Dr. Vinod Verma

Gesund durch Ayurveda

Die Basics des indischen Heilwissens für ein langes Leben

Aus dem Englischen von Brigitte Rüßmann und Wolfgang Beuchelt

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Vinod Verma

Dr. Vinod Verma promovierte in Neurobiologie und in Fortpflanzungsbiologie. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in der medizinischen Forschung beendete sie diese Laufbahn und gründete die New Way Health Organisation. Sie erforscht seitdem die alten vedischen Schriften, die Heilkraft überlieferter Ayurveda-Rezepte und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, u. a. 2016 Die Ayurveda-Apotheke. Sie gibt ihr Wissen auch auf Seminaren, Fortbildungen und in Vorträgen weiter.

Impressum

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Ayurveda as Universal Wisdom« bei Gayatri Books International.

 

Die in diesem Buch vorgestellten Übungen wurden von der Autorin und dem Verlag sorgfältig geprüft und haben sich in der Praxis bewährt. Dennoch kann keine Garantie für das Ergebnis übernommen werden. Der Verlag und die Autorin schließen jegliche Haftung für Gesundheits- und Personenschäden aus.

 

© 2018 der eBook-Ausgabe Knaur eBook

© 2017 Dr. Vinod Verma

© 2018 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Verlag

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Dr. Ulrike Strerath-Bolz

Covergestaltung: atelier-sanna.com, München

Coverabbildung: casanisa, shutterstock.com

Abbildungen im Innenteil: Übungsbilder: MP Medien, Müjde Puzziferri; alle weiteren Illustrationen und Hintergründe: Shutterstock.com

ISBN 978-3-426-45113-7

Hinweise des Verlags

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.


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Wir freuen uns auf Sie!

Ich widme dieses Buch:

 

Meiner Großmutter, die mir die ayurvedische Lebensweise nahegebracht und mich gelehrt hat, Lösungen für alle Probleme in der Natur zu suchen.

 

Meinem Ayurveda-Guru, dem modernen Ayurveda-Weisen Acharya Priya Vrat Sharma, der mich die schriftliche Tradition des Ayurveda gelehrt hat. Seine Weisheit lebt durch seine Schriften weiter in seinen Studenten.

 

Meinem europäischen Guru, Professor René Couteaux von der Université de Pierre et Marie Curie. Er hat mich nicht nur in der Neurologie, sondern auch in Kunst und Schreibkunst unterwiesen. Professor Couteaux sagte mir nach der Lektüre meines ersten Buches Ayurveda als Lebensweg, es stehe in der Tradition, der auch Hippokrates folgte. Er war ein Weiser, der an die universelle ­Herangehensweise an Wissen und Gesundheit glaubte.

Definition des Ayurveda von Charaka, aus der Charaka Samhita, die erstmals im 6. Jh. v. Chr. zusammengestellt wurde:

 

Ayurveda behandelt gutes und schlechtes, glückliches und ­unglückliches Leben, seine Förderer und Nichtförderer, sein Maß und seine Natur.

 

Diese Definition aus dem Charaka Samhita, einem großen Schriftwerk des Ayurveda, zeigt, dass Ayurveda eine Wissensbasis ist, die wissenschaftliche Leitlinien für Gesundheit und Wohlbefindet bietet. Ayurveda ist weder eine Religion noch eine ­rituelle Handlungsweise, die jeder ausüben könnte. Um ayurvedisches Wissen zu erlangen, benötigt man philosophisches und wissenschaftliches Grundwissen über den menschlichen Körper. Die Paradigmen der westlichen Medizin und des Ayurveda sind verschieden, aber beide fußen auf einer theoretischen Grundlage, die man verstehen und von der man überzeugt sein muss. Ayurveda ist das Veda um Gesundheit und Heilung und keine »Reparatur der Körpermaschine«, wenn sie »kaputtgeht«. Im Ayurveda geht es um die Dynamiken des Lebens in diesem sich ständig ­wandelnden, vor Leben pulsierenden Kosmos. Es ist vor allem das tradierte Wissen über die Prävention all der Faktoren, die das menschliche und kosmische Wohlbefinden negativ beeinflussen. Bei Erkrankungen versucht Ayurveda nicht einfach die Sym­p­tome zu behandeln, sondern die Wurzel der Krankheit zu finden und zu beseitigen. Ayurveda ist die Mutter der Heilsysteme der Welt.

Vorwort

Dieses kleine Buch ist für all diejenigen gedacht, die schon einmal von Ayurveda gehört haben und glauben, es sei eine exotische Methode zur Selbstheilung. Komplizierte und wirre Erklärungen von einigen in Ayurveda nicht ausreichend ausgebildeten Menschen lassen Ayurveda oft abschreckend erscheinen. Dieses Buch hat das Ziel, zu zeigen, dass es im Ayurveda um die Dynamiken des Lebens geht, die weder räumlich noch zeitlich gebunden sind. Es geht um Gleichgewicht und Harmonie. Dafür muss man nicht unbedingt teure Produkte importieren. Es geht darum, mit dem eigenen Umfeld und der Natur im körperlichen und emotionalen Gleichgewicht zu sein, damit man sich Gesundheit und mentale Ausgeglichenheit bewahren kann.

Ayurveda ist eine Wissenschaft der Gesundheit und des Heilens, die aus dem alten Indien stammt, was aber nicht bedeutet, dass seine Grundideen auf Indien beschränkt waren. Seit der ­Antike hat es einen regen Wissensaustausch zwischen Ost und West gegeben, und Ayurveda hat immens von der Weisheit der westlichen Naturheilkunde profitiert, während die Prinzipien des Ayurveda, die auf der Bewahrung der grundlegenden Natur des Körpers (die gesund ist) basieren, ihren Weg gen Westen fanden. Zudem lebten in früheren Zeiten die Menschen aller Kulturen und Gesellschaften im Einklang mit der Natur und wussten instinktiv, wie wichtig es für ihr Wohl war, im Gleichgewicht und Gleichklang mit der Natur zu leben. Die europäische Gesundheits- und Heilkunst des Mittelalters unterschied sich kaum vom Ayurveda, und in einigen abgelegenen Regionen Europas besteht sie auch heute noch. Allerdings beruht sie im Wesentlichen auf münd­licher Überlieferung und ist kein systematisiertes, institu­tionalisiertes und organisiertes Wissen.

Das vorliegende Buch möchte Ihnen eine neue Lebenser­fahrung bieten, indem es Ihnen zeigt, wie Sie das Gleichgewicht Ihres Körpers bewahren können, indem Sie auf all das verzichten, was Ihre Gesundheit stört. Es handelt davon, wie wir am besten lernen können, unser Leben auf unser Wohlbefinden auszurichten. Wohlbefinden ist dabei nicht Fitness, sondern Gesundheit und innerer Frieden. Wer gesund bleiben möchte, muss eine gute Beobachtungsgabe für den sich ständig wandelnden Kosmos entwickeln. Unser Körper, unsere Umgebung und der Kosmos, in dem wir leben, sind dynamisch und lebendig. Wir müssen lernen, wie wir Lebens- und Tatkraft aus dieser Dynamik schöpfen. Das braucht ein wenig Mühe und Aufmerksamkeit.

Wer nach den Prinzipien des Ayurveda leben möchte, muss aber keine besonderen Dinge kaufen oder bestellen. Dieses Buch möchte Ihnen zeigen, dass Sie nur die Dinge benötigen, die Sie schon immer benötigt haben – Äpfel, Kürbis, Erbsen, Möhren, Kamille, Johanniskraut-, Eisenkraut- und Lindenblütentee. ­Daneben beschreibe ich Heilmittel und Rezepte unter Verwendung von Lebensmitteln wie Milch, Ghee (geklärte Butter), ­Zitrone, Tee, Kräuter, Gewürze usw.

Wichtig ist, dass das Gesundheitsprogramm des Ayurveda nicht auf Verboten beruht. Ganz im Gegenteil: Die Lebensfreude ist ein wichtiger Bestandteil des Ayurveda. Statt Verboten setzt der Ayurveda auf Zurückhaltung und rät, nie die Grenze zu überschreiten, ab der wir unseren Körper aus der Balance bringen.

 

Lassen Sie uns anfangen!

 

Vinod Verma

1 Gesundheit ist Gleichgewicht

Das Körperkonzept

Gesundheit ist Gleichgewicht, und die grundlegende Natur des menschlichen Körpers beruht darauf, dieses Gleichgewicht zu halten. In der vedischen Tradition bezeichnet das Wort »Körper« unser gesamtes Sein einschließlich unseres Denkens. Die moderne Wissenschaft hat zwei Jahrhunderte gebraucht, um zu erkennen, dass der Geist den Körper beeinflusst. In der vedischen ­Tradition hingegen wurden diese beiden Einheiten nie voneinander getrennt betrachtet. In einigen alten Texten gilt der Geist ­sogar als sechster, überlegener Sinn, da er die anderen fünf Sinne steuert und koordiniert. Der Körper ist daher eine gemeinschaftliche Anstrengung dieser sechs lebensnotwendigen Einheiten. Hinzu kommt die Präsenz einer unsichtbaren Kraft, die der Grund des Seins ist.

Der Körper ist ein komplexes und vollendetes System. Damit er funktionieren kann und wir aktiv leben können, benötigen wir Energie. Alle wichtigen Stoffe nehmen wir über den Atem und die Nahrung auf. Im Schlaf sind die Sinne teilweise abgeschaltet, und Psyche und Geist sortieren sich neu und verjüngen sich. Da der Körper ein vollendetes System ist, fühlen wir uns je nach ­seinen Bedürfnissen hungrig, durstig, müde oder schläfrig. Der Körper entsorgt alles, was er nicht gebrauchen kann, über Ausscheidungen wie Stuhl, Urin, Schweiß etc. Dies sind natürliche Bedürfnisse des Körpers, und sie sind ein Teil des Systems, das die Natur so erstklassig eingerichtet hat.

Als Individuen ist es unsere erste Pflicht (Svadharma), das System des Körpers zu achten und nichts zu tun, was die Perfektion der Natur stört. Wenn wir uns nicht mit dem natürlichen System abstimmen, kommt unser eigenes System durcheinander und wir werden krank. Unsere natürlichen Bedürfnisse wie Hunger, Durst, Schlaf, Ausscheidung etc. funktionieren dann nicht mehr so, wie sie sollten, und das gesamte System gerät aus den Fugen.

Die moderne Wissenschaft setzt den Körper mit einer Maschine gleich. So gelingt es ihr leichter, ihn zu verstehen. Ein Auto läuft beispielsweise nicht ohne Treibstoff. Motoröl und Kühlmittel sind ebenfalls wichtig. Alle Zugänge sollten frei sein, und die Abgase sollten ungehindert aus dem Auspuff austreten können. Der Körper lässt sich ähnlich beschreiben. Aus ganzheitlicher Sicht ist es aber verheerend, den Körper rein als mechanisches System zu betrachten, denn ohne den Geist wird der Körper sinnlos. Auch deshalb verliert ein Demenzpatient in fortgeschrittenem Stadium jegliche Kontrolle über seine natürlichen Bedürfnisse. Daher lehnt Ayurveda die mechanische Sichtweise des Körpersystems ab. Der Geist und sein Denken beeinflussen ständig unsere körperlichen Funktionen, und ebenso beeinflussen die körperlichen Funktionen den Geist. Ein einfaches Beispiel, das dies belegt, sind Gefühle wie Beklemmung, Angst und Sorge, die sich auf Verdauung und Schlaf auswirken. Ein gestörter Schlaf und Verstopfung verderben das innere Milieu und führen zu noch mehr Beklemmung, Unruhe und schlechten Träumen. Diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen lernen, wenn wir unser Gleichgewicht bewahren wollen.

Als Menschen sind wir ein untrennbarer Teil dieses Kosmos. Wenn wir aufmerksam hinsehen, erkennen wir, dass im gesamten Kosmos Gleichgewicht und Disziplin das Leben erhalten. Von Zeit zu Zeit wird das kosmische Gleichgewicht gestört, und es kommt zu Katastrophen: Der Sommer wird heißer als gewöhnlich, und der Regen bleibt aus. Starke Winde oder Erdbeben lösen Katastrophen aus. Flüsse treten über die Ufer und zerstören ­Felder und Häuser. Dies sind seltene Ereignisse; im Allgemeinen verlaufen unsere Leben und Tage »normal«. Aber die Natur sendet uns eine Botschaft – wie im Kosmos sollte Unordnung auch im menschlichen Leben eine Ausnahme sein und nicht die Regel.

Tiere kümmern sich intuitiv um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden. Ich habe erlebt, wie Haushunde, die sich unwohl fühlen und aufgrund von Hitze oder aus anderen Gründen Verdauungsprobleme haben, selbst ihr Lieblingsfutter stehen lassen. Der Schutz des Lebens oder der Instinkt, es zu erhalten, gehören zur Natur aller Lebewesen. Der Yoga-Guru Patanjali nennt dies abhinivesha. Als Schülerin war ich von der Intelligenz von Insekten überwältigt. In einem Netz gefangen, stellten sie sich tot. Beim Versuch, sie aus dem Netz in ein Glas zu geben, entkamen sie in Windeseile. Auch der Mensch wird mit einem starken In­stinkt zur Selbsterhaltung geboren, der Babys und kleinen ­Kindern dann durch unnatürliche Regeln aberzogen wird. Beispielsweise wollen Babys manchmal nicht trinken. Sie pressen den Mund zusammen und drehen den Kopf von der Brust oder Flasche weg. Statt aber einen halben Tag zu warten oder dem Baby Thymiantee zu geben, versuchen Mütter, ihm ihre Regeln der »regelmäßigen Nahrungsaufnahme« aufzuzwingen. Am Ende durchlaufen die Babys den natürlichen Reinigungsprozess und spucken die Milch aus. Schleim und Schaum werden erbrochen, und das Baby ist geheilt. Von Tieren und unseren Babys können wir lernen, wie man natürlich lebt und das Gleichgewicht erhält.

In der Antike lebten die Menschen im Rhythmus der Natur und hatten ein natürliches Wissen über ihren Körper und den Kosmos. In den letzten dreißig Jahren, in denen ich in Europa Ayurveda unterrichtet habe, kam als Kommentar häufig von ­meinen Schülerinnen und Schülern: »Oh, das hat meine Großmutter auch immer gesagt.« Was Sie in diesem Buch erfahren werden, unterscheidet sich nicht vom Wissen der Alten in ­Europa. Den Weg des Ayurveda beschreiten heißt schlicht, die Irrtümer abzuschütteln, die sich der Mensch in jüngerer Zeit angeeignet hat. Diese irrtümliche Lebensweise hat dazu geführt, dass ­Menschen ihre natürlichen Bedürfnisse wie Schlaf, Aus­scheidung, Sexualität etc. verlieren. Mit etwas Mühe lässt sich dies aber ­umkehren, und wir können unsere natürlichen Bedürfnisse, ­unsere Gesundheit und Harmonie wie auch unsere Fröhlichkeit wiedererlangen.

Bewahrung des Wohlbefindens

Ich spreche eher von Wohlbefinden als von Gesundheit, da das Ziel nicht ein reibungslos funktionierender Körper ist, sondern eine bessere, freudigere und zufriedenere Gemütsverfassung. Wir beschäftigen uns mit der Gesamtheit des Lebens. Es ist ganz ­einfach – alles, was man braucht, sind Aufmerksamkeit und ­Disziplin. Sobald Sie die Grundlagen beherrschen, um Ihr Wohlbefinden zu erhalten, benötigen Sie keine zusätzliche Zeit dafür. Es ist schlicht eine andere Lebensweise.

Faktoren, die uns Unwohlsein bereiten – falsche Atmung, ­falsche Nahrung und Ernährungsweise, gestörter Schlaf und ein ruheloser Geist –, gehören zu den Hauptursachen. Da dies die wichtigsten Faktoren zum Erhalt unseres Körpers sind, greifen sie unsere natürliche Existenz an und bringen das gesamte System durcheinander. Mithilfe eines Grundwissens um diese natür­lichen Phänomene und darum, wie wir Disziplin in unser Leben bringen und die Aktivitäten des Geistes kontrollieren, können wir lernen, das Gleichgewicht unseres Körpers zu erhalten und im Einklang mit dem Kosmos zu leben, dessen Teil wir sind.

Unser Wohlbefinden hängt größtenteils vom Gleichgewicht ab. Der gesamte Kosmos beruht auf dem Gleichgewicht verschiedener Energien wie Raum, Wind, Sonne, Mond, Pflanzenwelt und anderer kosmischer Kräfte, die uns umgeben.

Lassen Sie uns das Grundprinzip hinter diesen Ideen des ­Ayurveda und seine Ratschläge für Gesundheit, Glück und Langlebigkeit betrachten.

Grundprinzipien des Ayurveda

Der Kosmos besteht aus der Kombination zweier grundlegender Energien: Purusha (universale Seele) und Prakriti (kosmische Substanz). Die Kombination dieser beiden Grundenergien ruft dreiundzwanzig verschiedene Existenzmerkmale im Universum hervor. Ohne auf die Details des Entstehungsmythos und der Kosmologie einzugehen, möchte ich versuchen zu erklären, wie die Existenz im Ayurveda gesehen wird und welche Überlegungen hinter den Prinzipien des Ayurveda stecken.

 

Fünf Elemente und drei Lebensenergien: Alles, was existiert, ob belebt (Chetana) oder unbelebt (Jadda), besteht aus fünf Elementen. Das erste Element ist Äther, der Raum, ohne den nichts existieren kann. Im Raum befindet sich das zweite Element, die Luft. Das dritte Element, Feuer, benötigt sowohl Raum als auch Luft, um existieren zu können. Das vierte ­Element ist Wasser. Es ist von den vorherigen drei Elementen abhängig. Das fünfte Element ist die Erde, das vollständigste und schwerste der Elemente. Diese fünf Elemente nehmen in Lebewesen (Chetana) die Form von drei Lebensenergien an. Die Lebensenergien werden auch Vata (Äther und Luft), Pitta (Feuer) und Kapha (Wasser und Erde) genannt. In der Ayurveda-­Terminologie heißen sie auch Doshas. Sie sind für die körperlichen und mentalen Funktionen von Lebewesen verantwortlich.

 

Funktionen der Lebensenergien: Die drei Lebensenergien üben alle für unsere Existenz nötigen Funktionen aus. Die Funktionen jeder Energie richten sich nach den Elementen, aus denen sie besteht.

  1. Vata besteht aus Äther und Luft. Daher übt Vata alle Körperfunktionen aus, die allgegenwärtig sind und mit Bewegung assoziiert werden. Vata ist verantwortlich für körperliche und geistige Aktivität, die Blutzirkulation, Atmung, Ausscheidung, Sprache, Empfinden, Tastsinn, Gehörsinn, Gefühle wie Angst, Trauer, Beklemmung, Begeisterung etc., natürliche Bedürfnisse, die Entwicklung des Fötus sowie den Sexualakt und seine Dauer.

  2. Pitta besteht aus Feuer und ist verantwortlich für Sehver­mögen, Verdauung, Hunger, Durst, Wärmeregulierung, Geschmeidigkeit, Glanz, Fröhlichkeit, Intellekt und sexuelle Vitalität.

  3. Kapha ist aus Wasser und Erde. Es sorgt für einen soliden Körperbau und ist verantwortlich für den Flüssigkeitshaushalt, die Bindungskraft, Festigkeit, Schwere, Stärke, Geduld, Zurückhaltung, ein Fehlen von Gier oder sexuellen Sekreten, aber auch für sexuelle Potenz.

 

Dynamik der Lebensenergien: Da wir unsere Lebensenergien ständig benötigen, müssen wir sie durch Atmen und Nahrung wieder auffüllen. Über die Atmung nehmen wir die kosmische Energie oder Prana Shakti auf. Unsere Atemluft enthält aber nicht nur Sauerstoff, der vom Herz in unserem Körper verteilt wird, sondern auch das Licht und die Wärme der Sonne am Tag, die sanfte Energie der Nacht, den besonderen Duft jeder Jahreszeit und vieles mehr. So nehmen wir über den Atem die fünf ­Elemente des Kosmos als feinstoffliche Energie auf. Unsere Nahrung versorgt uns mit den fünf Elementen in konkreter Form, um unsere drei Lebensenergien wiederaufzubauen. Daher sind das richtige Atmen, Gleichgewicht und diszipliniertes Essen die Grundfaktoren unseres Wohlbefindens. Indem wir Energie aus dem Kosmos aufnehmen und verbrauchen, stehen wir in einem zyklischen Austausch mit dem Kosmos. Daher ist es wichtig, dass ein Gleichgewicht zwischen aufgenommener und verbrauchter Energie besteht.

 

Einheit mit den kosmischen Prinzipien: Wir sind Teil des ­Kosmos, und daher unterliegt unser Körper denselben Prinzipien, die für den gesamten Kosmos gelten. So wie die fünf Elemente im Kosmos im Gleichgewicht sein sollten und starke Winde, Feuer, Flut oder Erdbeben zu Zerstörung führen, sollten auch die drei Energien oder Doshas in unserem Körper im Gleichgewicht sein, um Gesundheit und Wohlbefinden zu garantieren. Um dieses Gleichgewicht zu halten, müssen wir uns Wissen aneignen und einige einfache, praktische Regeln für einen harmonischen ­Lebensstil befolgen.

Prakriti: Die individuelle Konstitution

Menschen sind unterschiedlich, und dies liegt an den verschie­denen Prakriti oder individuellen Grundkonstitutionen, die wir ­haben. Die Bedeutung des Sanskrit-Wortes »Prakriti« geht dabei weit über die der deutschen Umschreibung hinaus. Es umfasst die gesamte Individualität einer Person, die man als eine Art inneres Gesicht beschreiben kann. Es umfasst die Handlungen und ­Reaktionen eines Menschen auf körperlicher wie geistiger Ebene.

Die verschiedenen Prakriti oder individuellen Variationen ­beruhen auf den fundamental unterschiedlichen Eigenschaften der fünf Elemente, aus denen das Universum aufgebaut ist. Jedes Individuum hat sein eigenes Prakriti. Es definiert nicht nur die grundlegenden Charakteristika des Körpers, sondern auch die fundamentalen Charaktereigenschaften jedes Einzelnen. Das ­individuelle Prakriti ist praktisch der zweite Aspekt der Individualität nach der äußeren Erscheinung. So wie unsere grundlegende äußere Erscheinung unser gesamtes Leben lang gleich bleibt, bleibt auch unser Prakriti, die Gesamtheit unserer fundamentalen Charaktereigenschaften, gleich.

Das Wort »Prakriti« hat aber noch weitere Bedeutungen. Es steht für die Natur, aber auch, wie oben bereits erwähnt, für die kosmische Substanz.

Die körperlichen und geistigen Aspekte des Menschen sind eng miteinander verwoben und bedingen einander. Das Prakriti wird dabei von einem oder zwei Doshas bestimmt. So entstehen sieben Prakriti-Grundtypen mit zahlreichen Untertypen.

  1. Vata

  2. Pitta

  3. Kapha

  4. Vata-Pitta

  5. Pitta-Kapha

  6. Kapha-Vata

  7. Samadosha (alle Doshas sind ausgeglichen)

 

Die zahllosen Variationen bei jedem der sieben Grundtypen ­ergeben sich aus der unterschiedlich stark ausgeprägten Dominanz eines Doshas, der verschiedenen Gewichtung der beiden Doshas bei einem gemischten Prakriti und der unterschiedlichen wesentlichen körperlichen und geistigen Energie, die wir aufgrund unseres früheren Karmas von Geburt an mitbringen.