Hannah Fry
Die Mathematik der Liebe
Von der Berechenbarkeit eines großen Gefühls
Aus dem Englischen von Irmengard Gabler
FISCHER digiBook
Foto: privat
Hannah Fry ist Juniorprofessorin für Mathematik und Komplexitätswissenschaft am Centre for Advanced Spatial Analysis des University College in London, wo sie sich unter anderem mit der Erforschung menschlicher Verhaltensmuster – etwa im Terrorismus, in der Wirtschaft oder beim Shoppen – beschäftigt. Sie tritt regelmäßig in Rundfunk und Fernsehen auf und trägt ihre Freude an der Mathematik in die Öffentlichkeit.
Sie finden sie auf Twitter: @fryrsquared.
Hannah Fry erklärt uns die Muster, die unser Liebesleben bestimmen, und geht dabei auf die häufigsten und komplexesten Fragen rund um das Thema Liebe ein: Wie stehen die Chancen, die große Liebe zu finden? Wie wahrscheinlich ist es, dass diese dann auch hält? Wie lässt sich eine Scheidung verhindern? Wann ist es an der Zeit, Kompromisse einzugehen?
Von den besten Strategien für Onlinedating bis hin zur Definition von Schönheit – Hanna Fry zeigt mit großem Können, Witz und Esprit, wie hilfreich Mathematik für unser aller Liebesleben sein kann.
Erschienen bei FISCHER digiBook
Covergestaltung: Nicole Lange, Darmstadt
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel:
»The Mathematics of Love. Patterns, Proofs and the Search for the Ultimate Equation«
im Verlag Simon & Schuster, Inc., New York
© 2015 by Dr. Hannah Fry
Für die deutsche Ausgabe:
© 2015 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114,
D-60596 Frankfurt am Main
Illustrationen: Christine Rösch
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403547-5
Das Problem aufzuspalten, macht die Schätzung zu einer Brown’schen Bewegung. Eine Schätzung mit n Schritten hätte einen Fehler, der sich wie √n verbreitet.
Und es ist schließlich mein Buch.
Nur der Klarheit halber: Wir sprechen hier von Spiegelsymmetrie. Rotationssymmetrie in einem Gesicht gilt im Allgemeinen als Nachteil.
Vgl. In Your Face von David Perrett, ein gutgeschriebener und gutverständlicher Überblick.
Für n Fragen lautet die Formel:
Ungelogen.
Sozou und Seymour, »Costly but worthless gifts facilitate courtship« (2005).
Güth, Ivanova-Stenzel und Wolfstetter, »Bidding Behavior in Asymmetric Auctions: An Experimental Study« (2005).
Obwohl Axelrods »Tit for Tat«-Strategie nicht für alle Szenarien geeignet scheint, hat es sich in mehreren Computerwettbewerben zu Strategien des Gefangenendilemmas wiederholt als sehr erfolgreich erwiesen. Und weil sie so einfach anzuwenden ist, funktioniert diese Strategie besonders auf lange Sicht – somit auch bei Verabredungen.
Sie sind deshalb als skalenfrei bekannt, weil das ihnen zugrundeliegende Potenzgesetz – im Unterschied zu normalen Verteilungen oder Poisson-Verteilungen – keinen typischen Parameter hat (wie die mittlere oder Standardabweichung), der ihre Skala definiert.
Da sich n der Unendlichkeit annähert, kann die Summe von einem Integral angepeilt werden mit P(1/e) = 1/e für die Euler’sche Zahl e.
Ich würde es gern richtig erklären, aber es wird tatsächlich ziemlich kompliziert. Und seien wir ehrlich, wir haben alle ein Leben zu führen.
Obwohl eine Monte-Carlo-Computersimulation weitaus vernünftiger wäre. Monte-Carlo-Methoden bieten Stichproben. Damit erübrigt sich die Überprüfung sämtlicher Kombinationen.
Beispiele umfassen den Algorithmus der simulierten Abkühlung und das Nelder-Mead-Verfahren, beides effiziente Wege, um nach optimalen Lösungen zu suchen.
Der CPLEX-Problemlöser wendet einen Algorithmus aus der linearen Programmierung an und benutzt die Zufriedenheitswerte, um einen zulässigen Bereich im Lösungsraum zu schaffen. Er überspringt alles im Inneren dieses konvexen Polytops, indem er davon ausgeht, dass das optimale Ergebnis auf der Oberfläche des Simplex liegt.
Ein vollständiger Überblick über das Bewertungssystem findet sich in Coan und Gottman, »The Specific Affect Coding System (SPAFF)«, 1995.
Mein Mann sollte besonders diesen Punkt beachten.
Basierend auf einer Befragung von Neuvermählten in Seattle zwischen 1989 und 1992. Neben unbeeinflussten Parametern beider Parteien erwiesen sich hohe Negativitätsschwellen als maßgebliche Indikatoren für eine wahrscheinliche Scheidung.
Leser, die an einem leicht verständlichen Überblick über Fachliteratur zur Ehe interessiert sind, sollten sich das faszinierende, brillant geschriebene Buch The Mathematics of Marriage (Basic Books, 2005) zu Gemüte führen, von Gottman, Murray, Swanson, Tyson und Swanson.
Zunächst muss ich eines gestehen: Ich bin keine Expertin in Sachen Liebe. Ich habe noch nie einen Psychologiekurs belegt, begreife die menschliche Biochemie nur in Grundzügen, und meine Erfahrung in puncto Verabredungen ist – wie bei den meisten von uns – ein Cocktail aus wenigen Treffern und einer tüchtigen Portion Nieten.
Ich bin allerdings Mathematikerin. Und im Zuge meiner Arbeit, die darin besteht, bestimmte Muster im menschlichen Verhalten zu entdecken und zu begreifen, habe ich erkannt, dass die Mathematik uns einen neuen Blick auf fast alles eröffnen kann – selbst auf etwas so Mysteriöses wie die Liebe.
Ich will mit diesem Buch keinen Ersatz schaffen für all die herausragenden Quellen zur Wissenschaft menschlicher Beziehungen. Ich wäre gänzlich ungeeignet, die unfassbare Erregung, verzehrende Leidenschaft oder bodenlose Verzweiflung zu beschreiben, die mit der Liebe einhergehen kann. Wenn es das ist, wonach Sie suchen, sollten Sie sich einem beliebigen Gemälde, Gedicht, plastischen Werk oder Musikstück der vergangenen 5000 Jahre zuwenden.
Ich dagegen möchte versuchen, Ihnen dieses am meisten besprochene Thema in der Geschichte der menschlichen Existenz aus einem neuen Blickwinkel zu präsentieren, nämlich dem der Mathematik.
Sie dürfen getrost davon ausgehen, dass Liebe und Mathematik nicht auf den ersten Blick ein Traumpaar sind. Menschliche Emotionen sind im Unterschied zu mathematischen Gleichungen weder ordentlich noch wohlerzogen, und was eine Romanze so aufregend macht, lässt sich nicht so leicht definieren.
Das heißt aber nicht, dass die Mathematik nichts zu bieten hätte. Sie forscht nach Mustern – zur Vorhersage bestimmter Phänomene, vom Wetter angefangen bis hin zum Wachstum von Städten. Mit ihrer Hilfe lässt sich alles erklären, von den Gesetzmäßigkeiten des Universums bis hin zum Verhalten subatomarer Teilchen. Und auch diese Dinge sind – seien wir ehrlich – weder sauber geordnet noch leicht vorhersehbar.
Glücklicherweise strotzt auch die Liebe – wie das meiste im Leben – geradezu von Mustern: von der Anzahl der Sexualpartner, die wir im Leben haben, bis hin zu der Frage, wie wir bei der Partnersuche via Internet unsere Auswahl treffen, ehe wir mit jemandem Kontakt aufnehmen. Diese Muster drehen und wenden, krümmen und entwickeln sich, genau wie die Liebe, und sind dennoch Muster, die die Mathematik auf einmalige Weise beschreiben kann.
Die Mathematik bietet uns diverse Einsichten in die Partnersuche, aber ich muss Ihnen noch etwas gestehen: Der Zweck dieses Buches besteht nicht nur darin, Ihr Liebesleben unter die Lupe zu nehmen. Ich möchte auch zeigen, wie schön und relevant die Mathematik ist. Ich war immer ein wenig enttäuscht, dass die Mathematik im Allgemeinen einen so schlechten Ruf genießt, auch wenn es nicht überrascht. Die meisten Menschen kennen die Mathematik nur aus der Schulzeit, als ausgesprochen verhasstes Unterrichtsfach: Die Themen schienen wenig inspirierend, die Ideen hatten sich seit Jahrhunderten nicht verändert, und die Lösungen der Aufgaben standen hinten im Buch. Kein Wunder also, dass einige Leute glauben, Mathe habe ihnen nichts Neues zu bieten. Trotzdem liegen sie weit daneben.
Die Mathematik ist die Sprache der Natur. Sie ist der Grundstein, auf dem jede bedeutende wissenschaftliche und technologische Leistung der modernen Zeit basiert. Sie ist lebendig, und gedeiht prächtig. Wie der Physiker und Schriftsteller Paul Davies es ausdrückte:
Ohne die Mathematik ist es nicht möglich, die volle Bedeutung der Ordnung in der Natur zu erfassen, die so gründlich mit der physikalischen Wirklichkeit verwoben ist.
Um Ihnen zu zeigen, wie aufschlussreich, relevant und mächtig die Mathematik sein kann, habe ich absichtlich ein Thema gewählt, das so weit wie nur irgend möglich von Gleichungen und Beweisen entfernt liegt. Sie sollen erkennen, dass die Mathematik selbst in diesem Zusammenhang einiges zu bieten hat. Daher möchte ich Ihnen zeigen, wie sich – auf mathematisch nachprüfbarem Wege – die Liebe und ihre Funktionsweise begreifen lässt.
Wir werden berechnen, wie gut Ihre Chancen stehen, den Traumpartner zu finden. Ich liefere Ihnen die mathematische Rechtfertigung, die Sie brauchen, um jemanden in einer Bar anzusprechen, und ziehe sogar ein paar mathematische Tricks aus dem Hut, mit deren Hilfe Sie eine reibungslose Hochzeit planen können.
Für die meisten Beispiele habe ich das traditionelle Mann-trifft-Frau-Schema verwendet, weil es die Mathematik erheblich einfacher macht, wenn zwei klar definierte Gruppen einander ins Visier nehmen. Abgesehen von der Wahl der Beispiele sind die Ergebnisse und Ratschläge im Buch jedoch allgemein genug gehalten, um sich auf jedes Geschlecht und jede sexuelle Neigung übertragen zu lassen.
Gelegentlich benutzen wir die Daten realer Paare, um all den einsamen Herzen, die nach einem besonderen Menschen suchen, eine geeignete Strategie an die Hand zu geben. Dann wieder begeben wir uns, auf der Jagd nach Einsichten, in die Abstraktion und Vergröberung (wie Mathematiker es so oft zu tun pflegen). Viele Beispiele entstammen den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft, aber die Mathematik ist stets mit von der Partie, auch wenn sie zuweilen eine etwas zurückhaltende Rolle spielt. Die Beispiele lassen sich vielleicht nicht immer auf Ihr eigenes Liebesleben übertragen, aber ich hoffe, Sie finden sie trotzdem interessant.
Obwohl das Ziel dieses Buches darin besteht, jene Muster aufzudecken, die einem der größten Rätsel des Lebens zugrunde liegen, hege ich die Hoffnung, dass ein wenig Einsicht in die Mathematik der Liebe Sie vielleicht Ihre Liebe zur Mathematik entdecken lässt.
In vielerlei Hinsicht sind wir alle gleich. Von persönlichen Marotten einmal abgesehen, würden wenige von uns die Gelegenheit verstreichen lassen, sich wahrhaft romantisch zu verlieben. Auf die eine oder andere Weise eint uns alle ein inneres Verlangen nach dauerhaftem Glück. Wie Sie den Traumpartner ködern und an sich binden können, sind wichtige Aspekte meiner Mission, und wir kommen noch darauf zu sprechen, aber zunächst einmal gilt es diesen speziellen Jemand überhaupt zu finden, auf den man seine Zuneigung richten kann.
Für diejenigen unter uns, die sich schon eine Zeitlang allein durchs Leben schlagen, kann die Suche nach diesem Jemand bisweilen zur unüberwindlichen Herausforderung werden. Wer etliche Jahre in Folge immer nur auf langweilige Bernards oder durchgeknallte Suzys trifft, kann frustriert und enttäuscht den Eindruck bekommen, alles hätte sich gegen ihn verschworen. Und einige mögen sogar behaupten, dieser Eindruck sei nicht ganz unbegründet. So hat 2010 der Mathematiker und langjährige Junggeselle Peter Backus errechnet, es gebe mehr intelligente außerirdische Zivilisationen in unserer Galaxie als potentielle Partnerinnen für ihn.
Die Sache ist aber vielleicht nicht ganz so aussichtslos, wie es zunächst den Anschein hat. Es gibt immerhin sieben Milliarden Menschen auf der Erde, und wenn sie auch nicht alle unserem Geschmack entsprechen, erklärt dieses Kapitel doch, wie wir mit Peter Backus’ Methode unsere Aussichten auf einen Partner errechnen können – und warum wir, indem wir uns den Gegebenheiten ein wenig öffnen, die Chancen erhöhen, hier auf unserem Planeten Liebe zu finden.
In seiner Abhandlung mit dem Titel »Warum ich keine Freundin habe« greift Backus eine Formel auf, mit deren Hilfe Wissenschaftler eigentlich erklären, warum die Erde noch nicht von Außerirdischen heimgesucht worden ist. Er hingegen nutzt sie, um die Anzahl der Frauen zu errechnen, die eventuell seinen Ansprüchen genügen.
Die Gleichung, die Backus anwendet, wurde nach Frank Drake, ihrem Erfinder, benannt und soll die Anzahl intelligenter außerirdischer Lebensformen in unserer Galaxie schätzen. Die Methode ist einfach: Drake spaltet das Problem in kleinere Komponenten auf und fragt zunächst nach der Durchschnittsrate von Sternformationen in unserer Galaxie, dann nach dem Anteil der Sterne, die Planeten haben, dann nach dem Anteil der Planeten, auf denen Leben möglich wäre, und schließlich nach dem Anteil von Zivilisationen, die vielleicht imstande sind, eine Technologie zu entwickeln, mit deren Hilfe sie sichtbare Zeichen ihrer Existenz in den Weltraum aussenden könnten.
Drake bediente sich eines unter Wissenschaftlern wohlbekannten Tricks: Er stellte viele kleine schlaue Vermutungen an, statt eine große Schätzung abzugeben. Das Ergebnis dieses Tricks ist eine Schätzung, die mit einiger Wahrscheinlichkeit der Wahrheit überraschend nah kommt, da etwaige Fehler dazu tendieren, einander unterwegs auszugleichen.[1] Je nachdem, welche Werte bei jedem einzelnen Schritt gewählt wurden (und über die letzten herrscht Uneinigkeit), gehen Wissenschaftler derzeit von etwa 10000 intelligenten außerirdischen Zivilisationen in unserer Galaxie aus. Dies hat nichts mit Science-Fiction zu tun: Wissenschaftler sind wirklich der festen Überzeugung, dass es da draußen Leben gibt.