Jason Arnopp
Die letzten Tage des Jack Sparks
Horror-Thriller
Knaur e-books
Jason Arnopp arbeitete als Musikjournalist, bevor er sich dem Drehbuchschreiben zuwandte und an Erfolgsserien wie »Dr. Who« und »Freitag der 13.« mitwirkte. »Die letzten Tage des Jack Sparks« ist sein erster Roman.
Die englische Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel » The Last Days of Jack Sparks« bei Orbit, London.
© 2019 der eBook-Ausgabe Knaur eBook
© 2016 Jason Arnopp
© 2019 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Redaktion: Hanka Leò
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: plainpicture / Elodie Ledure; FinePic® unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com
ISBN 978-3-426-45336-0
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Jack nennt selten konkrete Social-Media-Websites in seinen Büchern. Seinem Agenten Murray Chambers zufolge ist das seine »Rache« dafür, dass ihn einige Betreiber nicht für ihre Nennung bezahlen wollten. – Alistair
Vgl. Jack Sparks’ Welt der Drogen (Erubis Books, 2014), S. 146 – Alistair
Als die wahre Natur des Videos ans Licht kam, bannte YouTube und jede andere Videoplattform es von ihren Servern. Sie löschen es jedes Mal, wenn es wieder auftaucht. Trotzdem verbreitet es sich nach wie vor über Torrent-Sites. – Alistair
Dieser letzte Satz ist nicht wahr, wie später noch klar werden wird. – Alistair
Professor Stanley H. Spence starb drei Tage später in den frühen Morgenstunden des 18. November, an den Folgen eines Treppensturzes in seiner Wohnung in Toronto. Trotz allem, was manche Websites Ihnen weismachen wollen, gibt es keinen Zweifel an der gerichtsmedizinischen Untersuchung, die seinen Tod als Unfall einstuft. Nach seiner Heimkehr hatte Mr Spence einen polemischen Artikel verfasst über »die YouTube-Generation und ihre katastrophale Neigung, die Selbstdarstellung über das Lernen zu stellen«, der posthum im Time Magazine erschien. – Alistair
Online konnte keine Spur dieser Fotos je gefunden werden, auch nicht der Account. Möglicherweise hat der Provider sie gelöscht, doch es gibt keine Aufzeichnungen darüber – Alistair
Das ist in jeder Hinsicht gelogen. In meinem Vorwort beschreibe ich, wie es sich wirklich zutrug. – Alistair
Gelogen. – Alistair
Wieder gelogen. Unsere Mutter hat keinen von uns jemals geschlagen. – Alistair
Ich habe nicht gegrinst. Alles gelogen. – Alistair
Ein frei erfundenes Zitat. – Alistair
In dieser Fassung fehlte das Transkript der Sitzung, in der Sherilyn Chastain und Rebecca Lawson den »Ego-Exorzismus« an Jack vornahmen. Doch da die Audiodatei »SherilynBexJackConvo.mp4« ebenfalls im Internet auftauchte, veröffentlichten einige Anhänger ihre eigene minderwertige und von Rechtschreibfehlern strotzende »Fan-Edition« des Buches. Das Transkript haben wir unserem Material hinzugefügt.
Falls Sie es noch nicht wissen: Ms Chastain erholte sich vollständig von dem Angriff, dem sie in den frühen Morgenstunden des 20. November im Heizungsraum des Sunset Castle zum Opfer fiel. Ms Chastain behauptet, auf dem weitverbreiteten YouTube-Video, um das es in diesem Buch geht, sei ihr regloser Körper zu sehen, obwohl das unmöglich ist. Tragischerweise kamen der Pfleger Pio Accardo, Hoteldirektor Marc Howitz, Rebecca Lawson und alle sieben Mitglieder der Hollywood Paranormals größtenteils so ums Leben, wie es in Jack Sparks’ Welt des Paranormalen beschrieben wird. Der Dolmetscher Antonino Bonelli beging tatsächlich Selbstmord, anscheinend aufgrund des Vorwurfs von Inzest und Pädophilie. – Alistair
Für meine Mum und meinen Dad, die mir nie rieten,
einen ordentlichen Beruf zu ergreifen.
Wenn du zu wissen glaubst, was zum Teufel hier los ist,
redest du vermutlich nur Scheiße.
Robert Anton Wilson
Inmitten des Hauses, in dem mein seliger Bruder Jacob und ich aufwuchsen, gab es ein schwarzes Loch.
So nannten wir es. In Wahrheit war es ein kleines Zimmer, das der Architekt dem Bauplan aus unerklärlichem Grund hinzugefügt hatte. Ein viereckiger Raum, inmitten eines Bungalows im vorstädtischen Suffolk. Ohne Lampen, Fenster oder Luftschächte. Nicht größer als zwei zusammengelegte Umkleidekabinen in einem Kaufhaus. Drei Türen führten hinein und hinaus.
Unsere Mutter machte – wie es ihre Art war – das Beste aus diesem nutzlosen Verteilerkasten und hämmerte eine Garderobenstange an eine der Wände. Also wurde aus dem Raum eine Garderobe für Jacken und Mäntel.
Jacob, der unter dem Namen Jack Sparks Ruhm und Ehrlosigkeit erlangte, teilte meine instinktive Furcht vor dem Wort »Mantel«. Mäntel bedecken Leute, verleihen ihnen eine unheimliche Ausstrahlung, und so wuchs unsere Furcht vor dem Raum nur noch mehr. Ihn »das schwarze Loch« zu taufen, nahm ihm ein wenig von seiner einschüchternden Wirkung. So wurde er zu etwas, was sich wissenschaftlich erklären ließ.
Um den Garderobenraum zu meiden, nahmen wir einiges in Kauf. Jedes Mal wählten wir den längeren Umweg – alles war uns lieber, als dieses stickige schwarze Loch zu betreten. Eilte man hindurch, beschleunigte sich der Puls beträchtlich. Man keuchte oder schrie sogar auf, wenn man das Prickeln im Nacken versehentlich für den kalten Atem der Toten und Begrabenen hielt.
Der Vorfall ereignete sich an einem Samstag, im Sommer 1983, als Jacob fünf Jahre alt war, vier Jahre jünger als ich. Wie bei allen Geschwistern gab es auch zwischen uns Rivalitäten, für gewöhnlich aber vertrugen wir uns gut. Wir kletterten auf Bäume, fuhren Rad und spielten Fußball. Wir stützten einander, während wir humpelnd den Heimweg antraten, nach Unfällen, in die meist Bäume, Fahrräder oder Fußbälle verwickelt waren.
Der Vorfall fußte auf rein kindlicher Unschuld, erscheint mir jedoch in meinem Beitrag zu diesem Buch, den zu verfassen ich mir nie auch nur ausgemalt hatte, unerwartet relevant. Ich glaube wirklich, der Vorfall erklärt sowohl das Wesen meines Bruders als auch, so leid mir die Bemerkung tut, den Grund, warum er in diese entsetzliche Abwärtsspirale geriet.
An jenem Tag standen die meisten Fenster offen. Draußen flimmerte die heiße Luft. Unsere Mutter lag im Garten, ausgestreckt auf einem Liegestuhl, der gelegentlich zusammenbrach und ihr derart laute Flüche entlockte, dass sich die Nachbarschaft beschwerte. Sie hatte einen Krimi mit hinausgenommen, ein Päckchen Silk Cuts und wie immer keinerlei Sonnencreme.
Jacob vertrieb sich die Zeit mit einem Spielzeugauto, ließ es mit roten Wangen über den Fußboden des Esszimmers brausen. Ich ergriff meine Chance, mir einen Spaß mit ihm zu erlauben, schlich durchs Haus und schloss alle Türen des Mantelzimmers, bis auf eine. Die geschlossenen verbarrikadierte ich mit Möbeln. Der Architekt hatte zumindest so weit mitgedacht, dass die Türen nach außen aufschwangen.
Durchs Küchenfenster sah ich, dass Mum mit dem aufgeschlagenen Buch auf dem Bauch eingenickt war. Dann offenbarte ich Jacob, dass wir jetzt ein Spiel spielen würden.
Ich erklärte ihm, er würde in die Rolle eines Geisterjägers schlüpfen. Und ich wäre ein Geist, der ihn jagte. Die Spielregeln waren simpel: Ich würde ihn durchs Haus verfolgen, und er musste versuchen, das schwarze Loch dreimal zu durchqueren, ohne geschnappt und dadurch selbst in einen Geist verwandelt zu werden.
Jacob wirkte verunsichert. »Wenn ich ein Geisterjäger bin, wieso laufe ich dann davon?«
»Weil du mir begegnet bist«, erwiderte ich. »Ich bin ein derart großer und böser Geist, dass du nicht gegen mich ankommst.«
Er dachte darüber nach, dann willigte er ein. Die Falle war gestellt. Jauchzend rannte er vor mir her, während ich mit den Armen herumfuchtelte und unheimliche Laute von mir gab. Ich drosselte mein Tempo, um ihn nicht einzuholen, und er lief quer durchs Esszimmer, schnurstracks auf die Tür zu, die ich offen gelassen hatte, und sauste in die Dunkelheit.
Ich sprintete los und wäre fast hingefallen, erreichte die Tür und schlug sie hinter ihm zu. Dann packte ich die Türklinke fest mit beiden Händen, spannte die Armmuskeln an und wartete.
Ein gedämpftes Rütteln war zu hören, als Jacob versuchte, den Raum durch eine der Türen zu verlassen, und feststellen musste, dass es unmöglich war. Seine Stimme war nur undeutlich zu verstehen, wie bei einer schlechten Telefonverbindung.
»Hey! Die geht nicht …«
Er probierte die nächste Tür aus. Wieder ein Rütteln, diesmal gefolgt von einem fassungslosen Schrei.
Das Blut pochte mir im Kopf, während ich die Klinke umklammerte, bereit für den Ansturm, der Sekunden später erfolgte. Jacob versuchte, sie herunterzudrücken, und spürte, dass jemand die Klinke festhielt.
Furcht trat in seine Stimme. »Ali, lass das! Ali!«
Es war ausgeschlossen, dass meine Mutter ihn hörte, trotzdem schrie Jacob immer lauter und gellender weiter. Einige Male unterbrach er die vergeblichen Versuche, die Tür zu öffnen, dann probierte er es unvermittelt erneut, in der Hoffnung, mich zu überraschen. Ich hörte es krachen, wenn er sich gegen eine der anderen Türen warf und nach Mum rief. Dennoch lenkte ich nicht ein. Da er weder panisch klang noch weinte, war ich mir sicher, dass er meinen Streich lustig fände, sobald ich ihn freiließ.
Dann hörten die Rufe in der Garderobe schlagartig auf.
Da mein Bizeps vor Anstrengung brannte, drehte ich mich um und stemmte mich mit dem ganzen Gewicht gegen die Tür. Während ich den Fliegen zusah, die einander jagten, horchte ich angestrengt.
Ich lauschte eine gefühlte Ewigkeit lang.
Nichts.
Allmählich verlor ich den Spaß an der Sache.
»Keine Bange«, rief ich durchs dicke Holz. »Ich lasse dich jetzt raus, ja?« Ich lachte schwach.
Jacob antwortete nicht.
Obwohl ich in einem sonnendurchfluteten Raum stand, packte mich Beklommenheit.
Ein tückisches, obskures Bild trat mir vor Augen.
Ich stellte mir vor, wie Jacob sich in dem Raum verwandelt hatte.
Wie er nun in einem Mantel dastand, und dort, wo sein Gesicht hätte sein sollen, nur leere Schwärze war.
Ich war davon überzeugt, dass dieser gespenstische Mönch, der einst mein Bruder gewesen war, stumm darauf wartete, dass ich ihn erblickte. Sobald ich die Tür öffnen würde, käme er herausgesprungen und würde mir lachend die Gliedmaßen abreißen, eine nach der anderen.
»Jakey?«, rief ich.
Noch immer keine Antwort.
»Jacob?«
Mein Herz, das eben noch aufgeregt gehüpft war, fühlte sich an, als hämmere es an eine Tür, um ins Freie zu gelangen.
Mir war übel vor Sorge um meinen Bruder.
Es ängstigte mich, was in diesem unergründlichen Raum aus ihm geworden war.
Sekunden später quoll etwas unter der Tür hervor.
Ganz gewiss will ich mit dieser Anekdote den Online-Trollen, die mich irrigerweise für die Wendung in Jacobs Leben verantwortlich machen, keine Munition liefern. Ich biete lediglich einen flüchtigen Einblick in seine prägenden Jahre und zeige auf, dass er als Kind ungewöhnlich extrem auf einen im Grunde harmlosen Streich reagierte. Was das anbelangt, ist mein Gewissen rein. Zudem halte ich es für vernünftig, den Vorfall aus meiner Sicht zu schildern, da mein Bruder ihn später in diesem Buch ebenfalls zur Sprache bringt. Leider ist seine Version übertrieben und von viel weniger Ehrlichkeit geprägt als meine.
Mein Bruder starb mit sechsunddreißig, und obgleich die Medien seinen vorzeitigen Tod bis aufs Äußerste ausschlachteten, ist dem Gelegenheitsleser womöglich nicht klar, was Jacob erreicht hat.
Als Kind wollte ich in die Unterhaltungsbranche, wurde dann jedoch Wissenschaftler. Jacob hingegen sprach oft ambitioniert davon, in die Wissenschaft zu gehen, doch natürlich wurde er Autor und eine Art Medienstar. Sein erster Schritt auf diesem Weg war ein Praktikum beim New Musical Express im Jahre 1996. Ich muss noch heute grinsen, wenn ich daran zurückdenke, wie mich der übermütige, achtzehnjährige Emporkömmling anrief und sagte: »Ich bin drin!« Der NME hatte ihn damit beauftragt, seine erste offizielle Schallplattenrezension zu schreiben. Jack kannte sich mit Musik aus, auch wenn er einen anderen Geschmack hatte als ich. In unseren Teenagertagen dröhnten aus seinem Zimmer die Sex Pistols, Motörhead und die Sisters of Mercy, während bei mir die Pet Shop Boys ihre Songs zum Besten gaben.
Er änderte früh seinen Namen, denn er hielt »Jack Sparks« für cooler. Ich war damals bis über beide Ohren mit meinem Abschluss in Biochemie beschäftigt, dennoch freute es mich, dass mein Bruder anscheinend im Begriff stand, meinen eigenen Kindheitstraum zu verwirklichen.
Nachdem Jack ein wenig Erfahrung gesammelt hatte, ließ er Mum und mich in Suffolk zurück und zog nach Camden Town in London, wo er sich hartnäckig in die Arbeit stürzte. In seinen Zwanzigern übertraf er sich selbst und überquerte für seinen Job mehrfach den Atlantik. Zwar verpasste ich damals viele Ausgaben des NME – obwohl ich Jack öfters um Exemplare bat –, doch bekam ich mit, dass seine unumstößlichen Ansichten und seine forsche Interviewtechnik die Leser zu Diskussionen anstachelten. Dieser polarisierende Effekt hielt an, als er Horizonte jenseits des musikalischen Gettos anstrebte.
Sein erstes Sachbuch, Jack Sparks auf dem Springstock (Erubis Books, 2010), wirkte vordergründig heiter, denn er reiste dafür auf einem Pogostab von Land’s End bis John o’ Groats. Da er auf der Strecke keine Autobahnen benutzen durfte, wurde die Reise über die kaum befahrenen Straßen zu einer faszinierenden Studie der alten Kuriositäten Großbritanniens, die sich links und rechts des Wegs bestaunen lassen.
Mit Jack Sparks’ Welt der Gangs (Erubis, 2012) tauchte er kopfüber in wildere Wasser, vermutlich, weil die Reaktionen auf das erste Buch gemischt ausfielen. Es bereitete mir Sorge, dass mein Bruder sich mit gewalttätigen Gangs einließ und seine Erkenntnisse verbreitete, gleichwohl hatte es wenig Zweck, ihn davon abbringen zu wollen.
Gangs gewann den Sara-Thornwood-Preis. Ein unstrittig aufschlussreiches Werk, das meinen Horizont hinsichtlich der Gangkultur erweiterte, sowohl der englischen als auch der amerikanischen. Ungefähr zu jener Zeit etablierte sich Jack als prominenter Atheist und hatte Gastauftritte in TV-Talkshows wie Never Mind the Buzzcocks, Would I Lie To You? und Shooting Stars.
Sein drittes Buch polarisierte bislang am meisten. Allein der Titel Jack Sparks’ Welt der Drogen (Erubis, 2014) brachte ihm viel kostenlose Publicity ein. Das Konzept meines Bruders bestand darin, jede Droge der Welt auszuprobieren und seine Erfahrungen damit zu dokumentieren. Ich war strikt gegen das Projekt, und unsere Beziehung kühlte sich stark ab, wegen des Buchs und anderer Vorfälle in dieser Zeit. Zudem war es nicht hilfreich, dass die Drogen Jack schwieriger und starrsinniger denn je machten. Dass wir schließlich getrennter Wege gingen – obwohl er in jenem Sommer eine Entziehungskur antrat –, gehört zu den Dingen, die ich stets bereuen werde.
Mir ist nur zu bewusst, dass Jacks letztes Buch, das den Titel Jack Sparks’ Welt des Paranormalen tragen sollte, seit der Ankündigung umstritten ist.
Mittlerweile habe ich jede Form von Online-Attacke erlebt, einschließlich unverhohlener Morddrohungen gegen mich und meine Familie. Ein Troll tauchte sogar eines Abends vor unserer Haustür auf, bewaffnet mit einem Fleischerbeil. Die Frau ist jetzt hinter Gittern.
Einerseits hat das Buch zahlreiche Anhänger, andererseits sähen viele es gern, wenn es verboten würde. Manche denken sicher, ich bereichere mich auf kalte, zynische und recht geschmacklose Weise an dem Werk, zumal Jack keine Nachkommen hat. Ich habe dazu mehrfach in den sozialen Medien Stellung bezogen, doch derlei Worte gehen leicht unter im ohrenbetäubenden Tumult. Ein Anteil der Einnahmen geht an bekannte Wohltätigkeitsorganisationen auf der ganzen Welt, die sich der Heilung der Motoneuron-Krankheit verschrieben haben. Ich verspüre keinerlei Verlangen, mich an Jacks Tod zu bereichern, den ich selbst noch nicht verarbeitet habe. Dieses Buch zu schreiben, hatte eine zutiefst reinigende Wirkung. Jacks Herausgeberin, Eleanor Rosen, mit der er die letzten fünf Jahre zusammenarbeitete, war überaus entgegenkommend, hat mir aber auch Paroli geboten, wenn es nötig war.
Es ist ein Glück für uns, dass mein Bruder seine Bücher stets schon in der Recherchephase schrieb. So mancher Autor hortet eine Vielzahl aufgezeichneter Interviews, Gedanken und Notizen, um sich mit dem ganzen Material am Schluss zu befassen, Jack hingegen wollte alles sofort dingfest machen. Er hasste es, Interviews zu transkribieren, und erledigte die Arbeit daher lieber in kleinen Häppchen.
Bei der Redaktion dieses Werks haben Eleanor und ich nur unbedeutende Fehler hinsichtlich Rechtschreibung und dergleichen korrigiert, während wir Jacks Aufbau und seine Art zu schreiben unangetastet ließen, vor allem in der zweiten Hälfte, in der sich der Tonfall merklich ändert. Das Buch in zwei Teile zu unterteilen, war unsere Entscheidung. Ich halte es Eleanor ewig zugute, dass sie meine Ansicht teilte, Jacks Anmerkungen an sie beizubehalten, mit denen der Text durchsetzt ist.
Von Herzen spreche ich den Familien der Verstorbenen meinen Dank und mein Beileid aus, denn sie erteilten uns die Erlaubnis, die echten Namen ihrer Geliebten im Buch zu nennen. Manche Namen jedoch wurden geändert. Glauben Sie mir, der Entschluss, Jack Sparks’ Welt des Paranormalen völlig unzensiert zu veröffentlichen, fiel uns keineswegs leicht, und ich weiß, wie schwer es für die Hinterbliebenen ist, die Berichte über solch schreckliche Ereignisse zu lesen. Zugleich hoffe ich, dass das Buch eine Art Abschluss bildet und die wenig hilfreichen Spekulationen – nicht zuletzt die über die Todesart meines Bruders – im Internet beendet.
Ich danke meiner wunderschönen Frau Chloe und unseren Töchtern Sophie und Xanna für ihre unglaubliche Unterstützung.
Wie sehr ich mir wünsche, Jack hätte nie diesem Exorzismus beigewohnt.
Wie sehr ich mir wünsche, er hätte nie dieses YouTube-Video entdeckt.
Ruhe in Frieden, mein Bruder, und sei dir gewiss, dass ich dir vergebe.
Alistair Sparks: Jacks ehemaliger Agent Murray Chambers schickte mir diesen E-Mail-Austausch, der einen Tag, nachdem mein Bruder in Italien dem Exorzismus beiwohnte, begann.
Datum: 1. November 2014
Von: Jack Sparks
Betreff: RE: RE: Mein neues Buch!
An: Murray Chambers (The Chambers Agency)
Murray, warum zur Hölle verlangt Erubis 30 000 Wörter des Buchs, »ehe ihr weitermachen könnt«? Wir haben noch immer einen Vertrag mit denen – und acht Wochen nach Erscheinen ist Welt der Drogen in den Top 10 so gut wie FESTGENAGELT!
Haben die meine Inhaltsangabe denn nicht gelesen? Ein Exorzist, ein besessenes Mädchen, ein unheimliches YouTube-Video … ein Scheißgeheimnis. Eine Mission!
Musste Bill Bryson auch erst 30 000 Wörter schreiben, ehe er sein neustes Buch verkaufen durfte, in dem es nur um ihn geht? Natürlich nicht, und ich sollte auch nicht dazu gezwungen werden. Bring das in Ordnung.
J
Datum: 1. November 2014
Von: Murray Chambers (The Chambers Agency)
Betreff: RE: RE: RE: Mein neues Buch!
An: Jack Sparks
Jack, lass mich deine Erinnerung ein wenig auffrischen.
(1) Während du Welt der Drogen schriebst, wurdest du drogensüchtig.
(2) Das Buch war so desaströs, dass ein Ghostwriter es retten musste.
(3) Du hast die Verlegerin von Erubis um drei Uhr morgens völlig zugekokst angerufen und sie mehrmals als »Riesenfotze« bezeichnet.
Vor allem der letzte Punkt bedeutet, dass wir einige eingerissene Brücken neu aufbauen müssen. Jack Sparks’ Welt des Paranormalen ist zwar das vierte Buch, für das wir unterschrieben haben, aber Erubis hat (a) nicht mit einem Werk über Geister gerechnet und muss (b) wissen, ob du auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt bist. Die sind nervös. Ich arbeite daran, aber leider können wir uns nicht darauf verlassen, dass Eleanor sich für dich einsetzt, so wie du sie behandelt hast. Also musst du ein bisschen guten Willen zeigen, Kumpel. Schreib die dreißigtausend.
Mx
PS: Brysons Bücher kreisen streng genommen nicht allein um ihn selbst. Deine hingegen schon. (Keine Kritik, nur für deine Augen bestimmt.)
Datum: 1. November 2014
Von: Jack Sparks
Betreff: RE: RE: RE: RE: Mein neues Buch!
An: Murray Chambers (The Chambers Agency)
Fick dich, Murray.
Fick. dich.
Das ist doch krank! Schön, ich hatte einen Aussetzer. Aber ich bin immer noch JACK SPARKS, Murray. Wenn überhaupt, hat die Entziehungskur meinen Marktwert erhöht, und das weißt du. Ich tippe keine 30 000-Wörter-Leseprobe für Erubis. Ich schreib nicht mal 30. Davon abgesehen kann ich meine Reise nicht fortsetzen, wenn ich keinen Vorschuss bekomme. Ruf sie an und klär das.
Datum: 2. November 2014
Von: Murray Chambers (The Chambers Agency)
Betreff: RE: RE: RE: RE: RE: Mein neues Buch!
An: Jack Sparks
Okay … Ich habe sie überredet, die nächste Rate des Vorschusses anzuweisen. Ich habe ihnen versichert, dass es dir gut geht. Damit habe ich meinen Kopf in die Schlinge gelegt und hoffe, du weißt das zu schätzen.
Sorg einfach dafür, dass das Buch toll wird und du pünktlich abgibst. Übrigens: Wann kriege ich meine 500 Pfund zurück? Ich warte schon sechs Monate drauf.
Mx
Datum: 2. November 2014
Von: Jack Sparks
Thema: RE: RE: RE: RE: RE: RE: Mein neues Buch!
An: Murray Chambers (The Chambers Agency)
Ha! Ich wusste, die werden vernünftig. Murray, das wird ein verflucht gutes Buch.
Lass uns DEN GIPFEL ERSTÜRMEN!