Andy Lettau / Robert Lady

Defcon One

Angriff auf Amerika

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Andy Lettau / Robert Lady

Andy Lettau, geb. 1966, brach sein Jura-Studium frühzeitig ab und arbeitete nach unterschiedlichen beruflichen Stationen mehr als zehn Jahre lang als Geschäftsführer einer Werbeagentur. Er ist zudem als Ghostwriter tätig. Ausflüge gestattet er sich ab und an ins produzierende Filmbusiness, auch in den USA. Seit Ende 2009 leitet er einen Hörbuchverlag. Das Rohmanuskript seines 25-Stunden-Audiobestsellers Defcon One wurde bei einer Recherchereise Gegenstand einer intensiven Überprüfung durch die Homeland Security am Newark International Airport in New York.

Robert Lady ist das Pseudonym eines NASA-Sicherheitsberaters, der für die Romanrecherche als technischer Stichwortgeber verantwortlich war. »Robert Lady« und Andy Lettau lernten sich im Umfeld eines Shuttle-Starts in Florida kennen; Jahre bevor dieser Roman seine endgültige Fassung bekam.

Impressum

© 2009 Andy Lettau

© 2011 der eBook-Ausgabe neobooks.com.

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk darf – auch teilweise –

nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

© der gedruckten Version: 2011 Blitz-Verlag

© der Hörbuchversion: 2010 Action Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Covergestaltung: ZERO Werbebagentur, München

Covermotiv: © Mark Freier

www.neobooks.com

ISBN 978-3-426-43025-5

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Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen,

oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.

John F. Kennedy, 35. Präsident der USA

 

 

Jede Nation in jeder Region muss jetzt eine

Entscheidung treffen. Entweder seid Ihr für uns,

oder Ihr seid für die Terroristen.

George W. Bush, 43. Präsident der USA

 

 

Yes, we can!

Barack Obama, 44. Präsident der USA

PROLOG

Die Challenger-Katastrophe

RÜCKBLENDE

28. Januar 1986, 11.05 Uhr

Florida, Daytona Beach

Der dunkelhaarige Fahrer des unauffälligen Buick Riviera saß hinter dem Steuer und blickte auf seine Armbanduhr. Die Digitalanzeige seiner Casio signalisierte pulsierend die Zeit: 11:05:23. Es war ein eiskalter und klarer Wintermorgen, und aus dem Radio war die Stimme des lokalen Nachrichtensprechers zu hören, der den Start des Space Shuttles Challenger ankündigte. In dreißig Minuten würde der Countdown ablaufen. Bis dahin blieb noch genügend Zeit, das Motel zu erreichen und die große Sache im Fernsehen live zu verfolgen.

Er hatte einen frühen Flug von Houston nach Jacksonville genommen und war dann mit dem Mietwagen die Gold Coast heruntergefahren. Er ärgerte sich darüber, dass er den Start nicht live vor Ort verfolgen konnte, aber die Entscheidung der NASA war sehr spät getroffen worden. Und obwohl es nur etwas mehr als siebzig Meilen bis Cape Canaveral waren, hätte er es nicht rechtzeitig bis vor Ort geschafft. Er war sich aber sicher, dass bei dem bevorstehenden Ereignis auch von Daytona Beach aus etwas am Himmel zu sehen sein würde.

Er erreichte das vorgebuchte Motel und legte eine Kreditkarte vor, die auf den Namen Steve Miller ausgestellt war. Es war ein preiswertes Motel mit einem muffigen Geruch, aber das störte den Zwanzigjährigen nicht. Sein Zimmer lag im ersten Stock, und eine Treppe führte den Außengang herauf, von wo aus man einen schönen Blick auf den Ozean hatte. Er atmete die kalte und salzhaltige Luft des Atlantischen Ozeans ein und betrat sein Zimmer. Es war schmucklos eingerichtet und roch nach Nikotin. Miller warf seinen kleinen Koffer auf das Bett und schaltete den Fernseher ein. Das altersschwache Gerät gab einen langen Summton von sich und zunächst war nur Schnee auf der Mattscheibe zu sehen. Die Fernbedienung litt unter den fast leeren Batterien, aber schließlich gelangte er zu dem gewünschten Sender.

Die Kaltfront hat den gesamten Südosten der Staaten erreicht, hörte der junge Mann den Meteorologen sagen, als in der Vorberichterstattung zum Shuttle-Start die amerikanische Wetterkarte eingeblendet wurde. Auf Cape Canaveral war die Temperatur auf drei Grad Celsius gesunken, was völlig ungewöhnlich für den Sonnenstaat Florida war. Normalerweise würde die Raumfähre bei einer solchen Außentemperatur nicht starten. Immer wieder waren kleinere und größere technische Defekte aufgetaucht, die kein guten Vorzeichen für die Mission STS-51 L waren. Doch der Zeit- und Kostendruck, der auf den NASA-Managern lastete, war gewaltig. Da auch die nachfolgenden Missionen an enge Startfenster gebunden waren, konnte der Transport und das Aussetzen des riesigen Bahnverfolgungs- und Datenübertragungssatelliten nun nicht weiter aufgeschoben werden. Scheiterte dieser Start, war das gesamte folgende Jahr für die NASA ein organisatorischer Fehlschlag. Nach mehreren Countdown-Unterbrechungen gaben die Verantwortlichen schließlich grünes Licht, die Challenger an diesem kalten aber klaren Januarmorgen in den Himmel zu schießen.

Commander Francis Scobee an Bord der Fähre erhielt vom Bodenkontrollzentrum in Houston das Zeichen Go for Launch, und um 11.38 Uhr erfolgte endlich der Start. Die mächtigen Feststoffraketen zündeten und hoben die Fähre mit dem Lärm von fünfhundert gleichzeitig startenden Jumbo-Jets in die Luft.

Steve Miller starrte gebannt auf den Bildschirm und kniff die Augen zusammen. Deutlich meinte er erkennen zu können, wie eine weißbräunliche Rauchfahne am unteren Ende der Feststoffraketen austrat.

Das müssen die Dichtungsringe im O-Ring sein. Sie sind spröde geworden. Sie verbrennen. Die Kälte hat sie spröde gemacht. Wenn sie verbrennen, erwischt es gleich die Booster. Die Leute bei Morton Thiokol haben Recht gehabt. Das Dichtungsmaterial hält nur bis maximal zwölf Grad Celsius. Mein Gott, welche Narren die NASA doch beschäftigt. Ich gebe ihr noch höchstens anderthalb Minuten!

Während die Challenger ein Rollmanöver durchführte, welches sie in die richtige Lage für den weiteren Aufstieg brachte, zeigte die Fernsehkamera eine Gruppe Angehöriger und Freunde des siebenköpfigen Besatzungsteams.

Schwenk zurück auf das Shuttle. Schwenk zurück auf das Space Shuttle, du Idiot, betete der Mann den Fernseher an. Der Regisseur wird sein Leben lang fluchen, wenn er jetzt nicht mit der Kamera drauf bleibt.

Um die aerodynamische Belastung des Space Shuttles in den dichteren Schichten der Erdatmosphäre in Grenzen zu halten, wurde der Schub der drei Haupttriebwerke vollautomatisch reduziert. Knapp eine Minute später – Houston meldete Go at throttle up – regelten die Bordcomputer den Schub der Haupttriebwerke wieder auf den Normalwert hoch. Nun begannen die letzten zehn Sekunden der Challenger.

Mit zunehmender Geschwindigkeit stieg die Raumfähre empor. Sie hatte nun eine Höhe von fast sechs Meilen erreicht. Die Telemetrie-Daten wurden am unteren Bildschirmrand eingeblendet. Der Kommentator spulte sein selbstgefälliges Repertoire vom beeindruckenden und überlegenen Können amerikanischer Raumfahrttechnologie ab. Die Vereinigten Staaten waren die dominierende Nation auf der Welt. Nur sie waren in der Lage, der gesamten Menschheit den Weg zu den Sternen zu zeigen. Blabla …

Noch fünf Sekunden.

Noch vier Sekunden.

Die Lippen des jungen Mannes hatten sich zu einem dünnen Strich verzogen. Sein Gesicht war zu einer hässlichen Maske erstarrt. In seinen Augen lag ein tödliches Wissen. Der arrogante Reporter würde gleich Lügen gestraft werden. Das Spiel war aus.

Noch zwei Sekunden.

Noch eine Sekunde.

Urplötzlich spaltete eine gigantische Explosion den Himmel über Florida. Die Challenger wurde buchstäblich in Fetzen gerissen. Ein apokalyptischer Feuerball schoss in die Atmosphäre. Abertausende von Trümmerteilen zogen Rauchfahnen hinter sich her und regneten in den Atlantik nieder. Eine imposante Explosionswolke stand unheilvoll und bewegungslos vor dem kontrastierenden azurblauen Himmel. Die durch den Druck der Detonation abgerissene Kabine schlug erst eine Minute später und rund dreißig Meilen vom Startkomplex 39B entfernt auf die Wasseroberfläche auf.

Es sollte für die Öffentlichkeit immer ein Geheimnis bleiben, ob die Astronauten den Zeitpunkt des Aufpralls noch bewusst miterlebt hatten. Die Version der NASA – und somit die Version der Medien – war die des schmerzlosen Todes, bedingt durch den plötzlichen Druckabfall in der Kabine und die damit verbundene Bewusstlosigkeit der Crew. Die NASA jedenfalls dementierte heftig alle anders lautenden Gerüchte zu diesem Thema.

Steve Miller setzte ein zufriedenes Lächeln auf, als er von seinem Fenster an den Horizont schaute und das bizarre Wolkenbild über dem Cape sah. Auf der Straße standen viele Passanten und schauten fassungslos in die Richtung des Unglücks. Unbeeindruckt ging er in sein Zimmer zurück.

Seit dem Start waren genau dreiundsiebzig Sekunden vergangen. Die Challenger hatte aufgehört zu existieren. Und mit ihr die Astronauten Francis Scobee, Ellison Onizuka, Judith Resnik, Ronald McNair, Gregory Jarvis und Michael Smith, sowie die Nicht-Astronautin Christa McAuliffe, eine siebenunddreißigjährige Lehrerin aus Concord, New Hampshire, die sich als Zivilistin für das Ronald Reagan Programm Lehrer im Weltraum beworben hatte.

Während ein fassungsloser Reporter versuchte, die Katastrophe zu erklären, liefen die Bilder vom Moment der Explosion wieder und wieder über den Schirm. Spätestens jetzt würden sich die Fernsehsender, die dem Start des amerikanischen Shuttles aus Kostengründen keine Aufmerksamkeit mehr gewidmet hatten, selber verfluchen.

Miller zündete sich eine Zigarette an und setzte sich auf das Bett. Völlig entspannt verfolgte er die weiteren Sondersendungen.

Amerika war geschockt.

Eine ganze Nation hatte plötzlich den Glauben verloren. Den Glauben an Fortschritt, an technische und geistige Überlegenheit gegenüber anderen Ländern. Für die USA war das Space Shuttle mehr als nur eine Raumfähre. Es war ein Symbol der Macht und der Stärke, eine beeindruckende Demonstration von ungebremster Expansionsenergie. Und mit einem Mal war alles vorbei. Ein zerplatzter Traum. Vor den Augen der Welt. Live. Unge­schminkt. Die Zeit der Tränen war gekommen.

Das Desaster war das Top-Thema in den Medien, und zwar weltweit. Seit der spektakulären Mission von Apollo 13 und seit Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond gesetzt hatte, war keine Weltraummission so intensiv diskutiert worden. Alle möglichen Experten meldeten sich zu Wort und jeder hatte etwas zum Thema zu sagen. Plötzlich war allen wieder bewusst, welche Risiken die moderne Raumfahrt mit sich brachte. Das größte Unglück in der Geschichte der bemannten Raumfahrt hatte den Traum vom routinemäßigen Zugang der Menschen in den erdnahen Weltraum zerstört. Nichts war Routine, gar nichts. Die Kritiker des Programms fühlten sich bestätigt, und noch in der Stunde des Unglücks wurden die ersten Theorien über die Explosion geäußert.

Steve Miller hatte sich mittlerweile auf dem Bett ausgestreckt. Auf seinem zarten, olivfarbenen Gesicht lag ein zufriedener und zugleich entschlossener Ausdruck. Er wusste, dass die NASA in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten die Ursache für die Katastrophe zu Tage fördern würde. Er wusste, dass die Nation keinen Dollar scheuen würde, um den Tiefen des Atlantiks die weit verstreuten Wrackteile der Challenger zu entreißen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie das Problem der Dichtungsringe erkennen würden. Doch in ihrem unersättlichen Größenwahn, in ihrer grenzenlosen Überheblichkeit und Arroganz, würde diese Nation niemals auch nur einen Augenblick den Gedanken in Erwägung ziehen, dass die wahre Ursache für dieses Armageddon nur zum Teil seinen Ursprung in der Fehlfunktion eines einzelnen Teils hatte. Die amerikanische Öffentlichkeit sollte erst mehr als zwanzig Jahre später erfahren, wer diese Kette unglücklicher Umstände begünstigt hatte.

Der junge Mann sah zum wiederholten Mal das Bild der auseinanderdriftenden Feststoffraketen, die V-förmig mit ihrem Treibstoffvorrat weiterflogen, bis die Bodenstation per Funkbefehl die Sprengung auslöste. Mit den Fingern seiner rechten Hand formte er vor diesem Hintergrund ein V, das Zeichen für Victory, den Sieg. Wir haben zurückgeschlagen!

Als er die Augen schloss, wanderten seine Gedanken in die Heimat. In das Land seiner Ahnen. In das Land stolzer Wüstensöhne und einsamer Beduinen.

In das Land seines Vaters.

Es war eine tröstende, weit zurückliegende Erinnerung.

Er erinnerte sich, wie er als kleiner Junge nach England und dann in die Vereinigten Staaten übergesiedelt wurde und wie ihn Menschen, die er bis dahin noch niemals zuvor gesehen hatte, zu dem gemacht hatten, was er jetzt war. Er war unter falscher Identität und an wechselnden Orten in diesem Land umher gereicht, großgezogen und ausgebildet worden. Er hatte die Kultur dieses Landes kennen gelernt und seine eigene dabei nie vergessen. Er hatte eine Eliteuniversität besucht und bewegte sich wie ein Einsamer unter Fremden. Aber das war sein Schicksal. Und seine Mission. Eine göttliche Mission, die einflussreiche und mächtige Männer außerhalb der USA für ihn vorgesehen hatten. Er hatte zu dem, was noch immer Gegenstand der Bilder im Fernsehen war, seinen bescheidenen Teil beigetragen. Aber seine wahrhaft große Zeit würde noch kommen. Er würde die gefährlichste Geheimorganisation der Welt aufbauen und dieses Land der Gottlosen von innen in die Knie zwingen. Auch wenn bis dahin noch Jahre vergehen sollten, würde er in dieser Zeit nicht verzweifeln. Denn seine Mission würde ihm zum Märtyrer machen und sein Name würde dann für alle Zeit in die Geschichtsbücher eingehen.

Für Männer wie ihn war der Begriff Zeit nicht mehr als eine Worthülse. Für ihn hatte die Zeit aufgehört zu existieren, da er die Zeit unter dem Joch des Imperialismus und der so ­genannten freien Welt als verschenkte Zeit empfand. Erst wenn die gerechte Revolution stattgefunden hatte, würde die Zeit wieder einen Sinn ergeben. Und darauf zu warten, war wie eine süße Verheißung.

Unser Tag wird kommen, so wie es in den heiligen Schriften prophezeit steht. Sie können uns unsere Fregatten nehmen, unsere Panzer, unsere Raketen, unsere Leiber. Aber eines können sie uns nicht nehmen, niemals! Unseren Stolz und unsere Idee!

Vater, ich danke dir, dass du mich auf diese heilige Mission geschickt hast. Ich werde dein Vertrauen in mich nicht enttäuschen. Dieser Tag heute war erst der Anfang. Die Zeit wird kommen, wo unser Triumph die Massen zu Tränen rühren wird. Und diese Tränen werden unser Land überschwemmen. Sie werden Fruchtbarkeit und Leben bringen. Sie werden uns stark machen und unsere Feinde schwach. Ein neues Zeitalter wird anbrechen und ein neues Denken hervorrufen. Das Zeitalter der Jamahiriya, das Zeitalter der Massen. Ganz so, wie du es prophezeit hast. Und die Köpfe der Ausbeuter werden rollen, da unsere Revolution in allen Ländern und auf allen Kontinenten ausgefochten wird. Ich danke dir Vater, dass du mich auserwählt hast.

Ich liebe dich.

Ich liebe dich, Muammar Al Gaddafi.

ERSTES BUCH

Die Hinweise