Ulrike Grafberger
Holland für die Hosentasche
Was Reiseführer verschweigen
FISCHER E-Books
Ulrike Grafberger ist Journalistin, Online-Redakteurin und »Holland-Botschafterin für Deutschland« für den Niederländischen Tourismus-Verband. Auf ihren eigenen Websites scheveningen-strand.de, untermmeeresspiegel.blogspot.nl und amsterdam-blog.de lesen 300 000 Besucher jährlich mit. Ulrike Grafberger ist Autorin mehrerer Reiseführer und lebt mit ihrem holländischen Mann und ihrem Sohn im Den Haager Stadtteil Scheveningen.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Die Reisejournalistin Ulrike Grafberger verrät alles über das Land, in dem sich Windmühlen drehen, Tulpen wachsen und alle in Holzschuhen Käse essen: kuriose und manchmal auch ganz ernst gemeinte Fakten, Infos und Anekdoten über die Niederlande.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: Geviert, Grafik & Typografie, München
Coverabbildung: Shutterstock
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403664-9
Als ich vor über zwölf Jahren meinen Eltern verkündete, dass ich nach Holland ziehen würde, hielt sich ihre Begeisterung in Grenzen. Sie wohnen in Süddeutschland, und ihr Blick richtete sich hauptsächlich Richtung Süden. Holland? Das bedeutete nichts anderes als Sodom und Gomorrha, Hippies und Hascher, Käseköpfe und Holzschuhträger. Meine Mutter befürchtete, man könne dort weder gut einkaufen noch schick ausgehen. Mein Vater versprach sich von der holländischen Küche wenige kulinarische Höhenflüge. Und vom Wetter natürlich ganz zu schweigen. Nichts als Regen.
Und ich? Ich war neugierig. So schlimm würde es schon nicht werden. Heute weiß ich: An den Vorurteilen meiner Eltern ist etwas dran. Die Holländer sind Freigeister und halten sich nicht gerne an Regeln. Sie kiffen auf der Straße, denn das ist erlaubt. Doch meistens sind es Touristen, die sich den obligatorischen Joint in Amsterdam reinziehen. Was das Einkaufen und Ausgehen betrifft: Die Holländer zeigen sich gerne locker und leger, ihr Wesen ist eher sparsam als opulent. Doch wer Schickimicki sucht, wird auch das in der P.C. Hooftstraat in Amsterdam, in den Alleen von Wassenaar oder rund um den Königspalast Noordeinde in Den Haag finden. Und genauso wie man dort stilvoll shoppen und ausgehen kann, so gibt es auch hervorragende Restaurants. Rund 100 Restaurants mit einem oder mehr Michelin-Sternen haben sich in Holland niedergelassen. Doch einfache Fisch- und Frittenbuden sind nach wie vor die Hollandklassiker und erfreuen sich großer Beliebtheit – sowohl bei den Holländern als auch bei den Touristen.
Und dann wäre da noch das Vorurteil des schlechten Wetters. Mit rund 1600 Sonnenstunden pro Jahr übertrifft die niederländische Küste die deutschen Städte Düsseldorf, Köln und Hamburg, die nur jeweils 1550 Sonnenstunden pro Jahr verzeichnen. Zugegeben: München toppt sie alle, doch dafür kann man dort lange nach einem Meeresstrand suchen.
Alles gute Argumente, um den Urlaubsblick doch mal nach Holland zu richten. Oder muss es nicht eher die Niederlande heißen? Offiziell spricht man von den Niederlanden, und Holland umfasst eigentlich nur die Provinzen Süd- und Nordholland. Doch so wie wir beim Fußball für Holland schreien (oder auch nicht), holländische Tomaten und Tulpen kaufen (oder auch nicht) und nach Holland ans Meer fahren (immer wieder gerne), so werde ich auch in diesem Buch hauptsächlich von Holland sprechen, auch wenn ich die ganzen Niederlande damit meine. Die Limburger, Friesen und Zeeländer mögen es mir verzeihen.
Und jetzt wünsche ich eine unterhaltsame Reise durch die folgenden Buchseiten und, so hoffe ich, auch im echten Leben durch Holland.
Sie wohnen in Windmühlen und auf Hausbooten, haben Holzschuhe an den Füßen und einen Fahrradsattel unter dem Po. Sie essen am liebsten Gouda-Käse, Hering und Pommes mit drei verschiedenen Saucen. Sie trinken Buttermilch zum Mittagessen und Heineken am Abend. Sie lieben ihre Freiheit, sind tolerant und fordern für Schwule und Lesben die gleichen Rechte. Auch den Vierbeinern geht es in Holland dank Tierambulanz und Tierpartei außerordentlich gut. Ihre Herrchen rauchen Joints ganz legal auf der Straße, treffen sich am Freitagnachmittag gezellig zum Umtrunk mit ihren Kollegen und fahren mit dem Wohnwagen in den Urlaub. Alles Klischees? Ja natürlich. Doch auch ein Stück waarheid.
Gott schuf die Erde. Die Holländer ihr eigenes Land. Und was für ein Land! Wo aus einem Meeresarm Ackerland wurde und Deiche vor den Fluten schützen, wo Windmühlen Wasser aus den Feldern pumpen und Kanäle Wiesen durchziehen, da lässt es sich gut leben. Da grasen Kühe und liefern Milch für den weltbesten Käse, da wachsen Tulpen in bunten Reihen – zur Freude Tausender Japaner.
Wer nach Holland kommt, der begegnet immer wieder dem Wasser. Meer, Seen, Kanäle, Grachten, Flüsse – im Zaum gehalten von Deichen und Dünen. Dazwischen tummeln sich auf engstem Raum die Holländer. Ein Volk, das sich so manchen Superlativ auf die Fahne schreiben kann, beispielsweise in Sachen Körpergröße. Mit einer durchschnittlichen Körpergröße von 170 weiblichen Zentimetern und 183 männlichen Zentimetern sind die Holländer das größte Volk der Erde. Doch müssen sie ihre Körpergröße auf einen kleinen Raum zwängen, denn die Niederlande gehören mit 502 Einwohnern pro Quadratkilometer zu den am dichtesten besiedelten Ländern der Welt.
Stört nicht weiter, denn die Holländer zählen zu den glücklichsten Völkern der Erde und belegen regelmäßig einen vorderen Platz unter den Top Ten im World Happiness Report der Vereinten Nationen, während Deutschland 2015 nur auf Platz 26 landete. Man beruft sich dabei auf Faktoren wie geistige Gesundheit, Lebenserwartung, Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, wenig Korruption sowie Freundschaften und Entscheidungsfreiheit als Gradmesser für das empfundene Glück. Und so geraten die Holländer immer wieder in eine Spitzenposition des Wohlbefindens.
Begeben wir uns also auf die Suche nach dem holländischen Lebensglück und der Mentalität eines besonders zufriedenen Volkes.
Das Streben nach Gleichheit
»Alles, was heraussticht, weckt in den Niederländern den unwiderstehlichen Drang, es seiner Umgebung anzugleichen.«
Godfried Bomans
In Deutschland sind die Holländer bekannt dafür, sich bevorzugt auf der linken Seite zu bewegen. Auf der allerlinksten Spur der Autobahn, mit Wohnwagen versteht sich. So behaupten es zumindest die Deutschen. Doch im eigenen Land hält man sich eher in der Mitte auf. Als »Mittelmaß« sieht der emeritierte Professor für historische Literaturwissenschaft, Herman Pleij, seine Landsleute. Und meint es noch nicht einmal abfällig, denn durch das Mittelmaß werde »das Streben nach Gleichheit gefördert und gesellschaftliche Unruhe gebremst«.
Und so sagt man den Holländern nach, sie würden sich immer schön zwischen allen anderen verstecken; aus der Masse herausstechen wäre nicht ihr Ding. Wer dies dennoch tut, dem wird der Kopf gekürzt. Und das fängt schon in der Schule an: Die »Sechser-Kultur« wird oft beklagt, ist aber Realität. Die Notenskala reicht in Holland von eins bis zehn, wobei eins die schlechteste Note ist und eine Sechs »gerade mal geschafft« bedeutet.
»Doe maar gewoon dan doe je al gek genoeg« (»Bleib normal, dann bist du verrückt genug«) lautet ein bekanntes holländisches Sprichwort. Wenn man nicht ausgerechnet in Wassenaar oder im Gooi wohnt, dann wird man kaum eine Frau mit Pelzmantel oder dicken Juwelen an Hals und Arm antreffen. Eine goldglänzende Rolex braucht man nicht, ebenso wenig einen dicken Benz. Man gibt sich bescheiden, eher unscheinbar.
So kommt es, dass sich selbst Ministerpräsident Mark Rutte keine Extrawurst erlaubt. Er fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit, holt sich auf dem Weg von einem Ministerium zum anderen einen Coffee to go im Café Belmondo, besitzt einen alten Saab, wohnt in einer einfachen Wohnung, gibt jeden Donnerstagmorgen zwei Stunden Sozialkunde in einer öffentlichen Schule und geht jede Woche für seine Mutter bei Albert Heijn einkaufen. Und dann sieht man den niederländischen Ministerpräsidenten auch mal mit Putzmittel und Toilettenpapier durch den Supermarkt hetzen.
Tolerantes Holland
Ein Land, das seit Jahrhunderten vom Handel lebt, kann sich Engstirnigkeit schlichtweg nicht erlauben. Andere Menschen, andere Glaubensrichtungen, andere Werte mussten schon immer akzeptiert werden, um zum Ziel zu gelangen und Geschäfte tätigen zu können. Schon im 17. Jahrhundert fuhren die Holländer über alle Weltmeere, um mit anderen Völkern zu verhandeln, Verträge zu schließen und sich langfristige Handelsabkommen zu sichern. Wer kann es sich da leisten, sich über andere Essgewohnheiten, Hautfarben und Rituale zu echauffieren? Man ging pragmatischer vor, übernahm die eine oder andere Gewohnheit und bog sich das Fremde zurecht. Sklaven aus Afrika bekamen holländische Namen wie Andrée oder Kees, und wenn es in der Ferne keine Hähnchen oder Enten gab, dann ließ man sich eben einen Dodo schmecken.
Anderen Religionen gegenüber gab man sich offen. Schon Ende des 16. Jahrhunderts war Amsterdam ein Zufluchtsort für Andersgläubige. So wohnten in Amsterdam Katholiken neben Protestanten, Remonstranten neben Calvinisten, Moslems neben Juden. Der berühmteste Gelehrte der Stadt, der Philosoph Baruch de Spinoza, schrieb in seinem Theologisch-Politischen Traktat im Jahr 1670: »In ihrem prächtigen Gedeihen und in der Bewunderung aller Völker erfährt sie (Amsterdam) die Früchte dieser Freiheit. In diesem blühenden Staate, in dieser herrlichen Stadt leben alle Menschen, welchem Volke und welcher Sekte sie auch angehören, in der vollkommsten Eintracht.«
Zwar wurden alle Religionen geduldet, doch sahen es die vorherrschenden Calvinisten nicht gern, wenn man die jeweilige Religion in aller Öffentlichkeit zur Schau stellte. Das betraf auch die vielen Katholiken, die damals in Amsterdam lebten. Um ihren Gottesdienst dennoch abhalten zu können, errichteten sie schuilkerken, versteckte Kirchen, wie die Kirche Ons’ Lieve Heer op Solder oder die Kapelle im Begijnhof in Amsterdam. Diese schuilkerken lagen in Hinterhäusern oder Dachböden, so wie die Kirche Ons’ Lieve Heer op Solder im Dachgeschoss eines Amsterdamer Grachtenhauses. Noch heute ist die Kirche zu besichtigen, die komplett mit Altar, Orgel und Sitzbänken ausgestattet ist und deren Kirchenraum über drei Etagen Balkone zieren.
Neben der Offenheit anderen Religionen und Völkern gegenüber ist Holland heute bekannt dafür, auch andere sexuelle Vorlieben zu tolerieren. Jeder kann sich in Holland öffentlich zu seiner sexuellen Orientierung bekennen, ob er homo- oder bisexuell oder Transgender ist. In Holland zerreißt sich keiner den Mund darüber, ob eine gerade von ihrem Mann geschiedene Frau nun mit einer neuen Freundin zusammenlebt oder das Schwulenpärchen von nebenan eine kleine Tochter adoptiert hat. Die Niederlande waren 2001 das erste Land der Welt, das die sogenannte Homo-Ehe zuließ.
Als die Diskriminierung von Homosexuellen in Russland auch in den niederländischen Medien thematisiert wurde, ging ein Aufschrei durch das Land. Tausende Holländer demonstrierten im April 2013 in Amsterdam, als der russische Präsident einer Ausstellungseröffnung im Schifffahrtmuseum beiwohnte. Bei der darauffolgenden Gay Pride Parade in den Amsterdamer Grachten im August setzten die toleranten Holländer auch von offizieller Seite ein Zeichen. Vier niederländische Minister, darunter Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert und Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, fuhren bei der Canal Parade fröhlich winkend zwischen den schrill gekleideten Homos auf Booten mit. Ebenfalls mit von der Partie war ein Boot des KNVB, des Königlichen Niederländischen Fußballbundes, mit den Fahrgästen Louis van Gaal, Patrick Kluivert, Ronald de Boer, Aron Winter und Pierre van Hooijdonk. Obwohl der Sport Fußball bis dato nicht als besonders homofreundlich bekannt war, erschienen an diesem Tag holländische Fußballer ebenso wie Politiker in einem rosaroten Licht.
So unkonventionell, freiheitsliebend und aufgeschlossen die Holländer uns heute erscheinen mögen, dies war einmal anders. In den Jahren 1920 bis 1970 war das Land von einer verzuiling, einer »Versäulung« geprägt. Die Bevölkerung fühlte sich verschiedenen Denk-, Religions- und Lebensrichtungen zugehörig, die als Säulen bezeichnet wurden. Es gab die protestantische (calvinistische), katholische, sozialistische und liberale Säule. Jede Säule hatte ihre eigenen Parteien, Gewerkschaften, Schulen, Sportvereine, Zeitungen und Radio- und Fernsehsender. Man wurde in einer katholischen Kirche getauft, ging in eine katholische Schule, spielte Fußball in einem katholischen Verein und heiratete eine katholische Frau. Natürlich sah man auch die entsprechenden Fernsehsendungen, las die passenden Zeitungen und wählte die katholische Partei KVP (Katholieke Volkspartij).
Die »Entsäulung« der Niederlande begann in den 1960er-Jahren, als sich die Jüngeren von ihren Eltern und ihrer jeweiligen Säule abwandten. Zudem gewann das Individuum mit seiner Selbstverwirklichung an Bedeutung. Überreste der Versäulung sind noch spezielle Fernsehsender wie der Evangelische Omroep (EO) und der Katholieke Radio Omroep (KRO).
Holländische Freiheitsliebe
Was in unserer heutigen Zeit als normal gilt, war es in Holland schon im 17. Jahrhundert: Nicht nur die Frauen, sondern auch Männer kümmerten sich um die Kinder. Pärchen küssten sich auf offener Straße und gingen noch spät am Abend gemeinsam spazieren. Vor allem in Friesland sah man Frauen noch bis in die Nacht alleine mit Schlittschuhen über das Eis gleiten. Selbst Kinder genossen viele Freiheiten, und Schläge waren schon damals verpönt. Vom Niederlande-Experten Christoph Driessen stammt das Zitat: »Wenn es im 17. Jahrhundert schon ein kinderfreundliches Land gab, dann waren es die Niederlande.«
Wer sich selbst ein Bild vom bunten Miteinander während des Goldenen Zeitalters machen möchte, der kann sich die Gemälde des holländischen Malers Jan Steen (1626–1679) genauer betrachten, wie zum Beispiel das Bild namens Het Sint Nicolaasfeest im Amsterdamer Rijksmuseum. Jan Steens Bilder zeigen feucht-fröhliche Feste, bei denen Frauen und Männer, Kinder und Hunde zusammen feiern. Schuhe und Nüsse liegen auf dem Fußboden, Stühle sind umgefallen, ein kleines Mädchen probiert einen Schluck Wein, der Hund schnappt sich ein Stück Kuchen, es wird musiziert und getanzt. Von diesen liebevoll porträtierten, teilweise chaotischen Szenen holländischer Haushalte wurde die Redewendung een huishouden van Jan Steen abgeleitet, vergleichbar mit dem Deutschen »Dort schaut’s aus wie bei Hempels unterm Sofa«. Obwohl Jan Steen seine Bilder mit einem erhobenen Zeigefinger malte, sind sie auch Zeugen ihrer Zeit.
Auch die Gemälde des Malers Hendrick Avercamp, die an Wimmelbilder erinnern und teilweise ebenfalls im Rijksmuseum zu sehen sind, zeigen, wie frei man im 17. Jahrhundert in Holland leben konnte. Damals herrschte eine sogenannte kleine Eiszeit, und die Kanäle und Seen waren zugefroren. Ideal, um die Freiheit auf dem Eis zu genießen. Pärchen laufen händchenhaltend über das Eis, zwei Eisläufer sind durchs Eis gekracht, man spielt eine Art Eishockey, Kinder sind mit einer Schneeballschlacht zugange, und selbst Hunde staksen über das Eis. In Holland versuchte man also schon immer, sein Leben so zu führen, wie es einem behagte. Von Regeln hielt und hält man nicht viel.
Die meisten Holländer, und damit sind jetzt tatsächlich vor allem die Provinzen Süd- und Nordholland gemeint, stört es nicht, wenn im Nachbargarten das Unkraut wuchert, wenn Hunde mitten auf dem Gehsteig ihr Geschäft machen oder die Kinder im Restaurant mit Pommes schmeißen. Keiner würde sich einmischen und den Nachbarn, den Hundebesitzer oder die Eltern auf das vielleicht nicht ganz korrekte Verhalten ansprechen. Denn wenn die Holländer eins nicht mögen, dann ist es, wenn man ihnen Dinge vorschreibt oder sie auf Regeln hinweist.
Und so fährt man in Holland ohne Helm gegen Einbahnstraßen mit einem stehenden Kind hinten auf dem Gepäckträger. Man lässt seine Hunde am Strand frei herumlaufen, auch wenn das Verbotsschild am Strandzugang nicht zu übersehen ist. Man nimmt sich das Recht heraus, mitten auf der Straße sein Auto mit viel Schaum zu waschen und die Gehsteige mit drei aneinandergeketteten Rädern vollzustellen. Und warum sollte man im Stille-Abteil des Zuges den Mund halten? Regeln und Gesetze gibt es auch in Holland, sogar mit Bußgeldbescheiden, die sich gewaschen haben. Doch mit ihrer Einhaltung nimmt man es nicht so genau.
Falschparken | 90 € |
Unrechtmäßiges Parken auf einem Behindertenparkplatz | 370 € |
Mit dem Auto bei Rot über die Ampel fahren | 230 € |
Auf der Autobahn zu nah auffahren | 700 € |
Hundehaufen nicht wegräumen | 140 € |
Fahrradfahren ohne Licht | 55 € |
Unkonventionelle Ideen
»Das Land, in dem ich bin, ist die größte Kuriosität auf der Welt.«
US-Präsident John Adams in einem Brief, den er aus Holland an seine Frau schickte
Holland zeigt sich ungewöhnlich. In Amsterdam liegt in der Gracht namens Singel ein Hausboot, in dem nur Katzen wohnen, und in Hoorn wurde ein ehemaliges Gefängnis zum Knast-Hotel umgebaut. In Maastricht hat sich in einer ausgedienten Dominikanerkirche ein Buchladen angesiedelt, und in Den Haag werden in der majestätischen Grote Kerk anstatt christlicher Messen Antiquitäten-Messen abgehalten. Kirchengebäude finden in Holland aufgrund mangelnder Kirchgänger des Öfteren eine komplett oder teilweise andere Verwendung. Der Utrechter Dom wurde beispielsweise vor dem Beginn der Tour de France als öffentliches Spinning-Terrain genutzt. Man traf sich zum fröhlichen, gemeinschaftlichen Strampeln im Kirchenraum. Und damit die Kirchengebäude vor dem Verfall gerettet werden, hat man sich ebenfalls etwas Kreatives ausgedacht.
Die Grote Kerk (»große Kirche«) in Breda ist eine wunderschöne Kirche aus dem 15. Jahrhundert und eines der wichtigsten Gebäude der Brabanter Gotik. Nun ist es aber so, dass die Grote Kerk dringend saniert werden muss, und das soll mit rund 350 000 Euro zu Buche schlagen. Die Brauerei Breda-Bier hat sich daher eine Aktion überlegt: Von jedem gekauften halben Liter Breda-Bier schwappen 10 Cent in die Kirchenkasse. Die Bredaer haben von nun an eine glaubwürdige Ausrede, wenn sie zu tief ins Bierglas gucken. Schließlich saufen sie für einen guten Zweck.
Ob man bei einem Lärmschutzwall wirklich von ewiger Ruhe sprechen kann, das ist die Frage. Doch die dort Ruhenden werden den Lärm der Amsterdamer Umgehungsautobahn A10