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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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© 2022 Friedrich D. Große
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9 783756 236725
Nach dem fulminanten Erfolg der ersten Auflage dieses Buches unter dem Titel „Schlachtet endlich die heiligen Kühe! Meinungsfreiheit vs. Toleranz gegenüber alternativen Fakten.“ – nur knapp an der Spiegel-Bestsellerliste vorbei –, habe ich mich dem Drängen vieler begeisterter Leser gebeugt und mich zur Veröffentlichung einer zweiten, deutlich erweiterten Auflage entschlossen.
Im Gegensatz zur ersten Auflage vermag der Titel „Die Phänomene unserer Zeit“ nun wirklich zu erschrecken. Wer denkt da nicht unmittelbar an die Phänomenologie der Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel oder nachfolgend Edmund Husserl und wendet sich verschreckt ab? Aber damit haben die Phänomene in diesem Buch nichts zu tun – oder doch?
Als Phänomene unserer Zeit sind aus meiner Sicht besonders erwähnenswert: alte weiße Männer, alternative Fakten, Aufklärung, Beschneidung, Bevölkerungsexplosion, Bibel, Christentum, Demokratie, Diskriminierung, Dummheit, Dunning-Kruger-Effekt, Evangelikale, Evolution, Fakten, Faschismus, Feministische Linguistik, Framing, Frauenrechte, Fremdenscheu, Gleichberechtigung, Greenwashing, Gutmenschen, Homo sapiens, Ideologien, Idiot Compassion, Ignoranz, Intelligenz, Intoleranz, Islam, Islamismus, Juden, Katholizismus, Klimawandel, kognitive Dissonanzen, Kolonialismus, Konsumismus, Koran, Kreationismus, LGBTQIA*, Medien, Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Migration, Multikulti, Nationalismus, Nationalsozialismus, Pädophilie, Pinkwashing, Populismus, Prägung, psychopathologische Irritationen, Rassismus, Religionen, Selbstreferenzialität, sexueller Missbrauch, Spaltung der Gesellschaft, Staatsdoktrin, Symbolpolitik, Terrorismus, Thora, Toleranz, Trumpismus, Umweltzerstörung und Verschwörungstheorien.
Da die genannten Phänomene meistens negativ besetzt sind, hätte ich den Buchtitel gern noch um die Metapher „Das Spiel ist aus“ ergänzt, aber dann wäre er etwas unhandlich geworden. Diese Metapher dürfte sich in allen Sprachen erschließen: das endgültige Ende einer negativen Entwicklung (als Alternative zu einem eventuellen Nicht-Handeln) ohne Hoffnung auf einen Neubeginn.
„Das Spiel ist aus“, so lautet aber auch der Titel eines Drehbuchs des Philosophen Jean-Paul Sartre. Und hier wird den beiden Protagonisten die Chance für einen Neubeginn gewährt. Erst nachdem sie diese Chance wieder nicht nutzen, ist das Spiel endgültig aus. Also schauen wir mal …
Denn an diesem entscheidenden Punkt steht gegenwärtig die Menschheit: Überwindet sie die Ignoranz und kognitive Dissonanz und wendet sie die Klimakatastrophe noch ab oder reduziert sie ihr Gastspiel auf der Erde in einem dramatischen Umfang?
Damit habe ich auch die Ursache für viele dieser Phänomene genannt: die Ignoranz! Die Dummheit, die in jedem Menschen steckt. So banal die Ursache ist, umso vielfältiger sind allerdings die Ausprägungen der Ignoranz. Sie kommt in mehr als den hier genannten Phänomenen zum Ausdruck. Und das einzig Logische an der Ignoranz und ihren Phänomenen ist, dass es weder einen logischen Aufbau noch eine logische Entwicklung gibt. Ignoranz und Logik – funktioniert irgendwie nicht.
Ich maße mir nicht an, mit diesen Seiten eine Struktur in diese Phänomene zu bringen. Es bleibt nur ein Versuch …
„Schlachtet die heiligen Kühe“ ist in Deutschland eine geläufige Redewendung für die Abschaffung oder zumindest Änderung einer bislang unantastbaren Verhaltens- oder Sichtweise, also eines Tabus.
Die Verfolgung von „Vergehen gegen Kühe“ – also insbesondere deren Schlachtung – ist in Nordindien ursächlich für Gewaltverbrechen mit unzähligen Toten und Korruption durch organisierte Wächtermilizen, die durch die von der nationalistischen Hindu-Partei BJP gestellte Regierung entscheidend befördert wird.1 In Indien und Umgebung gibt es aber nicht nur heilige Kühe, sondern auch heilige Affen und heilige Ratten. Im alten Ägypten wurden zudem heilige Hunde und heilige Katzen verehrt. Hoffentlich habe ich kein heiliges Tier vergessen! Indien mit seinem Hinduismus – immerhin der drittgrößten Religion der Erde – und das alte Ägypten sind aber einigermaßen „weit weg“ und für Europa von geringer Bedeutung. Vor wenigen Jahrzehnten galt das auch noch für den Islam.
Die Verwendung der obigen Redewendung als Einleitung steht für eine geänderte Einstellung zu den für Europa bestimmenden Religionen, womit wir bei den drei heiligen Kühen sind: Judentum, Christentum und Islam. Richtig! Diese drei heiligen Kühe und all die anderen heiligen Kälber sollen geschlachtet werden! Das mag vielen gläubigen Mitmenschen in höchstem Maße frevelhaft und gotteslästerlich erscheinen – aber dies war auch dazumal die Forderung nach einer Abschaffung der Sklaverei oder der Monarchie und der Adelskaste vor der Französischen Revolution. Hierzulande leben wir jedenfalls ganz gut ohne Monarchie und (sichtbare) Sklaverei. Astrologie stand ebenfalls einst hoch im Kurs und dirigierte jahrhundertelang die Angriffszeitpunkte und das gesamte Kriegsgeschehen. Heutzutage nutzen wir dafür Satelliten und modernste Elektronik. Noch einmal zur Klarstellung: Nur die Religionen sind die heiligen Kühe, die geschlachtet werden sollen – nicht die Menschen, die diese heiligen Kühe anbeten.
Wie noch gezeigt wird, hängen mit den drei Weltreligionen nicht nur die gegenwärtig in Deutschland bzw. Europa geführten Diskussionen um Begriffe wie Rassismus und Islamismus sowie Populisten und Gutmenschen zusammen. Die Politik ist seit Jahrzehnten nicht in der Lage, auch nur Lösungsansätze für die damit einhergehenden Probleme zu entwickeln.
Aber nicht nur das. Mit den Religionen und Ideologien – also „Religionen“ ohne Gottesbezug – hängt darüber hinaus der Umgang der Menschheit mit der Erde und dem Klimawandel zusammen. Denn wie im Verlauf gezeigt wird, ist für Religionen bzw. Ideologien eine alleinige „Mutter“ auszumachen: die Ignoranz oder kognitive Dissonanz der Menschen. Dies ist in diesem Ausmaß bei keinem anderen Phänomen in der kognitiven und intellektuellen menschlichen Entwicklung auf diesem Planeten der Fall. Religionen bzw. Ideologien und der Umgang mit dem Klimawandel befeuern sich gewissermaßen gegenseitig mit der Energie der Ignoranz. Daneben bestehen weitere verhängnisvolle Gemeinsamkeiten zwischen Religionen, Ideologien und dem Klimawandel: die Langfristigkeit und weitgehende Unumkehrbarkeit der Folgen dieser Phänomene.
Um mich selbst kurz zu beschreiben: promovierter Wirtschaftswissenschaftler und Verfasser zahlreicher Fachpublikationen, also kein Politologe, kein Soziologe und kein Historiker, lediglich ein politisch interessierter „militanter“ Demokrat, Befürworter der Erinnerungskultur,2 seit über fünf Jahren Ehrenamtler, Nachhilfelehrer in Flüchtlingsklassen und Agnostiker.3 Als Agnostiker werde ich mich daher auch nicht um die transzendentalen Aussagen der Religionen kümmern, sondern nur das reale Erscheinungsbild der Religionen in der Vergangenheit und Gegenwart beleuchten. Nach einem kurzen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Religion liegt der Schwerpunkt meiner Ausführungen auf dem Einfluss, den die jeweilige Religion auf Religionsangehörige und Nicht-Religionsangehörige ausübt bzw. ausgeübt hat. Eine eindeutige Trennung ist hierbei allerdings nicht möglich, da das Ausmaß der Religiosität fließend ist.
Und um das Ergebnis vorwegzunehmen: Eine wesentliche Ursache für die gegenwärtigen Menschheitsprobleme ist nicht nur die Erfindung der Religionen durch den Menschen, sondern vor allem die Nicht-Überwindung des Religiösen in den 300 Jahren seit Beginn der Aufklärung.
Bei bedeutsamen Definitionen werde ich häufig auf Informationen von Wikipedia und teilweise auch der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zurückgreifen.4 Dies soll einerseits dem Vorwurf vorbeugen, rassistische, extremistische oder regierungs- bzw. parteipolitisch gebundene Quellen zu nutzen, und andererseits eine intersubjektive Nachprüfbarkeit erleichtern. Wem die Verwendung von Wikipedia zu populärwissenschaftlich ist, dem sei angeraten, für seinen Briefverkehr wieder einen Postillion sowie für seine Recherchen die letzte Druckausgabe des Brockhaus zu benutzen und Google und Wikipedia auszusparen. Ich verzichte zudem darauf, umfassende Literaturrecherche vorzutäuschen, und verweise daher nicht auf die von Wikipedia verwendeten Quellen. Wie allgemein üblich werde ich Ausführungen, die zum Allgemeinwissen gehören oder problemlos im Internet gefunden werden können, nicht mit Fußnoten versehen.
Die geneigte Leserschaft möge es mir verzeihen, wenn ich manche Passagen – hin und wieder markiert, aber hoffentlich stets erkennbar – ironisch formuliert habe. Es war mir nicht immer möglich, offensichtliche Irrsinn sachlich darzustellen.
1 https://www.sueddeutsche.de/panorama/indien-terror-im-namen-der-kuh-1.3566845 (Abgerufen: 17.12.2019).
2 Eine Erinnerungskultur stünde auch anderen Nationen oder Kulturen gut zu Gesicht. Dass Deutschland hier aber den Anfang machen sollte, hat einen Grund: Die industrielle Menschenvernichtung und Monstrosität der Verbrechen des Nationalsozialismus markierten einen vorläufigen Höhepunkt auf der nach oben offenen Entmenschlichungsskala. Dass andere Nationen oder Kulturen mit Begriffen wie „Commonwealth“, „Grande Nation“, „Lateinamerika“ oder „United States of America“ eine andere Art von Erinnerungskultur pflegen (können), liegt daran, dass sie in der Geschichte obsiegt haben. Letztere verdienen aber noch eine besondere Erwähnung: Kein anderer Staat wurde in der Neuzeit in gerade einmal drei Jahrhunderten auf diesem Ausmaß von gezieltem Völkermord, gigantischem Landraub und Sklaverei aufgebaut wie die USA – und darf trotzdem unwidersprochen seine eigene Vergangenheit und Entstehungsgeschichte glorifizieren.
3 In einigen islamischen Staaten käme dieses Eingeständnis einem Todesurteil gleich.
4 Vgl. Jim Giles, Internet encyclopaedias go head to head, nature, 15.12.2005, der zu dem Schluss kam, dass es bei seiner Stichprobe bezüglich Korrektheit und Vollständigkeit der Naturwissenschaftsartikel zwischen der Onlineausgabe der Encyclopedia Britannica und der englischen Wikipedia nur wenige Unterschiede gibt. URL: https://www.nature.com/articles/438900a) (Abgerufen: 17.12.2019).
Die Definition von Religion nach Wikipedia lautet: „Die Religion ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen, deren Grundlage der jeweilige Glaube an bestimmte transzendente (überirdische, übernatürliche, übersinnliche) Kräfte ist, sowie häufig auch an heilige Objekte. Das Heilige und Transzendente ist nicht beweisbar im Sinne der Wissenschaftstheorie, sondern beruht auf intuitiven und individuellen Erfahrungen bestimmter Vermittler (Religionsstifter, Propheten, Schamanen). Deren spirituelle Erfahrungen werden in vielen Religionen als Offenbarung bezeichnet. Spiritualität und Religiosität sind geistig-geistliche Anschauungen. Skeptiker und Religionskritiker suchen demgegenüber nach rationalen Erklärungen.“5
Von zentraler Bedeutung für eine Religion ist also der Glaube an die zentralen Aussagen der jeweiligen Religion. Ohne Glauben (also das Überzeugtsein von den Aussagen der Religion bzw. das Vertrauen in die Religion) würde die Religion nicht „funktionieren“.
Es existiert sogar eine Religionswissenschaft, deswegen sei auch hierfür die Definition nach Wikipedia angeführt: „Die Religionswissenschaft ist eine Geisteswissenschaft oder auch Kulturwissenschaft, die Religion empirisch, historisch und systematisch erforscht. Dabei befasst sie sich mit allen konkreten Religionen, religiösen Gemeinschaften, Weltanschauungen und Ideologien sowie religiös konnotierten Narrativen der Vergangenheit und Gegenwart.“6
Religionswissenschaft findet also auf der Metaebene statt. Auf dieser Ebene kann – man glaubt es kaum – sogar eine Wissenschaft um Heiligenbildchen7 betrieben werden. Keine Religionswissenschaft ist es dagegen, wenn Personen, denen zudem jegliches naturwissenschaftliche Verständnis für unsere reale Welt fehlt, „wissenschaftlich“ über (allzu menschliche) Eigenschaften Gottes – also des Schöpfers dieser realen Welt8 – oder über die richtige Händehaltung beim Beten diskutieren, obwohl das Internet von solchen „wissenschaftlichen“ Diskussionsgruppen nur so strotzt. Aus dem gleichen Grunde erübrigt sich eine Diskussion über die Eigenschaften von Russells Teekanne,9 wobei diese Teekanne aber selbstverständlich den intellektuellen Gehalt von Religionen wunderbar verdeutlicht. Aber ich greife jetzt vor.
…
Am Anfang war alles in Ordnung. Diesen Anfang verorte ich in der Zeit, als sich unsere Vorfahren im aufrechten Gang übten. Das könnte nach neuesten Forschungen womöglich Danuvius guggenmosi vor etwa zwölf Millionen Jahren im Ostallgäu gewesen sein. Damals zählte für alle intellektuellen Entscheidungen dieser Lebewesen nur das Überleben – mithin das Prinzip der Evolution. Dieses Evolutionsprinzip besagt, dass die Lebewesen im Zeitablauf überlegen sind und überleben, die am besten an ihr jeweiliges Lebensumfeld angepasst sind und sich ebenso an ein sich veränderndes Lebensumfeld anpassen können. Vor etwa zwölf Millionen Jahren hatten also die Lebewesen die größten Überlebenschancen, die sich die optimalen Nahrungs- und Wasserstellen sichern und sich am besten vor Kälte- und Hitzeperioden schützen konnten.10 Um in einem eher unbequemen Lebensumfeld vernunftgesteuerte Entscheidungen treffen zu können, waren also kein Hokuspokus, sondern Intelligenz, erlerntes Wissen und logisches Denken gefragt.
Mit der Entwicklung der kognitiven, intellektuellen und sozialen Kompetenz unserer menschlichen Vorfahren und auch ihrer Trauerbewältigung beim Tode eines Angehörigen dürften die ersten Anzeichen von Religiosität und Religionen erschienen sein. Alle menschlichen Kulturen kannten Religionen. Spätestens mit dem Auftauchen des Homo sapiens11 vor etwa 200.000 Jahren ist dies unstrittig. Es ist bekannt, dass alle höher entwickelten Säugetiere (z. B. auch Elefanten, Giraffen und Wale) unzweifelhaft trauern und verstorbene Herdenangehörige vermissen. Die Trauer um Verstorbene führte zu einem Hoffen auf ein Wiedersehen.
Mit fortschreitender Entwicklung seiner kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten machte sich der Urmensch zunehmend ansatzweise rational gesteuerte Gedanken um seine Umwelt. Er erkannte die Bedeutung der Sonne für seine eigene Existenz. Was sind Blitze? Was ist Feuer? Was ist Regen? Wieso scheint die Sonne und wieso schneit es manchmal? Wahrscheinlich stellten damals auch schon erste Meteorologen oder Klimatologen qualifizierte Gedanken über das Wetter an und womöglich entstanden in dieser frühen Zeit schon die ersten „grünen“ Sammlungsbewegungen.
Der Urmensch hatte aber noch keine naturwissenschaftlichen Erklärungen für diese Phänomene. Was er sich nicht erklären konnte, war für ihn übersinnlich. Und was er sich bei seiner Trauer um Verstorbene überhaupt nicht erklären konnte, war seine eigene Existenz. Woher kommen wir? Wohin vergehen wir? Was soll das alles hier? Allgemeiner ausgedrückt: Das größte Rätsel für unsere Vorfahren dürfte die gesamte „Schöpfung“ gewesen sein. Der Urmensch erkannte, dass er sich mittels seiner Intelligenz gegen fast alle Gefahren dieser Schöpfung zur Wehr setzen konnte, dass er alles erjagen konnte und dass er – zumindest in seiner Gruppe – allen anderen Lebewesen überlegen war. Seine eigene Existenz fügte sich ein in ein beschwerliches Ganzes – irgendwie funktionierte es auf wundersame Weise. Aber es blieb dabei: Er konnte sich die (eigene) Schöpfung (und sein Vergehen) nicht erklären. Um sich dennoch unerklärliche Dinge in seiner Umwelt und die ihn umgebende Schöpfung begreiflich zu machen, erfand er ein übersinnliches Wesen – oder mehrere. Die Religion war geboren! Der Tiger-, Leoparden- oder Sonnengott war geboren – und weil den Analysen der ersten Meteorologen nicht gefolgt wurde, vielleicht für die Erklärung des Wettergeschehens auch ein Regen- oder Sonnengott.
Die frühen Religionen – und damit alle nachfolgenden Kinder- und Enkelreligionen oder Neuerfindungen – hatten damit ein regelrechtes Elternpaar:
Das Elternpaar Ignoranz und Fantasie reichte aber noch nicht aus, um eine Religion ins Leben zu rufen und am Leben zu halten – eine Religion existiert erst durch den Glauben an sie!
Die Masse der Urmenschen war mit naiven und fantasievollen Erklärungen seiner eigenen Schöpfung und der Naturphänomene durch seine Religion – personifiziert durch einen Gott oder mehrere Götter – durchweg einverstanden. Vielleicht tauchte unter den Urmenschen aber auch schon hin und wieder ein Homo sapiens namens „Pfiffikus“ auf, der sich mit der Erklärung einer Regenzeit oder einer Trockenheit durch einen verärgerten Sonnengott nicht zufriedengab und der daher auch etwas dagegen hatte, dass sein jungfräuliches Mädchen deswegen geopfert werden sollte.
Apropos Jungfrau: Damit hängt wahrscheinlich bei allen Religionen auch der Komplex der Keuschheit zusammen oder zumindest – da es im Hinduismus sexuell etwas entspannter zugeht – die Dominanz des Männlichen über das Weibliche. Unter Keuschheit kann ein ethisches Konzept der Mäßigung im Umgang mit der Sexualität verstanden werden – also eine bewusste Abstinenz oder zumindest Reduzierung der sexuellen Aktivität. Bemerkenswert ist hierbei, dass mit der Forderung nach Keuschheit korrigierend oder zumindest regulierend in den natürlichen Sexualtrieb eingegriffen wird, der aber „gottgewollt“ sein dürfte, denn ohne diesen Trieb bestünde die Gefahr, dass die göttliche Schöpfung ausstirbt. Denn: Was keinen Spaß macht, wird nicht gemacht! Noch bemerkenswerter ist, dass Keuschheit in erster Linie vom weiblichen Geschlecht verlangt wird – das ganze Programm mit kurzen Haaren, Augenniederschlagen, Kopfbedeckung und Verhüllung des Körpers. Inwieweit hiermit auch Besitzansprüche des Mannes markiert wurden und werden, mag jeder für sich beurteilen.
Mit der Entstehung der Religionen und ihren naiv-ignoranten und fantasievollen Erklärungsversuchen der realen Welt vollzog sich damit bereits in Urzeiten eine Trennung der Menschheit:
Der Homo stupidus schuf mit seinen Erklärungsversuchen und ersten Religionen etwas, das erst viele Jahrtausende später einen griffigen Namen bekommen sollte: Fake News oder alternative Fakten.18 Der Duden nennt als Synonyme zu einem Fakt: Faktum, Tatsache und Wirklichkeit. Die Alternative zur Wirklichkeit ist also Fantasiegebilde, Wunschvorstellung, Leugnen oder Verdrehen der Wahrheit, Lüge ...? Mögen auch Unterschiede zwischen Fake News oder alternativen Fakten bestehen –gemeinsam ist beiden, dass es dem Produzenten dieser nicht existierenden Wirklichkeit häufig an kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten mangelt, die Wirklichkeit zu verstehen (z. B. das Wettergeschehen) oder auch nur zu akzeptieren (z. B. die Anzahl der Anwesenden bei Trumps Amtseinführung). Da das Deutsche bereits über genug Anglizismen verfügt, werde ich künftig eine nicht existierende Wirklichkeit als alternative Fakten bezeichnen.
Eng verbunden mit (alternativen) Fakten ist die Meinungsfreiheit. Entscheidend für die Meinungsfreiheit ist tatsächlich die Freiheit. Diese muss im Hinblick auf den Zugriff auf, die Kommunikation über und die Aus- und Bewertung von Fakten bestehen. Sie umfasst dagegen nicht die Freiheit, Fakten zu verdrehen, Beweise zu manipulieren oder die Wahrheit zu leugnen.
…
Schon vor Jahrtausenden entwickelte der Homo pfiffikus ein enormes Grundlagenwissen. Beispielhaft sollen die Erfindung des Rades sowie der Achse und die Entdeckung der Hebelgesetze und einfacher astronomischer Gesetzmäßigkeiten erwähnt werden. Noch heute staunt oder rätselt der Homo pfiffikus über die technischen Meisterleistungen seiner Vorfahren beim Bau von Stonehenge, Machu Picchu oder den Pyramiden. Den Nachfahren des Homo stupidus entschlüpft beim Anblick dieser Bauwerke auf ihrem Plasmabildschirm vielleicht immerhin ein entspanntes und gelangweiltes „Da war ich doch auch schon mal! Wo war das noch mal?“.
Trotzdem gelang es dem Homo stupidus, in seinem jeweiligen Clan die Vorherrschaft zu übernehmen. Der Hauptgrund dafür dürfte gewesen sein, dass es damals wie heute deutlich mehr Homo stupidus als Homo pfiffikus gab, denn Dummheit ist nun mal sehr verbreitet und der Homo stupidus gibt sich mit einfachen Erklärungen zufrieden. Intelligenz ist im Gegensatz dazu dünn gesät. Bereits in diesem frühen Stadium der Menschheit zeigte sich auch der sogenannte Dunning-Kruger-Effekt als kognitive Verzerrung im Selbstverständnis ignoranter und inkompetenter Menschen, das eigene Wissen und Können zu überschätzen, die eigene Ignoranz und Inkompetenz nicht richtig einschätzen zu können und überlegene Fähigkeiten bei anderen nicht zu erkennen. Diese Neigung beruht auf der Unfähigkeit, sich selbst mittels Metakognition objektiv zu beurteilen.19
Der Homo stupidus baute seine religiösen Hokuspokus-Erklärungen um die Schöpfung aus, erklärte seinen Gott oder seine Götter als exklusiv für den Clan und führte Mysterien (Verbote und Erlaubnisse), Riten (besondere Handlungen und Gesänge), Symbole (Hautritzungen, Tätowierungen u. Ä.), Prophezeiungen und Wunder ein. Da es zu allen Zeiten mehr Homo stupidus als Homo pfiffikus gab, war die Machtfrage geklärt – das Sagen hatte der Homo stupidus. So konnte er das mühsam erarbeitete Grundlagenwissen des Homo pfiffikus je nach Nützlichkeit in seinen Religions-Hokuspokus einbauen, indem er zu Ehren irgendwelcher Götter z. B. mithilfe der Hebelgesetze imposante Bauten errichten ließ oder die Tagundnachtgleiche „vorhersagte“.
Die Erfinder und Hüter der Religionen und die weltlichen Herrscher im Clan erkannten schnell, dass sie bei einer Allianz erhebliche Macht über die anderen Clanmitglieder ausüben konnten. Diese Ungleichverteilung der Macht führte wahrscheinlich bereits in diesen Urzeiten dazu, dass die Wohlstandsfaktoren ungleich verteilt wurden. Vielleicht wurden bereits damals die Anfänge einer Idee entwickelt, die später vom Christentum perfektioniert wurde: mit den ersten Jenseitsvorstellungen die Benachteiligten der Wohlstandsfaktorverteilung zu vertrösten.
Die Kumulation der Macht bei den Religions-Offiziellen und weltlichen Herrschern wirkte aber insbesondere gegen bestimmte Clanmitglieder – sie dominierte die weiblichen Clanmitglieder. Denn Religionen und Götter waren und sind meist männlich, von wenigen Untergöttinnen mal abgesehen. In nahezu allen früher und heute bestehenden Religionen fungieren die Männer als Religionsstifter und Aktive der jeweiligen Religion. Irgendwie kommt mir in diesem Zusammenhang die Tempeltänzerin als Urahnin des Go-go-Girls in den Sinn … War die Erfindung von Religionen womöglich von Anfang an auch sexistisch motiviert?20
Um die Macht nicht nur über die weiblichen, sondern über alle Clanmitglieder zu sichern, wurde die Religion zu einem umfassenden politischen Machtinstrument ausgebaut und durfte nicht infrage gestellt werden. Die Religion erfand für sich daher nebenbei die absolute Wahrheit, die von niemandem angezweifelt werden durfte. Falls doch einmal jemand zweifelte und Fragen stellte, gab‘s die göttliche Keule!
Was ferner essenziell für alle Religionen war und ist: Die Offiziellen der Religion sorgten dafür, dass bereits Kinder im Sinne ihrer Götter und Religion erzogen wurden. Kinder werden nicht als Angehörige einer Religion geboren – sie werden dazu erzogen und gemacht!
Mit der Erfindung der Religionen wurde außerdem häufig die Idee des auserwählten Volkes geboren – bis das auserwählte Volk von einem anderen auserwählten Volk ausgelöscht wurde.
Wenn der oberste Homo stupidus größenwahnsinnig wurde, behauptete er sogar, dass er selbst Gott sei. Nur der Homo pfiffikus wunderte sich, dass auch ein Inka oder ein Pharao alterte, ihm die Zähne ausfielen, dass dieser Gott schließlich starb, der nächste Gott geboren wurde und hilflos in seinen Windeln lag. Wenn dem Homo pfiffikus aber sein Leben lieb war, musste er seine Verwunderung für sich behalten.
Das sei zur Entstehung (Ignoranz und Fantasie gepaart mit Glauben) und zur Kernidee aller Religionen (Erklärung der Schöpfung) aus der Sicht eines Agnostikers gesagt.
Mit der Erfindung der Religionen hatten sich die Allianz des Homo stupidus und die Ignoranz ihren göttlichen Segen abgeholt – für ihre alternativen Fakten, ihre Politik, ihre Gesetze.
Diese unheilvolle Allianz zwischen Ignoranz und Fantasie gepaart mit einem obskuren Glauben an irgendwen oder irgendwas setzt sich bis heute fort und gefährdet sogar die Schöpfung – jedenfalls wie wir sie kennen! So ähnlich sehen es auch Paul Watzlawick – „Die eigentliche Ursache des Leids liegt in unserer Unwilligkeit, Tatsachen als reelle Tatsachen und Ideen als bloße Ideen zu sehen … Wir tendieren dazu, Ideen für Tatsachen zu halten, was Chaos in der Welt schafft.“21 – und der Physik-Nobelpreisträger Steven Weinberg: „Ich denke, dass ein enormer Schaden von der Religion angerichtet wurde – nicht nur im Namen der Religion, sondern tatsächlich von der Religion.“22 Wie sich diese Allianz leidvoll und zerstörerisch durch die Jahrtausende zog, soll anhand der für Deutschland und Europa bedeutsamsten Religionen – das sind das Judentum, das Christentum und der Islam – aufgezeigt werden.
Das Judentum ist die älteste dieser monotheistischen und abrahamitischen Religionen und bildet das religiöse Fundament für das Christentum und den Islam. Deshalb ist zunächst auf das Judentum einzugehen.
5 Vgl. Seite „Religion“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 27.07.2018, 13:57 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Religion&oldid=179493763 (Abgerufen: 31.07.2018, 16:56 UTC).
6 Vgl. Seite „Religionswissenschaft“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 10.11.2018, 10:42 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Religionswissenschaft&oldid=182622074 (Abgerufen: 09.01.2019, 04:42 UTC).
7 Vgl. Seite „Hagiographie“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 21.02.2018, 19:00 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title= Hagiographie& oldid=174260038 (Abgerufen: 17.12.2018, 10:19 UTC) – also die Darstellung des Lebens von Heiligen und die wissenschaftliche Erforschung solcher Darstellungen.
8 Ich bin mir sicher, dass sich meine Darmflora keine Gedanken über mich macht.
9 Vgl. Seite „Russells Teekanne“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11.09.2020, 08:00 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Russells_Teekanne&oldid=203573844 (Abgerufen: 09.10.2020, 12:58 UTC).
10 Diese Aussage mag Kreationisten nicht gefallen, worauf ich jetzt aber keine Rücksicht nehmen kann. Ich komme später noch darauf zu sprechen.
11 Die Bezeichnung „Homo sapiens“ wurde erstmals 1758 von Carl von Linné verwendet und kann mit „kluger, weiser Mensch“ übersetzt werden. Dass dies auf die überwiegende Masse des Homo sapiens nicht zutrifft, werden die folgenden Ausführungen zeigen.
12 Vgl. Seite „Ignoranz“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 24.03.2019, 15:05 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ignoranz&oldid=186881067 (Abgerufen: 19.06.2019, 08:44 UTC).
13 Vgl. Seite „Dummheit“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 13.07.2018, 08:46 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Dummheit&oldid=179115165 (Abgerufen: 26.01.2019, 16:33 UTC).
14 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. A 133/ B 172.
15 Vgl. Seite „Kognitive Dissonanz“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 03.08.2021, 14:07 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kognitive_Dissonanz&oldid=214464990 (Abgerufen: 04.08.2021, 08:49 UTC).
16 Raben können sich neben Kadavern totstellen, wenn sich ein Artgenosse als Futterkonkurrent nähert, damit dieser den Schluss zieht, das Fleisch sei verdorben.
17 Für Frauenrechtlerinnen: Das kann selbstverständlich auch eine Homo pfiffikussin gewesen sein; dies gilt auch für jedes spätere Auftauchen eines Homo in diesem Text. Und für Germanisten: Homo stupidus und Homo pfiffikus bezeichnen wie Homo sapiens eine Gattung; deswegen gibt es von diesen Begriffen keinen Plural.
18 Nach Hanna Steinharter ist bei Fake News der Autor selbst von Anfang an davon überzeugt, dass es sich um eine Lüge handelt, während der Autor alternativer Fakten an das glaubt, was er sagt. Außerdem hätten alternative Fakten wenigstens einen minimalen Anknüpfungspunkt in der Realität (ein Fakt), um den herum sich der Autor seine eigene Realität aufbaut. Somit seien alternative Fakten in Wirklichkeit nur Wunschvorstellungen des Autors (vgl. http://www.pflichtlektuere.com/24/01/2017/fake-news-das-spiel-mit-derrealitaet/) (Abgerufen: 17.12.2019).
19 Vgl. Seite „Dunning-Kruger-Effekt“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 01.09.2020, 07:54 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Dunning-Kruger-Effekt&oldid=203298143 (Abgerufen: 02.09.2020, 06:39 UTC).
20 Ich werde noch häufig auf die Bedeutung von Frauen, Gewalt gegen Frauen und Frauenrechte in Religionen und anderen Staaten oder Kulturen kritisch zu sprechen kommen. Wenn ich in diesem Zusammenhang nicht immer die Verhältnisse bei uns in Deutschland oder Europa anspreche, soll das nicht bedeuten, dass diesbezüglich für unseren Kulturkreis keine Kritik angebracht wäre.
21 Seite „Paul Watzlawick“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25.07.2021, 08:06 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Paul_Watzlawick&oldid=214182405 (Abgerufen: 25.07.2021, 08:43 UTC).
22 Seite „Steven Weinberg“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25.07.2021, 08:21 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Steven_Weinberg&oldid=214182903 (Abgerufen: 25.07.2021, 09:16 UTC).
Das Judentum wird nach Wikipedia wie folgt definiert: „Unter Judentum versteht man einerseits die Religion, die Traditionen und Lebensweise, die Philosophie und meist auch die Kulturen der Juden (Judaismus) und andererseits die Gesamtheit der Juden.“23
Die Geschichte der Juden beginnt – von Adam und Eva abgesehen – nach den Erzählungen der Thora mit dem Bund, den Gott mit Abraham schließt. Die jüdische Tradition sieht Abraham als den Begründer des Monotheismus, des Glaubens an einen einzigen, unsichtbaren Gott. Diesen Bund setzte Gott mit Abrahams Sohn Isaak und dessen Sohn Jakob fort. Jakob hatte zwölf Söhne, die als Stammväter der zwölf Stämme Israels (Israeliten) gelten.
Die historischen Ereignisse sind nur in groben Zügen bekannt. Danach wanderten einige Volksgruppen von Osten und Norden, andere von Südwesten nach Kanaan (in das heutige Palästina bzw. Israel) ein. Bei letzteren wird angenommen, dass Halbnomaden etwa 1250 v. Chr. wegen des Weidewechsels zufällig in das fruchtbare Nildelta gelangten, dort aber gefangen wurden und als Sklaven z. B. beim Bau der Speicherstädte des Königs Ramses II. mitarbeiten mussten. Aus dieser Sklaverei wurden die von Mose angeführten Hebräer nach den Erzählungen durch Gott befreit, der ihnen am Berg Sinai die schriftliche und mündliche Thora offenbarte. Die Idee des einen jüdischen Gottes dürften die Juden während ihrer Gefangenschaft von ihren früheren Peinigern übernommen haben, denn einige Jahrzehnte vorher hatte der Pharao Echnaton mit seinem „einen“, recht kurzlebigen Gott Aton die Idee des Monotheismus entwickelt.
Herkunft, Alter und historische Auswertbarkeit der ältesten Stoffe der Thora sind umstritten. Die Thora entstand nach heutigem Forschungskonsens ab etwa 1200 v. Chr., wurde aber erst gegen 450 v. Chr. niedergeschrieben. Inwieweit die mündliche Überlieferung während dieser 750 Jahre unverändert blieb, ist offen. Die Geschichtswissenschaft bezweifelt deshalb die Historizität der gesamten Darstellung.24
Schließt man sich der fehlenden Historizität an, kann ein Agnostiker ohne Weiteres zu der Erkenntnis gelangen, dass Mose in seinem Trupp auf dem Heimweg nach Israel so etwas wie Ordnung aufrechterhalten wollte und deswegen mit den ersten von den Ägyptern gelernten Schriftzeichen einen Verhaltenskodex verfasste, den er mit abgeschauter Zauberei und Chemie effektvoll in Szene setzte (brennender Dornbusch usw.). Am Ende war daraus eine nette Räubergeschichte entstanden, die von den Heimkehrern am Lagerfeuer dazu benutzt wurde, durch eine spannende Erzählung wieder in das Stammesleben integriert zu werden.
Das mag für Juden zwar enorm gotteslästerlich klingen, ich halte es aber für deutlich gotteslästerlicher, für dieses Abenteuer, das diverse Urstämme auf unserem Planeten vor ihnen auch so oder zumindest ähnlich erlebt hatten, direkt Gott zu bemühen. Falls tatsächlich Gott aufgetaucht sein sollte, muss er recht einfältig gewesen sein, denn was soll sein auserwähltes Volk mit zwei Steintafeln und zehn Geboten in Schriftform anfangen, wenn es nahezu vollständig aus Analphabeten bestand und sich die Schrift gerade erst entwickelte? Damit der Hokuspokus nicht aufflog, durfte die Bundeslade, die die beiden Steintafeln enthielt, nur von den Würdigsten und Hohepriestern berührt werden. Jede unbefugte Berührung stellte ein Sakrileg dar und soll, so die Überlieferung, zum sofortigen Tod des Frevlers geführt haben.25 Besser ist es dann, die Bundeslade verschwindet in Gänze und Indiana Jones kann dem Mysterium hinterherjagen. Für mich ist es sowieso unverständlich, dass etwas von Gott Überreichtes so einfach verschwinden oder zerstört werden kann.
Jedenfalls dürften an indianischen Lagerfeuern ähnliche Geschichten erzählt worden sein. Einige ihrer Schöpfungsgeschichten wurden überliefert und sind heute Teil der indianischen Mythologie. Aber die meisten Indianerstämme hatten – im Gegensatz zu den Juden – zum einen das Pech, vollständig ausgerottet zu werden, und zum anderen bildete ihre Religion nicht die Basis für das Christentum und den Islam.
Das Judentum lief bei der Kreation von Riten und Mythen für die Religionsangehörigen zu einer bemerkenswerten Höchstform auf: Die Kippa ist bekannt, daneben kennzeichnen weitere Äußerlichkeiten den orthodoxen Juden: Tallit, Zizit und Tefillin26 – und die Beschneidung. Im 1. Buch Mose 17,10-11,27 heißt es: „Eure Verpflichtung mir gegenüber besteht darin, dass ihr jeden Mann und jeden eurer männlichen Nachkommen beschneiden müsst. Bei allen müsst ihr die Vorhaut am Geschlechtsteil entfernen. Das ist das Zeichen für den Bund zwischen mir und euch.“ Das lässt mich wiederum an diesem Gott zweifeln, denn wieso sollte ausgerechnet bei seinem auserwählten Volk „nachgebessert“ werden müssen? Hätte Gott „seine Männer“ nicht von Anfang an „richtig“ und fälschungssicher kennzeichnen können? Wieso müssen die Männer nachbessern? Und wieso nur ein Bund zwischen ihm und den Männern? Was ist mit den Frauen?
Hinzu kommen die 39 verbotenen Arbeiten am Sabbat. Von Mahlen über Säen bis zum Knotenknüpfen und -lösen ist alles dabei und alles verboten. Am interessantesten dürfte sein, dass ein Feuer nicht entzündet und nicht gelöscht werden darf. Das führt so weit, dass kein Auto gefahren werden darf, weil Benzin verbrannt wird, dass keine Kühlschrank- oder Autotür geöffnet werden darf, wenn dadurch ein Licht angeht, dass ein Hörgerät am Sabbat nur benutzt werden darf, wenn es vor dem Sabbat angeschaltet wurde und dann den ganzen Tag über angeschaltet bleibt, und dass das Eintreten in den Aufzug kein Öffnen oder Schließen der Türen bewirken darf. Jüdische Autoritäten erlauben nur hydraulische Aufzüge am Sabbat, während andere jüdische Autoritäten nur Aufzüge mit Seilzugsystem gestatten und der Aufzug nur nach oben, aber nicht nach unten benutzt werden darf. Schon bemerkenswert, der jüdische Gott – ein Pedant und Technikfreak! Der orthodoxe Jude kann übrigens bei den 39 verbotenen Arbeiten fast nichts falsch machen; allesamt werden haarklein im Internet festgehalten.28 Dieser gläubige Jude darf seinen PC nur nicht am Sabbat starten, um im Internet nach Informationen zu suchen. Denn damit würde er ein Feuer entzünden – der clevere Jude schaltet den PC daher am Vortag gar nicht erst aus und ist immer auf dem Laufenden!
Ferner gelten die jüdischen Speisegesetze, die wiederum nur angerissen werden sollen: Die Thora unterscheidet im 3. Buch Mose 11, die zum Verzehr gedachten Tiere in erlaubte (koschere) und nicht erlaubte (nicht koschere) Tiere. Nach dieser Regelung sind von den Tieren nur solche als koscher zu betrachten, die zweigespaltene Hufe haben und Wiederkäuer sind (z. B. Rinder, Schafe, Ziegen, Damwild). Damit ist beispielsweise Schweinefleisch als nicht koscher einzustufen, da Schweine zwar gespaltene Hufe haben, aber nicht wiederkäuen. Auch Kamele sind nicht koscher, weil sie zwar wiederkäuen, aber keine vollständig gespaltenen Hufe haben. Dementsprechend fallen alle weiteren Landtiere (Pferde, Esel, Hasen, Kaninchen, Meerschweinchen usw.) in die Rubrik der verbotenen Tiere.
Zu den Speisegesetzen gehört auch das Verbot des Blutgenusses – deswegen die Notwendigkeit des Schächtens. Wegen dieses Gebotes müssen Eier aufgeschlagen und auf Blutspuren untersucht werden, muss Gemüse genauestens kontrolliert werden, denn es könnte Insekten, Würmer und kleine Schnecken enthalten. Rabbiner betonen stets die göttliche Herkunft der Gebote. Interpretationen und Überlegungen seien nur „menschliche Auslegungsversuche des göttlichen Willens“.29 Faszinierend, um was sich der jüdische Gott so seine Gedanken macht.
Da die jüdischen Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion aber nicht nur sich, sondern auch ihre Vorliebe für Schweinefleisch mitbrachten, wird in Israel inzwischen immer mehr Schweinefleisch angeboten und verkauft – obwohl es gesetzlich nach wie vor verboten ist, in Israel Schweine zu züchten oder ihr Fleisch einzuführen. Aber die Juden haben in ihrer leidvollen Geschichte gelernt, trickreich zu sein, um zu überleben. Die Bauern und Zuchtbetriebe achten deshalb darauf, dass die Schweineklauen den Boden des Heiligen Landes nicht berühren. Das Borstenvieh wird deshalb auf erhöhten Holzplanken gehalten – so einfach ist das!
Wer die ganzen feinstreifigen Regeln des jüdischen Gottes als Außenstehender auf sich wirken lässt, kann die Pfiffigkeit der Juden im Umgehen dieser Regeln nur bewundern – da wird der hauseigene Gott für das leibliche Wohl auch schon mal vera…äppelt.
Wie in fast allen Religionen üblich, begünstigte das Judentum die Männer gegenüber den Frauen. Macht und Autorität waren männliche Monopole: Während Söhne vom frühen Alter an eine (religiöse) Ausbildung erhielten, wurden Mädchen so gut wie nicht unterrichtet. Den Frauen blieb die Beteiligung am aktiven religiösen Leben in der Synagoge weitgehend verwehrt. Im Gegensatz zu Frauen durften sich Männer scheiden lassen. Wenn Frauen am Gottesdienst teilnahmen, hatten sie sich hinter einem Gitter oder einem Vorhang zu verstecken. Dort leitete eine Vorbeterin das Gebet, wobei es Frauen untersagt war, von den Thorarollen zu lesen. Auch das Amt als Rabbiner oder Kantor und das Lernen von Hebräisch war Frauen verboten, und so war der Frauenbereich der Synagoge weder mit der heiligen Lade noch mit einem Almemor ausgestattet. Oftmals war dieser Bereich überfüllt, dunkel und schlecht belüftet. Abgesehen von den besten Sitzplätzen auf den Emporen war es den Frauen nicht möglich, den Gottesdienst der Männer zu verstehen. Man erreichte somit, dass die Predigten allein Männern vorbehalten waren.30 Der Gottesdienst war ein „Männerklub“.
Im Laufe der Jahrhunderte hatten der jüdische Gott und seine weltlichen Autoritäten aber ein Einsehen und verbesserten die Situation der jüdischen Frau. Ist ein Gott womöglich lernfähig? Ungefähr 500 n. Chr. wurde sogar das Mutterprinzip im Judentum eingeführt. Bestritten wird inzwischen der Grund dafür, dass jüdische Frauen zur Zeit der römisch-jüdischen Kriege 66–70 und 132–135 n. Chr. von siegreichen römischen Soldaten vergewaltigt wurden und man die Vaterschaft der Kinder nicht feststellen konnte. Der Grund dürfte eher gewesen sein, dass die Bedingungen für eine Konversion von Frauen zum Judentum deutlich einfacher ausfielen als bei einem Mann. Frauen wurden durch Heirat und Aufnahme in den Haushalt eines jüdischen Mannes sowie das rituelle Tauchbad automatisch jüdisch. Wenn aber umgekehrt eine jüdische Frau einen Nichtjuden heiratete, waren die Kinder einer solchen Ehe nach der Regelung vor dem Mutterprinzip nicht jüdisch, es sei denn, der Mann konvertierte, d. h. er ließ sich u. a. beschneiden. Wie viel einfacher musste es da erscheinen, die Identität des Kindes nach der Mutter zu bestimmen, denn die Bedingung für die Konversion der Frauen war ja lediglich das rituelle Tauchbad. Mit dem Mutterprinzip konnten also möglichst viele Menschen im Judentum gehalten werden.31
Für mich ist faszinierend, worum sich der jüdische Gott so alles Gedanken gemacht hat. Ich frage mich, wieso ein Gott, der eigentlich perfekt sein sollte, eine solch komplizierte Welt geschaffen hat, die für Juden nur aus Fallstricken und Verboten besteht. Ist auch das noch die Strafe dafür, dass Adam und Eva den Test im Paradies vergeigten?
Aber egal: Die Ausführungen zum Judentum mögen sich zwar gotteslästerlich und kritisch angehört haben, aber dem ist nicht so. Das Judentum ist zweifellos die harmloseste und friedlichste der abrahamitischen Religionen – allein weil das Judentum nicht missioniert. Die Juden begegneten den Angehörigen anderer Völker und Religionen, den Nicht-Religionsangehörigen also – von vernachlässigbaren Ausnahmen abgesehen – immer friedlich.32 Die Juden verstehen sich als Volk, und Angehöriger eines Volkes zu werden, ist – wie oben angerissen –, gar nicht so einfach. Und wenn (orthodoxe) Juden es toll finden, eine Kippa zu tragen und sich Lederbänder und Pergamentfetzen umzubinden – bitte schön! Ist doch nett, oder?
Im Buddhismus werden Gebetsmühlen gedreht, um gutes Karma anzuhäufen oder um alle in der Walze befindlichen Mantras durch die Drehung zum Wohle der fühlenden Wesen wirken zu lassen, deren Leid zu beseitigen und ihnen Glück zu bringen oder damit alle darin enthaltenen Mantras während des Drehens Licht zu allen fühlenden Wesen ausstrahlen, deren Leid beseitigen und schlechtes Karma auflösen, oder um zu zeigen, dass sowohl der Drehende als auch die Handlung des Drehens und die sich drehende Gebetsmühle, samt den darin enthaltenen Mantras und Gebeten, untrennbar von einer in ihrem Ursprung „nichtdualen Natur“ sind – alles ist letztlich eins.33 Ist doch auch nett, oder? Jeder Homo stupidus bzw. jeder Jeck ist nun mal anders.
Festzuhalten bleibt, dass das Judentum – wie alle Religionen zuvor – vom Homo stupidus aus alternativen Fakten zusammengebaut wurde.
23 Vgl. Seite „Judentum“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 09.06.2018, 03:57 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Judentum&oldid=178151047 (Abgerufen: 31.07.2018, 17:34 UTC); Peter Ortag, Jüdische Kultur und Geschichte, bpb, Bonn 2004.
24 Vgl. Berthold Seewald, Der Auszug aus Ägypten – war alles ganz anders?, Welt digital, 23.12.2014. URL: https://www.welt.de/geschichte/article135685975/Der-Auszug-ausAegypten-war-alles-ganz-anders.html) (Abgerufen: 17.12.2019); Israel Finkelstein, Das vergessene Königreich – Israel und die verborgenen Ursprünge der Bibel, München 2015; Israel Finkelstein, Neil A. Silberman, Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel, München 2004.
25 Vgl. Seite „Bundeslade“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25.08.2018, 18:27 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bundeslade&oldid=180330860 (Abgerufen: 10.09.2018, 20:40 UTC).
26 Vgl. das Gemälde „Der betende Jude“ von Marc Chagall aus dem Jahr 1914.
27 Diese und die folgenden Bibelzitate wurden der neuen evangelistischen Übersetzung (BibleServer) entnommen.
28 Vgl. Aryeh Citron, Elektrizität am Schabbat, Jüdische.Info. URL: https://de.chabad.org/parshah/article_cdo/aid/1883298/jewish/Elektrizitt-am-Schabbat.htm. (Abgerufen: 17.12.2019).
29 Vgl. Seite „Jüdische Speisegesetze“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 31.07.2018, 17:09 UTC URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=J%C3%BCdische_Speisegesetze&oldid=179614732 (Abgerufen: 31.07.2018, 18:11 UTC).
30 Vgl. Anny Schubert, Katharina Thomas, Die Rolle der Frau im Judentum. URL: http://schule.judentum.de/projekt/rollederfrau.htm. (Abgerufen: 17.12.2019).
31https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15829