Lady Gaga ist tot.
Dezember 2019. Ich befand mich mitten in einem Umzug und hatte mir den Tag freigenommen, um meinen Keller leer zu räumen, als ich die Nachricht erhielt. In wenigen Tagen würde mein vierter Roman erscheinen, und bis dahin wollte, bis dahin musste ich mit allem fertig sein. Ich stieg gerade die Treppen zu meiner Wohnung hinauf, als das Handy in meiner Jeans vibrierte. Die Nachricht kam von meinem Freund, und sie war so kurz wie niederschmetternd: »Lady Gaga ist tot.« Ich starrte die Buchstaben auf dem Display an, mein Herz pumpte wie wild, meine Gedanken rasten. Lady Gaga ist tot.
Noch während ich die letzten paar Stufen nahm, gingen mir tausend Dinge durch den Kopf. War es ein Unfall? Car crash? Flugzeugabsturz? Etwas anderes, Unwahrscheinlicheres? Herzinfarkt? Hirnschlag? Das kann auch jungen Menschen passieren, das hört man doch immer wieder. Und: Gaga ist krank, leidet unter chronischen Schmerzen, nimmt garantiert jede Menge Medikamente. Nein, Moment. Sie nahm jede Menge Medikamente. War es eine Überdosis? Oh Gott, war es am Ende Selbstmord? Gaga hat immer sehr offen über ihre psychischen Erkrankungen gesprochen, über die Depression, die anxiety, all das …
Ein Teil von mir nahm überrascht zur Kenntnis, wie geschockt, wie traurig ich war. Ich hatte sie nie verstanden, die Fans, die um Popstars trauerten wie um Freundinnen, um Freunde. So fühlte sich das also an. Da stirbt jemand, den du in vielerlei Hinsicht besser kennst als manche deiner Liebsten.
Ich jedenfalls weiß Dinge über Lady Gagas Kindheit und ihre Beziehungen, über ihre Triumphe und ihre Niederlagen, ihre Traumata und ihre Träume, die ich noch nicht einmal von manchen meiner engsten Freundinnen weiß. Lady Gaga hat sich preisgegeben. In ihrer Kunst und weit darüber hinaus. Und ich war bei so vielem dabei. Ich habe nicht nur zugehört und zugesehen, ich habe mitgefühlt. Wie kalt müsste mein Herz sein, um sie nun nicht zu betrauern?
In meiner Wohnung entsperrte ich mein Handy, atemlos. Öffnete die Google-App, tippte »Lady Gaga« und klickte auf News. Ich erwartete einen medialen Sturm und fand: nichts. Ich wunderte mich, scrollte. Und dann stieß ich auf die folgende Schlagzeile: »Deutschlands schönste Kuh ›Lady Gaga‹ ist tot«.
Ich musste mich kurz setzen, durchatmen.
Ich verfluchte den morbiden Humor meines Freundes. Wie konnte er es wagen? Darüber machte man keine Witze! Gleichzeitig war ich unfassbar erleichtert. Und begriff mit einem Schlag, was Lady Gaga mir bedeutete. Für viele war Lady Gaga schlicht die Queen des Disco-Pop, die vor allem durch verrückte Outfits auffiel. Doch für mich war sie so viel mehr.