Für Kate Duffy
Übersetzung aus dem Amerikanischen
von Karen Gerwig
ISBN 978-3-492-95427-3
Januar 2016
© G. A. Aiken 2010
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Last Dragon Standing«, Zebra Books, New York 2010
Deutschsprachige Ausgabe:
© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2011
Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München
Umschlagmotiv: Sylwia Makris
Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
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Prolog
»Weiß die Königin, dass wir ihre Tochter haben?«
Ragnar der Listige von der Olgeirsson-Horde nickte auf die Frage seines Bruders Vigholf hin.
»Und sie hat dir gesagt, dass du mit ihr machen sollst, was du willst?«
Wieder nickte er.
Vigholf schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht.«
Und Ragnar ging es ebenso. Er verstand nicht, wie eine Mutter – ob sie nun eine Königin war oder von niederer Geburt – sich anscheinend so wenig Sorgen um ihren Nachwuchs machen konnte. Selbst wenn der Nachwuchs so lästig und hinterhältig war wie diese königliche Nervensäge, die im Moment in der Höhle hinter ihm Ränke spann.
Sie trug nichts als ein Kleid, das zwei Nummern zu groß für ihre menschliche Gestalt war, Fußfesseln und ein magisches Halsband, das sie davon abhielt, sich in ihre natürliche Drachinnengestalt zu verwandeln. Ihr Name war Prinzessin Keita aus dem Hause Gwalchmai fab Gwyar, und sie hatte es während dieser ganzen Unternehmung geschafft, beinahe jedes männliche Wesen in Entzücken zu versetzen, ohne viel mehr zu tun, als eine eher geistlose Schönheit zu sein. Sie kicherte, sie neckte, sie triezte. Um ganz ehrlich zu sein, hatte Ragnar gehofft, ihre Mutter würde ihre Herausgabe noch am selben Abend fordern, damit er das verzogene Gör endlich loswurde, bevor sie hier noch Blutsverwandte gegeneinander aufhetzte. Doch das, was Königin Rhiannon abschließend über ihre Tochter gesagt hatte, würde ihm noch lange im Gedächtnis bleiben: »Behalt sie. Lass sie gehen. Ist mir völlig egal.«
Ragnar konnte sich nicht vorstellen, dass seine eigene Mutter so etwas je über ihn oder einen seiner Brüder und seine Schwester sagen würde. Sein Vater Olgeir, Drachenlord der Olgeirsson-Horde, schon eher.
»Na gut«, sagte einer seiner Vettern und stand auf. Sie waren alle in ihrer menschlichen Gestalt geblieben, denn so war es leichter, sich vor den Feuerspuckern zu verstecken, während sie sich auf Südland-Territorium befanden. »Wenn sie sie nicht wollen, dann behalten wir sie eben.«
Ragnar sah seinen Bruder an, und Vigholf senkte rasch den Kopf, um sein Lachen zu verbergen. Er hatte Vigholf gesagt, dass das passieren würde, wenn sie noch mehr Zeit mit diesem giftigen Weib verbrachten. »Wir behalten sie nicht.«
»Warum zur Hölle nicht?«
Ragnar dachte darüber nach, den Halbwüchsigen zu erwürgen, entschied sich aber dagegen. »Weil wir das nicht mehr machen.«
»Aber wenn ihre eigene Mutter sagt …«
»Wenn du eine Frau willst, Junge, wirst du das so anstellen müssen wie alle anderen auch – charmant sein, sie verführen, sie dazu bringen, dass sie sich in dich verliebt.«
Ragnars Vettern warfen sich gegenseitig Blicke zu, bevor einer von ihnen fragte: »Und wie macht man das?«
Vigholf konnte sich nicht länger beherrschen und prustete los, und Ragnar machte sich grummelnd auf den Rückweg in die Höhle.
Er war müde, erschöpft und hatte noch viel zu tun, bevor er dieses überheizte Land verließ, und das Letzte, womit er sich herumschlagen würde, waren die idiotischen Fragen seiner idiotischen Verwandtschaft.
Es hatte vor ein paar Tagen alles so einfach angefangen. Ihn hatte die Nachricht erreicht, dass sein Vater die törichte Südland-Prinzessin auf Nordland-Gebiet erwischt hatte, und zusammen mit seinem Bruder hatte er rasch gehandelt. Er hatte geplant, sich mit der Hilfe seiner Mutter wieder in seine ehemalige Heimat einzuschleichen, doch unterwegs hatte sie ihn über die Wege der Magie kontaktiert und ihm gesagt, dass die Prinzessin es geschafft hatte zu fliehen. Er hatte sie nicht weit vom Fuß des Berges seines Vaters erwischt und die unterirdischen Tunnels genutzt, um sie zurück in ihr Heimatland zu bringen. Dann hatte er geplant, mit der Drachenkönigin der Südländer über ein Bündnis zu verhandeln, mit dessen Hilfe er die Olgeirsson-Horde übernehmen konnte und, wenn alles gut ging, die Nordland-Territorien. Die Horden zu vereinen würde sein erster Schritt sein – sie geeint zu halten der nächste.
Doch die Königin hatte ihn überrascht. Sie hatte nicht nur von Anfang an gewusst, dass Ragnar ihre Tochter hatte, sie hatte auch gewusst, dass Olgeir sie davor gehabt hatte – und sie hatte absolut nichts dagegen unternommen.
In Zeiten wie diesen war er dankbar, dass die Götter ihn mit seiner Mutter gesegnet hatten, auch wenn er sich gewünscht hätte, dass die Götter ihr einen Gefährten geschenkt hätten, der ihre Schönheit und Weisheit mehr verdiente als Olgeir der Verschwender.
Ragnar ging die lange Höhle entlang, bis er den Alkoven erreichte, wo sie die Prinzessin untergebracht hatten. Er blieb direkt davor stehen und knirschte mit den Zähnen, während er den ältesten seiner Vettern, Meinhard, beobachtete, der einen Kelch Wein an die königlichen Lippen setzte. Keitas dunkelbraune Augen waren ausschließlich auf den großen Mann konzentriert, und sie nippte an dem Kelch, während ihre schmalen Finger über Meinhards Pranken lagen. Als sie genug hatte, lehnte sie sich zurück und leckte sich mit der Zunge erst über die Unter-, dann über die Oberlippe.
Er konnte seinen Vetter aus dieser Entfernung knurren hören, und Ragnar hatte keine Geduld für so etwas.
»Raus!«, befahl er, während er den Alkoven betrat.
Nicht annähernd so eingeschüchtert von ihm wie die jüngeren Drachen, richtete sich Meinhard langsam auf und sagte: »Ich glaube, ich bleibe.«
Ragnar wusste, dass seine Sippe ihn noch nicht als Anführer akzeptierte. Weil sein Vater noch am Leben war und sich bester Gesundheit erfreute und die Horde obendrein fest im Griff hatte, war das keine Überraschung. Aber Meinhard würde, genau wie die anderen, lernen müssen, dass Ragnar keinen Ungehorsam duldete.
Er drehte das Handgelenk und murmelte einen kleinen Zauber, und sein Vetter segelte aus dem Alkoven, während der Weinkelch über den Steinboden rollte.
»Du Mistkerl!«, schrie Meinhard von draußen.
Ragnar ignorierte ihn und trat zu der Prinzessin. Er konnte erkennen, was seine Sippe so reizte, auch wenn sie nur ihre winzige Menschengestalt gesehen hatten, seit sie sie auf der Flucht vor seinem Vater geschnappt hatten. Diese üppigen dunkelroten Haare, die ihr bis zu den Knien reichten, die perfekten Wangenknochen, die kleine Nase, die quer über den Nasenrücken leicht mit Sommersprossen gesprenkelt war, und diese unglaublich vollen Lippen. Doch für Ragnar waren es die dunkelbraunen Augen, die ihn zu ihrem Diener machten. Sie waren unendlich tief, eine bodenlose dunkle Grube, in der sich jedes männliche Wesen verlieren konnte. Zu schade, dass Ragnar nicht vorhatte, jedes männliche Wesen zu sein – egal, wie sehr er sich das im Moment auch wünschen mochte.
»Na?«, fragte sie halblaut. »Was hast du mit mir vor, Mylord?«
Ragnar antwortete nicht sofort; seine Gedanken waren zu beschäftigt mit der Frage, was sie beide zusammen tun konnten, wenn sie nichts weiter als eine Matratze und einen Wochenvorrat an Essen und Wasser hätten. Also gähnte sie und benutzte das als Vorwand, um ihre gefesselten Hände über den Kopf zu heben und ihren ganzen Körper lang und geschmeidig zu strecken. Dann lächelte sie. Das verführerischste Lächeln, das Ragnar je gesehen hatte. Allein für dieses Lächeln hasste er sie beinahe.
Ragnar wedelte mit der Hand, und die Fesseln fielen ab – eine von ihnen direkt auf den Kopf der Prinzessin.
»Au! Du Barbarentrampel!«
Er hätte fast gelacht, denn da kamen die wahre verzogene Prinzessin und der Grund dafür, dass es überhaupt nötig war, sie zu fesseln zum Vorschein. Sie hatte während ihrer Reise mehrmals versucht, davonzulaufen, und Ragnar hatte irgendwann genug davon gehabt. Sie konnte so tief unter der Erde nirgendwohin, deshalb hatte sie sie nur aufgehalten, weiter nichts.
Ragnar wandte sich von ihr ab und ging auf den Ausgang zu. Er hatte Hunger und sehnte sich nach Schlaf. In ein paar Stunden hatte er ein Treffen mit der Königin, deshalb brauchte er zumindest ein bisschen Ruhe.
»Warte.«
Er blieb stehen, seufzte und wandte sich zu ihr um. »Was?«
Sie stand auf und deutete auf ihr Halsband. »Was ist damit?«
»Es wird abfallen, wenn du weit genug von hier und von meiner Sippe weg bist.« Das Letzte, was er brauchen konnte, war, dass sie hier ihre natürliche Gestalt annahm und seine Sippe zu neuen Dummheiten anstiftete, wenn sie erst einmal einen genaueren Blick auf ihren Schwanz geworfen hatten. »Und jetzt geh.«
»Das war’s? Aber … was hast du für mich bekommen?«
»Für dich bekommen?«
»Von meiner Familie? Wie viel Gold?« Sie reckte das Kinn vor. »Ich bin mir sicher, ich war ziemlich viel wert, aber das wird dich nicht vor meinen Brüdern schützen, wenn sie erfahren, was du mir angetan hast.«
»Ich habe dich gerettet.«
»Ich habe mich selbst gerettet. Aber versuchen kann man’s ja mal.«
Glaubte sie wirklich, sein Vater hätte sie gehen lassen? Glaubte sie wirklich, Olgeir hätte sie nicht wieder eingefangen, bevor sie vom Territorium der Horde herunter war? Und Ragnars Vater machte alles auf die althergebrachte Art, wenn man ihn herausforderte. Prinzessin Keita hätte zur Strafe für ihre Flucht zumindest einen Flügel verloren und wäre dann Ragnars brutaler Verwandtschaft übergeben worden. Geendet hätte sie dann genau wie Ragnars Mutter. Der einzige Unterschied wäre gewesen, dass Ragnars Mutter der Inbegriff von Klasse, guter Erziehung und Seele war. Prinzessin Keita dagegen war all das, was man sich über Angehörige königlicher Familien erzählte. Schwach, dumm und eine Verschwendung von Ragnars Zeit und Energie. Egal, wie wunderschön und verführerisch sie auch war.
»Nenn es, wie du willst«, erklärte er ihr. »Aber so oder so: Du kannst gehen.«
»Einfach so?«
»Ja. Einfach so.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, an seinen Schultern vorbeizusehen. »Ist keiner da, der mich begleitet?«
»Nein.« Er hätte ja einen seiner Vettern angeboten, doch das wäre im Moment wohl keine gute Idee gewesen.
Die Prinzessin musterte ihn lange und stemmte dann die Hände in die Hüften. »Was hat diese alte Kuh dir gegeben, damit du mich freilässt? Und lüg mich nicht an, Barbar! Ich merke es immer, wenn man mich anlügt.«
Sie wollte nicht, dass er sie anlog, also bitte: »Sie hat mir gar nichts gegeben.«
»Also kein Bündnis?« Sie schüttelte den Kopf, als habe sie Mitleid mit ihm. »Du Idiot.«
Ragnar blinzelte. »Wie bitte?«
»Wie konntest du so dumm sein? Warst du unhöflich zu ihr? War es das? Ihr Götter, du bist wirklich genauso einfältig wie dein Vater, oder?«
Sie hätte nichts Schädlicheres sagen können.
Vollkommen ahnungslos hob sie die Hände und sagte: »Keine Panik. Ich bringe das in Ordnung. Ich rede mit meinem Vater. Ich bin mir sicher, dass ich ihn überreden kann …«
»Nein, nein, Mylady. Du verstehst das falsch.« Und Ragnar konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. »Deine Mutter hat mir kein Angebot für dich gemacht, aber das Bündnis wird trotzdem zustande kommen. Ich treffe mich in ein paar Stunden mit ihr, um über die Einzelheiten zu sprechen.«
Sie ließ die Arme sinken. »Das Bündnis ist noch im Gespräch?«
»Oh ja. Die Königin schien an dir allerdings überhaupt nicht interessiert zu sein. Vielleicht, wenn ich statt deiner deine Schwester genommen hätte. Morfyd die … Weiße? Ja? Vielleicht wäre dann alles anders gelaufen. Aber unter den gegebenen Umständen hast du keinerlei Auswirkungen auf die Verhandlungen.«
Die Prinzessin starrte ihn an, und ihr schöner Mund öffnete und schloss sich ein paarmal. Ragnar fühlte sich, als habe er sie geschlagen – und war erschrocken darüber. Sofort ging er zu ihr hin, um sie zu beschwichtigen − aus Angst, Tränen zu sehen, und er wusste nicht, wie man mit Tränen umging. Aber die Prinzessin weinte nicht … sie schrie. Sie schrie, als habe sie etwas gesehen, das aus einer Höllengrube gekrochen war.
»Diese miese, bösartige Schlampe!«
Schockiert machte Ragnar einen Schritt rückwärts und beobachtete, wie die Prinzessin auf und ab ging und mit den Armen dramatisch über dem Kopf fuchtelte, während sie ihre Mutter mit allen möglichen Schimpfworten bedachte, wie sie nicht einmal die schlimmsten Piraten benutzt hätten.
Seine Sippe kam in die Höhle gestürmt. Sie waren besorgt, dass ihrer zerbrechlichen kleinen Prinzessin etwas passiert sein könnte, und blieben alle neben Ragnar stehen.
»Ich würde die Schlampe ja selbst umbringen, wenn ich glauben würde, dass sie tot bleibt! Aber Dämonen leben ewig!« Sie wandte sich ihnen zu. »Etwa nicht?«
Alle außer Ragnar nickten zu ihrem wahnsinnigen Gebrüll, und als sie ihre Arme wild nach ihnen schwang und schrie: »Ihr alle – aus dem Weg!«, gehorchten sie sofort.
Sie stürmte hinaus, kehrte aber einen Augenblick später zurück, und ihre Wut war scheinbar – und beunruhigenderweise – verraucht, als sie Ragnar fragte: »Du hast es genossen, mir das zu erzählen – das mit meiner Mutter. Oder?«
»Ja«, antwortete er. »Ich glaube schon.« Wie hätte er es auch nicht genießen können, wo es ihm doch erlaubt hatte, seiner Sippe Keitas wahre Natur zu zeigen? Jetzt würden sie die geistlose Prinzessin so sehen, wie sie wirklich war: eine fluchende, wütende, verwöhnte Göre mit dem tollsten Arsch, den die Götter je geschaffen hatten – nein, warte. Was?
»Gut«, sagte sie. »Genieße das Gefühl, solange du kannst, Lord Ragnar.«
»Warum? Was glaubst du, was du mir anhaben kannst?« Und als Meinhard ihn für seine Grobheit in den Rücken boxte, ignorierte Ragnar den Schmerz einfach.
Sie lächelte – und um ihn herum seufzte seine Sippe auf –, streckte eine Hand aus, strich mit den Fingern über Ragnars Wange und Hals und ließ sie bis hinab zu seiner Brust gleiten. Als sie damit fertig war, trat sie zurück und nickte leicht mit dem Kopf. »Meine Herren.«
Dann hob sie anmutig ihren Rocksaum an, damit er nicht auf dem Boden schleifte, und ließ sie stehen und hinter ihr herstarren.
»Das, Männer«, seufzte Meinhard, als sie weg war, »ist eine feine Dame, und sie sollte auch so behandelt werden.«
Und mehrere Stunden später, nachdem sein Vater von Menschenfrauen getötet worden war, es ein Bündnis mit den Feuerspuckern gab und Ragnar damit beschäftigt war, den exzessiven Blutfluss zu stillen, den eine rachsüchtige Prinzessin ausgelöst hatte, würde er sich genau daran erinnern, mit was für einem riesigen Haufen von Idioten als Familie er geschlagen war!
Zwei Jahre später …
1 Sollte er tot sein?
Keita die Rote Schlange der Verzweiflung und des Todes – kurz: Keita die Schlange – beugte sich ein wenig tiefer und schnüffelte an dem männlichen Menschen, der auf dem Bauch auf seinem Bett lag.
Er roch definitiv tot. Und sie konnte weder seinen Herzschlag hören noch das Rauschen von Blut durch die winzigen menschlichen Adern. Das alles konnte sie mühelos, wenn sich ein lebendes Wesen in einem Radius von hundert Fuß um sie herum befand.
Doch dieser Mensch, der Baron Bampour von den Außenebenen gewesen war, sollte nicht tot sein. Noch nicht. Nicht, bis sie ihn tatsächlich umgebracht hatte.
Tief ausatmend richtete sich Keita auf und stemmte die Fäuste in die Hüften. Sie trug ein Kleid, das ihr der verstorbene Baron geschenkt hatte, aus der feinsten Seide, die man mit Gold kaufen konnte. Außerdem trug sie den Schmuck, den er ihr gekauft hatte: einen dicken goldenen Armreif mit passender Halskette. Sie hatte nicht um diese Dinge gebeten, aber wie das bei den meisten liebebedürftigen männlichen Wesen eben so ist, hatte er sie ihr gerne geschenkt. Sie wusste auch, warum. In der Hoffnung, dass sie ihm einen lustvollen Ritt und enthusiastische Schreie der Ekstase schenken würde … blablabla.
Männer waren alle gleich. Ein paar Komplimente, ein süßes Lächeln, ein wenig Neckerei, und Keita wurde mit Gütern überhäuft, um die sie nie gebeten hatte und die sie auch nicht unbedingt wollte. Es war ihr aber auch egal. Wenn Männer ihr Geschenke machen wollten, warum sollte sie sie davon abhalten? Was sie jedoch ärgerte und was sie schon immer geärgert hatte, war, dass manche Männer den Glauben hegten, dass ein paar Geschenke ihnen Zutritt zu ihrem Bett verschafften. Das taten sie nicht. Um genau zu sein, wählte Keita ihre Bettgefährten so sorgfältig aus wie die Accessoires zu einem besonderen Kleid. Männer an sich gingen ihr viel zu sehr auf die Nerven, als dass sie auch nur daran gedacht hätte, solche, die nichts als Geschenke oder wenig mehr brachten, in ihr Leben zu lassen.
Sie hatte es einer Freundin einmal so erklärt: »Ich nehme ihre Geschenke, aber das heißt nicht, dass ich auch ihre Schwänze nehme.«
Also hatte sie die Geschenke des Barons angenommen. Erfreulicherweise hatte er im Gegensatz zu manch anderem einen guten Geschmack. Sie hatte es auch die vergangenen drei Wochen mit ihm ausgehalten. Mit ihm und seinem Sohn. Sie war mit keinem von ihnen ins Bett gegangen und hatte das auch nicht vor. Hauptsächlich, weil sie keine Lust hatte, aber auch weil sie aus einem bestimmten Grund hergekommen war. Denn Bampour hatte eine Grenze überschritten, die ihn zu einer Gefahr für diejenigen machte, die Keita liebte. Zu dumm allerdings, dass ihr jemand zuvorgekommen war. Vor allem, weil sie so gut in diesen Dingen war.
Während sie noch überlegte, ob sie die Leiche selbst loswerden sollte, hörte sie es: einen anderen Herzschlag im Raum, der nicht dem verstorbenen Baron gehörte, denn dessen Herz hatte bereits aufgehört zu schlagen.
Keita schaute mit zusammengekniffenen Augen über die Schulter in eine dunkle Ecke. In diesem Moment kam die Menschenfrau herausgestürmt. Sie trug nur ein Leintuch um den Körper; ihr blondes Haar fiel bis auf ihre Schultern, und sie hieb wild mit einer kleinen Klinge um sich.
Keita schnappte sie am Handgelenk und drehte es, bis die Frau auf die Knie sank. Sie überlegte, das Handgelenk zu brechen, einfach nur, weil die kleine Schlampe mit ihrem Messer Keitas wertvollem Gesicht gefährlich nahe gekommen war. Aber ein Hämmern an der Tür schloss diese Option rasch aus.
»Mach die Tür auf!«
Keita schaute auf die Frau hinab. Sie könnte ihr das Genick brechen, um die Sache zu beenden, aber es schien ihr nicht richtig − hatte die Blonde doch nur getan, was sowieso hätte getan werden müssen.
»Heute ist dein Glückstag, Weib«, sagte sie über das fortgesetzte Hämmern an der Tür hinweg.
Keita ließ die Frau los und rannte zum größten der Fenster. Sie drückte es auf. Es war klein, musste aber genügen. »Ren!«, rief sie.
»Ich bin hier.«
»Dann warte kurz!«
Die Frau sah Keita an, als sie zu ihr zurückgerannt kam. »Was willst du – iiiih!«
Keita hob die Frau mit Schwung auf ihre Arme, wirbelte auf dem Absatz herum, um etwas Schwung zu holen, und warf sie durch das offene Fenster. Das arme Ding kreischte, bis es von starken Armen vor dem Fenster aufgefangen wurde.
»Hab sie!«
»Nimm sie mit. Los!«
»Was ist mit …«
»Na los!«
»Brecht sie auf!«, schrie jemand auf der anderen Seite der Tür.
Eine Sekunde später flog die Tür auf, und Wachen marschierten herein. Der Gehilfe des Barons betrat den Raum hinter den Wachen. Er musterte Keita von oben bis unten, die Lippen angewidert verzogen. Sie hatten sich von Anfang an nicht gemocht. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Bett. Eilig ging er hinüber und drückte seine Finger auf die Kehle des Barons. »Geh den Sohn des Barons holen!«, befahl er einem Wächter. Als der davonrannte, trat der Gehilfe vor Keita hin.
»Ich weiß, wie das aussieht …«, begann sie.
»Schweig!«
Die Arme vor der Brust verschränkt, erklärte ihm Keita: »Kein Grund, gleich grob zu werden!«
Guten Tag, mein kleiner Gewittersturm!
Ragnar der Listige von der Olgeirsson-Horde seufzte laut und sagte, ohne nachzudenken: »Gib mir nicht immer Kosenamen, unverschämtes Weib.«
»Was?«
Kacke, Pisse und Tod. Er hatte vergessen, dass er nicht allein war. Nein. Er saß in einer extrem langen Sitzung mit den Vertretern der anderen Horden, die er und seine Sippe nicht unter ihren Klauen zerquetscht hatten. Ein wichtiges Treffen, denn der Krieg der letzten zwei Jahre lag beinahe hinter ihnen, und eine Zeit des Friedens lag – so hoffte er – irgendwo in der Zukunft.
Andererseits: Wenn die anderen Horden glaubten, er sei verrückt, konnte ihm der Frieden, auf den er hoffte, leicht wieder entgleiten.
Ich gehe nicht weg, trällerte eine Stimme in seinem Kopf. Sie sagte solche Dinge immer in so einem Singsang. Es ärgerte ihn über alle Vernunft, und bei Ragnar ging es nur um Vernunft.
Wohl wissend, dass sie wirklich nicht weggehen würde, erhob sich Ragnar von seinen Hinterbeinen und sagte: »Wenn ihr mich bitte entschuldigen wollt – Vigholf wird sich um alles kümmern, bis ich zurück bin.«
Vigholf, der einen Mundwinkel zu einem Grinsen verzogen hatte, nickte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Gesandten zu. Vigholf wusste, wer seinen Bruder in den Wahnsinn trieb, und er fand es amüsant. »Mich ruft sie nie«, hatte er sich mehr als einmal beschwert und Ragnar hatte seinem Bruder dafür jedes Mal einen Felsblock an den Kopf geworfen. Meistens ging Vigholf allerdings schnell genug aus dem Weg, um echten Schaden zu verhindern.
Ragnar ging durch den Olgeirsson-Hort, der seit Tausenden von Jahren von Generation zu Generation, von Drachenlord zu Drachenlord übergeben wurde. Es kam aber selten vor, dass er einfach so weitergereicht wurde. Normalerweise wurde er erobert. Ragnar hätte ihn seinem Vater abgenommen, wie Olgeir der Verschwender ihn seinem eigenen Vater genommen hatte, doch Ragnar hatte nie die Chance dazu bekommen. Sein Vater war so entschlossen gewesen, seinen Sohn zur Vernunft zu bringen, dass er ihm törichterweise in die Südländer gefolgt war und dort durch die Schwerter von Menschenfrauen gefallen war. Auch wenn Ragnar nicht zugelassen hatte, dass sich die Nachricht von dieser Tatsache über die Grenzen der Südländer hinaus verbreitete. Es widersprach seinem inneren Ehrgefühl, und deshalb hatte Ragnar die Tötung seines Vaters auf die eigene Kappe genommen. Nicht weil er es wollte, sondern weil es notwendig war. Der Sohn eines Drachenlords zu sein, der sich nicht gegen zwei Frauen wehren konnte, bedeutete, von einer schwachen Blutlinie abzustammen, und das konnten sich Ragnar und seine Geschwister einfach nicht leisten. Jedenfalls nicht, wenn er darauf hoffte, den Aufruhr beizulegen, den sein Vater jahrhundertelang geschürt hatte, einfach nur, weil er ein übler Mistkerl war.
Er ging durch Gänge und Alkoven und gab sich dabei größte Mühe, das Summen in seinem Kopf zu ignorieren. Ja. Sie summte. In seinem Kopf. Er hasste Gesumme generell. Es war eine dieser nervtötenden Angewohnheiten, die viele hatten und die Ragnars Ansicht nach nur ein Zeichen für ihre Schwäche war. Aber dieses Weib … sie summte, weil sie wusste, dass es ihm auf die Nerven ging. Sie genoss es, dass es ihm auf die Nerven ging.
»Ich wäre besser dran, wenn ich meine Seele Dämonen aus der Unterwelt verkauft hätte als mit diesem Weibsstück!«
Was war das? Ich habe dich nicht ganz verstanden, mein tobender Tsunami.
Götter, und diese Spitznamen! Er hasste Spitznamen fast genauso sehr wie Gesumme.
Ragnar hatte in den zweieinhalb Jahrhunderten seiner Existenz wirklich einige brutale Frauen kennengelernt, aber keine wie diese hier. Keine, die genauso herzlos zu sein schien wie die Nordländer kalt waren. Aber sie hatte in den letzten zwei Jahren einem Zweck gedient. Einem Zweck, den er jetzt nicht ignorieren konnte, nur weil sie sein Gehirn strapazierte, wie Sand seine Schuppen abschmirgelte.
Ragnar ging hinaus auf eines der Gebirgsplateaus. Grausame Winde vom nahen Meer bliesen Eis und Schnee vor seine Augen und froren ihm beinahe die Klauen auf dem Boden fest. Wenige aus seiner Sippe wussten, warum er hier herauskam, wo es immer eiskalt war, ob Sommer oder Winter, Frühling oder Herbst. Aber seine Sippe konnte auch nicht die Magie spüren, die durch diesen heiligen Ort nach oben drang. Nur er und die Jünger der magischen Künste kannten den wahren Wert eines Ortes wie diesem; ein Wert, der es recht sinnvoll machte, sich den eisigen Winden und dem Frost auszusetzen.
Ragnar schloss die Augen und hob die rechte Vorderklaue. Er rief die Götter an, die über ihn und seine Horde wachten, die ihm die Macht verliehen, die zu besitzen nur wenige seiner Art je das Glück hatten. Bei den Hordendrachen ging es wie bei allen Bewohnern der Nordländer um Krieg, Stärke und Kampfgeschick. Sie glaubten außerdem, dass Magie etwas für alte Weiber war, die allein in Höhlen oder kleinen Häusern lebten und zu ihren Göttern sprachen, oder für Männer, die nicht würdig waren, ein Schwert oder einen Kriegshammer in die Hand zu nehmen. Magie war definitiv nichts für Drachenlords, die hofften, irgendwann nicht nur über eine Horde, sondern über viele Horden zu herrschen. Vielleicht sogar über alle. Doch Ragnar machte sich keine Illusionen darüber, wie weit er bei seinesgleichen gehen konnte. Seine Zeit als Anführer aller Horden würde nicht lange währen. Er wusste das, verstand es und hatte schon Pläne, den Titel und den größten Teil der Macht an seinen Bruder zu übergeben. Vigholf wusste das nicht. Noch nicht. Warum ihn mit den kleinen Details belasten?
Eigentlich hätte ihn die Tatsache wohl stören sollen, dass er nicht bis zu seinem letzten Atemzug oberster Drachenlord sein würde, doch so war es nicht. Er hatte schon früh gewusst, dass sein Leben niemals einfach sein würde. Wenn er den einen oder den anderen Weg gewählt hätte, entweder Krieger oder Magier, hätte seine Familie das in Ordnung gefunden. Doch er hatte beide Wege gewählt. Ragnar konnte sich einfach nicht vorstellen, nicht früh am Morgen − dem kältesten Teil des Tages in den Nordländern − aufzustehen und hart mit seinem Lieblingsschwert und der Axt zu trainieren. Er konnte sich genauso wenig vorstellen, nicht zum Meer zu gehen, wenn der Mond am vollsten war, und den Göttern von seinem Blut zu opfern. Alle diese Dinge gehörten zu ihm; er weigerte sich, eines davon zu wählen.
Doch bloßer Ehrgeiz war nie Ragnars Ziel gewesen. Zu sehen, wie weit er in möglichst kurzer Zeit kommen konnte – was für ein leeres, nutzloses Ziel. Stattdessen wollte er einfach mehr für sein Volk. Für die Hordendrachen, die die mächtigen Nordland-Berge bevölkerten, wollte er mehr als das harte Leben, das sie alle schon so viele Äonen erduldeten. Doch das bedeutete nicht, dass sie so lächerlich faul sein mussten wie die Südland-Drachen; oder ständig geblendet von ihrer eigenen Genialität wie die Ostländer; oder sich allen Wesen überlegen fühlen, die je gelebt hatten oder leben würden, so wie die Eisendrachen des Westens; oder sich bewusst von allem fernhalten, was außerhalb ihrer Territorien lag wie die Sanddrachen. Mit anderen Worten: Ragnar wollte mehr für seine Sippe als lediglich einen höheren Grad an Unsitten.
Die grausamen Winde verebbten, und die Hitze der zwei Sonnen brannte auf Ragnars Kopf nieder. Er öffnete die Augen und sah sie. Sie stand neben einem Baum, pflückte mit dem Schwanz die reifen Früchte und beobachtete ihn.
»Hallo, meine heitere Sturmbö«, sagte sie lächelnd. So viele Reißzähne bei einer Drachin, die noch gar nicht so alt war. Alle strahlend weiß und funkelnd wie Sterne am Himmel.
Ragnar neigte den Kopf und sagte: »Königin Rhiannon. Du hast mich gerufen.«
»Das habe ich, Drachenlord. Das habe ich.« Sie pflückte eine Frucht und warf sie ihm zu. Ragnar fing sie und bewunderte, wie sie sich in seiner Klaue anfühlte. Götter, das war Macht! Sie hatte nicht nur einen Treffpunkt für sie beide zwischen den Welten geschaffen, sondern auch noch einen Ort, an dem sich alles echt anfühlte und echt war! Das Gras unter seinen Klauen, der leichte Wind, der ihm in den Nacken pustete, die Krähen und Falken, die in den Bäumen spielten. Ragnar hätte so etwas nie erschaffen können. Er war nicht mächtig genug. Aber er hoffte, es zu werden. Eines Tages.
»Du bist also endlich oberster Drachenlord der Horden.«
»Im Moment, ja.«
»Ihr Götter. Gibt es immer noch welche, die dich umstürzen wollen? Macht ihr Blitzdrachen niemals Pause?«
»Es ist nicht so, dass jemand mir meinen Titel abnehmen wollte. Wenn die Zeit reif ist, habe ich vor, ihn an meinen Bruder zu übergeben.«
Sie legte den weißen Kopf schief, ihre weißen Hörner glänzten im Sonnenlicht. »Du würdest deine Macht aufgeben?«
»Ich würde tun, was das Beste für mein Volk ist, Mylady.«
Sie lachte kurz auf, wobei sie die Schnauze mit einer weißen Klaue bedeckte. »Du bist so verflucht hinreißend.«
»Ich war das nicht, du Narr!«, widersprach Keita weiter. »Ich habe den alten Mistkerl nicht umgebracht. Und du kannst mir nicht das Gegenteil beweisen.«
»Wirklich nicht?« Der Gehilfe blieb vor ihr stehen und nahm ihre Hand. Er drehte sie, die Handfläche nach oben, und schob den Ärmel ihres Kleides zurück. »Und was ist dann das, Mylady?« Er schnappte die Phiole, die sie an ihr Handgelenk gebunden hatte, und entkorkte sie. Er schnüffelte. »Kittoblüte.« Er hielt die Phiole hoch. »Drei Tropfen davon auf die Zunge, und dein Opfer wäre innerhalb von Sekunden tot.«
»Sehr richtig. Aber dann wäre hier viel mehr Blut und Qual zu sehen. Sieh ihn an. Er hat eindeutig nicht gelitten. Also kann es nicht die Kittoblüte gewesen sein, und das bedeutet, dass ich es nicht war!« Sie lächelte, stolz auf ihre Logik.
»Stimmt«, sagte der Gehilfe.
»Stimmt«, sagte Keita, und ihr Grinsen wurde noch breiter.
Der Gehilfe machte den Wachen ein Zeichen. »Bringt die mörderische Schlampe in den Kerker.«
»Kerker? Aber ich habe doch schon erklärt, dass ich es nicht war. Das ist total ungerecht!«
Zwei Wachen schnappten sie an den Armen und zogen sie aus dem Zimmer.
»Das wirst du noch bereuen, Diener!«
Sie führten sie nach unten und durch die Küchenräume. Immer mehr Wachen schlossen sich ihnen an, während sie gemeinsam eine weitere Treppe hinab in die Tiefen der Festung des Barons stiegen.
Sie brachten Keita in eine große Zelle, in der schon mindestens zehn Männer saßen.
»Mal sehen, wie es dir hier mit diesen Kerlen gefällt, du mörderische Hure!«
Sie stießen sie hinein und knallten die Zellentür hinter ihr zu.
»Aber ich war’s nicht!«, schrie sie, was vollkommen ignoriert wurde. »Na gut … Bekomme ich wenigstens etwas zu essen? Ich hatte noch kein Frühstück. Ich verhungere!«
Sie lachten sie aus, verschlossen die Tür, und einer der Männer befahl einem riesigen Hund mit einem Stachelhalsband: »Pass auf sie auf, Junge. Wenn sie einen Arm herausstreckt, reiß ihn ihr ab!« Die Wachen lachten noch lauter und gingen weg.
Verärgert und wirklich hungrig stampfte Keita mit ihrem nackten Fuß auf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das ist unfair. Man sollte seinen Gefangenen zumindest etwas zu essen geben.«
In der Hoffnung, die Wachen würden mit Essen zurückkommen, wandte sie sich den anderen Gefangenen zu.
»Ich kann euch versichern, dass ich niemanden ermordet habe. Zumindest heute nicht«, erklärte sie ihnen. »Genauso wenig bin ich eine Hure. Es sei denn natürlich, ihr fragt meine Schwester. Aber die zählt nicht, weil sie eine verklemmte Zimperliese ist.«
Einer der Gefangenen, ein sehr großer, dunkelhäutiger Kerl, stand langsam auf. Keita beobachtete ihn, doch nach ungefähr drei Schritten in ihre Richtung blieb er stehen, schluckte und wich zurück.
Eigentlich nicht überraschend. Keita hatte über die Jahre festgestellt, dass Raubtiere andere Raubtiere erkannten. Und schlaue Raubtiere wussten, wenn sie sich in der Gegenwart von etwas viel Gefährlicherem befanden, als sie selbst es nicht einmal in ihren kühnsten Träumen je werden würden.
Jetzt schon unglaublich gelangweilt, wandte sich Keita wieder der Zellentür zu. Sie wusste, dass sie sich in ihre natürliche Gestalt verwandeln und aus diesem Kerker entkommen könnte. Es stimmte, sie war klein im Vergleich zu anderen Drachinnen, aber ihre wahre Gestalt könnte trotzdem zumindest durch die Küchenräume und Gesindequartiere über ihr brechen, vielleicht auch durch den Boden darüber. Außerdem würde sie mindestens drei der Wände um sie herum zerstören und viele Menschen dabei töten. Nicht nur die Mistkerle, die sie hierhergebracht hatten, allerdings, sondern möglicherweise auch das nette Dienstmädchen, das ihr abends die Haare kämmte, den alten Bäcker, der ihr immer ein paar Leckereien zur Seite legte, und das Hausmädchen, das sie immer mit allem möglichen Schlosstratsch zum Lachen brachte. Sie zu töten, wäre Keitas Meinung nach ungerecht gewesen, da ihr einziger Fehler darin bestanden hätte, dass sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Nein, Keita gefiel dieser Gedanke ganz und gar nicht. Deshalb würde sie warten. Sie hatte sich schon aus schlimmeren Lagen herausgeredet – sie würde es auch diesmal schaffen.
Also starrte Keita durch die Gitterstäbe und hoffte, die Wachen mit etwas zu essen zurückkommen zu sehen. Als sie nicht kamen, umfasste sie zwei Gitterstäbe mit den Händen, und sofort sprang der Wachhund direkt vor der Zelle auf, knurrte und schnappte nach ihren Händen.
Augenblicklich zog sie sie zurück und beobachtete, wie die wildgewordene Bestie zur Sicherheit noch einmal die leeren Gitterstäbe angriff.
Keita lächelte und sagte: »Na hallo, du lecker aussehendes kleines Ding, du.«
»Glaubst du, du kannst mich überzeugen, mein kleines Regentröpfchen, dass du wirklich deine Macht aufgeben würdest? Wir wissen doch beide, dass die wahre Macht manchmal hinter dem Thron liegt. Aber sag mir, mein bezaubernder Blitz, weiß dein Bruder, dass er dein Hündchen sein wird? Oder ist er groß und dämlich wie dein Vater?«
»Hast du mich aus einem bestimmten Grund gerufen, Königin Rhiannon?«
»Oooh. Kurz angebunden. Da habe ich wohl einen barbarischen Nerv getroffen.«
»Majestät …«
Sie hob eine weiße Klaue. »Aye. Ich habe dich aus einem bestimmten Grund gerufen. Ich muss dich um einen Gefallen bitten. Zwei Gefallen, um genau zu sein.«
»Und die wären?«
»Na ja, einer ist mein Sohn.«
»Dein Sohn?«
»Ja. Mein jüngster?«
Ragnar starrte sie an.
»Er ist seit zwei Jahren bei euch? Damit er die berühmten Kriegersitten der Blitzdrachen lernt?«
Ragnar sah sie immer noch ausdruckslos an.
»Er ist sehr groß? Sehr stark … sehr blau?«
»Oh. Ja, natürlich.« Der Idiot. Na ja … er war nicht direkt ein Idiot. Nur jung. Sehr jung. Der Nachwuchs der Nordländer wuchs schnell heran, sie zogen normalerweise schon in den Kampf, bevor sie fünfzig Winter alt waren. Doch die Südländer behandelten ihren Nachwuchs wie Babys, und oft waren diese verzogenen Kreaturen zu nicht viel zu gebrauchen, bevor ein Jahrhundert oder mehr ins Land gezogen war. Der Jüngste der Königin hatte genau dieses Problem. Doch weil er ein Mitglied des südländischen Königshauses und ein Schützling von Ragnars Vetter Meinhard war, ließen ihn die Krieger in Ruhe. Das und die Tatsache, dass der junge Drache sehr schnell und effizient Bäume mit seinen bloßen Krallen aus dem Weg räumen konnte, war alles, was den Idiot davor bewahrte, täglich kräftig verprügelt zu werden. Wie Ragnar las der Sohn der Königin gern, aber er träumte auch gern vor sich hin und aß mit Vergnügen. Bei den Göttern, konnte dieser Drache essen. Wenn sie zusätzliche Rinder liefern lassen mussten, war sich Ragnar sicher, dass es nur diesem verdammten königlichen Sprössling zu verdanken war. Und wenn er nicht gerade aß, las oder vor sich hin träumte, verbrachte der Blaue den Rest seiner Zeit damit, sich davonzuschleichen, um in den Menschenstädten da unten mit den Schankmädchen seinen lächerlichen Launen nachzugehen. Er verbrachte viel Zeit in den Menschenstädten.
Doch das alles störte Ragnar nicht weiter. Nicht wirklich. Denn der Prinz war nützlich gewesen. Er verkörperte die Gunst und das Bündnis der Südland-Königin während einer Zeit des Krieges unter den Horden. Also hatten es sich Ragnar, Vigholf und Meinhard zu ihrer Aufgabe gemacht, dafür zu sorgen, dass der junge Königssohn am Leben und weitgehend unversehrt blieb.
»Also«, sprach die Königin weiter, »ich will, dass er zu einem Familienfest nach Hause kommt, das in den nächsten zwei Wochen stattfinden wird.«
Das war zu machen. Wenn der Prinz nach Hause ging, kam er vielleicht nicht wieder. Er wurde nicht mehr gebraucht, und so hätte Ragnar eine Sorge weniger.
»Natürlich. Er hat meine Erlaubnis zu gehen.«
»Hervorragend. Und wann werdet ihr beide abreisen?«
Ragnar runzelte die Stirn; sein Instinkt warnte ihn vor einer Falle. »Wie bitte?«
»Du kommst mit ihm.« Kam es diesen Königlichen überhaupt je in den Sinn, um etwas zu bitten, statt zu befehlen? Nein. Wahrscheinlich nicht.
»Mylady, wenn du um seine Sicherheit besorgt bist, werden meine besten Krieger …«
»Du, Drachenlord. Du wirst meinen Sohn zurück in den Süden begleiten.«
»Und warum sollte ich das tun?«
»Ganz einfach. Weil es ein schwerer Fehler von dir wäre, wenn du meinen Sohn nicht zurückbringen würdest.«
»Ich hatte gehofft, wir wären inzwischen über Drohungen hinaus, Königin Rhiannon.«
Da kam sie auf ihn zu, bis sie nur noch eine Schwanzspitzenlänge trennte. Sie ließ noch mehrere Stücke Obst in Ragnars Klauen fallen, bevor sie ihm ihre eigene Klaue an die Wange presste und ihn mit ihren Krallen liebkoste. Unglaublich. Er befand sich immer noch auf diesem eiskalten Felsplateau, und sie war Tausende von Wegstunden entfernt an ihrem Königshof, doch das vergaß man leicht, wenn man tatsächlich ihre Berührung auf seinen Schuppen spüren konnte.
»Wir sind über Drohungen hinaus, lieber Junge. Deshalb musst du es tun. Mach dich heute – noch heute Abend – auf den Weg, und bring meinen Sohn mit. Er wird ein guter Vorwand sein, warum du hier sein musst.«
»Ein Vorwand?«
»Vertrau mir, Ragnar.«
Es stimmte, es konnte sein, dass Königin Rhiannon ihn in eine Falle lockte. Sie konnte ihre Drachenkrieger ihm auflauern lassen, sobald er Südland-Gebiet betrat. Sie konnte eine Menge tun. Und dennoch … er glaubte nicht, dass sie sich die Mühe machen würde.
»Wie du willst.«
Es war ein kurzer Augenblick, aber er sah die Erleichterung in ihrem Gesicht, bevor sie ihr falsches Lächeln aufsetzte, das speziell dazu diente, jede Wahrheit zu verbergen, die sie womöglich verraten konnte.
»Hervorragend. Ich kann es kaum erwarten, meinen Sohn zu sehen. Ich habe ihn so vermisst.« Sie wich zurück, bis sie sich umdrehen konnte, ohne Ragnar mit ihrem Schwanz zu treffen, und ging zurück zu ihrem Baum.
»Du sagtest, da sei noch ein Gefallen.«
»Oh, aye. Es gibt eine Hexe, die im Wald der Trostlosigkeit in den Außenebenen lebt. Eine Drachin, aber sie lebt als Mensch.«
»Ja. Ich kenne sie.«
»Natürlich kennst du sie. Genau wie mein Sohn Gwenvael. Und meine jüngste Tochter.« Sie sah ihn über ihre Schulter an. »Du erinnerst dich doch an meine Tochter, Mylord? Keita?«
Ragnar gab sich große Mühe, nicht höhnisch zu schnauben. »Ja. Ich erinnere mich an Keita.« Keita das Gör. Keita der Albtraum. Keita die nächtliche Phantasie, wenn er zu viel getrunken hatte.
Wie hätte er sie vergessen können? Er war ein Drache, kein Heiliger.
»Natürlich erinnerst du dich. Sie ist so schön, dass es männlichen Wesen schwerfällt, sie überhaupt je zu vergessen. Vielleicht kommt sie auch zu dem Familienfest, wenn du Glück hast, und ihr zwei könnt euch wieder miteinander vertraut machen.«
»Ich bezweifle, dass ich Zeit haben werde, zum Fest zu bleiben, Mylady. Auch wenn ich das Angebot zu schätzen weiß.«
»Ich verstehe.« Die Königin sah ihn einen Augenblick länger an, bevor sie mit einer ihrer Krallen auf ihn zeigte. »Brauchst du Salbe dafür, mein kleiner grollender Donner?«
Verwirrt sah Ragnar an sich hinab und wurde sich bewusst, dass er sich wieder einmal an der Brust kratzte. Genau an der Narbe, die sich durch seine dicken violetten Schuppen zog. Die Narbe, die ihm das verwöhnte königliche Gör zwei Jahre zuvor zugefügt hatte, als sie sich an ihn angeschlichen und ihn mit ihrem Schwanz aufgespießt hatte. Und das, nachdem er ihr nutzloses Leben gerettet hatte.
Ragnar senkte hastig die Klaue.
»Nein, danke.«
»Eine schlimme Narbe. Manche brauchen ewig, bis sie heilen.«
»Die Hexe im Wald, Mylady?«
»Oh, ja, ja. Sei doch bitte so lieb und bring sie mir. Lebend.«
»Warum?«
»Na ja, sie ist meine Schwester und die Verräterin meines Throns. Wenn ihr also jemand den Kopf nimmt, dann sollte das doch ich sein. Meinst du nicht auch?«
Ihr Götter. Esyld. Sie wollte Esyld. Eine mächtige Hexe und ausgezeichnete Heilerin, und Teil der Außenebenen, solange Ragnar denken konnte. Und im Gegensatz zu vielen anderen wusste er seit Jahren, wer sie war. Königin Rhiannons Schwester, die aus den Südländern geflohen war, als ihre Schwester an die Macht kam. Allein aus diesem Grund, und soweit er wusste aus keinem anderen, war Esyld die Schöne für die Getreuen der Königin zu Esyld der Verräterin geworden.
»Oder du kannst sie dort lassen, Majestät«, schlug er vor. »Sie fügt dir keinen Schaden zu.«
»Sieh an, sieh an, du scheinst meine Schwester gut zu kennen.« Sie kicherte. »Aber du wirst sie zu mir bringen.«
»Und wenn nicht?«
»Ganz einfach. Dann lasse ich die wild gewordene Verwandtschaft meines Gefährten auf sie los wie ein Rudel beutehungriger Wölfe auf ein verwundetes Reh. Wäre dir das lieber?«
»Als wir vor zwei Jahren miteinander gesprochen haben, wusstest du auch schon, wo deine Schwester war. Aber du hast dich jetzt entschieden, sie gefangen zu nehmen. Warum?«
»Weil man ja nie weiß … es könnte ja sein, dass ihr ein attraktiver junger Denker von einem Drachen das nutzlose Leben rettet. Aber nur, wenn sie es lebend zu mir schafft. Und die Sippe meines Gefährten wird dafür sorgen, dass sie es niemals lebend bis zu mir schafft. Sie können Verräter nicht ausstehen.«
»Und du bist dir so sicher, dass sie eine Verräterin ist?«
Ihr Lächeln war grausam. »Ich muss mir nicht sicher sein. Ich bin Königin. Und jetzt« – sie warf ihm mit ihrem Schwanz noch eine Frucht zu, bevor sie sich wieder auf den Baum konzentrierte – »gute Reise, mein leichtes Nieseln. Ich freue mich wirklich darauf, dich persönlich wiederzusehen. Oh!« Sie hob eine Kralle, ihr Blick richtete sich in weite Ferne, bevor sie seufzte, den Kopf schüttelte und etwas vor sich hinmurmelte wie: »Dieses Mädchen«, und dann zu Ragnar sagte: »Und noch etwas …«
»Ja?«
»Kennst du einen Baron Bamp… irgendwas? In den Außenebenen?«
»Bampour?« Auf die Rückfrage hin zuckte sie die Achseln. »Ja, ich kenne ihn.« Ein sehr unangenehmer Kerl, mit dem Ragnar bisher nur wenig zu tun gehabt hatte. »Was ist mit ihm?«
»Über sein Gebiet würde ich nicht fliegen. Ihr seid wahrscheinlich besser beraten, es zu Fuß zu durchqueren.«
Normalerweise hätte er die Stadt und die Ländereien des Barons ganz gemieden, aber es war der einfachste Weg zu dem Wald, wo Esyld die Weise lebte. »Warum?«
»Musst du alles hinterfragen, mein kecker kleiner Platzregen?«
»Um genau zu sein …«
All die Schönheit um Ragnar herum flirrte, der Zauber endete und nahm die Sonnen, das Gras, die Bäume und die unbeständige Monarchin mit sich.
»… ja!«
Er war wieder auf seinem Plateau; das reife Obst, das die Königin nach ihm geworfen hatte, war vor seinen Klauen liegen geblieben. Ihr Götter. Dieses Weib.
Mit einem hörbaren Ausatmen hob er eine Frucht auf und hielt sie in den Krallen.
Aber … so viel Macht.
Doch bevor er sich setzen und darüber nachdenken konnte, wie sie etwas so Unglaubliches hinbekam, fing dieses verdammte Jucken wieder an!
Ragnar warf das Obst weg und kratzte die verheilte Wunde auf seiner Brust. Sie war vielleicht verheilt, aber dieses Jucken! Götter, dieses Jucken! An manchen Tagen trieb es ihn in den Wahnsinn. Vor allem, wenn er seine Rüstung anhatte. Und nichts, was er in den letzten zwei Jahren versucht hatte, hatte viel dagegen geholfen. Er hatte Salben probiert, Zauber, Balsam … alles! An manchen Tagen konnte er kaum denken wegen dieses verdammten Juckens. Und manchmal vergaß er die Wunde tagelang ganz, manchmal sogar für Monate. Aber jetzt, wo die verdammte Königin ihn daran erinnert hatte …
Zornig brüllend nahm Ragnar seine menschliche Gestalt an, ließ sich auf ein Knie sinken und kratzte seine menschliche Haut auf Teufel komm raus. Wenn er sich nicht die Schuppen ausreißen wollte – was er nur höchst ungern wollte –, war dies die einzige Art, das verdammte Ding richtig zu kratzen. Es fühlte sich sogar so gut an, mit den menschlichen Fingern seine Brust zu kratzen, dass er die Eiseskälte überhaupt nicht bemerkte – und dass er nicht mehr allein war.
»Äh … Bruder?«
Ragnars Hand blieb auf seiner Brust liegen, aber er drehte sich nicht um. »Was?«
»Die anderen fragen sich, ob du zurückkommst. Oder soll ich dich in Ruhe lassen, damit du dich weiter … selbst berühren kannst? Und wo kommt das Obst her?«
»Ich berühre mich nicht …« Ragnar formulierte seine Antwort nicht zu Ende. Ehrlich, warum auch? »Wer kann in den nächsten Wochen für uns übernehmen?«
»Für uns?«
»Für dich, mich und Meinhard.« Ihr Vetter war ein mächtiger Kämpfer und in jeder Lage ein guter Beistand. Außerdem war er loyal – und Loyalität bedeutete Ragnar alles.
»Onkel Askel. Er ist von den Eislandgrenzen zurück, und er wird dieses Gesindel auf Kurs halten.«
»Gut. Wir brechen in zwei Stunden auf.«
»Wohin?«
»In die Südländer. Und wir nehmen den Blauen mit. Also hol ihn am besten her.«
»Ich kümmere mich darum.«
Ragnar nickte und starrte über seine kalte, grausame Nordland-Heimat hinweg. Er wünschte, er könnte die Befehle der Drachenkönigin ignorieren, aber etwas sagte ihm, dass das sehr töricht wäre. Er war niemals töricht. Diesen Luxus konnte er sich nicht leisten. Also würde er in die Südländer zurückkehren und bei den faulen Feuerspuckern nicht nur seine eigene Sicherheit riskieren, sondern auch die eine Drachin wiedertreffen, die er nie hatte wiedersehen wollte.
Und während Ragnar an die grausame Schlange dachte, bewegte sich seine Hand wieder zu der juckenden Narbe auf seiner Brust. Er hielt aber mitten in der Bewegung inne, als ihm bewusst wurde, dass er immer noch nicht allein war.
»Sonst noch etwas, Bruder?«, fragte Ragnar.
»Na ja … willst du das ganze Obst essen oder es hier draußen liegen lassen, bis es gefroren und nutzlos ist?«
Ragnar hob das Obst mit beiden Händen auf und warf es, ein Stück nach dem anderen, seinem Bruder an den dicken, fetten, schuppenbedeckten Kopf.
Als er Vigholf wieder nach drinnen getrieben hatte, wandte sich Ragnar erneut den Bergen zu, die er sein Zuhause nannte, während sich sein Bruder beschwerte: »Du hättest es mir auch einfach geben können, Ragnar!«
Er war jetzt Baron Bampour. Er regierte dieses Land. Natürlich musste es eine angemessene Zeit der Trauer geben, doch wenn das erst erledigt war, würde er alles in die Hand nehmen.
Doch zuerst, bevor er sich über all das Sorgen machte, würde er sich die Mörderin seines Vaters aus der Nähe ansehen.
Seine Männer hatten sie mit dem schlimmsten Abschaum allein gelassen, den es auf dem ganzen Gebiet seines Vaters … nein seinem Gebiet gab. Nicht lange genug, um sie umzubringen, aber lange genug, damit ihr klar wurde, dass die Tage vor ihrer Hinrichtung die schlimmsten ihres Lebens werden würden. Sie verdiente es natürlich. Erstens weil sie seinen Vater getötet hatte. Und zweitens weil die kleine Hure ihn einfach abgewiesen hatte, als er sie in sein Bett gebeten hatte. Und das sogar, nachdem er ihr diese hübschen Ohrringe geschenkt hatte.
Aye. Ihre letzten Tage auf dieser Erde würden sie diese Entscheidung bereuen lassen. Dafür würde er sorgen.
Hinter seinen Männern ging Baron Bampour in den hintersten Winkel des Kerkers. Seine Männer hatten ein paar Fuß vor der Zelle dieser Schlampe angehalten und rührten sich nicht.
Voller Vorfreude drängte er sich ungeduldig an ihnen vorbei. Die kleine Hure hatte ihnen den Rücken zugewandt, und er rief aus: »Nun, Mylady …«
Erschrocken, mit weit aufgerissenen Augen, wirbelte sie herum, immer noch kauend, während ihr ein langer Schwanz aus dem Mund hing.