Diedrich Diederichsen

Freiheit macht arm

Das Leben nach Rock’n’Roll 1990–93

Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG

Kurzübersicht

Inhaltsverzeichnis

Über Diedrich Diederichsen

Diedrich Diederichsen, geboren 1957, hat sich seit den 80er-Jahren einen Namen als ebenso vielseitiger wie scharfsinniger Theoretiker von Pop, Politik und neuester Kunst gemacht. Er lehrte und lehrt an verschiedenen Hochschulen, seit 2006 an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Er veröffentlicht regelmäßig in Texte zur Kunst, Theater heute und Tagesspiegel und lebt in Berlin.

Über dieses Buch

Schwarze Musik und weiße Hörer – Guy Debord – Deep Freeze Mice – Mikropolitik – Völkische Vernunftkritiker und spirituelle Reaktionäre: Syberberg und Botho Strauß – RAF und Punk Rock – KLF – Cecil Taylor – Louis B. Farrakhan – Last Poets – Adorno – Eleganz des Widerstands – Neue Rechte: »Spiegel« – Politically Correct – Otis Redding – Ezra Pound – Peter Weiss – Woodstock – Groove – Ice-T – Die L.A. Rebellion – Brecht – Public Enemy – Katrin Krabbe – Sex Pistols – The Kids are not alright/Vol. IV – Identität, Differenz, Nation – Henry Louis Gates jr. – Rostock – Kerouac, Dylan, Grateful Dead – Fehlfarben – Kafka – Ice Cube – Black Flag – Virtueller Maoismus – The Melvins – Hubert Fichte – Produktive Mißverständnisse – »The White Negro« – In Zungen reden – Wohlfahrtsausschüsse

Impressum

Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.

 

Erschienen bei KiWi Bibliothek

© 2018 Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln

 

Covergestaltung: Rudolf Linn, Köln

 

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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

 

 

Impressum der Reprint Vorlage

ISBN (eBook) 978-3-462-41230-7

Endnoten

Agentur Bilwet, Bewegungslehre, Amsterdam und Berlin 1991.

Toni Negri, The Politics of Subversion – A Manifesto for the Twentyfirst Century, Cambridge 1989, S. 51.

Negri, Politics, a.a.O., S. 50. Die Pariser Studenten, von denen die Rede ist, sind notabene nicht die 68er, sondern die 87er.

Nämlich Verwisch die Spuren, aus: Aus einem Lesebuch für Städtebewohner: »Trenne dich von deinen Kameraden auf dem Bahnhof/Gehe am Morgen in die Stadt mit zugeknöpfter Jacke/Suche dir Quartier, und wenn dein Kamerad anklopft:/Öffne, oh, öffne die Tür nicht/Sondern/Verwisch die Spuren!//Wenn du deinen Eltern begegnest in der Stadt Hamburg oder sonstwo/Gehe an ihnen fremd vorbei, biege um die Ecke, erkenne sie nicht/Zieh den Hut ins Gesicht, den sie dir schenkten/Zeige, oh, zeige dein Gesicht nicht/Sondern/Verwisch die Spuren!//Iß das Fleisch, das da ist! Spare nicht!/Gehe in jedes Haus, wenn es regnet, und setze dich auf jeden Stuhl, der da ist/Aber bleibe nicht sitzen! Und vergiß deinen Hut nicht!/Ich sage dir: Verwisch die Spuren!//Was immer du sagst, sag es nicht zweimal/Findest du deinen Gedanken bei einem anderen: verleugne ihn./Wer seine Unterschrift nicht gegeben hat, wer kein Bild hinterließ/Wer nicht dabei war, wer nichts gesagt hat/Wie soll der zu fassen sein!/Verwisch die Spuren!//Sorge, wenn du zu sterben gedenkst/Daß kein Grabmal steht und verrät, wo du liegst/Mit einer deutlichen Schrift, die dich anzeigt/Und dem Jahr deines Todes, das dich überführt!/Noch einmal: Verwisch die Spuren!//(Das wurde mir gelehrt)«. Das liest sich heute genau wie ein Fehlfarben-Text und erinnert daran, daß man zurecht die aufgezwungenen Lebens- und Kampfformen immer nur romantisieren kann. Romantiker im Maße seines Scheiterns zu sein, wie Guy Debord sagt, ist nicht unbedingt Versagen, sondern möglicherweise in Bezug auf die Durchführbarkeit aufreibender, verschwenderischer Lebensstile vernünftig.

Auf der LP »Corrected Slogans« von 1976, Privatpressung.

Guy Debord, Commentaires sur la société du spectacle, Paris 1988, von mir englisch gelesen als: Comments on the Society of the Spectacle, London und New York 1990.

Ein ähnliches Mißverständnis konnte man in der frühen enthusiastischen deutschen Anti-Ödipus-Rezeption beobachten, wo der Terminus »minoritär«, »Minoritäten« auf die wenigen Auserlesenen übertragen wurde, für die sich die akademischen Outlaws, die damals Deleuze/Guattari lasen, seinerzeit hielten.

Gilles Deleuze, Postscripts on the Societies of Control, in: »October«, 59/92.

Diesen Hinweis verdanke ich Mark Terkessidis.

besonders gut dargestellt bei Amiri Baraka, Malcolm as Ideology, in: Joe Wood, Malcolm X in Our Own Image, New York 1992.

zwei Texte: Mit dem Phantasma der »Rasse« räumt am eindrucksvollsten auf: Anthony Appiah, The Uncompleted Argument: Du Bois and the Illusion of Race, in: Henry Louis Gates jr.: »Race«, Writing, and Difference, Chicago 1986. Die legalen Definitionen von »Rasse« und »black« in den USA stellt dar: F. James Davis, Who Is Black? – One Nation’s Definition, University Park, Pennsylvania 1991.

Gerri Hirshey, Nowhere To Run – The Story of Soul Music, London 1984.

Smokey Robinson & The Miracles, »The Tears Of A Clown«, u.a. auf: Smokey Robinson & The Miracles, »Anthology«, Doppel-LP, 1974.

»Speaking in tongues« bezeichnet das in – nicht nur den schwarzen – Gottesdiensten des Südens bekannte Phänomen der Glossolalie oder Zungenredens, dessen Imitation mit Saxophon und Stimme man etwa von Albert-Ayler-Platten kennt. Dieses singende Lallen des Gläubigen in Ekstase wird als Sprechen in fremden Sprachen, die er nicht kennen kann, aramäisch, hebräisch etc., gedeutet und gilt als Beweis dafür, daß der Heilige Geist über den Betreffenden gekommen ist. Viele Rock’n’Roller der ersten Stunde haben davon gesprochen, besonders Jerry Lee Lewis, vgl. auch Dan Graham, Rock My Religion, in: Fareed Armaly (Hrsg.), Terminal Zone, New York 1988; bzw. in Brian Wallis (ed.), Dan Graham – Rock My Religion: writings and art projects, 1965–1990, Boston, MA., 1993, S. 80–95.

Fast alle Versuche, die Besonderheiten des schwarzen Englisch zu beschreiben, benutzen dafür die Begriffe der Rhetorik.

Die leidige, immer wieder gern mit viel Getöse abgeschaffte Unterscheidung zwischen E und U, high und low, Kunst- und Popularmusik schlage ich vor, folgendermaßen zu retten: Kunstmusik ist solche, die von ihrem Publikum Spezialisierung verlangt, Popularmusik solche, die das nicht tut. Da die meiste Popularmusik heutzutage auch, zusätzlich vom breiten Publikum, von Spezialisten rezipiert wird und darauf auch schon lange reagiert, ohne deswegen ihre populäre Funktion aufzugeben, kann es Musik geben, die beides ist. Cool Jazz war aber, mehr noch als Free Jazz, eine Musik, die nur von Spezialisten gehört wurde.

Der andere entscheidende Interessens-Unterschied zwischen den Jazzern der Fünfziger und der neuen schwarzen City-Arbeiterklasse war natürlich der, daß Jazz-Musiker, spätestens seit Charlie Parker oder Duke Ellington, den Kampf um Anerkennung als Künstler-Individuen unter großen Opfern gekämpft und gewonnen haben. Ein auch von mir verwendeter Oberbegriff »Schwarze Musik« stellt in seiner soziologisierenden, Individuen weniger als Gattungen und ihre Bedingungen berücksichtigenden Tendenz angesichts dieses Kampfes auch einen partiell entmündigenden Rassismus dar. In dem Maße, in dem Jazz aber an dieser Front kämpfte, stand er für schwarze Massenkultur nicht mehr zur Verfügung.

Motown übernahm dabei zunehmend die Rolle der »Traumfabrik«, Stax oder kleinere Südstaaten-Label wie Hi standen für das, was der weiße Connaisseur gerne als Authentizität lobt, in Wahrheit wohl eher für die unterschiedlichen Bedürfnisse städtischer und ländlicher, bzw. mehr oder weniger industrialisierter Communities.

Otis Redding, »Respect«, 7, 1965, u.a. auf: »The Best of Otis Redding«, 1972, oder Otis Redding/Jimi Hendrix Experience, »Live At Monterrey«, 1970.

»Come mothers and fathers throughout the land …« Bob Dylan in dem Ur-Protest-Song, »The Times They are a-Changin«. Der Vorwurf an die Eltern ist bezeichnenderweise mangelndes »Verstehen« (»Don’t criticize what you can’t understand …«), während es bei »Respect« gerade um das Einhalten gewisser Grenzen geht (»Just a little bit …«), bei schwarzem Protest im allgemeinen tendenziell immer eher um Selbstbestimmung, In-Ruhegelassen-Werden, bis zum Separatismus, wie es beim weißen um Revolution/Karriere, das Ganze geht. Aretha Franklin: »When I’m with my man, I don’t want no company« (»Dr. Feelgood«).

Aretha Franklin, »Respect«, 7«, 1967, auf unzähligen Samplern.

Dies ist nicht nur durch Anwendungen bei Veranstaltungen, Demonstrationen etc. belegt. Das Wort »Respect« hat seitdem einen besonderen Sinn in der schwarzen Rede bekommen. Nicht nur etwa bei der das obligatorische »Special Thanks« auf HipHop-Platten ersetzenden Floskel »Respect is due to …«. Versucht man, HipHop-Künstler auf offensichtliche inhaltliche Differenzen zu Kollegen und Brüdern festzulegen, kommentieren sie die widersprechende Äußerung des betreffenden Kollegen oft stereotyp mit »I respect him for that …«.

»Der Geist wird nicht ohne Gesang herabsteigen«, schreibt LeRoi Jones (alias Amiri Baraka) in Blues People und weist darauf hin, daß der Schutzraum Kirche, von dem auch hier die Rede ist, natürlich nur die mehr oder weniger ländlichen Gemeinden des Südens meint: »Die Kirchen der Mittelklasse propagierten stets die völlige Anpassung des Negers ans weiße Amerika. Die baptistischen und methodistischen Kirchen der Mittelklasse kämpften mit aller Kraft gegen jene Formen des Christentums, die sich die Schwarzen im ländlichen Süden angeeignet hatten. (…) Sie wollten sich von ihrem eigenen Volk trennen, um in Amerika aufgenommen zu werden.« LeRoi Jones, Blues People, dt. Ausgabe, Wiesbaden o.J., S. 169ff.

Martha & The Vandellas, »Heatwave«, 7« und gleichnamige LP, 1963.

»Money« wurde Ende der Fünfziger zuerst von Barrett Strong aufgenommen. Später haben den Song, mit dem sein Autor Berry Gordy sich das Startkapital für seine Firma Tamla Motown verdiente, unzählige Künstler gecovert, darunter viele wichtige Motown-Acts.

Nelson George, The Death Of Rhythm’n’Blues, New York 1988, S xi f.

Henry Louis Gates jr., Figures In Black – Words, Signs and the »Racial« Self, New York 1987, S. 235ff.

Ezra Pound, Literary Essays, hrsg. von T.S. Eliot, London 1968, S. 25; zitiert nach Peter Fuchs, Vom schweigenden Ausflug ins Abstrakte. Zur Ausdifferenzierung der modernen Lyrik, in: Fuchs/Luhmann, Reden und Schweigen, Frankfurt am Main 1989. Auch Henry Louis Gates jr. zitiert Pound mehrfach, z.B. mit diesen Gedichtzeilen: »Singing a different stave, or closely hidden/Oh there is precedent, legal tradition, To sing one thing when your song means another« (aus: Near Perigord), Gates, Figures, a.a.O., S. 167.

Generell und weitschweifig dazu: Diedrich Diederichsen, 1.500 Schallplatten, Köln 1989, S. 11–19; und ders., Popocatepetl, Graz und Madrid, 1989, S. 110–174. Kürzer und prägnanter Nelson George: »Indeed, at a time when lynching in the South reached this century’s peak, F. Scott Fitzgerald used ›the Jazz Age‹, to describe a period of white indulgence – an indulgence that led them to explore, more for amusement than edification, the ›primitive‹ artistic expression of blacks.« George, Death Of R’n’B, a.a.O., S. 9.

Fuchs/Luhmann, Reden, a.a.O., S. 146f.

Martha And The Vandellas, »Nowhere To Run«, 7«, 1965, auf LP u.a.: »Greatest Hits«, 1966.

Beide Songs interpretierte am prominentesten Curtis May field, den Gospel-Traditional »People Get Ready« mit den Impressions, LP und 7«, 1965, sein eigenes »Move On Up« auf der LP »Curtis«, 1970.

Gwen Guthrie, »Nothing’s Going On But The Rent«, 12«, 1987.

Der von den oben genannten und diversen anderen Interpreten, darunter auch besonders schön von den Flying Burrito Brothers (auf: »The Gilded Palace Of Sin«, 1967) aufgenommene Song stammt von den Memphis-Songwritern und Produzenten Chips Moman und Dan Penn. James Carr, »The Dark End of the Street«, 7«, 1967; Clarence Carter, dto. auf: »The Best Of Clarence Carter«, 1971 – vgl. auch sein Album »Testifying«, 1971.

The Beatles, »You Never Give Me Your Money«, auf: »Abbey Road«, 1969.

Norman Mailer, The White Negro, in: Advertisement For Myself, New York 1959, S. 340f.

Grateful Dead, »I Know Your Rider«, besonders euphorisch auf: »Vintage Dead«, 1966, erschienen 1970; aber auch auf »Europe 72«, 1972 und späteren Live-Alben.

zitiert aus dem Gedächtnis, nach einer Nummer von »Art Forum« der zweiten Jahreshälfte 1990.

Greil Marcus, Social History als Schatten, in: »Texte zur Kunst«, 2/91, S. 55–63 (deutsche Fassung des Grazer Vortrags).

Marcus, Social History, a.a.O., S. 62f.

Jones, Blues People, a.a.O., S. 11.

Gates, Figures, a.a.O., S. 115.

Guy Debord, Panegyric, London und New York 1991 (Orig.: Paris 1989), S. 10.

in: A.B. Spellman, Four Lives In The Bebop Business, New York 19852, S. 34ff.

Timothy J. Clark, Images of the People – Gustave Courbet and the 1848 Revolution, London 1973, S. 9–20; sowie ders., »On the Social History of Art« wiedergelesen, in: »Texte zur Kunst«, 2/91. Darin auch die deutsche Fassung des ersten Kapitels von »Images …«: Zur Sozialgeschichte der Kunst.

Clark, Images, a.a.O., S. 34.

Boogie Down Productions, »Kenny Parker Intro«, auf: »Live Hardcore Worldwide«, 1991.

Joseph D. Eure/James G. Spady, Nation Conscious Rap, New York und Philadelphia o.J., darin finden sich u.a. die Äußerungen von Daddy-O und eine Menge mehr hanebüchenes Zeug.

Vgl. dazu: Malcolm X, The Last Speeches, New York 1990 (hrsg.v.Betty Shabazz). Aber auch: Greil Marcus, Lipstick Traces on a Cigarette – A Secret History of the 20th Century, Cambridge 1989. Marcus hat die Problematik, von der ich rede, durchaus erkannt und in diesem Buch berücksichtigt, indem er vermieden hat, eine Geschichte des Scheiterns (von Dissidenzbewegungen) zu schreiben, sondern die Perspektive des Wiederauftauchens bestimmter Motive in den Vordergrund stellt, mit der Gefahr der Mythologisierung (vgl. auch meine Rezension seines Buches in »Art Forum«, 11/89). Die Orientierung vieler HipHop-Musiker an der N.O.I. und den 5 %ers hat unterschiedliche Ausmaße: von Glaube bis Orientierung (»I’m interested in the situation, that’s why I’m down with the Nation«, Gang Starr). Lakim Shabazz z.B., noch vor wenigen Jahren dogmatischstrenger 5 %er, hat nach diversen Reisen eine ähnliche Wandlung durchgemacht wie Malcolm X. Die Differenzen werden aber nicht ausgetragen, sondern interessanterweise als Differenzen bejaht und respektiert (vgl. »Respect«). – Die Bezeichnung 5 %er verdankt sich der Einschätzung, 85 % wissen nichts, 10 % wissen, aber handeln nicht oder im Dienste der Herrschenden, 5 % wissen und handeln im richtigen Sinne.

Anregend kommentiert in: Robert Schurz, Ethik nach Adorno, Frankfurt am Main 1985, oder in: Jacques Attali, Noise, New York 1987 (frz. Fassung: Paris 1976).

Michael Rieth, »Ambitious Lovers« und sehr viel Unambitioniertes, »Frankfurter Rundschau« v.16.3.1991.

Greg Tate, Can This Be the End for Cyclops and Professor X, in: Wood, Malcolm X, a.a.O., S. 183–190.

Vgl. Diedrich Diederichsen, Jazz – Die instinktiven Reisen der Leute und der Pfad des Rhythmus, in: »Spex«, 1/91.

Gates, Figures, a.a.O., S. 243.

John Coltrane, »My Favorite Things«, u.a. auf der gleichnamigen LP1960, auf: »Live At The Village Vanguard Again«, 1965, auf: »Coltrane & Dolphy« (auch unter anderen Namen erschienen), 1962.

Gates, Figures, a.a.O., S. 239.

Henry Louis Gates jr., The Signfying Monkey – A Theory of African-American Literary Criticism, New York 1988.

7 Speeches by Minister Louis Farrakhan, national representative of The Honourable Elijah Muhammad, »Newport News«, Va. o.J., S. 109ff.

Jalal Nuriddin, »E Pluribus Unum«, in: The Last Poets, »Vibes From The Scribes«, London 1985.

Dirk Scheuring, Interview mit Jalal/Last Poets, in: »Spex«, 7/89.

Zur Public-Enemy-Antisemitismus-Professor-Griff-Problematik: Günther Jacob, Der Marsch der Millionen auf die Metropolen, in: »Spex«, 6/90.

Professor X, »Years Of The 9«, 1991; X-Clan, »To The East Blackwards«, 1990; Pure Righteous Teachers, »Holy Intellect«, 1990.

Das hat die andere Seite, die Nam June Paik schon früh ansprach, wenn er bemerkte, daß die USA die Welt nicht mittels ihrer Raketen, sondern über imperialistischen Export der Rhythmen ihrer daheim nicht zur Macht zugelassenen Schwarzen beherrschen. Und die sich heute zeigt, wenn ein kompletter Kino-Werbeblock, von Langnese über Nike bis Wertkauf, sich ausschließlich schwarzer Grooves, schwarzer Mode und schwarzen Lebensstils bis hin zu romantisierten Ghetto- und Gangster-Szenen bedient. Solch Zynismus hat natürlich auch zur Voraussetzung, daß man das Andere nicht einmal mißversteht.

Zum Konflikt zwischen Separatismus und Integrationismus, Marcus Garvey versus NAACP, Malcolm X/Black Muslim versus Martin Luther King, Farrakhan versus Jesse Jackson, vgl. Nelson Georges Darstellung des Ur-Konflikts zwischen Booker T. Washington und W.E.B. duBose und seine Auswirkung auf Schwarze Musik und Entertainment-Branche, in: George, Death of R’n’B, a.a.O. S. 3–11.

Bodycount, »The Real Problem«, auf: Bodycount, sftd., 1992.

Peter Weiss, Rekonvaleszenz, Frankfurt am Main 1991, S. 20.

Peter Weiss, Ästhetik des Widerstands, Band 1, Frankfurt am Main 1975, S. 123: »Wehren müssen wir uns dagegen, fertige Ansichten zu übernehmen und weiterzugeben, die dümmste Reaktion ist besser als ein pflichtbewußtes Nachbeten respekteinflößender Litaneien. (…) Denn was haben wir andres, fragte er, als unsre Gedankennot, soll doch unsre Unwissenheit beschimpft werden, was ist denn unser Radebrechen andres als ein Zeichen für das Aufbegehren gegen die Lüge.«

Alle KRS-One-Zitate aus: Boogie Down Productions, »Sex & Violence«, 1992.

Mark Lilla, Das Ende der Philosophie, in: »Merkur«, 514/92, S. 25f.

kurz für Revisionist.

Dennis Hollier, On Equivocation (Between Literature and Politics), in: »October«, 55/90, vgl. auch: »Spirituelle Reaktionäre« in diesem Band.

Dennis Hollier, Gottes Wort »Ich bin tot«, in: Ewald/Waldenfels (Hrsg.), Spiele der Wahrheit – Michel Foucaults Denken, Frankfurt am Main 1991, S. 106.

Weiss, Rekonvaleszenz, a.a.O., S. 48.

Robert Kurz, Intelligenz nach dem Klassenkampf, in: »Widerspruch«, 22/92, S. 11–26.

Diedrich Diederichsen, Todesblei – Get out of Germany, in: »Spex«, 1/91.

Hans Jürgen Syberberg, Vom Unglück und Glück der Kunst in Deutschland nach dem letzten Kriege, München 1990.

Dennis Hollier, On Equivocation (Between Literature and Politics), in: »October«, 55/90.

Diese und andere Informationen verdanke ich einem unveröffentlichten Manuskript von Hubert Winkels, aus dem Auszüge in der Zeitschrift »Tempo« im Oktober 1990 erschienen.

Syberberg, Unglück, a.a.O., S. 14.

B. Mattheus/A. Matthes (Hrsg.), Ich gestatte mir die Revolte, München 1985.

Axel Matthes, Achtung vor der Revolte, in: Mattheus/Matthes, Ich gestatte, a.a.O., S. 384.

Matthes, Achtung, a.a.O., S. 371.

Syberberg, Unglück, a.a.O., S. 17.

Axel Matthes, Spiesser- und Mitläufertum bei Intellektuellen, in: »Der Pfahl – Jahrbuch aus dem Niemandsland zwischen Kunst und Wissenschaft«, 5/91.

Frank Böckelmann, Dietmar Kamper, Ellen Künzel, Michael Makropoulos, Robert Müller, Ulrich Raulff, Walter Seitter, Das Schillern der Revolte, Berlin 1978.

Walter Seitter, Strukturalistische Stichpunkte zur Politik, in: Böckelmann et.al., Schillern, a.a.O., S. 85.

Müller/Makropoulos, Das Schillern der Revolte, in: Böckelmann et.al., Schillern, a.a.O., S. 19.

Gerd Bergfleth et.al., Zur Kritik der palavernden Aufklärung, München 1984.

siehe Anm. 4.

Jean Baudrillard, Der symbolische Tausch und der Tod, München 1982.

Maschke veröffentlichte dann noch einmal 1988 bei Matthes & Seitz im Verlagsalmanach »Der Pfahl«, 2/88. Staunend entnimmt man dem Impressum, daß sein Aufsatz Die schöne Geste des Untergangs – Drieu La Rochelle – ein faschistischer Decadent bereits 1980 in der »FAZ« erscheinen konnte.

Gerd Bergfleth, Finis Mundi, in »Der Pfahl«, 5/91, S. 8.

zitiert nach Wolfgang Schneider, Deutsche Manifeste, in »Spex«, 5/90, S. 74f.

Rolf Grimminger, Die Ordnung, das Chaos und die Kunst, Frankfurt am Main 19902, S. 267f.

Syberberg, Unglück, a.a.O., S. 114f.

Geert Lovink & Basjam Van Stam, The Souring Of Old Art, in: »Mediamatic« 2–3/91.

Syberberg, Unglück, a.a.O., S. 169.

Walter Seitter, Das politische Wissen im Nibelungenlied, Berlin 1987; und derselbe, Versprechen, Versagen – Frauenmacht und Frauenästhetik in der Krimhild Diskussion des 13. Jahrhunderts, Berlin 1990.

Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge (Les mots et les choses), - S. 454, Frankfurt am Main 19742.

Seitter, Versprechen, a.a.O., Klappentext.

Walter Seitter, Vom rechten Gebrauch der Franzosen, in: »Tumult«, 15/91.

Michel Foucault, Von der Subversion des Wissens, München 1974, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Walter Seitter.

Alle Zitate und Referenzen beziehen sich auf Anm. 27.

Ernesto Laclau, New Reflections on the Revolution of Our Time, London und New York 1990.

z.B.: Astrid Lange, Was die Rechten lesen, München 1993; H. Joachim Schwagerl, Rechtsextremes Denken, Frankfurt am Main 1993; oder Wolfgang Kowalsky, Kulturrevolution? – Die Neue Rechte im neuen Frankreich und ihre Vorläufer, Opladen 1991. Kowalsky ist allerdings – ob freiwillig oder unfreiwillig ist nicht ganz klar – selbst zum Lieblingsautor der neuen Rechten geworden, gehört er doch zu denen, die an anderer Stelle den Mythos einer noch bestehenden linken kulturellen Hegemonie beliefern. Keines dieser Bücher stellt den Zusammenhang zwischen offenen und Kulturrechten oder gar Underground-Rechten her: Die Attraktivität des Rechtsradikalismus für Künstlertypen sollte doch seit seinem bekanntesten Vertreter sich als Untersuchungsgegenstand anbieten.

Gottfried Benn, Antwort an die literarischen Emigranten, Gesammelte Werke, Band 7, Wiesbaden 1968.

Manfred Hermes, Wer Spricht? – Verkennung in Deutschland, in: »Spex«, 5/93.

Gilles Deleuze/Félix Guattari, Rhizom, Berlin 1977.

vgl. »Virtueller Maoismus« in diesem Band.

Alle Zitate aus der Verlagswerbung von »Autonomedia/Semiotext(e)«, auf den letzten Seiten von Félix Guattari/Toni Negri, Communists Like Us, New York 1990.

R. Heinz/G.Ch. Tholen, Schizo-Schleichwege – Beiträge zum Anti-Ödipus, Bremen 1981.

ID-Archiv im IISG/Amsterdam (Hrsg.), Die Früchte des Zorns – Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionären Zellen und der Roten Zora, Berlin und Amsterdam 1993; dazu die Rezension von Mark Terkessidis, dem ich den Hinweis auf den Anti-Ödipus-Zusammenhang verdanke, in: »Spex«, 5/93.

zitiert nach Brian Massumi, A User’s Guide to Capitalism and Schizophrenia, Cambridge, Mass. und London 1992, S. 7. Auch in den Pariser Gesprächen von François Ewald (Berlin 1990) verschweigt Deleuze seine Sehnsucht nach Illegitimität nicht, wenn er erklärt, er würde gerne Vorlesungen wie Rock-Konzerte abhalten.

Mark Terkessidis, Jeder lobt, keiner liest, in: »Texte zur Kunst«, 5/92, S. 172ff.

»Texte zur Kunst«, Nr. 7/92.

Diedrich Diederichsen, radio free europe, in: Autoren von Texte zur Kunst halten Reden auf der documenta, Köln 1992.

vgl.: »The. Kids are not …« in diesem Band.

Helmut Draxler, Dreisatz, in: »Texte zur Kunst«, 7/92, S. 113.

Walter Seitter, Vom rechten Gebrauch der Franzosen, in: »Tumult«, 15/91.

Peter Bürger, Das Denken des Herrn – Essays, Frankfurt am Main 1992.

Gilles Deleuze, Differenz und Wiederholung, München 1992.

Félix Guattari, Wunsch und Revolution, Freiburg im Breisgau 1978.

Gemeint ist Isabelle Graw, die bei den Recherchen für die Erstveröffentlichung dieses Textes mit Oury telefonierte.

Vgl. Anm. 1.

Gilles Deleuze/Félix Guattari, Tausend Plateaus, Berlin 1992, S. 292.

ebenda, S. 3.

Jürgen Legath, Shanana – Recorded Live! The Golden Age of Rock’n’-Roll …, in: Sounds. Platten 66–77 – 1827 Kritiken, Frankfurt am Main 1979, S. 575f.

Detlef Diederichsen, Bob-Weir-Interview, in: »Spex«, 12/90.

Woodstock war der erste Medienverbund: Platte-Ereignis-Film.

Es gab neben den Last Poets von Jalal (der sich damals auch noch nicht so nannte) die Last Poets um Felipe Luciano und Cain, die ebenfalls radikale Texte zu Conga-Rhythmen vortrugen, sich aber im Gegensatz zu Jalals Gruppe, die mit Unterbrechungen bis in die Achtziger existierte, in den frühen Siebzigern auflösten. In Los Angeles gab es die Watts Prophets (»Rapping Black in a White World«), die Rap-artige Texte mit Konversationsprosa mischten und sich nicht nur von Rhythmusinstrumenten begleiten ließen.

vgl. David Toop, Rap Attack, St. Andrä-Wörden 1992, S. 39–47.

Auf Cains Solo-LP, »The Blue Guerilla«, spielen dann übrigens doch Musiker mit, und zwar ausgerechnet Sly Stone und der spätere Chic-Gründer Bernard Edwards.

Hank Harrison, The Dead Book – A Social History of the Haight Ashbury Experience, Menlo Park, Ca. 1985, Band 1, S. 182.

Erklärung für die neuen Leser dieses Textes, der ursprünglich 1992 für »Spex« geschrieben wurde: Pits und Moshen sind Tanz/Bewegungs-Formen von vornehmlich weißen Metal-Fans, ebenso Stagediving. Die Formulierung, irgendwas sei ein »black thing you wouldn’t understand«, wurde zur stereotypen Formel eines wiedererwachten »cultural nationalism« unter städtischen, männlichen amerikanischen Schwarzen. Die weiße Psychedelic-Band Monster Magnet bezog sich ca. zur gleichen Zeit wie Ice-T ironisch darauf, als sie unter ihre LP schrieb: »Is’s a satanic drug thing, you wouldn’t understand.«

Amerikaner (ost-)asiatischer Herkunft betrachten die Bezeichnung »Oriental« als ebenso herabsetzend wie schwarze Amerikaner die Bezeichnung »Negro«. Als Michael Jackson in seinem Fernseh-Interview mit Oprah Winfrey von »Orientals« sprach, brach ein Sturm der Entrüstung gegen ihn los.

Robert Beck alias Iceberg Slim stirbt 1992, kurz nach der Erstveröffentlichung dieses Textes.

Die Ciphers sind Figuren aus den Ritualen der 5 %er. Eine vollständige Cipher hat 360°. Clarence 13X ist der Begründer der 5 %er. Leonard Jeffries ist der Professor, der die Unterscheidung von »Sun people« (Bewohner der südlichen Hemisphäre) und »Ice people« (Bewohner der nördlichen Hemisphäre) erfand und mit seinen bizarren pararassistischen Philosophien zur Lieblingsfigur weißer und auch deutscher p.c.-Gegner wurde. Wenn solche Leute lehren zu lassen Ziel des Kampfes um Curricula und Leselisten sei, dann kann es sich tatsächlich nur um eine Kommunisten- und Negerverschwörung handeln (so etwa sinngemäß Matussek [»Spiegel«] und von Uthman [»FAZ«]). Vgl.: Diedrich Diederichsen, p.c. zwischen PoMo und MuCu, in: »Neue Rundschau«, 3/92.

Ein Punk ist in black english u.a. ein Weichling.

Houston A. Baker: »You Can’t Trus’It«: Experts Witnessing in the Case of Rap, in: Gina Dent/Michelle Wallace, Black Popular Culture, Seattle 1992, S. 133f.

Günther Jacob warf mir implizit vor, die Phantasien, die in diesem Songs zum Ausdruck kommen, zu goutieren oder zu viel Verständnis für sie zu zeigen. Ich tue das so wenig, wie ich glaube, »Cop Killer« stifte zum Polizistenmord an oder Metzelvideos statt Verhältnisse verursachten Gewalt an Schulen. Aber beim Genuß von formalen Gelungenheiten wie Prägnanz oder Zuspitzung, wird man natürlich immer auch ein wenig Komplize des Inhalts. Daher spricht nach mir eine schwarze Frau im Text zu diesem Song. Darüber hinaus stellt »KKK Bitch« einen Fall von performativem Widerspruch dar, der so typisch für Raps ist, am besten auf den Punkt gebracht von Cypress Hills Kommunikation der Nichtkommunikation, »Here Is Something You Can’t Understand«: »I Fell in Love with a KKK Bitch« lebt von dem Kontrollverlust und verliebter Hilflosigkeit, die von In-Liebe-Fallen ausgedrückt wird, während der Song ja ansonsten von hypertrophen Gewalt- und Kontrollphantasien handelt (den Klan, die Bitches, sich selbst beherrschen), von der sexistischen Kriegerphantasie, den männlichen Gegner durch Vergewaltigung seiner Tochter zu demütigen. Zu behaupten, das alles sei, wie schon bei »Evil Dick«, in einem Kontrollverlust begründet (was auch die Musik von Bodycount symbolisch untermauert), ist schon bizarr. Ice-T wies in dem Interview mit mir noch einmal daraufhin, wieviel seine Art zu rappen den großstädtischen männlichen gereimten Kämpfen und Beleidigungszeremonien, die als »The Dozens« bekannt sind, schuldet; wie stark er neben Iceberg Slim auch von Legenden und Mythen wie »Stack-O-Lee« oder »Staggerlee« geprägt ist. Vgl. dazu: Greil Marcus, Mystery Train, S. 65–94, New York 19903 (1975) und Roger D. Abrahams, Deep Down in the Jungle, Chicago 19702 (1963), S. 129–142; sowie derselbe, Afro-American Folktales – Stories From Black Traditions in the New World, New York 1985, S. 238f.

»›Willst du etwas über einen Apfel erfahren, mußt du hineinbeißen‹, behauptete Mao-Tse Tung ganz richtig. Das bedeutet für den Pfadfinder: Geh in den Wald, beiße in einen Baum und Du wirst wissen, wer der härtere ist. Das bedeutet für uns: Mache die Probe, erkenne die Wahrheit am Duktus, laß dich von ihr vollscheißen, stelle fest, wie sie sich von innen anfühlt.« – Werner Büttner, Albert Oehlen, Martin Kippenberger, Wahrheit ist Arbeit, Essen 1984, S. 31.

1977 kehrte ich nach einem längeren Auslandsaufenthalt im Herbst nach Deutschland zurück, das sich in der Zwischenzeit in einen Polizeistaat verwandelt hatte. Hatte ich die Jahre 1975 bis ’77, angewidert von den politischen Verhältnissen in der Hamburger Uni, einer gründlichen Depolitisierung, verbunden mit Benn-Lektüre und Entwicklung eines spätpubertären Elitismus, gewidmet, begann jetzt mit einem Schlag meine Repolitisierung. 1977 zogen Büttner und Oehlen von Berlin nach Hamburg, während Kippenberger drauf und dran war, Hamburg Richtung Berlin zu verlassen. 1977 erreichte die Punk-Bewegung Deutschland. Und es gibt noch weitere Gründe, in diesem Jahr die Periode beginnen zu lassen, die zu »Wahrheit ist Arbeit« führte.

In Die Verbesserung der Jugend durch Rockmusik – in: »Sounds«, 4/80 – sprechen sich Werner Büttner und Albert Oehlen gegen die Floskel »Alles schon mal dagewesen« aus, sie sei »reaktionär« und »blockiere das Leben selbst«.

Zum Beispiel Situationismus war allen Beteiligten weitgehend unbekannt, obwohl Roberto Ohrt in der gleichen Kneipe verkehrte. Erst 1986 begann die Beschäftigung mit den Schriften der S.I., obwohl mich Albert Oehlen im Jahre ’81 eigenhändig in eine Ausstellung der Gruppe SPUR geschleppt hatte und ich mich an eine Diskussion im »Vienna« erinnere, bei der wir uns anläßlich eines Konzertes von Bow Wow Wow, die damals von Malcolm McLaren, der ja für sich situationistische Wurzeln beanspruchte, gemanagt wurden, über Debords Gemälde/Slogan »Abschaffung der entfremdeten Arbeit« unterhielten und inwieweit er von Malcolm McLarens Utopie von umherschweifenden arbeitslosen Jugendlichen mit Walkmännern aufgehoben sei.

»… so wurden in der Kunst Arbeiterfamilien gemalt nach einer vorgeschriebenen Technik. Und das erschien uns als eine Form von Einverständnis mit dem System, also von Sich-schon-geschlagen-Geben, die sich darin an Trostlosigkeit nicht mehr unterscheidet von den anderen Leuten, die da mit Pülverchen rumexperimentiert und gewischt und geschoben oder Sachen an die Wand gelehnt haben. Und dazu im Gegensatz erschien uns die maoistische, linksradikale Terminologie mit ihrer unerbittlichen Rechthaberei ein guter Kontrast zu sein, mit dem Vorteil, daß sie in ihren kritischen Analysen recht hatte. Wir hatten kein Gegenmodell zu bieten, aber ich glaube nach wie vor, daß es richtig ist zu kritisieren, auch wenn einem selber nichts Besseres einfällt. Man ist zwanzig Jahre alt, es brummen einem die Eier, und man haßt alle, die zehn Jahre älter sind. Und wenn die ohnehin nur Mist bauen, dann ist das doch eine gute Ausgangsbasis. Der Vorteil dieser revolutionären Schnöseligkeit ist, daß man sich über Vorhandenes hinwegsetzen kann, ohne einen sauberen Gegenentwurf abliefern zu müssen und ohne daß Parodien dabei rauskommen.« Albert Oehlen, in: Wilfried W. Dickhoff/Martin Prinzhorn, Albert Oehlen, Köln 1991. Oehlen beschreibt hier eine Situation, die am Anfang der beschriebenen Periode liegt, aber für das Selbstverständnis des »virtuellen Maoismus« entscheidend ist. Bis 1984 ist der Ansatz nicht nur verfeinert, sondern auch um andere Sprechpositionen erweitert worden: Wichtig ist aber, daß »Parodie« nie angestrebt worden ist.

»1972 Umfunktionierung eines UFO-Clubs in die KJVD-Ortsgruppe Krefeld« - Büttner, Kippenberger, Oehlen, op.cit., S. 154.

Sie störten dann nicht mehr dabei, eine gedachte K-Gruppe strategisch im kulturellen Feld unterzubringen, die von einem, spaßeshalber hier »virtuell« genannten, linksradikalen Punkt aus reden konnte.

Der Wirt war übrigens eines der Vorbilder für die Figuren aus Hubert Fichtes Roman »Die Palette«.

»Auf der Fahrt nach Hamburg entwickelten wir drei Ideen (feste Arbeit, feste Freundin, fester Wohnsitz), deren Umsetzung wir sofort in Angriff nahmen« - Büttner, Kippenberger, Oehlen, Wahrheit ist Arbeit, a.a.O., S. 14.

Die Gruppe, von der hier die Rede ist, hat sich nie selber als solche bezeichnet: Aus der Geschichte (vgl. Anm. 4) war aber diesmal klar, daß zu vermeiden wäre, daß die so oft an Gruppenbildung geknüpfte oder von Gruppenbildung vertuschte Lösung primärer postpubertärer oder adoleszenter Probleme auch diese Gruppe belasten. Die Probleme »Wohnung«, »Museum«, »Verhalten« etc. wurden dann als Probleme derselben Art, aber höherer Ordnung eingeführt.

Meine Recherchen zur Problematik der Künstlergruppen haben ergeben, daß im Mittelpunkt der Konstitution von Künstlergruppen in der Modernen immer eine Opferung stand. An die Stelle der Opferung tritt in dieser Gruppe die Aufnahme einer Galerienbeziehung (die ja im gewissen Sinne auch etwas opfert). Diese Vorgehensweise wurde später – z.B. »Gruppe Nagel« – häufiger imitiert, führte aber selten zu vergleichbar stabilen Beziehungen. Vgl.: Diedrich Diederichsen, Legitimität und Illegalität, in: »Heaven Sent«, 7/92.

vgl. als weitere gelungene Beispiele etwa: Martin Kippenberger, Cafe Central, Hamburg 1987 (mit Michael Krebber zusammen geschrieben) oder einige – nicht gezeichnete – Kollaborationen von Guy Debord und Attila Kotanyi, in: Situationistische Internationale, Band 1, Hamburg 1976; zur Entstehung von Texten in der S.I. vgl.: Roberto Ohrt, Phantom Avantgarde, Hamburg 1990. Als Beispiele für das Mißlingen vgl. die Verödung mancher Autoren der sogenannten »Neuen Frankfurter Schule« im Verlauf der Achtziger, besonders den durch haltlose Ideen von Zeitkritik als Sprachkritik (»Dummdeutsch«) befeuerten Manierismus des altfränkelnden »guten Deutsch« bei Eckard Henscheid, dessen Einfluß auf die Stadtzeitschriftenschreiber der späten Achtziger immens war.

Büttner, Kippenberger, Oehlen, Wahrheit ist Arbeit, a.a.O., S. 17.

ebenda.

ebenda, S. 17–19.

Interessanterweise imitiert dieser Text die Rhetorik des Haupttextes (wie oben dargestellt), stößt damit aber an die Grenzen meines vernünftigen Kopfes: Die Pseudo-Stringenz und der zunächst nur spielerisch eingeschlagene Ton einer Abhandlung überwältigen am Ende fast alle Doppelbödigkeit. Noch im selben Jahr konnte ich den Text zu einem »literarischen« erklären und Peter Glaser für seine Anthologie deutscher New-Wave-Literatur, Rawumms, Köln 1984, zur Verfügung stellen. Im letzten Jahr entdeckte die trotzkistische Wochenzeitung »SOZ« den Text und druckte ihn ganz seriös als halbsatirischen Diskussionsbeitrag. Habent sua fata …

Das kündigte dann die 1986 im Hamburger Kunstverein ausgerichtete Ausstellung der drei mit Georg Herold, »Können wir vielleicht mal unsere Mütter wieder haben?«, an. Zusammen mit einer in Nizza gezeigten Ausstellung der drei, diesmal mit Marcus Oehlen als viertem Mann, war das die letzte größere Zusammenarbeit.

Man sprach damals über die Kommunikationsgesellschaft auch oft von der »Nivellierung« durch »Pluralismus«. Oder mit Felix Guattaris Wunsch und Revolution, Heidelberg 1978, von der »semiotischen Vergiftung«. Oder mit Burroughs von Kontrolle durch Kommunikation. Auch das dachte sich als eine linke antisozialdemokratische Position, deren »antipluralistische« Variante später in die Hände von Rechten wie Syberberg gefallen ist.

Heute kann man »allgemeinverständlich« darüber reden, weil diese Zeit vorbei ist. Damals hätte eine Interpretation, wie ich sie hier vornehme, nicht nur die sich ja tatsächlich einstellenden Erfolge dieser Kommunikationsstrategie bedroht: Tatsächlich verstanden ja die Guten, und die Doofen wurden genau in dem Maße abgeschreckt wie sie abgeschreckt werden sollten (ohne sie mit »Denkanstößen« zu ermuntern); darüber hinaus hätte es auch nichts zum Erklären gegeben: Man konnte das Wissen von 1984 ja noch nicht von außen angucken. Auch heute ist »Allgemeinverständlichkeit« natürlich nur ein Hilfsbegriff, an dem entlang man solche Texte schreiben kann: Der eigentliche imaginäre Adressat wäre eher jener Kunststudent, der heute die Arbeiten der Künstler sieht und als teilweise bereits klassifiziert und kanonisiert sieht, ohne die vielen sie begleitenden Nebenprodukte (Kataloge, Schallplatten – und das Soziale, wofür diese Nebenprodukte standen) zu kennen. Schließlich gibt es ja einen auf »Allgemeinverständlichkeit« zielenden Anspruch auch in »Wahrheit ist Arbeit«: die Apologie des Museums. Dort hängen heute die Bilder, aber niemand kennt mehr ihren Weg dahin und die Marschparolen, die sie begleiteten.

Galerie 1900/2000 (Hrsg.), Pinot-Gallizio – le situationisme et la peinture, Paris 1989.

Im Interesse der Allgemeinverständlichkeit: Totengräber der Geisteswissenschaft kann auch ein »dickes Lob« sein.

Die Vorstellung, das Genießen der eigenen Entfremdung als dem aus warenförmiger Kultur gestanzten eigenen Seelenleben sei eine Möglichkeit, zum einen die herrschenden linken Vorstellungen von Warenförmigkeit eines besseren zu belehren wie auch die objektiv warenförmigen Anteile am eigenen Seelenleben zu überwinden, leitete die Begeisterung für den britischen Pop von 1982 (ABC, Dexys Midnight Runners etc.). Sie erwies sich erst als problematisch als die Eurythmics auftauchten, die genau diesen Stil wieder in eine »eigentliche« Kunst umwandeln wollten, die von Annie Lennox’ Innenleben spricht, als gäbe es da was zu entdecken. Die Trash-Version wiederum davon stellen Roxette dar. Sie sind leider trotzdem unerträglich (und alle unsere Theorien falsch?).

Es ist aber wichtig, sich klar zu machen, daß das ostentative Ignorieren »korrekter« Bezeichnungen sich strategisch gegen als Aufgeklärtheit ausgebenen Terror richtete (im antisozialdemokratischen Paradigma), während man heutigen p.c.-Sprachgebrauch schon deswegen rechtfertigen kann, weil der naive Gebrauch wieder der unkorrekte ist, der korrekte wieder der unnaive: Das war damals genau umgekehrt. »Politische Unkorrektheit« war eine linksradikale Position, und in Behindertengruppen setzte sich die Selbstbezeichnung »Krüppelbewegung« durch.

Von Mark E. Smith auf dem Inner Sleeve von The Fall, »This Nation’s Saving Grace«, London 1986, abgebildeter Zeitungsausschnitt: Sein Wort galt damals (auch schon ’84: Er stellt einen der wenigen, geistesverwandten Zeitgenossen aus der Punk-Welt dar, der noch heute aktiv ist).

Da die Feindbilder Sozialdemokratie/Hippietum verschmolzen, hatte das damals eine gewisse Berechtigung: An ihrem »politisierten« ungenauen Idiom solltest du sie erkennen. Zu der Trübheit derer, die immer noch an dieser Front Leichen zu Gefangenen machen, siehe Anm. 12.

Die Passage, die das Essen im »Hofrestaurant« als Rahmenhandlung benutzt, verweist natürlich auch auf die Neuheit kunstbetriebsimmanenter Rituale im Leben der betreffenden Künstler. Wahrscheinlich wären weder die Prominenten noch der Namen des Restaurants später noch der Rede wert gewesen: Klaus von Dohnanyi tauchte immer öfter auf Vernissagen bei Ascan Crone auf: aber dann war er auch nicht mehr Bürgermeister.

Noch blöder ist nur die heute verbreitete Fundamentalopposition gegen »die Politiker«, von rechts (Weizsäcker) bis ganz rechts (kleiner Mann). Ein Politiker, der in der Lage ist, sich einen schönen Lenz in der Toskana zu machen, ist natürlich sympathischer als der »Diener eines Staates«.

Büttner, Kippenberger, Oehlen, Wahrheit ist Arbeit, a.a.O., S. 28f u.S. 82.

in: Peter Keepnews, Linernotes zu Art Blakey & The Jazz Messengers: »One For All« (1990), S. 10.

Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1992, S. 16.

aus dem Gedächtnis aus einem anderen Büttner/Oehlen-Text zitiert. »Facharbeiterficken«?

Luhmann, Gesellschaft, a.a.O., S. 218.

vgl. besonders die endlose Namensliste in A. Oehlens autobiographischer Notiz.

A. Oehlen erklärte einmal, daß an dem beladensten Symbol überhaupt am besten zu klären sei, ob Kunst überhaupt einen Inhalt haben könne; und wenn ja, zu welchen Bedingungen. Die Referenz Lorenz korrespondiert damit, insofern als seine Texte – wie später auch immer wieder Hitler-Zitate – im Kontext von Oehlen-Publikationen/Bildern/etc. etwas sagen, was sowieso gesagt werden muß, aber durch die Schwere der Referenz jede Selbstverständlichkeit von Aussagen unmöglich wird. Das geht über die seinerzeit moderne, vernunftkritische Meisterdenker-Verfolgung weit hinaus: die Unmöglichkeit der unblutigen Referenz – jeder ganz normale Satz unterhält Verbindung zu Völkermorden, und nicht nur Gedichte.

Büttner, Kippenberger, Oehlen, Wahrheit ist Arbeit, a.a.O., S. 29.

Luhmann, Gesellschaft, a.a.O., S. 219.

Luhmann könnte einwenden, daß dies wiederum eine »neue« ästhetische Tatsache produziere. Damit würde er allerdings die Voraussetzungen verkennen, die für Künstler galten, die zu arbeiten begannen, nachdem »Neuheit« eine Ideologie geworden war und es daher plausibel wurde – für alle Künste, vgl. Punk –, mit der anderen Seite dieser Unterscheidung, dem, was früher Scharlatanerie geheißen hätte, zu arbeiten. Wie sie über diese Verweigerung wieder »Neuheiten« herstellten, werden wir sehen: Das war aber 1984 nicht nur noch nicht absehbar, die Konzentration auf die »Scharlatanerie« funktionierte noch unmittelbar als »Kritik« und konnte ein sozial funktionierendes Außen/Anderes der Kunstwelt konstruieren. Luhmann berücksichtigt weiterhin nicht, daß beim Akzeptabelmachen des Neuen die wichtigste Arbeit zu leisten ist: Da das Akzeptierte als einst Neues akzeptiert wurde, wird der Grad der Akzeptiertheit auf den Grad der Neuheit bezogen. Wer da keinen Schwebezustand herstellt, dem ergeht es wie Calder: Das besonders Neue wird als besonders Akzeptiertes banal, während der Schwebezustand zwischen »neu« und (immer schon) »akzeptiert« etwa bei Jorn, Broodthaers etc. brisanter blieb. Vgl. Dickhoff/Prinzhorn, Oehlen, a.a.O., S. 22: »Überlege doch einmal, was für ein immenser Schritt das war, als Alexander Calder von was weiß ich, womit der angefangen hat, zum Mobile gefunden hat, der wird sich wahrscheinlich im Atelier kaputtgelacht haben mit seinen Assistenten, was für ein Schock das sein wird, daß seine runden Scheibchen jetzt durch die Luft schweben, und das ist heute als Erfindung außerhalb jeder Diskussion, nicht mal mehr originell – gar nichts, einfach nur Calder und Geschaukel.«

Sie können aber nicht mehr Calder werden, weil ihre Arbeitshypothese eine andere Unterscheidung war: nicht »Neuheit/Fehler«, sondern »Scheitern/Gelingen«.

Auch wenn diese Sicht von Dolphy im Text nicht deutlich wird. Ich erinnere mich genau.

Die besonders Schönheiten ja vor allem auch darum hervorbringen konnte, weil sie aus dem Luxus schöpfen konnte, sich als Feind einen Herrschaftstyp herauszusuchen, der im Vergleich noch zu den erträglicheren zählte. Vgl. auch Jello Biafras Revision seines gegen den damaligen kalifornischen Gouverneur Jerry Brown gerichteten antiliberalen Klassikers »California Über Alles«, den er nach der Wahl Reagans mit dem neuen Text »We’ve Got A Bigger Problem Now« zu singen pflegte.

In Foucault révolutionne l’histoire in: Comment on écrit l’histoire, Paris 1979, deutsch: Der Eisberg der Geschichte, Berlin 1981. Ohne zu erwähnen, daß es diese Ausgabe gibt, veröffentlichte Suhrkamp den Text vor kurzem noch einmal unter einem anderen Titel.

»ERKLÄRUNGEN ZUR MALEREIDer Übel