man erkannte sie sofort. Sie waren laut. So wie auch zu Hause in den Vereinigten Staaten. Ilka hatte es erlebt, als sie letztes Jahr für zwei Monate durch Amerika gereist war. Eigentlich hatte sie nur vier Wochen bleiben wollen. Ein angehängter Urlaub an die Lizenzsichtungen, für die sie von Ullstein nach New York geschickt worden war, aber dann hatte sie Rita und Faith kennengelernt, und es hatte sich die Möglichkeit ergeben zu fliegen. In Amerika waren Pilotinnen noch genauso exotisch wie in Europa. Auch dort genossen sie das Aufsehen, das sie erregten, nachdem zu erkennen war, wer aus dem Flugzeug stieg. Als Frau stand man sofort im Mittelpunkt.
Ilka war mit einem Dampfer der Harriman Hamburg-Amerika-Linie gereist, wie sich die ehemalige HAPAG nun nannte, aber sie träumte davon, eines Tages mit einem Flugzeug dorthin zurückzukehren. Über den Atlantik. Die Weite, die sie gespürt hatte, die Canyons, Wüsten und Salzseen, die endlosen Wälder im Norden, es gab noch so viel zu entdecken. Die Landschaft entschädigte einen für die meist überheblich auftretenden Amerikaner, denen nichts big genug sein konnte. Big und laut. Die Russen wurden erst laut, wenn sie betrunken waren. Und das praktizierten sie zwar in ungestümer Regelmäßigkeit, aber eigentlich nicht in der Öffentlichkeit.
Schon fast drei Jahre arbeitete Ilka nun bei Ullstein, und inzwischen gehörte sie zum festen Inventar des großen Verlagshauses. Wobei sie ursprünglich nur ein paar Wochen hatte bleiben wollen, um einen Einblick in die Berliner Verlagswelt zu bekommen. Und nun saß sie zudem in der Redaktion der Vossischen Zeitung und schrieb gelegentlich für das Uhu-Magazin. Die Arbeit machte ihr Spaß, keine Frage, aber wenn sie ehrlich war, war es mehr das Flair dieser Stadt, das sie davon abgehalten hatte, in die schwedische Provinz zurückzukehren und ihre Arbeit bei der Tageszeitung Dagens Nyheter wiederaufzunehmen. Die Atemlosigkeit und der Trubel von Berlin waren für sie unverzichtbar geworden. Seit fast einem Jahr teilte sie sich mit Käthe und Myrna die große Wohnung am Henriettenplatz, und was anfangs als provisorisches Wagnis gedacht gewesen war, hatte sich inzwischen zu einem eingeschworenen Miteinander gefestigt. Käthe arbeitete als Zeichnerin im Büro des Architekten Poelzig und war gerade mit Details zum Lichtspielhaus Capitol beschäftigt, das im Dezember gleich hier um die Ecke eröffnet werden sollte, und Myrna war Nackttänzerin im Nelson Theater, wo sie mit großem Erfolg als Lana del Fuero auftrat. Sosehr sie alle drei auch dem nächtlichen, frivolen Rausch der Großstadt verfallen waren, sich auf Partys an verruchten Orten herumtrieben, gewagten Koketterien und deren Folgen nicht abgeneigt waren, hatte sich ihr gemeinsames Credo bewährt, mit dem sie zusammengezogen waren und das da hieß: Keine Männer in der Wohnung!
Nein, auf das Amüsement wollte und konnte Ilka nicht verzichten. Und auf die Anonymität dieser rasenden Großstadt schon gar nicht. Tures Heiratsantrag auszuschlagen war ihr zwar schwer gefallen, sie liebte ihn ja genau genommen noch immer, aber sie war nicht bereit dazu, ihre Freiheiten aufzugeben. Sie hatte keine Lust auf Hausfrau und Kränzchen, wollte nicht von Bediensteten umgeben sein, auf Schritt und Tritt unter Beobachtung stehen, sich mit Leuten und Gesellschaften treffen, die sie sich nicht aussuchen konnte, und nach Kindern war ihr schon gar nicht. Und das war ja das Mindeste, was Ture erwarten würde. Nein, sie wollte unabhängig bleiben, wollte das Leben leben und so verrückte Dinge tun, wie einem fremden Maler nackt Modell zu stehen, sie wollte von Künstlern, Schauspielern, Dichtern und Autoren umgeben sein, von Gleichgesinnten, wollte neugierig und gierig alles aufsaugen und genießen, was einem das Leben hier bot. Sie wollte lieben, wann und wen sie wollte, rauchen, trinken, tanzen und sich amüsieren. Und sie wollte fliegen.
Ihre Großmutter, so hatte man ihr erzählt, war eine der ersten Frauen in Hamburg gewesen, die Hosen getragen hatte. Ihre Mutter war umgeben von Politikern und Frauenrechtlerinnen, ihr Vater ein unkonventioneller Advokat, der schon vor dem Krieg auf einem amerikanischen Motorrad durch die Hansestadt gekurvt war, die Geliebte ihres Bruders eine Varietékünstlerin, die sich früher auf einem Fahrrad sitzend von einem Ballon in die Lüfte erhoben hatte. War es da ein Wunder, dass sie sich den Konventionen entzog? Die Fliegerei, die sie für sich entdeckt hatte, war dabei viel weniger dem Wunsch geschuldet, dem Besonderen Ausdruck zu verleihen und als Frau im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, sondern entsprach tatsächlich einer physischen Sehnsucht. Ture hatte das als einer der Ersten gemerkt. Schließlich war er es ja gewesen, der sie dazu verleitet hatte, als er in den Vorstand der schwedischen Flugindustrie in Malmö berufen worden war und sich die Möglichkeit ergeben hatte, es mit dem Fliegen auszuprobieren, einfach so. Inzwischen war es wie eine Sucht, alles hinter und unter sich zu lassen, abzuheben und durch den Raum zu gleiten, unabhängig Richtung und Ziel zu wählen, selbst zu bestimmen, wohin es ging.
Einen kurzen Moment vermisste sie Ture. Der warb zwar immer noch um sie, wenn sie ihn in Schweden besuchte, aber inzwischen nicht mehr so hartnäckig wie einst. Das mochte auch an Agneta liegen, seiner Assistentin. Bei ihrem letzten Besuch hatte sie sofort gemerkt, dass da etwas war. Ture hatte es zwar abgestritten, aber die Blicke dieser Agneta waren sehr eindeutig gewesen.
Parabellum erwartete sie im Außenbereich des Romanischen Cafés, was Ilka nicht nur wegen der Temperaturen als angenehm empfand. Drinnen versprühte das Café mit den kalten Marmortischen den spröden Charme einer Bahnhofshalle. Karl Radek, der sich das Pseudonym Parabellum angeeignet hatte, machte mit einem Winken auf sich aufmerksam. Sie hatte ihn während ihrer Zeit in Stockholm kennen und schätzen gelernt. Politisch stand er ihr etwas zu weit links, schließlich war er fest mit der Komintern verbandelt, hinter der wiederum die Sowjets steckten, aber er war stets bestens informiert. Wenn jemand etwas wusste, dann Radek.
Während sie sich durch das Spalier der Bistrotische schlängelte, registrierte Ilka sehr wohl, wie sie beäugt wurde. In der Theaterecke konnte sie Max Reinhardt erkennen, der dort zusammen mit Ruth Landshoff saß. Es gab hier eine feste Sitzordnung der Kulturen. Das Forum Romanum eben. Vorne links die Malerecke, dahinter die Größen aus Film und Theater, überall dazwischen natürlich auch die Kleinen, auf der anderen Seite die Schriftsteller und Dichter, scharf abgegrenzt von den Baumeistern und Architekten, die sich schon eher mit den bildenden Künstlern durchmischten. Vor den Fenstern links die Musiker und Komponisten, auf der anderen Seite eine wilde Mischung. Die Landshoff drehte sich interessiert um. Wegen ihr hatte sich Ilka einst ihren ersten Bob schneiden lassen und damals tatsächlich kurz überlegt, sich die blonden Haare schwarz tönen zu lassen. Aber dann war Louise Brooks aufgetaucht, und alle Frauen wollten plötzlich einen Bubikopf wie sie, einen Eton oder Shingle, wie manche sagten. Also hatte Ilka noch ein paar Zentimeter mehr abschneiden lassen und trug die Haare streng gescheitelt und ohrfrei, auf der längeren Seite leicht gewellt. Nicht nur unter der Fliegerkappe hatte sich diese Frisur bewährt. Aber vor allem da.
Radek begrüßte sie mit einem spielerisch angedeuteten Handkuss und rückte auffordernd den Stuhl zurecht. Ihnen gegenüber saß Mary Wigman, eingerahmt von der Fliegerin Anne Löwenstein und einer unbekannten Schönen, die Ilka irgendwie an Pola Negri erinnerte. War sie es vielleicht sogar tatsächlich? Im Romanischen konnte das durchaus sein. An jedem dritten Tisch fanden sich bekannte Gesichter aus dem öffentlichen Leben, zu fast jeder Tageszeit. Am Nebentisch erkannte Ilka Colleen Moore. Nicht nur die Amerikaner liebten das Café. Der Straßenlärm war fast unerträglich.
Der Kellner kam etwas zu schnell.
«Ich nehme einen Kaffee Hag und ein Glas Wasser.» Nur keinen Alkohol um diese Uhrzeit.
Radek hielt ihr sein Zigarettenetui hin. Ilka bediente sich und lächelte.
«Schön, dass du dir Zeit nehmen konntest.»
Er sah nicht auf, sondern entzündete ein Streichholz, und Ilka griff nach seiner Hand, um sie zur Spitze ihrer Zigarette zu dirigieren.
«Ich habe dir doch von dem Flieger erzählt, den ich vor einiger Zeit in Staaken kennengelernt habe …» Johann von Storck, ein charmanter, äußerst gut aussehender Mann. Dazu ein hervorragender Flieger aus der Udet-Schule. Nur leider nicht an Frauen interessiert, wie Ilka zu ihrem Bedauern schon nach kurzer Zeit festgestellt hatte. Aber abgesehen davon, vielleicht sogar deshalb, hatten sie sehr schnell ein sehr freundschaftliches Verhältnis aufgebaut. Vielleicht sogar mehr als das. Fast so wie zwischen besten Freundinnen. Zumindest für Johann schien es nichts zu geben, worüber er sich nicht mit ihr austauschen wollte. Als wäre sie seine große Schwester, die man um Rat fragte, der man etwas beichtete, zu der man aufblickte.
«Er hat mir erzählt, dass er sich eine Zeit lang in Russland aufhalten werde. Gemeinsam mit anderen deutschen Piloten. Es geht dabei angeblich um die Erprobung eines Landekursfunks, den eine Berliner Firma … der Name fällt mir gerade nicht ein, gemeinsam mit den Philips-Werken entwickelt hat. Unter realistischen Bedingungen, was auch immer man sich darunter vorstellen soll.» Das hatte genau zu dem gepasst, was Ilkas Chef, Georg Bernhard, erwähnt hatte. Dass es sehr wahrscheinlich verbotene Fliegerstätten in Russland gebe, wo deutsche Piloten heimlich fliegen würden und ausgebildet wurden, was nach den Vereinbarungen von Versailles in Deutschland nicht mehr ohne Weiteres erlaubt war. Genauso wenig wie funkgesteuerte Landesysteme – wenn es so etwas überhaupt schon gab. Ob sie als Fliegerin etwas darüber wisse, hatte Bernhard gefragt. Als sie ihrem Chefredakteur von Johann von Storck erzählte, hatte er sie sofort auf die Sache angesetzt.
Die Bedienung brachte den Kaffee, stellte einen Zuckerstreuer auf den Tisch und schenkte aus einer Karaffe Wasser in ein schmales Glas. Radek orderte ein weiteres Pils.
«Ich hatte ihn nach dem Ort gefragt, aber er meinte nur, das wüsste er selber noch nicht; er wollte es mir schreiben, sobald er dort wäre. Eine Karte habe ich dann auch bekommen, auf der er schrieb, dass er gut angekommen sei. Sonst nichts. Der Stempel auf der Briefmarke war verwischt. Ich konnte die Adresse nicht entziffern. Und das Ganze ist jetzt sechs Wochen her. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.» Ilka drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und griff nach dem Wasserglas. «Hast du Kenntnis über solche Stellen, wo deutsche Piloten in Russland fliegen?»
Radek lehnte sich zurück und nickte selbstgefällig. So, wie sie es nicht anders von ihm kannte. In Stockholm hatte er mehrere russische Blätter betreut, und wenn Ilka damals Informationen über die russische Politik benötigt hatte, dann war Radek immer ihre erste Quelle gewesen. Den Stolz darüber, als Fachmann zu gelten, hatte er nie verheimlichen können.
«Ja, so etwas ist mir auch schon zu Ohren gekommen. Seit Rapallo ist vieles denkbar geworden. Ich habe ja über die Komintern so meine Kanäle. Die Devise lautet sehr wahrscheinlich: Fläche gegen Technik. Die Rote Armee ist in technischer Hinsicht nicht auf der Höhe der Zeit. Und deutsche Ingenieure gelten als die besten der Welt. Von den Flugzeugbauern wollen wir erst gar nicht reden. Sie dürfen nur nicht so, wie sie wollen. Was also liegt näher als eine verdeckte Kooperation. Davon darf offiziell natürlich niemand etwas mitbekommen.»
Ilka kannte das aus Schweden. Genauer gesagt aus Limhamn, wo sie selbst das Fliegen gelernt hatte und wo die Anlagen der AB Flygindustri beheimatet waren. Vor über einem Jahr hatte Hugo Junkers eine Produktionsstätte seiner famosen Flugzeuge dorthin verlegt, weil er in Deutschland wegen der Versailler Auflagen nur eine geringere Menge produzieren durfte, als ihm möglich war. Und jetzt fertigte er dort nicht nur einen Großteil seiner A20, die weltweit gefragt waren, sondern auch eine ganze Reihe anderer Modelle. Ganzmetall, eine Beplankung aller Flugzeugteile mit Metall – das war sein Geheimnis. Und die Qualität stimmte. Deshalb hatte sich Ilka auch für einen Tiefdecker aus der C-Serie entschieden: ein Vorserienmodell als Einsitzer, dafür mit einem Zusatztank anstelle des hinteren Platzes. Junkers ließ bei seinen Entwürfen auch Elemente aus den Designwerkstätten des Bauhauses einfließen. Ein weiterer Grund für seinen Erfolg. Auch Ilka begeisterte die Neue Sachlichkeit aus dem Bauhaus, vor allem in der Architektur. Die Avantgarde der modernen Architekten hatte sich vor kurzem im Zehner-Ring versammelt. Die Entwürfe dieses Architektenbundes waren spektakulär. Letzte Woche war Ilka über die Baustelle der neuen Großsiedlung in Britz geflogen, die tatsächlich in Form eines Hufeisens gebaut wurde. Das waren Ideen aus einer neuen Zeit, die gerade erst angebrochen war. Dafür liebte Ilka Berlin. Hier war sie am Puls der Zeit.
«Hast du genauere Kenntnisse? Über den Ort? Die Absichten?»
Radek schüttelte den Kopf. Er wartete einen Augenblick, bis sich die Bedienung entfernt hatte. Dann schlürfte er den Schaum vom Pils und nahm einen großen Schluck.
«Leider nein. Aber da dürfte was dran sein. Interna der Reichswehr. Ich werde mich mal umhören und meine Fühler ausstrecken. Das interessiert mich genauso wie dich.» Er zögerte einen Augenblick. «Aber ich weiß, dass Baranow hier in der Stadt ist. Pjotr Ionowitsch Baranow ist seit zwei Jahren Chef der russischen Luftstreitkräfte. Und Starik wurde angeblich auch gesehen. Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang.»
«Starik?» Ilka zog eine weitere Zigarette aus Radeks Etui und gab sich selbst Feuer mit dem rustikalen Benziner, bevor er ihr ein Streichholz anbieten konnte. In ihrer Tasche hatte sie zwar noch eine Packung Juhasz Jungfernsteig, aber Radeks Zigaretten schmeckten eindeutig besser.
«Jan Karlowitsch Bersin. Chef des russischen Geheimdienstes. Codename Starik.»
«Sollte ich mir merken», entgegnete Ilka und lehnte sich zurück, während sie den Rauch der Zigarette ausblies.
Radek schüttelte warnend den Kopf. «Besser vergessen. Auf jeden Fall solltest du ihm aus dem Weg gehen. Er gilt als äußerst skrupellos.»
Der Droschkenfahrer war so perplex gewesen, dass er den Wagen zweimal abgewürgt hatte, als Ilka ihm auf Nachfrage erklärt hatte, dass sie wirklich Pilotin sei. Er hatte es zuerst für einen Scherz gehalten. Erst hier am Flughafen schien er es wirklich zu glauben. Ernst Bormann war der Erste, der Ilka in Staaken über den Weg lief.
«Meine Lieblingsschülerin», begrüßte er sie beiläufig, aber herzlich. «Wären Sie nicht bereits so befähigt, würde ich Ihnen einen Kurs im Segelfliegen nahelegen.»
Keineswegs empfand Ilka seine Worte als herabschätzend. Er wusste nur zu genau, dass er ihr eigentlich nichts mehr beibringen konnte. Alles, was er über Fliegerei wusste, beherrschte sie bereits. Trotzdem wollte sie sich Bormanns Vortrag über den Segelflugsport anhören, den er für heute angekündigt hatte. Überall in Deutschland schossen seit zwei Jahren Flugschulen und als Sportgelände ausgewiesene Flächen aus dem Boden, von denen sich Flugzeuge in den Himmel erhoben. Es war wie ein Volkssport. Wie das Blockflötenspiel. Kaum eine Hochschule, die Segelfliegerei nicht für ihre Studenten anbot.
Während Ilka Bormanns Vortrag lauschte, bemerkte sie die eisblau leuchtenden Augen, die sie von der Seite beäugten. Nicht so, wie sie es gewohnt war. Nicht musternd, nicht abschätzend. Aber dennoch durchdringend. Der Mann musste deutlich über fünfzig sein und sah glänzend aus, auch wenn er nicht ihrer bevorzugten Altersklasse entstammte.
In der Pause kam er auf sie zu. «Sie gestatten? Adolf Behrend. Wir haben uns einmal in Hamburg kennengelernt, da waren Sie noch ein halbes Kind. Ich war sehr gut mit Martin Hellwege befreundet, einem Freund Ihres Vaters, wenn ich richtig informiert bin?» Er nestelte verlegen an seinem Revers. Die Orden wiesen ihn als Kriegsflieger mit Auszeichnung aus.
«Tatsächlich?» Ilka war wirklich überrascht. «Ich verdanke Herrn Hellwege sehr viel.»
«Ich auch, in der Tat. Eigentlich war er es, der mir die Fliegerei ermöglicht hat. Wir standen uns wirklich sehr nah, und sein Tod berührt mich noch immer. Und Sie hat er als Universalerbin eingesetzt.»
Es war Ilka nicht ganz geheuer, dass der Mann über derart intime Kenntnisse verfügte. Onkel Martin war tatsächlich der beste Freund ihres Vaters gewesen. Er hatte sich nach Ausbruch des Krieges in Norwegen das Leben genommen. Eigentlich hatte sie mit ihm nichts zu tun gehabt, und so war es völlig überraschend, dass Martin Hellwege sie als Universalerbin eingesetzt hatte – und er hatte ihr wahrlich ein Vermögen hinterlassen. Dazu noch die große Villa an der Alster. All das ermöglichte ihr das unbeschwerte Leben, die Reisen, das Flugzeug – Unabhängigkeit. Mit ziemlicher Sicherheit auch noch in der Zukunft. Ihr Vater hatte sie gut beraten, sodass das Vermögen nach wie vor so viel wert war wie am Anfang. Kein Verkauf der Immobilie. Keine Investitionen, die von der Inflation betroffen sein konnten. Und jetzt die Rentenmark … Aber was wollte Behrend von ihr?
«Ich werde nächste Woche mit Bormann nach Russland aufbrechen. Wir werden mit der 4. Fliegerabteilung des 40. Geschwaders der Roten Armee ein paar gemeinsame Manöver fliegen.»
Was meinte er? «Geht es da auch um den Landekursfunk?» Das war es, was Johann gemeint hatte.
Behrend nickte. «Lipezk bietet die besten Voraussetzungen für uns. Wovon wir hier nur träumen können.»
«Sie waren schon dort?»
«Ja. Den Ortsnamen behalten Sie besser für sich. Das muss niemand wissen.» Er zog ein Couvert aus der Jacke. «Das soll ich Ihnen übrigens von Johann aushändigen.»
«Johann von Storck? Wie geht es ihm?»
Behrend zwinkerte ihr zu. «Ich denke, es geht ihm gut. Den Umständen entsprechend», korrigierte er schnell. «Karg. Russland eben …»
Ilka öffnete den Umschlag und entnahm einen Brief sowie zwei geschlossene Briefcouverts, eines davon an eine Hamburger Anschrift adressiert, aber noch nicht frankiert.
«Er bat mich, das für Sie mitzunehmen. Man muss wohl davon ausgehen, dass alle ausgehenden Briefe wie militärische Feldpost behandelt und in der Poststelle geöffnet werden. Da hat sich seit dem Krieg nicht viel geändert.»
«Ich danke Ihnen.»
Behrend zuckte mit den Schultern, und als Ilka begann, den Brief zu lesen, trat er diskret zur Seite.
Sehr geehrte Ilka,
da Sie nichts von sich hören lassen, muss ich wohl davon ausgehen, dass meine Briefe Sie nicht erreicht haben. Wir sitzen hier in einem Ort namens Lipezk, ein paar hundert Kilometer südöstlich von Moskau. Alles ist sehr militärisch ausgerichtet, auch wenn keine Uniformen getragen werden. Wir fliegen auf Fokker D XIII, und die Maschinen haben keine Hoheitsabzeichen. Von den Russen werden wir scharf beäugt. Alles ist sehr einfach gehalten, nicht einmal Flugzeughallen gibt es. Die Flug- und Übungsmöglichkeiten sind hingegen phantastisch. Ich werde noch bis Ende August hier sein, dann ist der Stützpunkt für den Ausbildungsbetrieb hergerichtet. Es ist sehr spannend. Ich werde nach meiner Rückkehr berichten. Seien Sie bitte so freundlich und schicken den zweiten Brief von Berlin aus an einen guten Freund in Hamburg, und den dritten an meine Eltern.
Mit ergebenstem Dank,
JvS
Über den Landekursfunk hatte Johann kein Wort verloren. Dann musste sie in der Angelegenheit selbst aktiv werden. Vielleicht bot der morgige Termin bei dieser Firma sogar die Möglichkeit dazu. Ilka hatte sich schon einen Plan zurechtgelegt.
Auch der zweite Teil von Bormanns Vortrag enthielt für sie nichts Neues. Abermals referierte er über die notwendigen Befähigungen für den Erhalt der deutschen Fliegerlizenz. Dafür musste man nach Schleißheim. Die Voraussetzung waren zwanzig Flugstunden in einer Fliegerschule vor Ort. Dann die Prüfung. Darauf konnte sie gerne verzichten. Alle technischen Befähigungen besaß sie bereits, und ihr Flugzeug war um ein Vielfaches besser ausgerüstet als die alten Doppeldecker der Flugschule, auf denen die Prüfung abgenommen wurde. Allein für die Prüfung wäre sie vielleicht hingeflogen, aber was sollte sie eine Woche lang in einem Kaff wie Schleißheim? Da wurden doch um zehn Uhr die Bürgersteige hochgeklappt. Wenn es dort überhaupt welche gab. Nein, vorerst reichte die schwedische Lizenz. Sie wollte sich ja nirgends als Pilotin anstellen lassen. Und eine Karriere als Pilotin im Linienverkehr strebte sie auch nicht an. Fliegen, das hieß für sie Abenteuer, das war das Gefühl von Freiheit. Keinesfalls Routine.
Noch eine halbe Stunde, dann war der theoretische Teil des Tages beendet. Sie konnte es kaum erwarten, ihre Maschine zu starten und abzuheben, bevor sie am späten Nachmittag mit Myrna am Wannseebad verabredet war. Ihre Modenschau, wie sie es nannten. Die neuen Badeanzüge wollten gezeigt werden. Sie beide im gleichen Modell – das hatte schon was. Bei Mosse hatten sie es gekauft: ein Deauville-Schnitt, blau-weiß gestreift, schulterfrei mit dünnen Trägern. Unterhalb des schmalen Gürtels waren die Beinkleider nur angedeutet und endeten knapp unter dem Schritt. Etwas gewagt, aber genau das bezweckten sie. In Schweden war Ilka immer nackt geschwommen. Zumindest in der Einsamkeit der abgelegenen Schären. In Deutschland undenkbar, jedenfalls an den öffentlichen Badestellen. Erst wenn die Sonne untergegangen war, tummelten sich auch an den Ufern von Wannsee und Spree die Nackedeis.
Ilka musste daran denken, wie sie Ture kennengelernt hatte. Damals, im Schulheim an der Ostsee, wo seine Klasse neben der ihren untergebracht war. Sie waren fast noch Kinder gewesen und hatten ihre Klassenlehrerin und den schwedischen Lehrer beim gemeinsamen nächtlichen Baden in einem See beobachtet. Nackt. Irgendwie hatte auch sie das zusammengeschweißt. Unablässig hatten sie sich Briefe auf Esperanto geschrieben, bis Ilka von ihren Eltern die Erlaubnis bekam, für ein Jahr bei Tures Familie in Stockholm leben zu dürfen – natürlich um Schwedisch zu lernen. Dass sie inzwischen selbst erwachsen waren, erkannten sie bei ihrem ersten gemeinsamen Bad.
Ilka hatte ihr Flugzeug hellgrün streichen lassen. Das war schon eine Augenweide für sich, aber die Flugeigenschaften des Laubfroschs, wie sie ihre Junkers liebevoll nannte, setzten dem noch die Krone auf. Ein besseres Flugzeug war Ilka nie geflogen. Der Laubfrosch reagierte exakt so, wie sie es sich vorstellte. Dazu war er gutmütig. Als Zweisitzer wurde die 20c inzwischen für die Verwendung als Aufklärungsflugzeug verkauft. Der Tiefdecker war etwas über acht Meter lang und fast fünfzehn Meter breit, wodurch er sich sehr gefühlvoll steuern ließ. Wendigkeit war hingegen nicht seine Stärke, da waren die schmalen Doppeldecker deutlich agiler. Und eben auch nervöser. Aber sie wollte keine Luftakrobatik betreiben, auch wenn sie es spektakulär fand, was einige Piloten über den Wolken veranstalteten. Als Langstreckenmaschine war die Junkers hingegen in ihrer Klasse unschlagbar. Das über dreihundert PS starke Triebwerk von BMW ermöglichte ihr eine Reisegeschwindigkeit von fast zweihundert Kilometern in der Stunde. Nur die neuesten Modelle von Fokker und Heinkel waren schneller und konnten mit ihren leistungsstarken Napiermotoren an der 20c vorbeiziehen. Ohne den Zusatztank wären wahrscheinlich noch schnellere Flüge möglich, aber die zusätzliche Reichweite war für Ilka wichtig, da sie häufiger zwischen Schweden und Berlin unterwegs war. Notlanden musste sie bislang noch nie, obwohl es bereits zweimal recht knapp mit dem Treibstoff gewesen war. Dabei fiel ihr ein, dass sie sich für dieses Jahr vorgenommen hatte, zumindest einmal eine raue Ackerlandung zu üben.
Aber nicht heute. Nachdem Ilka sich umgezogen und hinter dem Steuerknüppel Platz genommen hatte, konnte sie es kaum erwarten abzuheben. Die verbleibenden Minuten bis zur Starterlaubnis schienen ihr endlos. Dann sah sie endlich die ersehnte Flagge und rollte zur Startbahn. Ohne anzuhalten, steuerte sie auf die Piste und erhöhte die Drehzahl des Motors. Wie immer ein erhabener Moment, als sie merkte, wie sich langsam das Heck hob, dann Volllast. Sie wurde in den Sitz gepresst – kurz danach die Mischung aus Schwerelosigkeit und Geschwindigkeitsrausch. Ilka konnte ein Juchzen nicht unterdrücken. Erst die Horizontale beendete den Rausch des Starts. Ilka korrigierte die Gemischeinstellung und reduzierte ihre Geschwindigkeit. Dafür jetzt das Gefühl von grenzenloser Freiheit. Links die Schlote der Großstadt, rechts das endlose Grün in Richtung Spandau. Kaum eine Wolke am Himmel. Ilka entschied sich für rechts und drückte den Laubfrosch über die Tragfläche in die Kurve. Wie immer gehorchte das Flugzeug jeder noch so kleinen Bewegung des Steuers.
Von Spandau aus die Havel entlang in Richtung Potsdam. Als sie die Seen von Werder erreichte, überkam sie ein unfassbares Glücksgefühl. Nichts war aufregender, als