KAPITEL 1
EIN WICHTIGER BRIEF
Noah fixierte den Ball. Sah zum Tor. Beobachtete jede Bewegung des Torwarts. Jedes Zucken seiner Muskeln.
Neun Meter vor ihm die Ein-Mann-Mauer: Matti, der Mittelfeldmotor. Mit den Händen vor den Kronjuwelen. Besser so, bei der Wucht von Noahs Schüssen.
Noah senkte den Kopf, nahm drei Schritte Anlauf. Drei große Schritte. Eins, zwei, drei. Holte tief Luft. Ließ die Arme locker hängen. Wie Cristiano Ronaldo.
Dann rannte er los. Traf den Ball optimal mit dem Innenrist. Wamm!
Die Pille zirkelte haarscharf über Mattis Frisur. Genau ins Lattenkreuz.
Hardy im Kasten konnte sich so lang machen, wie er wollte. Gegen diesen Kunstschuss war auch der beste Torwart der Welt machtlos.
Noah ließ sich auf die Knie fallen. Ballte die Fäuste.
„Ich bin genial!“, brüllte er über den Platz.
„Wissen wir!“, antworteten Matti und Hardy wie aus einem Munde. Beide lachten.
Noah war schon seit der ersten Klasse ihr Freund. Deshalb wurde ihm auch jeder Anflug von Größenwahn verziehen.
Noah hätte in diesem Augenblick die ganze Welt umarmen können. Es war Frühling. Über ihnen strahlte die Sonne. Ein Samstag. Keine Schule. Was konnte es da Schöneres geben, als mit seinen besten Kumpels Matti und Hardy auf der eigenen Fußballwiese zu spielen? Vor ihrem Klubhaus, einem alten Bauwagen.
Nur Simon, den alle wegen seiner ultradicken Brillengläser Eule nannten, fehlte noch zum totalen Glück.
Plötzlich quietschte eine Bremse. Reifen schrappten über den Kiesweg. Staub wirbelte auf.
Ein orangerotes Bonanzarad kam neben dem Spielfeld zum Stehen. Darauf der Teufelsfahrer Nummer eins: Eule. Er wedelte mit einem Brief.
Eule hatte einen knallroten Kopf. Musste gerast sein wie ein Berserker.
„Er ist da!“, brüllte Eule völlig außer Atem. Er stieg ab. Sein sonst so heiß geliebtes Fahrrad fiel achtlos in den Dreck. „Leute, verdammt noch mal, er ist da!“
Wenn Matti, Hardy und Noah den Ball liegen ließen, konnte es nur um etwas noch Aufregenderes gehen als den Weltuntergang: um Fußball.
Nach null Komma zwei fünf Sekunden standen die drei neben ihrem Verteidiger. Alle starrten den Brief an.
Einladung stand auf dem Umschlag. Der Absender: die Sportschuhmarke Sprintastic.
„Wahnsinn!“, stammelte Matti. „Nun mach schon auf!“
Eule nickte. Mit zittrigen Fingern öffnete er den Umschlag. Dann las er ihnen den Text vor.
„Lieber Simon … blabla … tolle Leistung … blabla … Wir freuen uns, dich zum internationalen Fußballturnier nach England einladen zu können. Abfahrt ist Sonntag, 8. Juni, 8 Uhr.“
Noah schüttelte ungläubig den Kopf. „Es war also wirklich kein Traum, Leute. Wir haben alle Mannschaften Deutschlands geschlagen. Und die Auswahlteams von Österreich und der Schweiz. Jetzt machen wir die anderen Länder kalt!“
Hardy schnaufte tief durch. „Jungs, ich glaub erst dran, wenn ich meine eigene Einladung in den Händen halte.“
Kaum hatte er ausgesprochen, näherten sich drei Frauen dem Fußballplatz. Aus drei verschiedenen Richtungen.
Hardys Mutter in Pantoffeln.
Mattis Mutter mit einem Handtuch um den Kopf.
Und Noahs Mutter mit einer Tasse Kaffee in der Hand.
Alle winkten schon von Weitem mit einem Umschlag.
Als hätten sie sich vorher abgesprochen, riefen die drei im Chor: „Post für dich! Ein Brief von Sprintastic!“