Attila Jo Ebersbach

Blutzoll

Ein Edersee-Krimi

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Attila Jo Ebersbach

Attila Jo Ebersbach wurde 1943 in einem Opernsängerhaushalt in Görlitz geboren. Sein Abitur legte er 1964 in Darmstadt ab – als einer von zehn Jungen unter tausend Mädchen an einer eben erst für Jungen geöffneten Mädchenschule. Eine Erfahrung, die ihn fürs Leben gerüstet hat. Nach seinem Studium der Architektur und Malerei arbeitete er als Berufsmusiker, Architekt, Grafikdesigner und Geschäftsführer einer Werbeagentur. Seit 2004 schreibt er hauptberuflich und ist als freiberuflicher Korrektor und Layouter für mehrere Verlage tätig. Seine freien Tage verbringt er gerne auf seinem Segelboot – natürlich auf dem Edersee – wo sonst?

Impressum

© 2013 der eBook-Ausgabe by Knaur eBook

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –

nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Birgit Bramlage

Herstellung: Josef Gall

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: © FinePic®, München

ISBN 978-3-426-42401-8

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Die Handlung dieses Buches beruht auf wahren Begebenheiten, die sich in den vergangenen hundert Jahren im Edertal ereignet haben und mithilfe künstlerischer Freiheit zu dem vorliegenden Roman verarbeitet wurden.

Die Namen der Orte wurden nicht geändert; die der handelnden Personen nur dort, wo es zur Wahrung von Persönlichkeitsrechten nötig erschien.

Prolog, 1911

Diese Schande!«, presste die junge Frau hervor und wischte mit dem Ärmel die Tränen aus ihrem Gesicht. »Diese furchtbare Schande, die ich über dich gebracht habe, Liebster.« Sie hielt inne und biss sich so fest auf die Unterlippe, dass diese zu bluten begann. »Ich ließ es geschehen. Musste es geschehen lassen. Konnte mich nicht wehren, verstehst du? Denn er war viel stärker als ich.«

Sie leckte mit der Zunge das Blut ab und sah sich mit weit aufgerissenen Augen in der Scheune um, als wolle sie sich den Ort ihres Todes für alle Zeiten einprägen. »Aber selbst wenn er stärker war, hab auch ich Schuld auf mich geladen«, fuhr sie fort, und erneut sammelten sich Tränen in ihren Augen. »Schuld, die sich nicht leugnen lässt.«

Sie gab es auf, ihren Tränen Einhalt zu gebieten, und ließ ihnen freien Lauf.

»Nun bin ich am Ende«, gestand sie sich ein. »Denn leben, nein, leben kann ich nicht mit dieser Schande. Verzeih mir, Liebster!« Schweigend presste sie eine Minute lang die Lippen aufeinander und dachte voll Schmerz an ihn. »Und auch du, lieber Gott, musst mir verzeihen!«, fuhr sie dann fort und blickte nach oben. »Ich weiß, ich begeh eine große Sünde. Eine Todsünde. Aber eine noch größere Sünde wär’s, weiter mit dieser Schmach zu leben.«

Sie schniefte in den Ärmel, wickelte mit der zitternden Rechten den dicken Strick zweimal um einen Balken über ihrem Kopf, führte das Ende durch die so entstandene Schlaufe und zurrte das Ganze fest. Dann legte sie sich die Schlinge um den Hals und zog sie so weit zu, dass sie gerade noch Luft holen konnte.

Die Kiste unter ihren Füßen wackelte bedenklich, sie musste über sich greifen und sich am Strick festhalten. Noch war sie nicht bereit, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

Sie wusste, dass die Hölle auf sie wartete, das hatte sie im Konfirmandenunterricht gelernt. Sie hatte die Worte ihres Pastors noch gut im Ohr:

»Vergeht euch nie am eigenen Leibe!«, hatte der mit hoch erhobenem Zeigefinger und funkelnden Blicken gedroht. »Der Herr gibt, und der Herr nimmt. Niemand hat das Recht, sein Leben selbst zu beenden. Wer’s aber dennoch tut, der wird vom Herrn für immer in die ewige Verdammnis verstoßen!«

Nur wenige Jahre war es her, da war sie bei diesen Worten noch gewaltig erschrocken, stellte sie sich doch die Hölle als den schrecklichsten Ort vor, den es im gesamten Universum geben konnte.

Doch heute schreckte sie diese Vorstellung nicht mehr sonderlich. Sie war ja bereits durch die Hölle gegangen. Ihre eigene Hölle. Und noch schlimmere Pein konnte in der anderen wahrlich nicht mehr auf sie warten.

Ja, sie hatte die Hölle kennengelernt.

Aber ihren Peiniger, den Mann, der sie durch diese geführt hatte, wollte sie nicht ungeschoren davonkommen lassen. Er sollte genau wie sie für immer im ewigen Feuer schmoren.

»Du kommst mir nicht davon!«, flüsterte sie heiser und blickte durchs halb geöffnete Scheunentor hinüber zum Herrenhaus, wo er sich wahrscheinlich just in diesem Augenblick die Zeit mit einer anderen jungen Magd vertrieb. »Ich verspreche dir, so wahr ich gleich Aug’ in Auge dem Satan gegenübersteh, dass ich ihn auf Knien drum anflehen werde, alle Dämonen und Teufel auf dich zu hetzen, damit du und alle, die in Zukunft deinen Namen tragen, für immer und ewig verdammt und verflucht seid.«

Sie schaute sich ein letztes Mal um. Wie oft in den vergangenen zwei Jahren hatte sie in dieser Scheune mit der Heugabel Stroh von oben nach unten geworfen, den feinen Staub in der Nase und das Lachen und die anzüglichen Sprüche der Knechte im Ohr, die versucht hatten, einen Blick auf ihre Unterröcke zu erhaschen.

Und sie dachte mit Wehmut an ihren Liebsten, dem sie heute mit ihrem Tod schmerzhaften Kummer zufügen würde.

Dann tat sie einen tiefen Seufzer, und ihr allerletzter Gedanke galt ihrer kleinen Tochter. Sich von ihr zu trennen, zerriss ihr schier das Herz, aber wenigstens war sie bei der Schwester ihres Liebsten in guten Händen.

Schließlich gab sie sich einen Ruck, und mit einem ungestümen Aufschrei und einem brennenden Blick, der fest aufs hell erleuchtete Herrenhaus gerichtet war, stieß sie energisch die Kiste von sich weg.

Und sie lachte, und wollte gar nicht mehr aufhören zu lachen, während sie mit rudernden Armen durch die Unendlichkeit des Universums sauste, der Hölle entgegen, immer schneller und immer tiefer sank, fremde Galaxien durchraste, schimmernden Monden und glühenden Sternen auswich und nach vorbeifliegenden Kometen griff …

Kapitel 1

Wenn man Anfang Oktober frühmorgens in der gemütlichen Stube sitzt und über den See blickt, kann man leicht das Gefühl bekommen, da draußen gäbe es nichts. Nichts Konkretes jedenfalls. Erde, Wasser, Berge und Himmel verschmelzen ineinander; Farben lösen sich auf, mischen sich neu und verfließen wieder; Licht reflektiert Körper und verschluckt die Konturen gierig wie ein schwarzes Loch. Geräusche dringen nur mühsam zu einem durch und wirken im Nebel fern und gedämpft, als seien sie unter einer riesigen Käseglocke gefangen.

Unwillkürlich ist man geneigt zu frösteln …

 

Arne Guldberg saß an Bertram Helmers Küchentisch und blickte auf den Edersee hinab. Von hier oben hatte man um diese Tageszeit gewöhnlich einen weitläufigen Panoramablick von Rehbach über den Eschelsberg bis zur Einmündung der Niederwerber Bucht – falls nicht wie heute Nebel herrschte. Ab und zu tauchte aus dem Nebel schemenhaft ein Anglerboot auf und verschwand wieder im Nichts. Nur die zarte Wellenspur, die es hinterließ, war noch eine Weile zu sehen. Kein Wind kräuselte das Wasser zu Wellen. Der Ruf eines Käuzchens quälte sich durch den Nebel. Vom Wildpark drang das Röhren eines Hirsches herüber – sonst war es still.

Totenstill.

Vor der Anrichte neben dem uralten Herd stand Martha, Bertrams Frau. Sie bereitete das Frühstück zu. Beide warteten auf ihren Mann, mit dem sich Guldberg zu dieser frühen Morgenstunde verabredet hatte, weil er ihm helfen wollte, noch rechtzeitig vor dem Winter sein Meterholz auf kamingerechte Längen zu sägen. Ein kräftiges Frühstück zuvor sollte die beiden Männer für ihr Tagewerk stärken. Bertram war nur noch einmal rasch zur Tankstelle nach Niederwerbe gefahren, um Öl für die Kettensäge zu besorgen.

Guldberg sah auf seine Uhr, denn Bertram war schon über eine Stunde weg. Hin und zurück plus Einkaufen dauerte kaum eine halbe Stunde. Hatte er sich an der Tankstelle in ein Schwätzchen verwickeln lassen?

Auch Martha wurde ungeduldig und sah auf die Küchenuhr über dem Büfett. Schweigend zuckte sie die Achseln, wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und begann den Tisch zu decken.

Plötzlich schrillte das Telefon. Es war ein altes Telefon, noch eins von diesen klobigen Geräten, die sich nicht mit einem neumodischen Dü-del-ü-düt meldeten, sondern mit dem guten alten Klingelton.

Martha, ganz in ihre Arbeit vertieft, zuckte zusammen und sah verdutzt auf. Als das Klingeln nicht aufhören wollte, wischte sie sich die Hände an der Schürze ab und griff zum Apparat. »Ist wohl Bertram«, meinte sie und schob ihrem Gast das Telefon hinüber. »Bestimmt hat er noch ’ne Frage.«

Guldberg nahm den Hörer ab und meldete sich mit einem undefinierbaren »Hm?«.

»Frau Helmer? Martha Helmer?«, hörte er eine raue männliche Stimme. Ohne seine Antwort abzuwarten, redete der Mann weiter, als habe er es besonders eilig: »Mein Name ist Götz. Einfach nur Götz. Ich bin der Mörder Ihres Mannes!«

 

Zu diesem Zeitpunkt lebte Arne Guldberg bereits ein Jahr auf der Halbinsel Scheid am Edersee. Und da er und Helmer nur zwei Häuser voneinander entfernt wohnten, waren sie sich bald nach seinem Zuzug über den Weg gelaufen.

Davor Hauptkommissar beim K 11 im Kasseler Polizeipräsidium, war Guldberg vorzeitig in den Ruhestand getreten, um sich nur noch seinem Hobby Segeln zu widmen und am Edersee endlich das ruhige Leben zu führen, das seine Exfrau Marianne stets von ihm gefordert hatte. Vor vier Jahren hatte sie ihn verlassen, weil er ihrer Meinung nach mit seinem Job verheiratet war und nicht mit ihr. Heute bedauerte er allerdings, ihr Anlass zur Eifersucht auf seine Arbeit gegeben zu haben und sich vernachlässigt zu fühlen.

Guldberg war Ende fünfzig, eins achtzig groß und verdankte seinen Vornamen Arne der Abenteuerlust seiner norwegischen Großeltern väterlicherseits, Weltenbummlern aus Hammerfest. Denen war es irgendwann in der Kälte am Nordkap zu ungemütlich geworden. Kurz entschlossen waren sie nach dem Ersten Weltkrieg mit einem alten Fischkutter und ihrer gesamten Habe in Richtung Süden aufgebrochen und irgendwann im nordhessischen Bad Karlshafen gelandet und sesshaft geworden.

Guldberg besaß eine sportliche-schlanke Figur und war oft mit seinem Boot, der Admiral von Schneider – so hatte er seine Hallberg-Rassy getauft –, auf dem Edersee unterwegs. Das 28 Fuß lange Segelboot, Baujahr 1960, besaß eine gemütliche Kajüte und war mit Pantry, Toilette und Kojen ausgestattet, sodass er in ihm auch übernachten konnte und die Nacht in einer der Buchten oder Seitentäler des Edersees verbringen, wenn er mal keine Lust verspürte, spätabends noch den heimatlichen Hafen anzulaufen.

Sein einziges Handicap war sein linker Arm, den er nur noch eingeschränkt bewegen konnte, Relikt einer Schussverletzung, als er bei der Schießerei zweier rivalisierender Zuhälterbanden im Kasseler Rotlichtmilieu zwischen die Fronten geraten war und dabei beinahe sein Leben verloren hätte.

Das hatte letztendlich den Ausschlag gegeben, sich vorzeitig pensionieren zu lassen.

 

Nach dem ersten Schock über den seltsamen Anruf vermutete Guldberg einen Dummejungenstreich, den sich irgendein Verrückter ausgedacht hatte, um Martha zu ärgern.

»He! Soll das ein Witz sein?«, rief er aufgebracht ins Telefon. »Dann ist es aber ein saudämlicher! Mann, was soll der Unsinn?«

Doch anstelle einer Antwort zeigte ihm der Freiton, dass der andere das Gespräch beendet hatte. Kopfschüttelnd legte er den Hörer auf.

Martha stellte geschnittenes Brot, Butter und Aufschnitt auf den Tisch und schaute neugierig zu ihm herüber. »Was ist?«

Guldberg winkte ab. »Pah! Irgendein Idiot, der meint, er könnte sich einen blöden Scherz erlauben.«

»Was hat er gesagt?«

Um Martha nicht unnötig zu beunruhigen, wiegelte Guldberg ab. »Ach, nichts Besonderes«, nuschelte er. Dann aber hakte er doch nach: »Martha, kennst du einen Kerl namens Götz?«

Martha legte den Kopf schief und überlegte einen Moment. »Götz? Nicht dass ich wüsste. Nannte der Anrufer sich so?«, fragte sie nach.

Guldberg nickte zustimmend.

Martha, eine groß gewachsene, kräftig gebaute Frau mit ebenmäßigem Gesicht und ausgeprägter weiblicher Figur, Anfang fünfzig, war keine Schönheit. Nicht von der Art, wie sie in Modemagazinen zu finden sind. Doch sie strahlte etwas aus, das man bei Modepüppchen meist vergebens sucht: Mütterlichkeit, Kameradschaft, Geborgenheit. Sie hatte Guldberg, den »einsamen Wolf«, wie sie ihn nannte, vom ersten Moment an in ihr großes Herz geschlossen und war um sein Wohlergehen besorgt. Ab und zu, wenn er zum Beispiel etwas mit Bertram zusammen erledigte, bedrängte sie ihn, zum Essen zu bleiben, damit er »nicht vom Fleisch falle«. Überhaupt war ihr sehr daran gelegen, dass man gut und viel aß, und wenn man ihr für ein gelungenes Gericht ein Kompliment machte, strich sie sich zwar verlegen eine imaginäre Strähne aus dem Gesicht, doch leuchteten ihre wasserblauen Augen vor Zufriedenheit.

Martha goss ihrem Gast und sich Kaffee ein und nahm am Tisch Platz. »Lass uns anfangen«, sagte sie und hielt ihm den Korb mit dem Brot hin. »Bertram weiß doch, dass wir auf ihn warten. Wenn er nicht rechtzeitig kommt, muss er eben kalten Kaffee trinken«, fügte sie leicht ungehalten hinzu.

»Er wird sicher gleich hier sein«, war Guldberg zuversichtlich. Er hatte Hunger und war froh, endlich mit dem Frühstück beginnen zu können.

»Es gibt schon ein paar komische Typen hier am See«, kam Martha auf den Anrufer zurück und zuckte leicht verlegen mit den Schultern. »Nimm bloß nicht alles ernst, Arne. Wirst dich mit der Zeit schon noch an die Edertaler gewöhnen.«

Guldberg grinste schief und nickte. Dann dachte er noch einmal über den Anruf nach. Es wollte ihm partout nicht in den Kopf, warum sich jemand auf Kosten eines anderen einen solch saudummen Scherz erlaubte. Oder war es vielleicht doch gar kein Scherz gewesen? Unruhig sah er auf seine Armbanduhr.

Schon anderthalb Stunden.

»Martha, hast du die Nummer von der Tankstelle? Ich ruf da jetzt mal an.«

»Warte.« Martha stand auf und ging zum Küchenbüfett. Dort hing seitlich eine handgeschriebene Telefonliste. Sie diktierte ihm die Nummer.

Guldberg rief in dem Geschäft für Bootszubehör an, das der Tankstelle angeschlossen war, und erfuhr, dass Bertram den Verkaufsraum schon vor mindestens einer Stunde verlassen hatte. Nein, er habe sich auch mit niemandem länger unterhalten, sondern sei schnurstracks losgefahren, sagte man ihm. Ob er denn noch nicht zu Hause angekommen sei?

Guldberg brummte etwas Unverständliches in sich hinein und legte rasch auf.

Sekundenlang starrte er Martha mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

Sie starrte zurück. Erkannte seine Unruhe. »Was ist?«, wollte sie wissen. »Ist er nicht mehr …?« Voll böser Vorahnungen schossen ihre Augenbrauen in die Höhe, und sie fuhr sich mit der Hand an den Mund.

»Vielleicht hatte er ja eine Panne und ist unterwegs liegen geblieben«, beruhigte Guldberg sie. »Du, ich fahr am besten mal los und schau nach ihm.«

Martha biss sich auf die Unterlippe. »Hoffentlich ist ihm nichts passiert!«

Er gab ihr seine Handynummer, damit sie ihn benachrichtigen konnte, falls Bertram in seiner Abwesenheit doch noch eintraf.

Schnell nahm er noch einen kräftigen Bissen, trank seinen Kaffee aus und stürmte aus der Küche. Er rannte die knapp hundert Meter zu seinem eigenen Haus, holte die Harley aus der Garage und preschte los in Richtung Niederwerbe. Noch immer herrschte dichter Nebel. Die Sicht betrug kaum fünfzig Meter. Der Asphalt war feucht, und nasses Laub machte die Straße rutschig. Guldberg schlingerte mehr durch die Kurven, als dass er sie durchfuhr, wobei er ständig Ausschau nach Bertrams beigefarbenem VW Käfer oder seinem Körper am Straßenrand hielt.

Vergeblich! Nach knapp acht Minuten erreichte er die Tankstelle, ohne auf ihn gestoßen zu sein. Auch auf seine Nachfrage erhielt er keine andere Auskunft als schon zuvor am Telefon.

Inzwischen waren gut zwei Stunden vergangen, seit Bertram das Haus verlassen hatte. Nun machte sich Guldberg doch ernsthaft Sorgen.

Kaum war er zurück auf Scheid und hatte seine Harley vor Bertrams Haus aufgebockt, stürzte ihm Martha entgegen. »Er hat angerufen«, sprudelte sie mit erregter Stimme hervor.

»Wer? Bertram?«, rief Guldberg voller Hoffnung.

»Nein, dieser … dieser Götz!«

Sekundenlang war er sprachlos. »Und? Was wollte er?«, stieß er hervor.

»Er« – Martha schluckte, und Tränen rannen ihr über die Wangen –, »er behauptete, Bertram umgebracht zu haben. Dann sagte er: ›Wenn ihr seine Leiche sucht, sucht beim Hopfenberg.‹«

 

Guldberg hatte Bertram Helmer kennengelernt, nachdem er in seine Nachbarschaft gezogen war. Wie sich schnell herausstellte, waren sie beide Liebhaber alter Holzboote im klassischen Jachtdesign. Bertram besaß ein Folkboot von 1969, einen schönen Langkieler aus Mahagoni mit viel Messing in der Kajüte, ein echtes Schätzchen. So etwas verbindet, und schnell war daraus eine Freundschaft erwachsen. Wegen eines Bandscheibenvorfalls war Bertram seit einem Jahr Frührentner. Dadurch hatten die beiden jede Menge Zeit, ihr gemeinsames Hobby zu pflegen und ausgiebige Segeltörns zu unternehmen.

Hin und wieder halfen sie sich gegenseitig bei irgendwelchen Arbeiten. So wie Guldberg zum Beispiel heute hier war, um Helmer bei seinem Winterholz zur Hand zu gehen, war Helmer Guldberg beim Renovieren seines in die Jahre gekommenen Hauses behilflich gewesen.

Der Kauf dieses alten Wochenendhauses war von Guldberg eigentlich als Versuch gedacht, sein Leben in geordnete und ruhigere Bahnen zu lenken.

Doch dass es in nächster Zeit dazu kommen würde, war nicht abzusehen, da er immer wieder über den einen oder anderen Fall geradezu »stolperte«, der den Kriminalisten in ihm forderte.

Kapitel 2

Sekundenlang stand Guldberg wie gelähmt da. Unfähig zu antworten, starrte er Martha nur an und versuchte, die unheimliche Botschaft des geheimnisvollen Anrufers zu verdauen. Zweifellos bekräftigte dieser erneute Anruf seine düstere Vorahnung, dass der Anrufer doch kein Scherzkeks war, sondern den Helmers Böses wollte.

Doch warum? Er konnte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen.

Es dauerte nur einen Lidschlag oder zwei, dann setzte sich sein Gehirn wieder in Gang. Sollte er den Wasserschutzpolizeiposten Waldeck anrufen oder erst einmal auf Verdacht mit seinem eigenen Boot losfahren?, überlegte er. Der Polizeiposten lag genau gegenüber der Hopfenberginsel, von dort könnte jemand eher vor Ort sein als er.

Das sprach dafür.

Was aber passierte, wenn es sich doch nur um einen dummen Scherz handelte und er die Polizisten umsonst losschickte? Guldberg hatte keine Lust, unter Umständen wegen »Vortäuschung einer Straftat« in Regress genommen zu werden. Immerhin wurde dieser Straftatbestand mit bis zu drei Jahren Haft oder einer empfindlichen Geldstrafe geahndet.

Das sprach entschieden dagegen.

Er beschloss, auf eigene Faust loszufahren und nach Bertram zu suchen. Wenn Götz’ Aussage wirklich stimmte, war sein Freund tot. Und dann kam es auf ein paar Minuten mehr oder weniger auch nicht mehr an.

 

Inzwischen war es Viertel nach elf, und allmählich begann sich der Nebel zu lichten. Schaute man in Richtung Rehbach, konnte man sehen, wie sich die Sonne schon langsam einen Weg durch die graue Suppe zu bahnen versuchte. Nur zur Niederwerber Bucht hin lag er noch in dichten Schwaden über dem Wasser.

Guldberg versuchte, Martha zu beruhigen, so gut er konnte. Als er ihr aber sagte, dass er vorhatte, mit dem Boot zum Hopfenberg zu fahren, wollte sie unbedingt mitkommen und ließ sich durch nichts davon abbringen. »Schließlich geht’s um meinen Mann!«, beharrte sie darauf und wischte sich über die Augen. »Wenn du mich nicht mitnimmst, schnapp ich mir Bertrams Boot und fahr auf eigene Faust los.«

»Vielleicht war’s ja doch nur ein blöder Scherz«, konterte er hoffnungsvoll, »und Bertram kommt in der nächsten Stunde mit einer brauchbaren Begründung nach Hause. Dann bist du nicht da und machst dir nur unnötig Sorgen. Bleib lieber hier und warte auf ihn.«

Doch wenn er ehrlich war, glaubte er selbst nicht mehr so richtig an seine eigenen Worte.

Alles Zureden half nichts. Martha bestand darauf, mitzufahren.

Schließlich gab er nach. »Warte hier«, bat er sie. »Bin gleich wieder zurück.« Rasch fuhr er seine Maschine nach Hause und holte die Bootsschlüssel.

Endlich kam Wind auf, allerdings Ostwind. Daher beschloss er, mit dem Motor zu fahren, da er unter Segeln den größten Teil der Strecke hätte kreuzen müssen, was nur unnötig Zeit gekostet hätte.

Im vergangenen Winter hatte sich Guldberg einen leistungsstarken E-Motor einbauen lassen – am Edersee waren Verbrennungsmotoren schon lange nicht mehr erlaubt –, der ihn mühelos und schnell ins Waldecker Becken bringen würde.

Schon nach wenigen Minuten ließen sie die Niederwerber Bucht an Backbord liegen und bogen ab in den langen breiten Schlauch, der ins Waldecker Becken mündete. Martha sprach die ganze Zeit über kein einziges Wort. Sie saß zusammengekauert am Niedergang, den Kopf auf die Knie gestützt, die Arme drum herum geschlagen und weinte leise vor sich hin. Auch Guldberg schwieg. Er war noch nie ein Meister im Trösten gewesen. Außerdem war auch er mittlerweile auf das Schlimmste gefasst.

Bei Niedrigwasser, wie jetzt im Herbst, erhob sich der Hopfenberg in Form von zwei Inseln aus der Mitte des Waldecker Beckens, gekrönt von zwei auseinanderliegenden Gipfeln. Erst wenn der Wasserspiegel noch weiter sank, vereinigten sich die beiden zu einer einzigen Insel.

Mittlerweile war die Sicht vollkommen klar, der Himmel fast ungetrübt blau, und es wurde fühlbar wärmer. Guldberg zog seine Jacke aus und krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch. Nur über der Stadt Waldeck und der Burg standen vereinzelt ein paar Wölkchen wie verlorene Schafe auf der Sommerweide.

Doch heute hatten beide weder ein Auge für die stolz gen Himmel ragende Festung noch für die Schönheit der in herbstliche Farben getauchten Bergpanoramen um sie herum.

Ihr einziger Gedanke galt Bertram. Was Guldberg zuerst für einen dummen, makabren Scherz gehalten hatte, verdichtete sich allmählich zu einer Schreckensnachricht.

Martha saß noch immer in der gleichen Haltung am Niedergang und bekam augenscheinlich nicht viel mit.

Guldberg hielt seine Admiral von Schneider auf der Mitte des Sees. Schon auf Höhe der DLRG-Station sah er das grüne Anglerboot am Ufer der ihm zugewandten Hopfenberg-Insel vor sich hindümpeln. Doch war er immer noch zu weit weg, um Details erkennen zu können.

Erst als er näher kam, erkannte Guldberg, dass niemand im Boot saß oder stand. Allem Anschein nach war es leer.

Doch – ragte da nicht seitlich etwas über den Bootsrand hinaus? Etwas Helles? Guldberg kniff die Augen zusammen und bedeckte sie mit einer Hand, um besser sehen zu können.

Ein Ast. Oder … was war das?

Mit Vollgas näherte er sich dem in olivgrüner Tarnfarbe gestrichenen Ruderboot. Ein Alukahn, wie er zigmal von Anglern am Edersee benutzt wurde. Elektromotor am Heck; Batterie im Kasten unter der Sitzbank. Nichts Besonderes.

Doch plötzlich fuhr ihm der Schreck in die Glieder. Denn auf einmal erkannte er ohne jeden Zweifel, dass es sich bei dem hellen Etwas, das über den Bootsrand hinausragte, um eine Hand und einen Unterarm handelte, der aus einem Jackenärmel herausschaute.

Aus einem Ärmel aus hellbraunem Leder.

Genau wie das Leder der Jacke, mit der Bertram heute Morgen weggefahren war.

Der Arm war … Bertrams Arm!

Mit einem hektischen Manöver brachte Guldberg sein Boot längs des Anglerkahns zum Stehen, machte es schnell an einer der Dollen am Kahn fest, sprang über die Reling … und landete nur wenige Zentimeter neben Bertrams Kopf.

Martha, durch Guldbergs fieberhaftes Manöver aufgeschreckt, sprang auf und sah sich irritiert um, als wisse sie nicht, wo sie sich befand. Dann schüttelte sie sich, als müsse sie etwas Unangenehmes loswerden, und ein Ruck ging durch ihren Körper. Mit einem Gesicht, das Schmerz, Angst, aber auch einen letzten Rest an Hoffnung ausdrückte, unfähig, einen Ton hervorzubringen, krallte sie ihre Finger um den Relingdraht und starrte hinab auf ihren Mann.

Bertram lag auf dem Rücken, den Kopf unnatürlich weit nach hinten überdreht, Augen und Mund weit aufgerissen. Und auch ein Laie konnte unschwer erkennen, dass es absolut keinen Zweck hatte, den Notarzt zu verständigen.

Es sei denn, um Bertrams Tod festzustellen.

Langsam wandte Guldberg sich ihr zu und schüttelte den Kopf.

Marthas Schrei zerriss die vormittägliche Stille und fuhr Guldberg durch Mark und Bein.

 

Es dauerte weniger als fünfzehn Minuten, bis das Boot der Wasserschutzpolizei mit Hauptkommissar Fred Paul an Bord auf der anderen Seite des Anglerkahns festmachte. Guldberg, der dem Wasserschutzpolizeiposten Waldeck kurz nach seinem Zuzug zum Edersee einen Antrittsbesuch abgestattet hatte, lernte bei dieser Gelegenheit auch ihn und seinen Kollegen Polizeioberkommissar Kruse kennen.

»Am Telefon sagten Sie, Helmer sei ermor…«, hob Paul anstelle einer Begrüßung wenig einfühlsam an und schaute fragend zwischen Martha, Guldberg und dem Toten hin und her. Guldberg unterbrach ihn mit erhobenen Händen und deutete ihm an, sich noch einen Moment zu gedulden. Rasch kletterte er wieder in sein Boot, nahm die immer noch starr auf den Leichnam ihres Mannes starrende Martha beim Arm und bugsierte sie in die Kajüte.

»Du musst da jetzt nicht dabei sein, Martha«, sagte er und drückte sie sanft, aber bestimmt auf die Koje. »Ich regele das mit Paul.«

Martha sah Guldberg sekundenlang wie geistesabwesend an, schluckte ein paarmal schluchzend, verkrampfte nervös die Finger ineinander und ließ sich auf die Koje sinken. Guldberg breitete eine Decke über sie und kletterte wieder an Bord.

»Kann ich zu Ihnen rüberkommen?«, fragte er, und als Paul nickte, stieg Guldberg über den Anglerkahn zu Paul aufs Polizeiboot.

»Dann erzählen Sie mal«, forderte Paul Guldberg auf, und der berichtete ihm alles: vom ominösen Anruf jenes Fremden bis zum Auffinden Helmers vor wenigen Minuten. »Hätte ich geahnt, dass der Anrufer ernst zu nehmen ist, hätte ich Sie natürlich gleich informiert.«

Paul winkte ab. »Wie man’s macht, isses falsch«, antwortete er und versuchte ein Lächeln, das jedoch missglückte. »Wie ich den Fall sehe, ist der sowieso was für die Kripo. War nicht Ihre Tochter …?«

»Ja, meine Tochter Franca ist Kriminalkommissarin in Korbach«, unterbrach ihn Guldberg. »Und ja, es wäre mir ganz recht, wenn Sie die Formalitäten übernehmen und ich Frau Helmer jetzt nach Hause bringen könnte. Sie ist stark mitgenommen. Und mehr, als ich Ihnen gerade berichten konnte, weiß sie auch nicht. Wir haben ja den ganzen Morgen zusammen verbracht. Falls es nötig ist, kann meine Tochter sie später vernehmen. Einverstanden?«

Hauptkommissar Paul nickte. »Kein Problem. Ich bestelle schon mal den Arzt und die Spurensicherung. Vielleicht finden die ja was Brauchbares.«

Guldberg hob die Hand zur Verabschiedung, als ihm noch etwas einfiel. »Ach, übrigens …«, hielt er inne und drehte sich erneut zu Paul um, »sagt Ihnen der Name Götz etwas? Kennen Sie jemanden hier am See, der so heißt oder sich so nennt?«

Paul dachte eine Weile nach, dann schüttelte er den Kopf. »Nie gehört«, antwortete er. »Warum? Hat das was mit dem Toten zu tun?«

Guldberg nickte. »Dieser Anrufer, von dem ich Ihnen erzählte, nannte sich so.«

Paul schüttelte erneut den Kopf. »Hier um den See kenne ich keinen, der so heißt. Weder mit Vor- noch mit Nachnamen. Auch nicht mit Spitznamen. Und ich kenne ja nun fast jeden Einheimischen. Nee, von hier ist dieser Götz nicht.«

***

Heute ist ein besonderer Tag, dachte der Mann und verzog zufrieden das Gesicht, während er den gestohlenen Kahn mit beiden Händen aufs Ufer zog. Die langen Vorbereitungen, all das Beschatten und Ausspähen der Gewohnheiten des Mannes, seiner Frau und deren Tochter haben sich endlich gelohnt.

Es waren anstrengende Wochen für ihn gewesen. Das ständige Pendeln zwischen seiner Arbeit und der Beschattung seiner Opfer hatte ihm alles abverlangt und manche schlaflose Nacht gekostet. Aber ich weiß ja, wofür und für wen ich’s tue, hatte er sich immer wieder angetrieben, wenn er gezweifelt und fast aufgegeben hatte.

Er hatte sie beobachtet. Tage-, wochenlang. Alle drei. Und auch den Kommissar, der ja mit ihnen befreundet war. Um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Bis er sicher war, seinen Rachefeldzug starten zu können.

Und sie hatten nichts gemerkt. Ihn nie bemerkt. Weder die Helmers noch der Kommissar. Für sie war er Luft gewesen.

Auch heute hatte er sie beobachtet. Er hatte gewusst, dass der Kommissar höchstpersönlich an der Insel auftauchen und nach seinem Freund suchen würde. Er hatte sogar eine Wette mit sich selbst abgeschlossen. So sicher war er gewesen.

Ob er auch die Frau mitbringen würde, dessen war er sich allerdings nicht sicher gewesen.

Aber sie war gekommen.

Und den Schrei, als sie ihren Mann entdeckte, hatte er sogar bis hier herüber gehört. Das fängt ja besser an, als ich zu hoffen gewagt habe, dachte der Mann, drehte sich noch einmal um, hielt eine Hand schützend gegen die Blendung der Sonne über die Augen und schaute zur Hopfenberginsel hinüber.

Ja, heute ist ein besonderer Tag, schoss es ihm erneut durch den Kopf. Nur widerwillig riss er seinen Blick von der Gruppe los und eilte mit großen Schritten das Ufer neben der Badeanstalt Waldeck zum Klangpark hoch.

Denn heute habe ich meinen ersten Mord begangen.

Kapitel 3

Heinrich der Achte sah ganz so aus, als ob er jedes Wort verstünde, das Guldberg zu ihm sprach. Während er ihm den Verlauf des heutigen Vormittags in allen Einzelheiten schilderte, lag der Waschbär dösend auf dem Fensterbrett und sah nur hin und wieder zu Guldberg hinüber, als wolle er ihm damit zu verstehen geben, dass er schließlich auch noch was anderes zu tun hatte, als Guldberg stundenlang zuzuhören.

Dabei lag sein stämmiger hellgrauer Kopf mit dem kurzen Hals und der markanten fast schwarzen Gesichtsmaske behäbig auf seinen Pfoten, sein buschiger Schwanz schlug rhythmisch wie ein Scheibenwischer auf kleinstem Intervall von einer Seite auf die andere, und seine samtschwarzen Augen verfolgten träge die gestenreiche Erzählung Guldbergs: Alles in allem stellte er einen außergewöhnlich schönen Vertreter der Gattung Procyon lotor dar, den Guldberg auf den ungewöhnlichen Namen Heinrich der Achte getauft hatte.

Seinen Namen hatte er sich durchaus verdient, hatte er doch in seinem bisherigen Leben bereits unzählbaren Waschbärdamen das Herz gebrochen und war keiner treu geblieben. Vergleichbar mit seinem berühmten Namenspatron, dem legendären König von England, der in seinen nur fünfundfünfzig Lebensjahren immerhin sechs Ehefrauen verschliss.

Doch Guldbergs Waschbär besaß einen weiteren Namenspatron, der in unmittelbarer Nähe gelebt hatte, lange bevor der Edersee entstanden war und bevor die ersten beiden Waschbärpaare vor rund achtzig Jahren ihre Eroberung weiter Teile Deutschlands von hier aus in Angriff nahmen: Heinrich der Achte war auch ein Waldeckischer Graf aus dem 15./16. Jahrhundert, der der Legende nach seiner Frau ein Leben lang treu geblieben sein soll.

Als Guldberg seinerzeit sein Haus bezog, kam er zu Heinrich dem Achten wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde. Gleich am ersten Tag fand er drei kleine Waschbärwelpen in seiner Küche vor, die anscheinend von ihrer Mutter verlassen worden waren. Und obwohl er versuchte, alle drei mit dem Fläschchen aufzuziehen, starben die beiden weiblichen Welpen, während das etwas kräftigere männliche Tier überlebte. Verschmust wie eine Katze, nahm der kleine Kerl schnell an Gewicht zu und wog inzwischen fast vier Kilogramm bei gut vierzig Zentimetern Körpergröße.

Ursprünglich war es nicht Guldbergs Absicht gewesen, den Waschbären als Haustier zu behalten, sondern ihn auszuwildern. Er hatte ihn daher freigelassen, um ihm die Gelegenheit zu geben, sich zu paaren. Aber nachdem der in den darauffolgenden Nächten einige Waschbärdamen in Guldbergs Garten beglückt hatte, war er nach getaner »Arbeit« wieder reumütig zu Guldberg und dem heimischen Futternapf zurückgekehrt.

Da hatte Guldberg beschlossen, ihn zu behalten, und ihm den Namen Heinrich der Achte gegeben.

 

Während Guldberg noch eifrig bemüht war, seinem vierbeinigen Hausgenossen die morgendlichen Geschehnisse zu berichten, nahte bereits Ungemach in Form einer jungen Dame, die just in diesem Moment den Weg zu seiner Haustür heraufgeeilt kam und einen nicht gerade erfreuten Eindruck machte.

Auch er hatte sie schon entdeckt und öffnete die Tür, bevor sie, wie es ihre Art war, Sturm klingeln konnte.

»Kannst du es denn immer noch nicht lassen, alter Mann?!«, überfiel sie ihn anstelle einer Begrüßung und trommelte mit ihren Fäusten auf seine Brust. »Musstest du dich schon wieder in unsere Arbeit einmischen?« Ihre Augen sprühten Funken.

Normalerweise hätte Guldberg jetzt mit einer süffisanten Bemerkung oder einem Witz auf ihren Affront reagiert. Doch noch immer mitgenommen von der brutalen Ermordung seines Freundes und den unschönen Umständen seines Auffindens, winkte er nur müde ab und forderte sie mit einer trägen Handbewegung auf, einzutreten.

»Wie oft hab ich dich schon gebeten, dich nicht gleich in jede polizeiliche Ermittlung einzumischen?«, bekräftigte sie noch einmal ihren Unmut und stemmte die Fäuste in ihre Hüften.

Guldberg stellte immer wieder fest, dass seine Tochter Franca – um diese handelte es sich nämlich bei der jungen Dame – Temperament und gutes Aussehen von seiner Exfrau geerbt hatte. Von mir hat sie nicht viel, dachte er, außer, dass sie gegen den Willen ihrer Mutter in meine Fußstapfen getreten und ebenfalls zur Kripo gegangen ist. Inzwischen war sie Kommissarin beim Polizeipräsidium Nordhessen, Polizeidirektion Waldeck-Frankenberg in Korbach, der Dienststelle, die auch für den Edersee zuständig ist.

»Setz dich doch, Franca«, sagte er matt. »Magst du was trinken?«

»Gib mir ’n Wasser«, brummte sie missmutig und ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen.

Nachdem Guldberg ihr eingeschenkt hatte, setzte er sich ihr gegenüber, stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte sein Kinn auf die Fäuste.

»He, du hast meine Frage noch nicht beantwortet«, hakte sie nach.

Guldberg lehnte sich zurück und hob abwehrend die Hände. »Ich hab mich nicht in eure Ermittlung eingemischt, Franca«, beteuerte er. »Ich wollte nur deine Kollegen von der Wasserschutzpolizei nicht auf Verdacht losschicken, sondern erst mal selbst nachschauen, ob was an den beiden Anrufen dran war. Was, wenn es nur ein Dummejungenstreich gewesen wäre?«

Ihre Miene wurde weicher. »Ist ja schon gut, Paps«, antwortete Franca, und ein breites Lächeln überzog ihre Lippen. »Ich wollte nur vorbeugen. Ich kenn ja deinen Eifer, jeden Fall, der dir über den Weg läuft, gleich zu deinem zu machen. Erzähl mir alles, was du weißt, und dann halt die Füße still und lass mich in Ruhe meine Arbeit machen, okay?« Sie setzte das Glas an die Lippen und trank es in einem Zug leer. »Ich werd’s dich schon wissen lassen, falls ich deine Hilfe brauche«, fügte sie mit schiefem Lächeln hinzu.

Er nickte und schenkte ihr nach. Dann berichtete er ihr den Ablauf des ganzen Vormittags, vom Frühstück bis zu dem Moment, in dem er und Martha Bertrams Leiche in dem Anglerkahn entdeckt hatten. »Du kannst mir glauben, Franca, Marthas Schrei ließ mir das Blut in den Adern gefrieren«, beteuerte er. Eine Gänsehaut lief ihm auch jetzt wieder über den Rücken, als er im Geiste den Schrei noch einmal hörte. »Kann einem schon leidtun, die Frau. Zwei Telefonanrufe, und dein ganzes Leben ist« – er schnipste mit den Fingern – »total aus dem Ruder gelaufen.«

»Ja, so was passiert verdammt schnell«, stimmte ihm Franca kopfnickend zu. »Und dann hast du die Kollegen vom Wasserschutz informiert?«

Guldberg nickte. »Und anschließend Martha heimgefahren. Ich konnte ihr den grausamen Anblick ihres toten Mannes nicht länger zumuten. Obwohl sie nicht von seiner Seite weichen wollte.«

»Und warum bist du nicht bei ihr geblieben?«, wollte Franca mit leicht vorwurfsvollem Unterton wissen. »Du hast sie doch nicht etwa allein gelassen?«

Empfindlich berührt, schüttelte Guldberg den Kopf. »Wo denkst du hin? Sie sagte, sie fühle sich total zerschlagen und wolle nur noch schlafen, schlafen, schlafen. Und sie bat mich, ihre Tochter anzurufen und zu ihr zu bitten.«

»Gut. – Und weiter?«

»Ich rief Stella an. Nach dem ersten Schock über den Tod ihres Vaters war sie sofort bereit, zu kommen und sich um ihre Mutter zu kümmern.«

»Weiter«, drängte Franca ungeduldig.

»Nachdem Stella bei ihrer Mutter eingetroffen war und ich sie kurz über alles informiert hatte …«

»Wie hat sie’s aufgenommen?«, unterbrach Franca ihren Vater.

»Erstaunlich gefasst«, antwortete der. »Ich vermute, der eigentliche Schock kommt bei ihr erst noch, wenn sie zur Ruhe kommt und realisiert, was passiert ist. Jetzt ist für sie erst mal die Sorge um ihre Mutter vorrangig.«

Franca nickte schweigend.

»Danach fuhr ich nach Hause. Und dann kamst auch schon du.«

Franca stand auf und begann, in der Küche auf und ab zu gehen. Sie schien nachzudenken. Als sie am Fenster vorbeikam, an dem Heinrich der Achte nach wie vor auf seinem Lieblingsplatz lag, begann sie gedankenverloren, ihn am Hals zu kraulen. Worauf der Waschbär lustvoll alle viere von sich streckte und wie eine Katze zu schnurren anfing. Am Hals gekrault zu werden war für ihn das Größte. Es sah fast so aus, als lächle er.

»Götz«, kam Franca dann auf den mysteriösen Anrufer zurück, und ihr Blick schweifte über den glitzernden See in die Ferne. »Soll das ein Vor- oder ein Nachname sein?«

Guldberg zuckte mit den Schultern. »Hat er mir nicht verraten. Aber ich gehe mal davon aus, dass es ein Nachname ist. Als Vorname ist er, denke ich, schon seit Kaiser Wilhelms Zeiten eher ungewöhnlich. Oder was meinst du?«

Franca wiegte den Kopf und sah ihren Vater an. »Wir müssen beide Möglichkeiten in Erwägung ziehen«, antwortete sie und machte ein Gesicht, das Zweifel ausdrückte. »Wenn ich nachher zurück auf der Dienststelle bin, lasse ich Schüssel, meinen neuen Assistenten, gleich mal den Namen durch den Computer jagen …«

»Ach! Du hast ’nen Assistenten?«, wollte Guldberg erstaunt wissen. »Seit wann? Das ist mir ja ganz neu.«

Franca winkte ab. »Wirst ihn schon noch kennenlernen. Junges Bürschchen. Frisch von der Akademie. Totaler Technikfreak. Den setz ich drauf an. Der soll rausfinden, ob irgendwo schon mal ein Götz in Erscheinung getreten ist, der für den Mord an Helmer infrage kommen könnte. Dann hat er ’ne Weile zu tun und geht mir nicht ständig mit seinem Technikgelabere auf den Geist.«

Guldberg nickte. »Tu das. Obwohl auch Paul meint, den Namen hier im Edertal noch nie gehört zu haben. Aber vielleicht sollte ich trotzdem mal die Kneipen rund um den See abklappern und mich umhören, ob nicht doch jemand eine Ahnung hat, wer sich hinter diesem Götz verbirgt. – Und vielleicht ist das ja gar kein richtiger Name«, fiel ihm plötzlich einer von Pauls letzten Sätzen ein, und er tippte sich sinnierend mit dem Finger ans Kinn. »Ich meine: weder ein Vor- noch ein Nachname, sondern ein Spitzname.«

Francas Brauen zogen sich zusammen. »Hab ich dich nicht gerade eben erst gebeten, dich im Hintergrund zu halten?«, seufzte sie mit gereiztem Unterton. »Du bist raus, Paps! Warum findest du dich nicht endlich damit ab? Ich werde zwei Streifen losschicken, die sich mal umhören können. Und du lässt gefälligst deine Finger von dem Fall. Verstanden?«

Franca hörte auf, den Waschbären zu kraulen, der daraufhin unwillig maunzend und mit vorwurfsvollem Blick vom Fensterbrett sprang. »Selbst dran schuld«, fuhr sie fort und machte mit den Händen eine Bewegung, die ihr Unverständnis ausdrückte. »Warum hast du dich frühpensionieren lassen, wenn du die Finger doch nicht von den bösen Buben lassen kannst? Ich versteh dich nicht!«

Guldberg hob beschwörend die Hände. »Okay! Ist ja schon gut. Dabei will ich dir doch nur helfen. Aber bitte: wenn du meine Hilfe nicht brauchst!« Eingeschnappt trat er ans Fenster und verfolgte mit den Augen den Kran von Rehbach, der gerade eine Neptun 27 aus dem Wasser hob.

»Ach, Paps« – Franca ging zu ihrem Vater hinüber, schlang von hinten ihre Arme um seine Brust und schmiegte ihren Kopf an seine Schultern –, »versteh mich doch. Ich will und muss endlich auf eigenen Beinen stehen, meine Fälle ohne deine Hilfe lösen. Wie steh ich denn da vor meinen Kollegen, wenn ich mit meinen bald dreißig Jahren in deren Augen noch immer an Papas Rockzipfel hänge?«

Guldberg drehte sich um, nahm sie in den Arm und drückte ihr einen Kuss auf die kastanienbraunen Haare. Vor vielen Jahren hatten seine denselben Ton gehabt; inzwischen waren sie aschgrau und stumpf. »Braucht ja keiner mitzukriegen«, schlug er vor, hob ihr Gesicht zu seinem hoch und zwinkerte ihr zu.

Franca seufzte. »Ich sag dir mal was, Paps: Manchmal kommst du mir vor wie einer dieser alten räudigen Kater, auf die der Spruch ›Die Katze lässt das Mausen nicht‹ wie die Faust aufs Auge passt«, meinte sie halb resignierend, halb lachend.

Ein Grinsen machte sich auf Guldbergs Gesicht breit. »Du bringst es mal wieder auf den Punkt!«

Mit einem freundschaftlichen Boxhieb vor die Brust löste sich Franca aus seinen Armen.

»Ich muss los«, sagte sie und machte Anstalten zu gehen. »Will dem Kollegen Paul einen Besuch abstatten und mir seinen Bericht anhören. Und danach spreche ich mit Martha. Wollte nur erst mal deine Version hören. Kommst du bitte im Laufe der nächsten Tage mal zu mir zum Protokoll?«

Guldberg nickte. In der Tür drehte Franca sich noch einmal um und hob die Hand zum Gruß. »Also, alter Mann! Man sieht sich«, rief sie ihm zu, spitzte mit einem Augenzwinkern die Lippen und hauchte ihm einen Kuss zu.

Kapitel 4

Guldberg sah seiner Tochter zu, wie sie ihren roten VW Käfer bestieg und rasant davonbrauste. Kaum war der Wagen um die Ecke verschwunden, griff er zum Telefon und wählte Marthas Nummer, um Francas Erscheinen anzukündigen.

Anstelle ihrer meldete sich Stella. »Oh, Arne. Gut, dass du anrufst! Ich weiß nicht mehr ein noch aus. Ich glaub, Mutter ist am Durchdrehen. Ich hab sie zwar zu Bett gebracht, aber sie hat noch kein Auge zugetan. Und sie fleht mich ständig an, ich solle draußen nachschauen, ob Papa endlich heimkommt. Ich befürchte noch …« Doch sie sagte ihm nicht, was sie befürchtete, sondern fuhr fort: »Kannst du …?«

»Bin schon auf dem Weg!«, rief Guldberg in den Hörer, legte hastig auf und verließ sein Haus, so schnell er konnte. Minuten später erreichte er Marthas Haus und eilte die Stufen zum Eingang empor.

Stella schien ihn erwartet zu haben, denn noch bevor er klingeln konnte, öffnete sie die Tür. Stumm nahm Guldberg sie in den Arm, drückte sie tröstend an sich und strich ihr beruhigend über den Rücken. »Wir kriegen das Schwein, das euch das angetan hat!«, murmelte er dabei entschlossen. »Ich versprech’s dir!«

Stella nickte, löste sich aus seiner Umarmung und lächelte ihn aus tränenverschleierten Augen schmerzerfüllt an. »Danke, dass du so schnell gekommen bist. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Ich hab Angst, Mutter tut sich was an …«

»Wo ist sie? Im Schlafzimmer?«

Und als Stella nickte, eilte Guldberg die Treppe zum Obergeschoss empor, immer zwei Stufen auf einmal nehmend … und blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Erschrocken biss er sich auf die Unterlippe.

Martha war nur noch ein Schatten der Frau, mit der er vor nur wenigen Stunden gefrühstückt hatte. In der kurzen Zeit schien sie um Jahre gealtert.

Das Haar verschwitzt und zerzaust, lag sie auf einen Ellbogen gestützt mit flatterndem Atem auf dem zerwühlten Bett, starrte ihn sekundenlang an und schien ihn nicht zu erkennen. »Bertram …?«, stieß sie heiser hervor und streckte ihm ihre zitternde Hand entgegen.

Doch dann erkannte sie ihn. »Ach … Arne. Einen Moment lang hab ich gehofft …«, bedauerte sie mit einem enttäuschten Seufzer und ließ sich zurücksinken.

Guldberg setzte sich auf die Bettkante und strich ihr, beruhigende Worte murmelnd, über den Kopf. Langsam wurde ihr Atem ruhiger.

Schließlich sah sie zu ihm auf. »Ich kann’s immer noch nicht glauben«, flüsterte sie und blickte ihn entschuldigend an. »Manchmal denk ich, ich hab alles nur geträumt und Bertram kommt jeden Moment um die Ecke. Dann wieder frage ich mich … Es ist doch wahr, Arne, oder? Bertram kommt nicht wieder?«

Guldberg nickte bekümmert. »Ja, Martha. Wir müssen uns damit abfinden, dass Bertram nicht wiederkommt. Aber ich verspreche dir, ich werde alles dransetzen, dieses Schwein, das dir das angetan hat, zur Strecke zu bringen.«

Martha seufzte. »Das bringt mir … meinen Bertram auch nicht wieder zurück. Aber trotzdem: danke.«

»Wenn ich doch nur die leiseste Ahnung hätte, welches Motiv dieser Götz hat oder wer sich dahinter verbirgt …«, murmelte Guldberg mehr zu sich selbst.

»Hermann. Hermann Döring aus Fritzlar«, kam es plötzlich von Stella.

Guldbergs Kopf fuhr zu ihr herum. »Hermann – wer? Wer ist dieser Hermann?«

»Hermann Döring«, wiederholte Stella und nickte bestätigend. »Ja, der könnte ein Motiv haben. Und zutrauen würd ich’s ihm allemal.«

Martha schüttelte ungläubig den Kopf. »Glaub ich nicht. So weit würde der doch nicht gehen, oder?«

Stella kam herüber, stützte ihre Hände aufs Bett, reckte das Kinn kämpferisch vor und sah ihre Mutter herausfordernd an. »Und wer hat letztes Jahr beim Fischerfest am Rehbach lauthals getönt: ›Wenn ich sie nicht kriege, soll sie keiner haben‹? Na, wer?«

Martha stützte sich auf ihre Ellbogen. »Da war er betrunken«, verteidigte sie ihn. »Außerdem konnte er das gar nicht so gemeint haben. Er wusste ja, dass ich verheiratet bin …«

»Und jetzt bist du Witwe!«, konterte Stella knallhart. »Bist du sicher, dass er da nicht ein bisschen nachgeholfen hat?«

»Stella!«, brauste Martha auf. »Ich konnte ihn auch nie leiden. Aber so etwas von jemandem zu behaupten …«

»Würde mich mal eine von euch beiden aufklären, was es mit diesem Hermann Döring auf sich hat?«, mischte sich Guldberg ein, der den Disput zwischen Mutter und Tochter mit wachsendem Interesse verfolgt hatte.

Martha gebot ihrer Tochter mit den Händen Einhalt und wandte sich ihm zu. »Hermann Döring ist ein ehemaliger Schulkamerad von mir …«, begann sie, wurde jedoch vom Klingeln an der Haustür unterbrochen.

Irritiert zuckte sie zusammen. »Wer kann das …?«, setzte sie an, doch Guldberg unterbrach sie: »Wird Franca sein«, mutmaßte er. »Sie sprach vorhin davon, dich aufzusuchen.«

Stella verschwand nach unten.

Wenige Minuten später tauchte sie wieder auf und führte Franca ins Schlafzimmer. Guldbergs Tochter umarmte Martha und drückte ihr Beileid aus. Dann hob sie fragend die Augenbrauen. »Du hier?«, wollte sie an Guldberg gewandt wissen. »Mischst du dich schon wieder …?«

»Ich bin nur hier, um mich um Martha zu kümmern«, fiel er Franca ins Wort. »Nicht mehr und nicht weniger. Allerdings hat Stella gerade eben einen Namen in den Raum geworfen, der dich in deinen Ermittlungen voranbringen könnte.«

»Ach ja!«, horchte Franca auf und drehte sich zu Stella um. »Du hast eine verdächtige Person für mich, Stella? Wen?«

»Sie meint, Hermann Döring, ein ehemaliger Schulkamerad von mir, könnte etwas mit der Sache zu tun haben«, erklärte Martha. »Aber ich glaube nicht …«

»Bitte, erklär uns doch erst mal die Zusammenhänge, Martha«, fiel ihr Guldberg ins Wort. »Wir werden uns dann schon unseren Reim drauf machen.«