Reimer Gronemeyer / Andreas Heller
In Ruhe sterben
Was wir uns wünschen und
was die moderne Medizin
nicht leisten kann
Knaur e-books
Reimer Gronemeyer, Jahrgang 1939, ist promovierter Theologe und hat seit 1975 einen Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Gießen inne. Seine Publikationsliste umfasst mehr als 30 Buchtitel. Er hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in zahlreichen Initiativen, Expertengruppen und Organisationen mit den Themen Aidsbekämpfung, Palliativ-Medizin, Hospizbewegung sowie Demenz beschäftigt. Derzeit ist er Vorstandsvorsitzender der Aktion Demenz e.V. und ein viel gefragter Redner auf Tagungen und Kongressen. 2012 ist bei Pattloch »Der Himmel. Sehnsucht nach einem verlorenen Ort« und 2013 »Das 4. Lebensalter. Demenz ist keine Krankheit« erschienen.
Andreas Heller, Jahrgang 1956, hat u.a. Theologie, Philosophie sowie Gesundheits- und Pflegewissenschaften studiert und wurde 2007 als Professor auf den europaweit ersten Lehrstuhl für Palliative Care und OrgansiationsEthik der Alpen Adria Universität Klagenfurt/Wien/Graz berufen. Er gibt die Zeitschrift Palliative Praxis heraus, ist Beiratsmitglied der Robert Bosch Stiftung zum Schwerpunkt Hospiz und Palliative Care, gehört dem Stiftungsrat des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes e.V. (DHPV) an und ist u.a. als Berater in Führungsgremien der Caritas und der Diakonie in Deutschland und Österreich sowie verschiedener Krankenhausgesellschaften tätig.
eBook-Ausgabe 2014
Pattloch eBook
© 2014 Pattloch Verlag GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
ISBN 978-3-629-32050-6
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Vgl. Bronnie Ware: 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen, München 2013
Ivan Illich: In den Flüssen nördlich der Zukunft. Letzte Gespräche über Religion und Gesellschaft mit David Cayley, München 2006, S. 252
Vgl. Philippe Ariès: Geschichte des Todes, München 1980, S. 747 ff.
Vgl. Karlfried Graf Dürckheim: Der Ruf nach dem Meister. Die Bedeutung geistiger Führung auf dem Weg zum Selbst, Bern 1986, S. 166
Harald Welzer: Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand, 2. Auflage, Frankfurt 2013, S. 154. Hervorhebungen im Original
Søren Kierkegaard: Zur Selbstprüfung der Gegenwart anbefohlen. Erbauliche Reden 1850/51 Urteilt selbst. Simmerath 2003
Ivan Illich: Die Wiedergeburt des epimetheischen Menschen, in: Derselbe: Entschulung der Gesellschaft. Eine Streitschrift, 6. Auflage, München 2013, S. 147 f.
Paul Ludwig Landsberg: Die Erfahrung des Todes, Berlin 2009, S. 33
Vgl. Eugen Drewermann: Das Lukas-Evangelium Teil II, Ostfildern 2009, passim zu Kap. 16.
Vgl. Ivan Illich: Wiedergeburt des epimetheischen Menschen, a.a.O., S. 153
Vgl. Marianne Gronemeyer: Das Leben als letzte Gelegenheit. Sicherheitsbedürfnisse und Zeitknappheit, 2. unv. Aufl., Darmstadt 1996
Vgl. David Olusoga/Casper W. Erichsen: The Kaiser’s Holocaust. Germany’s Forgotten Genocide and the Colonial Roots of Nazism, London 2011
Anna Bergmann: Der entseelte Patient. Die moderne Medizin und der Tod, Berlin 2005, S. 247–248
Michael Stolberg: Die Geschichte der Palliativmedizin. Medizinische Sterbebegleitung von 1500 bis heute, Frankfurt am Main 2011, S. 107
Ilse Helbich: Grenzland Zwischenland. Erkundungen, 2. Auflage, Graz 2012, S. 60
Arthur E. Imhof: Die verlorenen Welten. Alltagsbewältigung durch unsere Vorfahren – und weshalb wir uns heute so schwer damit tun, München 1984
Franz Werfel: Das Lied von Bernadette, 10. Auflage, Frankfurt am Main 2002 (erstmals erschienen: Stockholm 1941), S. 472
Werner F. Kümmel: Der sanfte und selige Tod. Verklärung und Wirklichkeit des Sterbens im Spiegel lutherischer Leichenpredigten des 16. bis 18. Jahrhunderts, in: Rudolf Lenz (Hg.): Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, Bd. 3, Marburg 1984, S. 199–226, 202
Tiziano Terzani: Noch eine Runde auf dem Karussell. Vom Leben und Sterben, München 2007, S. 351
Andrzej Stasiuk: Kurzes Buch über das Sterben, Frankfurt 2013, S. 43
Ebd., S. 44
Thomas Mann: Der Zauberberg, 18. Auflage, Frankfurt am Main 2007 (zuerst 1924), S. 77
Norbert Elias: Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen, Frankfurt am Main 1982, S. 44–45
Vgl. Katharina Heimerl: Orte zum Leben – Orte zum Sterben. Palliative Care in Organisationen umsetzen, Freiburg 2008
Vgl. Gian Domenico Borasio: Über das Sterben. Was wir wissen. Was wir tun können. Wie wir uns darauf einstellen, München 2011
Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, München 1997 (zuerst Leipzig 1910), S. 11 f.
Ebd., S. 12 f.
Giovanni Boccaccio: Das Dekameron; Übers. v. Karl Witte; hg. v. Helmut Bode, München 1964, S. 20 f. Das Werk erschien zuerst 1470
Vgl. Neithart Bulst: Der schwarze Tod. Demographische, wirtschafts- und kulturgeschichtliche Aspekte der Pestkatastrophe von 1347–1352. Bilanz der neueren Forschung, in: Saeculum 30 (1979), S. 45–67. Stefan Winkler: Geißeln der Menschheit. Kulturgeschichte der Seuchen, 2. Auflage, Düsseldorf, Zürich 1997
Anna Bergmann: Der entseelte Patient, a.a.O., S. 40
Giovanni Boccaccio: Das Dekameron, a.a.O., S. 17 f.
Vgl. Anna Bergmann: Der entseelte Patient, a.a.O., S. 82 f.
Ebd., S. 90 f.
Zygmunt Baumann: Tod, Unsterblichkeit und andere Lebensstrategien, Frankfurt am Main 1994, S. 231
Eberhard Jüngel: Tod, Gütersloh 1993, S. 161 f.
Walter Benjamin: Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze, Frankfurt am Main 1965, S. 84 f.
Vgl. dazu den Aufsatz von Charlotte Jurk: Von der Industrialisierung des Sterbens, in: BioSkop, Dezember 2013, S. 14 f.
Zit. nach Charlotte Jurk, a.a.O.
So am Ende des Buches von Philippe Ariès: Geschichte des Todes, a.a.O., S. 789
Anlage zur Rundmail 06/2013 (01.08.2013). Informationen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu den neuen EBM-Ziffern für die allgemeine Palliativversorgung. www.kbv.de/43707.html
Elisabeth Kübler-Ross: Interviews mit Sterbenden, 5. Auflage, Stuttgart 1999. Siehe dazu besonders das Kapitel 3
HOPE ist ein Angebot des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes (siehe dessen Homepage www.dhpv.de und www.clara-klifo.de/startseite/hope/). Das Zitat findet sich bei Charlotte Jurk, a.a.O.
HOPE, a.a.O.
Zit. nach Charlotte Jurk, a.a.O.
Hans-Herbert Sittig: Was SAPV wirklich kostet. Eine Kostenrechnung auf betriebswirtschaftlicher Grundlage, http://www.ag-sapv.de/tl_files/public/aktuelles/ws2_wirtschaftliche-Aspekte_Sittig.pdf
Bericht in The Guardian vom 13. und 15. Juli 2013
Vgl. The Telegraph vom 3. August 2013
Vgl. The Guardian, a.a.O.
Michael Ende: Trödelmarkt der Träume. Mitternachtslieder und leise Balladen, München 2000, S. 87–88. Copyright © by Nachlass Michael Ende. Vertreten durch AVA international GmbH, München; www.ava-international.de
Rudi Carrell: Ich hatte Angst, es gäbe nur noch Mitleid, in: Stern 29/13.7.2006, S. 142–144
Carl-Henning Wijkmark: Der moderne Tod. Vom Ende der Humanität, Berlin 2001
Vgl. David Clark/Neil Small/Michael Wright/Michelle Winslow/Nic Hughes: A Bit of Heaven for the Few? An oral history of the modern hospice movement in the United Kingdom, Lancaster 2005
Interview mit Cicely Saunders für www.hospice-history.org.uk
René Descartes: Über den Menschen, Heidelberg 1969 (1664 erstmals erschienen), S. 69
Leo Tolstoj: Der Tod des Iwan Iljitsch, Frankfurt 2002. Erstmals erschienen 1886, S. 129
Leo Tolstoj, Der Tod des Iwan Iljitsch, a.a.O., S. 118, 133
David B. Morris: Geschichte des Schmerzes, Frankfurt am Main 1969, S. 400
Adolf Muschg: Recht auf Schmerz, in: Georg Schönbächler (Hg.): Schmerz. Vgl. Birgit Heller, Andreas Heller: Spiritualität und Spiritual Care. Orientierungen und Impulse, Bern 2014
David Wagner: Leben, Reinbek bei Hamburg 2013, S. 59
Henri Nouwen/Donald McNeill/Douglas A. Morrison: Das geteilte Leid, Freiburg 1983, S. 13
Hans-Georg Gadamer: Über die Verborgenheit der Gesundheit, Frankfurt am Main 1993, S. 130
Cicely Saunders: Brücke in eine andere Welt. Was hinter der Hospizidee steht. Herausgegeben und eingeleitet von Christoph Hörl, Freiburg 1999, S. 123
Vgl. die Website der WHO: http://www.who.int/cancer/palliative/definition/en/
Vgl. Morris, a.a.O., vgl. Andreas Heller, Sabine Pleschberger: Palliative Versorgung im Alter, in: Adelheid Kühlmey, Doris Schaeffer (Hg.): Alter, Gesundheit und Krankheit, Bern 2008, S. 382–299
Vgl. Michael Stolberg: Die Geschichte der Palliativmedizin, a.a.O.
Ruth Albrecht in: Andreas Heller/Sabine Pleschberger/Michaela Fink/Reimer Gronemeyer: Die Geschichte der Hospizbewegung in Deutschland, Ludwigsburg 2012, S. 273. Die Interviewzitate auf den folgenden Seiten sind im Rahmen eines Forschungsprojekts entstanden, das von den genannten Autorinnen und Autoren durchgeführt wurde.
Zitiert nach: Shirley du Boulay: Cicely Saunders. Ein Leben für Sterbende, Innsbruck 1987, S. 45
Ebd. S. 153
Zitiert nach: Andreas Heller et. al.: Die Geschichte der Hospizbewegung in Deutschland, a.a.O., S. 32–33
Zitiert nach: ebd.
Hans-Christoph Piper: Gespräche mit Sterbenden, 4. Auflage, Göttingen 1990
Johann Baptist Metz: Mystik der offenen Augen. Wenn Spiritualität aufbricht, Freiburg 2011, S. 258
Margarete Mitscherlich: Die Radikalität des Alters. © Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2010, S. 223
Vgl. unter anderem: Bettina Alberti: Seelische Trümmer: Geboren in den 50er und 60er Jahren. Die Nachkriegsgeneration im Schatten des Kriegstraumas, 5. Auflage, München 2013; Hartmut Radebold: Abwesende Väter und Kriegskinder. Alte Verletzungen bewältigen, Stuttgart: 2010; Hartmut Radebold/Gereon Heuft/Insa Fooken (Hg.): Kindheiten im Zweiten Weltkrieg. Kriegserfahrungen und deren Folgen aus psychohistorischer Perspektive, Weinheim-München 2006
Vgl. den in der Nachkriegszeit angesiedelten Roman von Ursula Krechel: Landgericht, Salzburg 2012
Vgl. Hartmut Radebold/Gereon Heuft: Bleiben (Kriegs-)Traumata potenziell lebenslang ein Risikofaktor? Wir haben eine Geschichte, wir sind Geschichte und wir verkörpern Geschichte, in: Zeitschrift für Psychotraumatologie und Psychologische Medizin 4 (2006) S. 39–50, 41–42
Margarete Mitscherlich, a.a.O., S. 221–222
Sabine Bode: Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen, 5. Auflage, Stuttgart 2013, S. 28
Vgl. Natan Kellermann: Holocaust Trauma – Psychological Effects and Treatment, New York 2009
Paolo Conte: Melancholie, in: Süddeutsche Zeitung, 13.–14.11.2010
Heinrich Pera: Schrecken ohne Ende oder Mut zur Wende?!, in: Reimer Gronemeyer/Erich H. Loewy (Hg.): Wohin mit den Sterbenden? Hospize in Europa – Ansätze zu einem Vergleich, S. 106 ff.
Vgl. Wlodzimierz Borodziej: Geschichte Polens im 20. Jahrhundert, München 2010, S. 190. Vgl. auch im Überblick: Ludolf Herbst: Das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 = Neue Historische Bibliothek, Frankfurt am Main 1996, S. 279 ff.
Norman Davies: Im Herzen Europas. Geschichte Polens, 4., durchges. Aufl., München 2006, S. 58–59
Vgl. Shirley du Boulay: Cicely Saunders. The founder of the Modern Hospice Movement, London 1984
Elisabeth Kübler-Ross, zitiert aus dem Film von Stefan Haupt: Elisabeth Kübler-Ross, Dem Tod ins Gesicht sehen (als DVD erhältlich)
Zitat im Buch von Derek Gill: Elisabeth Kübler-Ross. Wie sie wurde, wer sie ist. 2. Auflage, Stuttgart 1981, S. 375
Elisabeth Kübler-Ross: Interviews mit Sterbenden, a.a.O., Vorwort
Elisabeth Kübler-Ross: Interviews mit Sterbenden, a.a.O., S. 20
Byung-Chul Han: Topologie der Gewalt, 2. Auflage, Berlin 2012, S. 17
Inger Hermann (Interview der Autoren)
Janusz Korczak: Wie man ein Kind lieben soll, Gütersloh 2002, S. 54
Eine neue Übersetzung (von Reinhard Kaiser) ist 2009 in Frankfurt am Main erschienen
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicissimus, Deutsch, Berlin 2009, S. 48 f.
Ebd.
Ebd.
Ebd.
Zitiert nach: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Tübingen 1962, Band VI, Spalte 999. Einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfte das Thema der geschlechtsspezifischen Rollen im Prozess des Trauerns. Vgl. dazu Birgit Heller/Franz Winter (Hg.): Tod und Ritual. Interkulturelle Perspektiven zwischen Tradition und Moderne, Wien 2007
Jorgos Canacakis leitet die »Akademie für Menschliche Begleitung« (AMB©).
Interview mit Thile Kerkovius am 5.1.2011 (Interview der Autoren). Vgl. auch Andreas Heller et al.: Die Geschichte der Hospizbewegung,, a.a.O., S. 2
Norbert Elias: Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen, Frankfurt am Main 1962, S. 81
Vgl. Charlotte Jurk: Der niedergeschlagene Mensch: Depression. Geschichte und gesellschaftliche Bedeutung einer Diagnose, Münster 2008
Ruthmarijke Smeding/Eberhard Aulbert: Trauer und Trauerbegleitung in der Palliativmedizin, in: Eberhard Aulbert/Detlev Zech: Lehrbuch der Palliativmedizin, Stuttgart 1997, S. 866 ff.
Siehe dazu vor allem Bernhard Streck (Hg.): Wörterbuch der Ethnologie, Köln 1987, Stichwort Tod
Vgl. Émile Durkheim: Die elementaren Formen des religiösen Lebens, Frankfurt 1981 (Orig. französisch, Paris 1912)
Durkheim zitiert bei Thomas Hauschild in: Bernhard Streck: Wörterbuch der Ethnologie, a.a.O., S. 231
Vgl. Alfred Reginald Radcliffe-Brown: The Andaman Islanders. A Study in Social Anthropology, Cambridge 1964 (zuerst 1922)
Sigmund Freud: Totem und Tabu. Einige Übereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker, Wien 1912/1913.
Elias Canetti: Masse und Macht, Frankfurt am Main 1960, S. 249 ff.
Johan Huizinga: Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und den Niederlanden, Stuttgart 1975, S. 208
Ebd., S. 208
Karlfried Graf Dürckheim: Vom doppelten Ursprung des Menschen, Freiburg im Breisgau 1997, S. 74
Martina Rosenberg: Mutter, wann stirbst du endlich? Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird, München 2012
Bernard Lown: Die verlorene Kunst des Heilens. Anstiftung zum Umdenken, 2. Auflage, Stuttgart 2004, S.250 f.
Vgl. F.A.Z., http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/demenzarchitektur-zeit-hat-hier-keine-bedeutung-mehr-11745678.html, vgl. auch: Andrea Newerla: Verwirrte pflegen – verwirrte Pflege, München 2012
Hans-Georg Gadamer: Über die Verborgenheit der Gesundheit, Frankfurt am Main 1993, S. 130
Ebd., S. 140
Vgl. Klaus Dörner: Leben und Sterben, wo ich hingehöre. Dritter Sozialraum und neues Hilfesystem, Neumünster 2007. Klaus Wegleitner, Katharina Heimerl, Andreas Heller (Hg.): Zu Hause sterben. Der Tod hält sich nicht an Dienstpläne, Ludwigsburg 2012
Thomas Klie: Palliative Care und Welfare Mix, in: Andreas Heller, Katharina Heimerl, Stein Husebø (Hg.): Wenn nichts mehr zu machen, ist noch viel zu tun. Wie alte Menschen würdig sterben können. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage, Freiburg 2007, S. 457–466. Vgl. auch Thomas Klie: Wen kümmern die Alten? Auf dem Weg in eine sorgende Gesellschaft, München 2014
Allan Kellehear: Compassionate Cities. Public health and end-of-life care, Oxford 2005
Vgl. dazu die Homepage der Aktion Demenz e.V. (www.aktion-demenz.de und demenzfreundliche-kommunen.de)
David Foster Wallace: Das hier ist Wasser, Köln 2012
Vgl. Claus Fussek/Gottlob Schober: Es ist genug. Auch alte Menschen haben Rechte, München 2013
www.architekten-bhp.de
Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main 1977, S. 294
Vgl. Georg Seeßlen: Das Geisterhaus, in: konkret 5, 2012, S. 56
Georg Seeßlen: Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität, Frankfurt am Main 2011
Georg Seeßlen: Das Geisterhaus, a.a.O., S. 57. Vgl. auch zum Ganzen: Markus Metz/Georg Seeßlen: Bürger erhebt euch! Postdemokratie, Neoliberalismus und ziviler Ungehorsam, Hamburg 2012
So der Psychotherapeut Gustl Marlock in einem Vortrag in Frankfurt 2011
WHO: Dementia: A Public Health Priority, Genf 2012
Vgl. Josef Huber: Zwischen Supermarkt und Sozialstaat. Die neue Abhängigkeit des Bürgers, in: Ivan Illich u.a. (Hg.): Entmündigung durch Experten. Zur Kritik der Dienstleistungsberufe, Reinbek 1979, S. 129–154
Zitiert nach Huber: Zwischen Supermarkt und Sozialstaat, a.a.O., S. 147
Siehe die Internetseite der Aktion Demenz: www.demenzfreundliche-kommunen.de
Vgl. dazu Ivan Illich: Dwelling, in: Ivan Illich: In the Mirror of the Past. Lectures and Addresses, New York/London 1992, S. 55 ff.
Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1951. Alle Rechte bei und vorbehalten durch Suhrkamp Verlag Berlin
Vgl. zur Hospizbewegung allgemein: Andreas Heller/Sabine Pleschberger/Michaela Fink/Reimer Gronemeyer: Die Geschichte der Hospizbewegung in Deutschland, 2., überarb. Aufl., Ludwigsburg 2013
Die Verfasser übersehen keineswegs, dass sie daselbst des Öfteren und durchaus dankbar stehen und sitzen.
Vgl. dazu Silja Samerski: Professioneller Entscheidungsunterricht. Vom Klienten zum mündigen Entscheider, in: Leviathan 41, Jahrgang, 1/2013, S. 144–163
Berechnungen des Fritz-Beske-Instituts für Gesundheits-System-Forschung, zitiert in: Süddeutsche Zeitung vom 26.8.2009, S. 6
Stern vom 23.11.2006
Richard Sennett: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus, Berlin 1998
Der Standard, Wien, vom 22.1.2007, S. 20
Ivan Illich: In den Flüssen nördlich der Zukunft, a.a.O., S. 174 f.
Zitiert in: Bioskop 21, März 2003, S. 3
Els Borst-Ellers: Neue Zürcher Zeitung v. 8.1.2001
Charlotte Jurk: Der niedergeschlagene Mensch. Depression – Geschichte und gesellschaftliche Bedeutung einer Diagnose, Münster 2008, S. 207
Giovanni Maio: Mittelpunkt Mensch. Ethik in der Medizin. Ein Lehrbuch, Stuttgart 2012, S. 395
Vgl. H. Christof Müller-Busch: Abschied braucht Zeit. Palliativmedizin und Ethik des Sterbens, Frankfurt 2012, S. 251 ff.
Patrick Schuchter/Andreas Heller: Ethik in der Altenhilfe – eine alltagsnahe Besprechungs- und Entscheidungskultur in der Sorge um ältere Menschen. In: Hospizkultur und Palliative Care im Pflegeheim, hg. v. Dachverband Hospiz Österreich, Ludwigsburg 2012, S. 152–158
Gerhard Höver, Gerda Graf: Hospiz als Versprechen. Zur ethischen Grundlage der Hospizidee, Wuppertal 2006
Silvia Käppeli: Bündnis oder Vertrag? Eine Reflexion über zwei Paradigmen der pflegenden Beziehung, in: Pflege 18 (2005), S. 187–195
Vgl. Nel Noddings: Warum sollten wir uns ums Sorgen sorgen?, In: Herta Nagl-Docekal; Herlinde Pauer-Studer (Hg.): Jenseits der Geschlechtermoral. Beiträge zur feministischen Ethik, Frankfurt 1993, S. 135–171
Avishai Margalit: Politik der Würde. Über Achtung und Verachtung, Frankfurt 2012
Martha Nussbaum: Die Grenzen der Gerechtigkeit. Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit, Frankfurt 2010, S. 275
Vgl. zum Thema: Thomas Krobath/Andreas Heller (Hg.): Ethik organisieren. Handbuch der Organisationsethik, Freiburg 2010
Klaus Dörner: Tödliches Mitleid. Zur Sozialen Frage der Unerträglichkeit des Lebens, fortgeschriebene Neuauflage, Paranus, Neumünster 2002
Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, München 1978, S. 17. Auf Englisch erstmals erschienen 1776
Botho Strauß: Lichter des Toren. Der Idiot und seine Zeit, München 2013, S. 10
Bert Brecht: Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens, in: Die Dreigroschenoper, Frankfurt am Main, Frankfurt, 1968, S. 77
Erich Schützendorf: In Ruhe alt werden können? Widerborstige Anmerkungen, 2. Auflage, Frankfurt am Main 2006, S. 60
Max Weber, zitiert nach: Zygmunt Baumann: Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust, Hamburg 2002, S. 28
Erich Fromm: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, Stuttgart 1978, S. 182 f.
ebd., S. 183 f.
1931 in Berlin erschienen
Kurt Tucholsky: Schloß Gripsholm. Eine Sommergeschichte, Reinbek bei Hamburg 1973, S. 68
Ebd., S. 174
Robert Spaemann/Walter Schweidler (Hg.): Ethik. Lehr- und Lesebuch, Stuttgart 2012, S. 206, 445
Emmanuel Lévinas: Die Spur des Anderen. Untersuchungen zur Phänomenologie und Sozialphilosophie, Freiburg 1983, S. 120
Zitiert bei Rüdiger Safranski: Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und sein Zeit, 4. Auflage, Frankfurt am Main 2004, S. 477
Vgl. Zygmunt Bauman: Wir Lebenskünstler, Frankfurt am Main 2010
Siehe dazu auch Zygmunt Baumann: Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust, Hamburg 2002
Ivan Illich: In den Flüssen nördlich der Zukunft, a.a.O., S. 231–232
Vgl. Giovanni Franzoni: Die Einsamkeit des Samariters. Impulse für eine neue Ethik der Solidarität, übersetzt und herausgegeben von Marie Luise Grün, Münster/Hamburg/London 2003, S. 71
Knud Løgstrup: After the Ethical Demand, Aarhus 2002, S. 26
Paul Ricœur: Soi-même comme un autre, Paris 1990
Vgl. Arthur W. Frank: The Wounded Storyteller. Body, Illness and Ethics. Chicago 1997
Vgl. Hans-Dieter Gondek/László Tengelyi: Neue Phänomenologie in Frankreich, Berlin 2011, insbes. S. 169–176 und 411–421
Jacques Derrida: Falschgeld. Zeit geben I, München 1993, S. 22 f.
Jürgen Habermas: Zur Verfassung Europas. Ein Essay, Frankfurt am Main 2011, S. 26
Vgl. Elisabeth Reitinger et. al.: Leitkategorie Menschenwürde. Zum Sterben in stationären Pflegeeinrichtungen, Freiburg 2004
Vgl. Avishai Margalit: Politik der Würde. a.a.O.
Vgl. Sabine Pleschberger: Nur nicht zur Last fallen. Sterben in Würde aus der Sicht alter Menschen in Pflegeheimen, Freiburg 2005
Gerhard Höver/Gerda Graf: Hospiz als Versprechen. Zur ethischen Grundlage der Hospizidee, Wuppertal 2006
Vgl. Thomas Macho: Todesmetaphern. Zur Logik der Grenzerfahrung, Frankfurt am Main 1987
Franz Peter Waiblinger (Hg.): Seneca. De brevitate vitae. Die Kürze des Lebens. München 2001, S. 26
Ebd., S. 27
Ebd., S. 28
Vgl. Dorothee Sölle: Mystik des Todes. Ein Fragment. Stuttgart 2003
Ebd., S. 110 ff.
Gewidmet der Geschäftsführung, den Leitungskräften,
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Rheinischen Gesellschaft, Leichlingen,
für ihre eindrucksvollen Bemühungen
um ein gutes Leben und ein gutes Sterben
Was wir uns wünschen und was die Medizin nicht leisten kann
»Die Sorge für den Schwachen schützt den Starken selbst. (…) Der Mensch, der es ablehnt, dem sinkenden Leben gut zu sein und der fortschreitenden Einengung, die es erfährt, zu Hilfe zu kommen, versäumt eine wichtige Chance, zu verstehen, was überhaupt Leben ist, wie unerbittlich seine Tragik, wie tief seine Einsamkeit, und wie sehr wir Menschen miteinander solidarisch sind.«
Romano Guardini
Wir leben heutzutage länger, und wir sterben länger. Wir sterben nicht plötzlich und unerwartet, sondern eher langsam und vorhersehbar. Zudem: Sterben ist längst kein sprachloses Tabu mehr. Eine »Überredseligkeit« (Martina Kern) ist beobachtbar. Wie kommt es, dass jetzt so viel über Sterben und Tod geredet wird? Ist da nichts spürbar als ein allgemeines Zähneklappern, das durch Geschwätz überdeckt werden soll? Werden Sterben und Tod gegenwärtig und – das hat es noch nie gegeben – zum Projekt von Experten, zum Marketingmodell von Klinik- und Pflegeheimketten? Wird Sterben zum Geschäftszweig, und übertönt diese Sterbegeschäftigkeit die Möglichkeit des »eigenen Todes«?
Der Wunsch, einen eigenen Tod zu haben, steht auf der roten Liste. Die verlorene Transzendenz, der Himmel als Horizont des Lebens und Sterbens, ist abgedunkelt und wird durch eine Technokratie ersetzt. Hinter der gegenwärtig erkennbaren Sturzflut von palliativen Angeboten wird eine Heimatlosigkeit des Sterbens erkennbar, die aller lokalen Formen des Umgangs mit dem Lebensende entkleidet ist. Sterben wird hergestellt, wenn nötig geplant, assistiert vollzogen und so zum neutralisierten kontrollierten Verfahren. Dem fügen wir uns ängstlich, manchmal wortlos, oft hilflos und ohnmächtig. Die Möglichkeit zum eigenen Tod wird herausoperiert aus dem Leben. Die moderne Medizin hat uns unfähig gemacht, mit dem Schmerz, der Einsamkeit, den Demütigungen des Alterns und dem Sterben sozial und menschlich umzugehen.
Der medizinische Kampf gegen den Tod hat absurde Züge angenommen. Dieser medizinische Kampf, den Tod zu überwinden, erfordert Einspruch und Widerspruch. Wir brauchen keine neuen Versprechungen von »magischen« (und oft exzessiv teuren) Medikamenten, von der Heilung aller Krankheiten, von der kosmetischen Reparatur der Körper, der Schaffung neuer technischer Identitäten. Die Medizin muss selbst in die Schule des Sterbens gehen. Dort wird sie lernen, das Sterben in ihr Selbstverständnis aufzunehmen. Sie wird erkennen, dass Sterben und Tod immer zentrale Dimensionen menschlichen Lebens bleiben. Erst indem die moderne Medizin eine Beziehung zum Sterben gewinnt, wird sie wieder in Beziehung kommen mit den Sterbenden und gutes Leben bis zuletzt ermöglichen.
Die Kunst des Sterbens ist mit der Kunst des Lebens verschwistert, und wenn die Kunst des Sterbens ausgelöscht ist, dann schwindet auch die Lebenskunst. Anders gesagt: Die Abwesenheit einer sozial getragenen Kunst des Sterbens enthüllt, dass die Kunst des gemeinsamen Lebens verschwunden ist.
Was aber macht unser Leben gut und sinnvoll? Was lässt sich von sterbenden Menschen lernen? Was bedauern sie eigentlich am meisten? Angesichts der radikal verkürzten Lebenszeit, mit der Sterbende konfrontiert sind, gilt das größte Bedauern der Erkenntnis, das eigene Leben nicht gelebt zu haben. Man war gefangen im gesellschaftlichen Spiel, zu tun, was »man« von einem erwartet und was andere von einem wollten. Niemand ist traurig darüber, zu wenig gearbeitet zu haben. Im Gegenteil, die Arbeit war zu dominant im Leben. Es blieb zu wenig Zeit, um mit Freunden und Freundinnen wärmend verbunden gewesen zu sein.[1]
Vom todsicheren Tod her zu leben heißt, wesentlicher zu leben. Entscheidungen darüber, was wichtig und unwichtig ist, wofür Zeit investiert wird und wofür nicht, werden im Sterben klarer. Man muss aber nicht erst schwerkrank und sterbend sein, um verpasste Begegnungen, ungelebte Beziehungen zu bedauern, zu beklagen, dass Dankbarkeit und Freude, Liebe und Lust unausgedrückt blieben. Vielleicht leisten wir uns zu wenig »Verrücktsein«, ein »Wegrücken« von den allgemeinen Erwartungen, den sozialen Konventionen, von den Spielregeln des gesellschaftlichen Leistungsspiels. Achten Sie darauf, den eigenen Lebensfaden zu spinnen, den Intuitionen des Glücks, der Freiheit, der Liebe, der Leidenschaft und der Freundschaft zu folgen?
Was wir aber brauchen, ist die freundschaftliche Sorge anderer. Wir Menschen sind eben überaus sorgebedürftig. Die Fürsorge anderer begleitet unser Leben. Ihr Sorgen ermöglicht unser Leben. Diese Sorge ist ein Geschenk, das wir empfangen und dann erst weitergeben. Am Lebensende sind wir radikal auf eine Umsorge angewiesen, die sich nicht berechnen und verrechnen lässt, nicht im Planungsprojekt einer standardmäßigen gesellschaftlichen Sterbeentsorgung aufgeht. Wir können eben nicht leben und nicht sterben ohne das Wohlwollen, die sorgende Wärme und das Geschenk der »Umsonstigkeit« (wie der Priester und Autor Ivan Illich es genannt hat[2]) freundschaftlich Sorgender.
Wovon handelt dieses Buch? Wir haben nicht die Absicht, jene Medizin zu kritisieren, der es um das Heilen geht und die, wenn nichts mehr zu heilen ist, sich um eine gute Zuwendung und Sorge am Lebensende müht. Wir kritisieren aber einen Gesundheitsapparat, der das Lebensende zu einem Behandlungsprojekt macht, in dem eine schwer zu entwirrende Mischung aus Profitinteresse und Standespolitik vorzuherrschen beginnt; bei dem Sterben zu einer Krankheit gemacht wird, die kontroll- und überwachungsbedürftig ist. Dieser Vorgang – die Verkrankung des Sterbens – entzieht sich immer mehr der Kritik, weil die Betroffenen selbst inzwischen gar keine andere Vorstellung mehr haben als diese: dass der Sterbende ein Fall für die Medizin ist, ein Objekt und ein Kunde der Gesundheitsindustrie.
Innerhalb weniger Jahre ist es gelungen, um das Lebensende herum eine palliative Versorgungsindustrie aufzubauen, die dazu tendiert, besinnungslos flächendeckend zu werden. Jeder, der außerhalb des inkludierenden palliativ-medizinischen Komplexes stirbt, wird allmählich zum Irrläufer, zum bedauerlich schlecht Versorgten. Schritt für Schritt ist der, der nicht plötzlich am Infarkt stirbt oder am Steuer seines Autos umkommt, zum selbstverständlichen Adressaten der ambulanten oder institutionellen Fachversorgung geworden. Innerhalb kurzer Zeit ist ein Projekt realisiert worden, das den Sterbenden, der nicht professionell versorgt ist, zum Unglücklichen und bald wohl auch geradezu zum Außenseiter, zum Dissidenten und (bald vielleicht schon) zum Saboteur macht.
Es wird heutzutage viel über das Sterben geredet. Aber man hat das Gefühl: Wir wissen biologisch-medizinisch alles, aber zugleich wissen wir über das, was sterben heißt – nichts. Der Gedanke an den Tod ist wie ein Eisklumpen in uns. Wir ahnen gerade noch, dass das Leben mit dem Tod zu tun hat, aber ansonsten schieben wir den unangenehmen Gedanken, dass alles irgendwann ein Ende hat, weg. Das große Geheimnis lassen wir nicht an uns heran. Woran liegt es? Vielleicht ist uns die Frage nach dem Sinn des Lebens schon so abhandengekommen, dass die Sinnlosigkeit des Todes uns nur noch schwach berührt? Je weniger der Mensch sich derartige Gedanken und Gefühle noch leistet, desto leichter lässt sich der Tod vergessen. Nein, verdrängt werden Sterben und Tod nicht mehr, sie werden unablässig beredet, aber sie sind auf das Niveau eines organisatorischen Problems abgestürzt, nicht verdrängt, sondern weggeordnet.
Der Apostel Paulus konnte noch mit provozierender Kühnheit sagen: »Der Tod ist der Sünde Sold!« Pustekuchen! Auch eine so ekstatische Formulierung, wie sie Rainer Maria Rilke gewagt hat: Der Tod sei der »trauliche Einfall der Erde«, taugt allenfalls für die Ansprache eines professionellen Trauerredners. Dass der Tod die »Gipfelung des Lebens« sei – so hat Friedrich Hölderlin zugespitzt –, das können wir nicht einmal zu denken wagen. Gern wird gesagt, dass das palliative Projekt ja nur die Voraussetzung dafür schaffen wolle, dass man seinen eigenen Tod sterben könne. Das wird zur schönen Floskel – wenn die Betroffenen vom Versorgungsrauschen so eingelullt sind, dass die eigenen Gedanken und Empfindungen zum Nebenschauplatz werden –, für die dann die Experten für Spiritualität und Gespräch zuständig sind.
Jeder stirbt den Tod, den er verdient. Sollte diese finstere Vermutung stimmen? Dann müsste unsere Zeit, die das Leben vor allem als einen Akt des Verbrauchs von Waren und Dienstleistungen zu verstehen lehrt, auch das Lebensende auf dieses Niveau herunterbringen: Verbraucher und Kunde bis zuletzt. Eingebettet in ein palliatives Rundum-Sorglos-Paket, kann der homo consumens tatsächlich seinem Ende in bedauernder Ruhe entgegensehen: Eine gut organisierte Versorgung, zu der garantierte Schmerzfreiheit ebenso wie professionelle Versorgung und im Zweifelsfall terminale Sedierung gehören, lässt die empörte Frage nach dem Sinn oder Unsinn des Todes nicht mehr aufkommen. Wir bekommen den Tod, den wir verdienen: Mit der Patientenverfügung ausgestattet, im Bewusstsein der Gegenwart von Spezialisten, die Versorgungsbedürfnisse aller Art zu managen wissen – für den Dekubitus der Seele gibt es den Spiritualitätsbeauftragten –, gaukeln wir uns vor, das Lebensende in den Griff zu bekommen.
Der »Triumph der Medikalisierung« – den schon der französische Historiker Philippe Ariès konstatiert[3] – bringt die Gefahr mit sich, dass der Tod zum Projekt einer professionellen, qualitätskontrollierten, standardisierten Ablauflogik wird. Möglicherweise ist die Medikalisierung des Sterbens die einzige tragbare Antwort, die wir haben – nachdem die religiösen Hoffnungen abgeräumt sind.
Aber zwei Fragen bleiben. Die eine lautet: Bringt die Medikalisierung des Sterbens die schwere, unabweisbare Frage zum Schweigen: Hat das Sterben einen Sinn, oder ist es der Sieg des Sinnlosen über das Leben? Die andere: Wie kann die Frage nach der wärmenden Nähe von Menschen wieder in den Vordergrund rücken, die jetzt hinter dem Ausbau von Professionalisierung zu verschwinden droht?
Das sind die Fragen, die die Menschen bedrängen: Will ich unter diesen Umständen eigentlich noch leben? Darf ich im Innersten auf den erlösenden Tod meines leidenden Angehörigen hoffen? Warum kann jeder leidende Hund durch eine Spritze »erlöst« werden, wir Menschen aber nicht? Darf ich mir die Beschleunigung meines Sterbens wünschen, darf ich sie fordern? Übertrete ich da religiöse oder juristische Grenzen – oder beides? Die Gefahr, mit der wir heute konfrontiert sind, besteht darin, dass diese ernsten und innersten Fragen nur noch als technische auftauchen: Diese medizinische Maßnahme, ja oder nein?
Bei allem Respekt vor den palliativen Bemühungen beschleicht uns der Eindruck, dass die immer perfektere professionelle Kompetenz das verschüttet, was einmal die wichtigen Fragen waren. Was geschieht mit mir? Was geschieht mit den Menschen, die ich liebe, was ist der Tod? Was heißt es für mich, zu sterben, was für andere? Die perfekte Versorgung – stopft sie vielleicht den Sterbenden den Mund? Lenkt die überorganisierte Versorgung systematisch ab von den Fragen der Sterbenden, die die Überlebenden nicht hören wollen? Dient die professionelle Versorgung am Lebensende zuerst den Versorgenden, weil so drohende Fragen auf ein medizinisch-pflegerisch-technisches Gleis geschoben werden können?
Vom Tod in seiner metaphysischen, kosmischen, ungeheuerlichen Dimension ist nicht mehr die Rede – unablässig aber von seiner Verwaltung. Das Sterbegeschnatter ist vielleicht der nervöse Ausdruck für den Versuch, das Nachdenken über den Tod zu vermeiden. Es ist, als würden im Angesicht des professionalisierten Umgangs mit dem Lebensende die inneren Resonanzräume der Menschen verschwinden. Doch wenngleich die Sehnsucht nach Sinn und Bedeutung vielleicht unter dem palliativen Projekt verborgen ist, so ist sie nicht zum Verschwinden gebracht. Sie meldet sich, sie klopft an. Wir werfen uns der palliativen Technik verzweifelt in die Arme, weil es keine Alternative zu geben scheint. Aber die Verzweiflung und die Hoffnung und die Sehnsucht sind durch die Verprojektung des Lebensendes nicht zum Schweigen zu bringen.
Im alten Japan gab es Meister des Zen, die dem Tod als dem Geleiter in das alles aufhebende Sein in besonderer Weise entgegengingen: Wenn sie den Augenblick ihres Sterbens für gekommen erkannten, luden sie ihre Freunde zu einem letzten gemeinsamen Mahl ein. Wenn das Mahl zu Ende war, begaben sie sich in die Mitte des Kreises, schrieben ein letztes Gedicht und gingen in die Versenkung, die Meditation – aus der sie nicht mehr zurückkamen.[4]
Natürlich ist das eine außerordentliche Heiligengeschichte, keine Möglichkeit für uns. Aber sie erzählt, dass die Weise des Sterbens aus dem Leben kommt. Und das gibt uns etwas zum Nachdenken. Welche Weisen des Sterbens können sich aus dem ergeben, was wir leben? Bleibt uns wirklich nur eine Existenz als Palliativkunde im System – begleitet vom ultimativen patientenverfügten Schutzbrief in einer vom Sicherheitswahn besessenen Gesellschaft?
Wir sind Diesseitskrüppel: Die Hoffnung auf etwas, was nach dem Tod kommt, ist den meisten abhandengekommen. Deswegen sind die Menschen vor allem auf ein schmerzfreies Lebensende und auf das Bleiben bedacht. Dass zum Leben das Leiden gehört, lässt sich zwar leicht sagen, aber schwer ertragen. Sieht man im Tod nur das Ereignis, das das Leben unerbittlich beendet, dann ist es unmöglich geworden, den Tod als etwas zu begreifen, was zum Leben gehört; was die Kehrseite des Lebens ist; was dem Leben erst seinen Sinn und seine Bedeutung verleiht.
Es bleibt – wenn man es riskiert, über Sterben und Tod nachzudenken – ein merkwürdig zwiespältiger Eindruck: Wir sind gut ausgestattet, die von Experten getragene Versorgung am Lebensende wird immer besser, sie ergänzt unser Eingebettetsein um den letzten noch fehlenden Mosaikstein. Gut so. Reichtum und Sicherheit überall. Sogar am Ende. Und dennoch breitet sich bei uns – umringt und gesichert von Expertenstandards – eine unendliche Armut aus: Noch nie waren Menschen dem Tod so hoffnungslos ausgeliefert wie heute.
Der Tod ist kein Tor zu einem anderen Leben – wie fast alle Religionen es auf ihre je eigene Weise formuliert haben –, sondern das unwiderrufbare Ende. Wer da angekommen ist, warum sollte der nicht den sedierten, professionell verwalteten Tod als die logische Konsequenz ansehen?
Wir sind so reich.
Deshalb ist das Ende so schwer.
Reich sind wir im materiellen Sinn, aber nicht nur darin. Die Zahl der Gegenstände, die wir besitzen. Die Zahl der Quadratmeter, die wir bewohnen. Un-tragbar eigentlich, wenn wir an unsere nomadischen Vorfahren denken. Niemand kann bei uns noch tragen, was er besitzt. Darum ist unser Leben unerträglich. Und das Sterben auch. Deshalb ist der Ruf nach einem leichten Leben angebracht, nach dem »Lifestyle des Loslassens (…). Was man nicht hat, braucht keinen Raum, was man nicht hat, kann nicht geklaut werden, was man nicht hat, braucht man nicht umzuziehen, was man nicht hat, kostet nichts«, wie der Soziologe Harald Welzer es formuliert.[5]
Vielleicht ist die Familie vorbildlich, von der berichtet wird: Sie bringt einmal im Jahr alles, was in der Wohnung steht, auf die Straße, um dann gemeinsam zu entscheiden, was wieder hereingeholt werden soll. Möglicherweise müssen wir darüber nachdenken, was »leicht sterben« heißt, was loszulassen ist, worauf verzichtet werden muss (nicht erst) am Lebensende?
Aber reich sind wir, wie gesagt, nicht nur im Blick auf die Objekte, mit denen wir uns ausgestattet haben. Die Schränke quellen über von Hemden, Pullovern, T-Shirts, Anzügen, Kleidern, Outdoorsachen, Indoorkleidung – Schuhen für das Joggen, das Theater, die Freizeit usw. Vielmehr drohen wir auch am Überfluss der nichtmateriellen Güter zu ersticken. Bildungsgüter, die uns umstellen, Gesundheitsdienstleistungen, die uns aufgedrängt werden, Freizeitangebote, die uns verkauft werden; der Dreitagetrip nach Lanzarote, die Wellnesstage zwischendurch. Inmitten der Tabletten, Rehamaßnahmen, Last-Minute-Angebote, Festspielbesuche und Internetsurfereien entgleitet uns das Leben, das ahnen wir immer wieder. Die wachsende Zahl der Dinge, die Springflut der Unterhaltungen, das Rauschen des Lebens, der anschwellende Lärm – das alles verdeckt die Einsicht, dass das Leben woanders ist.
»Wenn ich Arzt wäre und mich einer fragte: ›Was meinst du, muß getan werden?‹, so würde ich antworten: ›Das erste, was getan werden muß, und die unbedingte Voraussetzung dazu, daß überhaupt etwas getan werden kann, ist: ›Schaffet Schweigen!‹ Der Mensch, dieser gewitzigte Kopf, sinnt fast Tag und Nacht darüber nach, wie er zur Verstärkung des Lärms immer neue Mittel erfinden und mit größtmöglicher Hast das Geräusch und das leere Gerede möglichst überallhin verbreiten kann. Ja, was man auf solche Weise erreicht, ist wohl bald das Umgekehrte: Die Mitteilung ist an Bedeutungsfülle wohl bald auf den niedrigsten Stand gebracht, und gleichzeitig haben umgekehrt die Mittel der Mitteilung in Richtung auf eilige und alles überflutende Ausbreitung wohl das Höchstmaß erreicht; denn was wird wohl hastiger in Umlauf gesetzt als das Geschwätz?«[6] Søren Kierkegaard, der dänische Philosoph und Theologe, hat nicht ahnen können, wie viel größer der Lärm noch werden konnte: In der Raserei der Informationsgesellschaft hat sein »Schaffet Schweigen!« noch eine ganz andere Dimension bekommen – und verhallt gänzlich ungehört. Das Getöse des materiellen und immateriellen Reichtums ist lebensverhindernd, das ahnen wir und erkennen es in klaren Augenblicken. Aber das Getöse hält uns im Griff, es lähmt, es sediert. Das Getöse ist ein pain killer, das die schmerzvolle, quälende Wahrnehmung abtötet, die uns ahnen lässt, dass wir das Leben versäumen. Total pain management: Das ist unser Alltag, in dem wir das Leben ertränken. Bisweilen kann man den Eindruck haben, dass dieses Getöse heute auch in den letzten Lebensabschnitt eindringen will. Sind die palliativen Orte nicht in der Gefahr, zu Orten anschwellenden Getöses zu werden? Konzepte, Therapien, Dienstleistungen, Programme und natürlich auch Apparate, Ausstattungen, Ärzte. Wann schreit der erste palliative Patient: »Wie kann ich hier irgendwo in Ruhe sterben?« Natürlich ist an diesen Orten für Ruhe gesorgt und an spirituelle Zuwendung längst gedacht. Aber ist die organisierte, ausgeklügelte palliative Stille das, was Kierkegaard herbeiruft: »Schaffet Schweigen!«?
Man mache sich die Beschaffenheit der palliativen Orte an diesem Beispiel klar: Ein Kind, das in den Straßen von New York groß wird, berührt niemals etwas, »was nicht wissenschaftlich entwickelt, fabriziert, geplant und irgendjemandem verkauft worden ist. Sogar die Bäume sind dort, weil die Gartenbaubehörde beschlossen hat, sie dorthin zu setzen. Die Witze, die das Kind im Fernsehen hört, sind kostspielig produziert worden. Der Müll, mit dem das Kind auf Harlems Straßen spielt, besteht aus kaputten Packungen, die für jemand anderen geplant worden waren. (…) Selbst das Lernen wird als Konsum von Themen definiert, die das Ergebnis eines auf Forschung und Planung beruhenden Programms sind. Um welche Ware es sich auch handeln mag, sie ist das Produkt einer spezialisierten Institution.«[7]
Täuscht der Eindruck? Oder nähern sich die palliativen Orte, die Sterbeorte, diesem Bild, das von dem Kind in New York gezeichnet wird? Das Kind kann auf nichts mehr stoßen, was nicht geplant, gekauft, gemacht ist. Der Sterbende wird in ein palliatives Paket gewickelt, das immer mehr zu einem hervorragenden, perfekten Produkt wird – das aber gerade dadurch so unheimlich wird, weil in ihm das Ungeplante, das Überraschende nicht mehr vorkommt, zumindest nicht vorkommen soll. Das New Yorker Kind und der Palliativpatient sind in einer Kunstwelt angekommen. Es wäre darüber nachzudenken, was da ausgesperrt bleibt. Füllen sich die Menschen am Lebensende noch einmal die Taschen mit Angeboten, mit Dienstleistungen, Waren? Kunde bleiben bis zuletzt? Ist der palliative Ort die Fortsetzung des konsumistischen Alltags – bis zum Ende? Überraschungsfrei, so sicher wie die All-inclusive-Reise? Der Verdacht keimt, dass die palliative Betreuung vielleicht, vielleicht die Erfahrung ausschließt, so wie das New Yorker Kind vom Umgang mit dem nicht Geplanten ausgeschlossen ist.
In Begegnungen mit Menschen, die nicht aus unserer Überflussgesellschaft kommen, etwa mit Menschen in Afrika, könnte man den Eindruck gewinnen, dass unser materieller und immaterieller Reichtum auch eine Beschwernis zur Folge hat, die Leben und Tod mit einem bleiernen Gewicht belastet. Wir sind so vollgestopft mit Individualität, dass unser Ende dem Ende der Welt gleichzukommen scheint. Vielleicht sind Menschen, die in eine große Familie oder Gruppe eingebunden sind, die es gewohnt sind, sich nicht zu wichtig zu nehmen, dem Leben und dem Sterben gegenüber freier – unbeschwerter?
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