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Impressum

Die Texte in diesem Band erschienen in gekürzter Form unter dem Titel «Mein Leben als Mensch» in der Welt am Sonntag sowie in Originallänge unter www.janweiler.de.

 

Originalausgabe

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2016

Copyright © 2016 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung any.way, Barbara Hanke/Cordula Schmidt

Umschlagillustration Till Hafenbrak

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.

Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.

Satz Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

ISBN Printausgabe 978-3-499-29075-6 (1. Auflage 2016)

ISBN E-Book 978-3-644-31391-0

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-31391-0

Vorwort

Woher die Rollenklischees kommen, weiß ich auch nicht. Aber sie stimmen. Das weiß ich, weil ich zwei Kinder unterschiedlichen Geschlechts habe. Carla spielte mit Puppen, mochte Einhörner und verliebte sich zuallererst in Justin Bieber. Typisch Mädchen. Nick warf sich von frühester Jugend an gerne in Schlamm, er liebte futuristische Waffen, und Mädchen waren ihm ein Graus.

Ich werde oft gefragt, was besser sei, und es ist nichts besser. Sie sind halt sehr verschieden. Im Großen und Ganzen könnte man sagen, dass Gespräche mit Carla immer stärker in die Tiefe gingen. Dafür war bei Nick mehr los. Viel mehr. Er war als kleiner Junge ein Ein-Mann-Superhelden-Movie.

Er ist übrigens inzwischen ruhiger. Manchmal stupse ich ihn an, wenn er vor seinem Computer sitzt. Ich will wissen, ob er noch lebt. Dann brummt er aus der Tiefe seines Stimmbruchs. Hier sind ein paar meiner Lieblingsgeschichten über ihn. Sie stammen aus der Zeit, bevor er sich, wie vor ihm Carla, in ein Pubertier verwandelte.

Drakonische Strafen

Strafen bringen am Ende auch nichts. Ich habe es ja versucht. Zum Beispiel führte ich vor einiger Zeit ein, dass demjenigen, der im Badezimmer das Licht anlässt, für jede nachgewiesene Tat ein Euro vom Taschengeld abgezogen wird. Binnen weniger Tage stand unsere Tochter Carla bei minus 21 Euro. Eine Ungerechtigkeit, wie sie fand. Sie bat um Erlass oder Umschuldung, schließlich sei sie eine Jugendliche, die Synapsen in ihrem Hirn seien nicht korrekt verdrahtet, dafür könne sie doch wohl nichts.

Sie stand pleite und uneinsichtig wie ein Grieche im Flur und rief: «Es ist voll unfair, mich auch noch dafür zu bestrafen, dass ich in der schwersten Phase meines Lebens bin.» So hatte ich das noch nie betrachtet. Ich war bisher da- von ausgegangen, dass es kein großes Ding sein sollte, einen verdammten Lichtschalter zu bedienen. Carla fügte hinzu, es müsse bei ihrem Entwicklungsstand eigentlich genau andersrum sein: «Für jedes Mal, wo ich daran denke, das Licht auszumachen, müsste ich von dir einen Euro bekommen.» Nach ihrer Rechnung stünde sie also mit gut 500 Euro im Plus. Die Kohle könne ich ihr aber gerne morgen geben, sie habe es nicht eilig. Dann löschte sie das Licht im Flur, ließ mich im Dunkeln stehen und entschwand unbeschwert, weil schuldenfrei in ihr Zimmer.

Ähnlich vergeblich nahmen sich meine Versuche aus, unseren neunjährigen Sohn Nick mit Strafen zu disziplinieren. Für diverse Verfehlungen verhängte ich Fernsehverbot, dessen Dauer ich wegen Fruchtlosigkeit bald auf bizarre Weise ausdehnte, bis Nick ungefähr dreißig Jahre lang kein Fernsehen mehr gucken durfte. Mir schwante, dass er diese Strafe nicht ernst nahm, zumal er einfach schaute, wenn ich nicht zu Hause war. Also erließ ich ihm 29 Jahre, 364 Tage und 23 Stunden. Dann kam «Phineas und Ferb», seine Lieblingssendung, bei der ich manchmal mitgucke. Anschließend schaltete ich um auf die Nachrichten. Es war dort von einem älteren Herrn die Rede, der unter Hausarrest gestellt wurde. Sein Name war Dominique Strauss-Kahn. Das fand Nick elektrisierend. Hausarrest machen wir übrigens nicht, denn Nick findet es cool in seinem Zimmer. Er hat dort eine Menge zu tun. Er hatte einmal Hausarrest und teilte mir lapidar mit, er wünsche nicht, dass ich währenddessen bei ihm reinschaue. Ich hätte fürs Erste Hausverbot bei ihm. Dass der alte Herr nun nicht rausdurfte, um mit seinen Freunden zu spielen oder was immer ältere Männer so den ganzen Tag machen, fand Nick drollig.

«Und was ist, wenn er einfach doch geht?», fragte er. Ich erklärte ihm, dass Strauss-Kahn eine elektronische Fußfessel trage und die Polizei so immer sehen könne, wo er sich gerade aufhält. Nick teilte mit, dass er auch so ein Ding haben wolle. Dann würde er mit dem Fahrrad abhauen, und wir könnten ihn auf einem Bildschirm orten und verfolgen. Ich versprach ihm, so etwas demnächst anzuschaffen. Dabei bemühte ich mich, ihm die Ernsthaftigkeit der Maßnahme zu erklären, doch Nick bestand darauf, dass so ein Hausarrest eine tolle Sache sei. Hätte er auch gerne.

«Aber das ist doch langweilig», bemerkte ich. Das fand Nick überhaupt nicht. Er hätte dann nämlich endlich mal Zeit, seine ganzen Lego-Ob