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Print ISBN: 978-3-527-51084-9
ePub ISBN: 978-3-527-83963-6
Umschlaggestaltung: Susan Bauer Design, Mannheim
Wir erleben gerade vielfältige Transformationen, die einen tiefgreifenden Wandel auf unterschiedlichen Ebenen kennzeichnen, der nicht nur einzelne Elemente eines Systems verändert, sondern grundlegend dessen Strukturen, Prozesse und Spielregeln. Es handelt sich um eine Umstülpung des bisher Bekannten und Vertrauten. Die damit verbundenen Veränderungen reichen von der Umgestaltung individueller Lebensentwürfe, über die Umstrukturierung ganzer Branchen, die Veränderung von Geschäftsmodellen bestehender Organisationen, das Entstehen gänzlich neuer Geschäftsideen, Firmen und Dienstleister, bis hin zu dramatischen tiefgreifenden gesellschaftlichen Paradigmenwechseln.
Organisationen werden die Herausforderungen der Transformationen, insbesondere der Digitalisierung und Globalisierung, bei einer gleichzeitig erlebten Beschleunigung von disruptiven Veränderungen nur dann bewältigen, wenn sie die Aufgabe annehmen, sich auch auf der Teamebene neu aufzustellen und bisherige Arbeitsweisen kontinuierlich selbst zu erneuern. Dafür ist es notwendig, eine Kultur des Teilens zu leben und den teamkreativen Kräften durch den Wechsel von primär perspektivenöffnenden und stärker fokussierenden Vorgehensweisen Raum zu verschaffen.
Die Führungsrolle in selbstorganisierten Teams verändert sich dramatisch. Es geht immer mehr darum, die Mitarbeitenden im Sinne einer transformationalen Führung zu begleiten, zu coachen und zu entwickeln. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die gelingende Veränderung von Kulturen, Prozessen und Formen der Zusammenarbeit ist es, die Mitarbeitenden zu involvieren. Dies macht es erforderlich, anstelle etablierter hierarchischer Strukturen agile Formen der Kollaboration in heterogenen selbstorganisierten Teams zu etablieren. Die Führungskraft als solche tritt einen Schritt zurück. Neue Führungsstrukturen manifestieren sich in flexiblen Netzwerken. Überkommene Top-down-Führungsmodelle werden zunehmend abgelöst durch selbstorganisierte Teams. In der agilen Arbeitswelt übernehmen diese zum Teil die vollständige Verantwortung für Produkte und Dienstleistungen.
Um dem Anspruch einer kontinuierlichen Selbsterneuerung gerecht zu werden, sind Organisationen, Teams und Individuen gefordert, sich zu verändern und diese Veränderung permanent zu reflektieren. Führung ist nicht mehr ausschließlich durch eine personifizierte Kompetenzzuweisung leistbar. Erforderlich ist die Nutzung dezentralisierter Intelligenz und vernetzten Denkens.
Arbeits- und Lernprozesse, die in agilen Kontexten immer mehr miteinander verschmelzen, finden in einem dialogischen Prozess statt. Die Arbeit an der eigenen Person, ihre Umgestaltung und Transformation sind auf die Begegnung mit dem Du angewiesen. Was als individuelle Fähigkeit und Fertigkeit erlebt wird, ist immer auch das Ergebnis des Austauschs von Wissen und den Erfahrungen mit anderen Menschen. Unser Gehirn ist ein soziales Gebilde, das sich durch Beziehungserfahrungen strukturiert. Dies geschieht durch gemeinsame Verstehensprozesse in einem die Erkenntnis fördernden Dialog. Zwei Drittel der erfolgreichen Erfindungen stammen heutzutage nicht von einzelnen Individuen, sondern von Gruppen.
Kooperation und Kollaboration beginnen mit der Vernetzung und der Bildung eines engagierten Teams für Erkundungsund Entdeckungsreisen im gemeinsamen Arbeitsprozess auf der Suche nach experimenteller Erprobung von Prototypen des Neuen. Es gilt, das Zuhören und den Dialog sowie kollektive Wahrnehmungsorgane zu entwickeln. Wie dies gelingen kann, zeigen die in diesem Buch vorgestellten Konzepte auf. Sie beschäftigen sich mit Achtsamkeit, Diversität, Resilienz und Gesundheit, Empathie, Kreativität sowie Agilität, Strukturen, Wissensmanagement, Digitalität und schließlich der Frage nach dem Geheimnis eines Dream-Teams. Dabei geht es darum, das gruppendynamische Geschehen zu beachten, sich kollaborativ im dialogischen Austausch zu vernetzen, den gemeinsamen Arbeits- und Lernkosmos explorativ zu erkunden, gegenüber den gewonnenen Erkenntnissen die Haltung des offenen Geistes einzunehmen, der sich mit Beurteilungen zurückhält, sowie gemeinsame Instrumente für Reflexionsprozesse zu nutzen.
Die Selbstreflexion setzt die Selbstaufmerksamkeit voraus. Um selbstreflexiv über das eigene Denken, Verhalten und Handeln nachzudenken, bedarf es besonderer Auslöser. Einer kann eine Diskrepanzerfahrung sein, zum Beispiel zwischen den spezifischen Anforderungen einer Situation und den Fähigkeiten und Fertigkeiten, um damit verbundene Herausforderungen zu meistern, oder die Konfrontation mit anderen Auffassungen oder Werten. Wenn die Differenzerfahrung zu einem Wandel der bisherigen Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsstrukturen führt, findet eine Umstrukturierung von Erfahrungen statt. Die daraus resultierenden veränderten Denk- und Handlungsprozesse unterliegen sodann wieder einer Gewöhnung, bis sie selbst wieder irritiert werden und den Impuls für neuerliche Veränderungen geben. Diesen sich spiralförmig immer wieder auf neuen Ebenen vollziehenden Transformationsprozess bezeichnen wir als Lern- oder Bildungsprozess. Dieser findet nicht nur auf individueller, sondern auch auf teambezogener bzw. organisationaler Ebene statt. Sein Gelingen hängt entscheidend von der jeweiligen Lernkultur ab, zu der auch die Reflexionskultur zählt.
Teams sind immer mehr als die Summe ihrer Teile. Sich mit wertschätzender Teamentwicklung zu beschäftigen, bedeutet, in und an der Organisation zu arbeiten. Einerseits ist es die Aufgabe der Führungskräfte, die strukturellen Voraussetzungen und Bedingungen dafür zu schaffen, damit Teamarbeit möglich wird. Andererseits liegt es in der Hand des jeweiligen Teams, die eigene Entwicklung zu gestalten. Diese orientiert sich an einem iterativen Prozess in fünf Schritten, der von Define, Discover über Dream zu Design und Deliver führt. Der Kompass, an dem die vorgestellten Konzepte, Tools und Teamformate ausgerichtet sind, ist die wertschätzende Organisations- resp. Teamentwicklung. Die hier vorgelegte Publikation bildet die teambezogene Ergänzung zu dem von Pabst et al. (2020) vorgelegten Buch Wertschätzende Organisationsentwicklung. Die Verfasser:innen und die Interviewpartner:innen zeigen auf, an welchen Hebel- bzw. Resonanzpunkten anzusetzen ist, um die Lernfähigkeit von Teams zu steigern und einen Beitrag zur lernenden Organisation zu leisten.
Die Zukunft gehört multi-, inter- und transdisziplinären Teams. Deshalb ist es auch konsequent, danach zu fragen, wie Community-Ansätze für die Teamentwicklung genutzt werden können. In „Connective Learning Communities“ basiert die Zusammenarbeit auf dem Erfahrungsaustauch der Community of Practice, die sich einen experimentellen Raum schafft, um neue Erfahrungen zu sammeln. Wenn aus der früheren Bringschuld der Leitungsebene in einem hierarchischen Organisationsgefüge eine Holpflicht aller Teammitglieder in pluralistischen bzw. evolutionären Organisationen wird, ist es von enormer Wichtigkeit, das Zusammenspiel der kulturellen, sozialen und technischen Subsysteme im Auge zu behalten. Mit der Einführung neuer technologischer Möglichkeiten im Zuge der Digitalisierung verändert sich zwangsläufig die soziale Struktur und das Teamgefüge.
Gerade die Erfahrung mit Remote Work während der Pandemie zeigt, dass für eine erfolgreiche Teamarbeit soziale Beziehungen und mehr Freiheit in der Arbeitserledigung entscheidend sind. Zu den zentralen anthropologischen Grundbedürfnissen des Menschen gehören das Bedürfnis nach Kompetenz und Wirksamkeit, nach sozialer Eingebundenheit sowie nach Autonomie und Selbstbestimmung. Wenn das Vertrauen, der wechselseitige Respekt und die Zuverlässigkeit sowie die psychologische Sicherheit als Basis gegeben sind, sind die Voraussetzungen für die Entfaltung der Potenziale des Teams geschaffen. Damit sind zentrale Indikatoren für die Personal- und Organisationsentwicklung benannt. So kann es gelingen, dass analoges, virtuelles und hybrides Arbeiten und Lernen unter Nutzung der Synergiepotenziale zum Erfolg des Teams werden.
Erich Schäfer
Jena, im November 2021
Warum sollte ich dieses Buch lesen?
Was erwartet mich in diesem Buch?
Aus welchem Kontext heraus ist dieses Buch entstanden?
Was bedeutet wertschätzende Teamentwicklung für uns?
Im Sinne der Wertschätzung aller Leser:innen und im Bewusstsein über die Macht von Sprache haben wir uns dazu entschlossen, wo immer möglich genderneutrale Begriffe wie „Teilnehmende” zu verwenden. An anderen Stellen greifen wir auf die „Doppelpunkt-Variante” zurück: Mit der Verwendung eines Doppelpunkts im Wortinneren machen wir sowohl binäre (männlich/weiblich) als auch nichtbinäre Genderidentitäten (aus dem Transgender-Spektrum) sichtbar und beziehen sie so aktiv in unsere Ausführungen mit ein. Wir folgen damit nicht lediglich einer Mode, sondern möchten klarstellen, dass unser Buch für alle Menschen gleichermaßen geschrieben wurde.
Dieses Buch will gelesen werden. Dies möchten wir so niedrigschwellig wie möglich gestalten. Daher nutzen wir in unserem Buch hauptsächlich deutschsprachige Begriffe und Konzepte. Unvermeidbare englischsprachige Begriffe werden hingegen ausführlich erklärt und definiert.
Die vielen Illustrationen sollen ebenfalls dabei helfen, das Geschriebene schnell und einfach zu verstehen und auch beim Überfliegen eines Kapitels die Kernidee davon nachvollziehen zu können. So können die Leser:innen selbst entscheiden, ob sie ein Kapitel im Detail lesen möchten oder ob ein anderes für sie in dem Moment mehr Sinn ergibt.
Wertschätzende Teamentwicklung ist ein fließender Prozess mit vielfältigen Perspektiven. So individuell und kontinuierlich sich Teams entwickeln und allgemein verändern, gibt es keinen klaren Startpunkt oder gar eine Schlusssequenz, aus der sich ein für immer perfekter Allgemeinzustand ergibt. Das heißt, jede:r kann dieses Buch durchblättern und aus der individuellen Perspektive besonders interessante Informationen oder Impulse erhalten.
Weiterführende Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf unserer Webseite:
www.wertschaetzende-teamentwicklung.de
Wir, das Autorenteam, begrüßen euch herzlich und freuen uns, dass dieses Buch den Weg in eure Hände gefunden hat. An dieser Stelle möchten wir uns kurz vorstellen und einen Eindruck über unsere Hintergründe und unser Anliegen mit diesem Buch vermitteln. Wir – das sind Reinhold Pabst, Mareike Schütt und Isabelle Tyrasa – sind tätig in den Bereichen Personal- und Organisationsentwicklung sowie Innovationsforschung. Unsere Wege kreuzten sich am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF) in Jena. Gemeinsam arbeiteten wir zwischen 2019 und 2021 im Forschungsprojekt „Cluster- Feedback“. Dort erforschten wir, wie Feedback-Communities Projektteams in der Produktentwicklung unterstützen können. Daraus konnten wir viele Erkenntnisse für die Entwicklung von Teams gewinnen, die in dieses Buch mit einfließen. Durch unsere gemeinsame Team- und Projektarbeit haben wir unsere Persönlichkeiten und Talente kennen- und schätzen gelernt. Obwohl sich unsere beruflichen Wege trennten, verbindet uns weiterhin diese gegenseitige Wertschätzung. Umso mehr freuen wir uns, zusammen als Team dieses Buch zu unserem Lieblingsthema, der Teamentwicklung, schreiben zu können. Es sind gemeinsame Projekte, die zusammenhalten. Durch dieses Buchprojekt konnten wir unseren persönlichen und fachlichen Austausch aufrechterhalten.
Dr. Reinhold Pabst: Seit 2021 leite ich das Team Personal- und Organisationsentwicklung & Innovationsforschung am Fraunhofer IOF in Jena. Eine kontinuierliche Herausforderung ist die Gestaltung eines attraktiven Arbeitsumfelds in New Work Settings. Zur Förderung einer hohen Leistungsfähigkeit gilt es, aus einer erfolgreich improvisierten Gegenwart während der Corona-Zeit neue Wege für eine solide Zukunft zu eröffnen. Ziel ist es, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Menschen gerne zusammenarbeiten und das Beste aus sich herausholen. Dazu sind Mut zur Veränderung, Innovationsgeist und der Wille zur Weiterentwicklung gefragt.
Als Senior Researcher forsche ich im Bereich Innovationsmanagement, New Work und Organisationsentwicklung. Meine Forschung konzentriert sich auf die Rolle der Innovationsförderung und die damit verbundenen Kompetenzen und Werkzeuge, sowie der Gestaltung wertschätzender Team- und Organisationsentwicklung. Meine weiteren aktuellen Bücher sind Erfolgreiche Innovationsworkshops und Wertschätzende Organisationsentwicklung, die 2019 und 2020 im Wiley-Verlag publiziert wurden. Weiterhin ist 2021 im Fraunhofer-Verlag das Buch Future of Leadership erschienen.
Nach meinen Diplomen in Betriebswirtschaft und Interkulturellem Management an der Friedrich-Schiller-Universität Jena promovierte ich im Innovationsmarketing und erwarb 2021 einen Master in Coaching und Führung an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Mit unternehmerischer Expertise aus zwei Start-ups und mehr als zehn Jahren Coaching- und Beratungserfahrung, unterstütze und begleite ich Menschen in Innovationsprojekten, organisationalen Veränderungsprozessen oder Fragen der persönlichen Entwicklung.
Meine Empfehlung als Teamentwickler ist es, sich nicht darauf zu verlassen, dass eine Führungskraft einen Lösungsvorschlag präsentiert. In einem effektiven Team stehen wir vor einer gemeinsamen Herausforderung und können gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Das setzt voraus, dass wir offen miteinander umgehen und großzügige Handlungsspielräume zulassen. Flexibilität in der Arbeitsgestaltung ist ein großer Motivator. Und bedeutet, dass wir uns gemeinsam auf die Erfüllung eines Ziels verständigen, anstatt einer individuellen Agenda zu folgen. Weiterhin ist das Konzept der „psychologischen Sicherheit“ Garant einer offenen und ehrlichen Kommunikation sowie eine Grundvoraussetzung für eine lernorientierte Team- und Arbeitskultur. Diese gemeinsame Überzeugung entwickelt sich auf Basis von Wertschätzung und respektvollem Umgang miteinander. Das ermutigt uns im Team, Ideen frei zu äußern oder über eigene Unsicherheiten und Ängste zu sprechen.
Mareike Schütt: Als Organisationsentwicklerin treibe ich am Fraunhofer IOF Veränderungsthematiken voran und setze mich für eine Steigerung des Wohlbefindens der Mitarbeitenden am Institut ein. Der New-Work-Trend lässt auch unsere Arbeit nicht unberührt: Gemeinsam mit Reinhold und anderen stellvertretenden Mitarbeitenden des Instituts erarbeite ich Lösungen für ein gesundes und leistungsfähiges Arbeitsumfeld, das die Bedürfnisse und Interessen von Individuen wertschätzt und berücksichtigt. Um die Potenziale einer vielseitigen Belegschaft heben zu können, entwickle ich Formate für das institutsspezifische Diversity Management. Daneben beschäftige ich mich mit der Optimierung der Eingliederung von neuen internationalen Mitarbeitenden. Über speziell für die Zielgruppe erstellte Informationsformate und Netzwerkangebote soll ihnen ein möglichst angenehmer Einstieg ermöglicht werden.
Am IOF gestartet bin ich als studentische Hilfskraft während meines Masterstudiums „Interkulturelle Personalentwicklung und Kommunikationsmanagement“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Über die Mitarbeit in verschiedenen Innovationsprojekten begeisterte ich mich zunehmend für Möglichkeiten, die Zukunft aktiv mitzugestalten. Daraus entwickelte sich auch das Thema meiner Abschlussarbeit, die ich während der Corona-Pandemie schrieb: „Krise als Chance für Innovation“. Dem positiven Blick auf das, was wünschenswert und möglich ist, wohnt eine enorm große Kraft bei. Daher freue ich mich, in diesem Buch zusammen mit Isabelle und Reinhold nach dem Appreciative-Inquiry-Prinzip zu arbeiten. Die im Team vorhandenen Ressourcen und Potenziale sind oft nur zu einem Bruchteil bekannt. Die von uns zusammengestellten Konzepte und Tools helfen dabei, sie gemeinsam zu entdecken und für die Gestaltung einer wünschenswerten Zukunft zu verwenden.
Meine Motivation beruht auf der kontinuierlichen Verbesserung von komplexen Systemen und der damit verbundenen Anpassung an die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft. Die Wertschätzung unterschiedlicher, vielleicht sogar gegensätzlicher Vorstellungen und Gewohnheiten von Menschen stellt dabei eine zentrale Herausforderung dar. Sie ist überdies zugleich eine Chance für möglichst ganzheitlich gedachte Lösungen, die langfristigen Erfolg ermöglichen. Für eine wertschätzende Teamentwicklung empfehle ich: Lernt die unterschiedlichen Facetten aneinander kennen und überlegt, wie ihr sie bestmöglich für euer gemeinsames Anliegen verwenden könnt. Ein gegenseitiges Verständnis der individuellen Interessen und Bedürfnisse sorgt für ein förderliches Arbeitsklima, das sowohl der Gesundheit des Einzelnen als auch dem Erfolg des Teams zugutekommt.
Isabelle Tyrasa: Ich habe bereits 2017 während meines Masterstudiums „Interkulturelle Personalentwicklung und Kommunikationsmanagement“ am Fraunhofer IOF als wissenschaftliche Hilfskraft im Bereich Personalentwicklung angefangen. Im Anschluss an meine Masterandinnentätigkeit in der Strategieabteilung trieb ich hauptberuflich innovative Projekte voran, forschte gleichzeitig empirisch und gehörte, wie Reinhold und Mareike, zum Stab des wissenschaftlichen Direktoriums. Im Juli 2020 brach ich dann zu neuen Ufern ins Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung (MIL) des Landes Brandenburg auf. Dort arbeite ich als Referentin für Personalentwicklung an Konzepten, aber auch an konkreten Instrumenten und Maßnahmen für eine wertschätzende Betreuung der Beschäftigten. Diese beginnt bereits im Bewerbungsprozess und endet ... eigentlich nie. Selbst für unsere Alumni organisieren wir noch Weihnachtsfeiern.
Sowohl die Zeit beim Fraunhofer IOF als auch meine neue Stelle im MIL haben meinen Blick auf die zentralen Aspekte in diesem Buch geprägt: Teamarbeit, Wertschätzung, Interesse und Respekt vor Menschen und Interesse an ihrer Perspektive. Selbst beim Bearbeiten von Personalstatistiken in Einrichtungen mit mehreren hundert Beschäftigten sollte immer klar sein: Hier handelt es sich um Menschen und keine Arbeitskapazitäten. Menschen haben Bedürfnisse und Beweggründe, die wir herausfinden und transparent machen müssen. Nur so können wir verstehen, was die Menschen um uns herum wirklich anund umtreibt und wie wir dementsprechend handeln sollten. Diesen empirisch geprägten, auf echtem Interesse an Menschen fußenden Ansatz aus meinen Forschungsaktivitäten mit Reinhold und Mareike habe ich verinnerlicht und wende ihn in verschiedensten beruflichen und privaten Kontexten an.
Meine Empfehlung als Teamentwicklerin ist daher klar: Fragt, hört zu und fragt weiter nach! Jedes Team ist individuell, jedes Teammitglied ist individuell und jede Situation ist es auch. Daher nehmt nichts einfach so als gegeben hin, sondern versucht, die Situation und vor allem die Menschen darin zu verstehen. Statt einfach stur Konzepte und Tools anzuwenden, hilft es oft mehr, durch Fragen und intensives Interesse mit bestimmten Konzepten und Ideen im Hinterkopf das Zusammenspiel und die Dynamiken im Zusammenleben und in der Zusammenarbeit ersichtlich zu machen und daran zu arbeiten.
Wir möchten Teams dabei unterstützen, Räume für bewusste Zusammenarbeit zu schaffen. Diese Räume sollen den Teammitgliedern die Möglichkeit geben zu reflektieren, sich weiterzuentwickeln und gemeinsam zu wachsen.
Das Herzstück unseres Buchs bildet das Team – und das in all seiner Vielfalt. Wir richten uns demnach nicht nur an Teamleitungen, sondern auch an die einzelnen Teammitglieder. Die Teamentwicklung liegt in der Hand des ganzen Teams, denn alle sitzen in einem Boot. Die Führungskraft hat jedoch besonders die Möglichkeit, Entwicklungsprozesse im Team voranzutreiben: Über ein aktiv gelebtes Vertrauen in die Mitarbeitenden, das bewusste Übernehmen und auch Abgeben von Verantwortung sowie das Einnehmen einer Vorbildfunktion können wertvolle Grundsteine für die wertschätzende Teamentwicklung gelegt werden. Unser Führungsverständnis findet sich an verschiedenen Stellen in den einzelnen Kapiteln wieder.
Auch wir als Verfasser:innen sind ein eingespieltes Team. Im Rahmen unseres gemeinsamen Arbeitskontextes bei Fraunhofer sowie durch Überschneidungen beim Masterstudium kennen wir uns schon einige Jahre. Gemeinsam haben wir Projekte in den Bereichen Innovationszusammenarbeit, Feedback-Communities und New Work betreut und uns der praxisnahen Forschung verschrieben. In all unseren Projekten gehen wir werteorientiert vor. Zu unseren wichtigsten Werten gehören Empathie, Wertschätzung, eine menschen- und anwendungsorientierte Handlungsweise, Kreativität, Anerkennung von Vielfalt sowie die Offenheit für Neues. Daher nutzen wir den wertschätzenden, auf positiver Psychologie basierenden Ansatz der Appreciative Inquiry (AI), um die Vielfalt an Ressourcen für eine bewusste Zusammenarbeit im Team transparent und nutzbar zu machen.
Wichtig ist uns, dass jedem Team und jedem Teammitglied bewusst ist, welche Ziele aktuell verfolgt werden: Sind diese inhaltlicher Art, also arbeitet das Team in der Organisation? Sind diese aktuell eher organisatorischer Art, also arbeitet das Team an der Organisation? Allen Teammitgliedern beziehungsweise Teilnehmenden an Teambesprechungen sollte das Ziel dieser Zusammenkunft sowie ihre Rolle darin transparent sein. Daran arbeiten wir mit unserem Buch. Wir wollen Brücken bauen, um uns selbst und die Menschen um uns herum in unserem Zusammenwirken besser zu verstehen.
Dieses Buch bietet theoretisch fundierte und zugleich praxisnahe Einblicke in verschiedene Konzepte, mithilfe derer wir die Zusammenarbeit im Team menschlicher und effektiver gestalten können. Jedes Konzept wird von einem Interview begleitet, das wir zum jeweiligen Thema mit einer ausgewählten Expertin oder einem Experten aus unserem persönlichen Netzwerk geführt haben. Unser Anspruch ist es, abstrakte Konzepte verständlich darzustellen und diese in die Anwendung zu bringen. So wird das „Wie?“ in jedem Kapitel stets mitgedacht: von der abstrakten Ebene hin zur Umsetzung. Wir bieten eine Sammlung leicht zugänglicher Werkzeuge, um den Teamalltag wertschätzender zu gestalten. Dabei berücksichtigen wir sowohl analoge als auch digitale Formate und bewegen uns in vielen verschiedenen Arbeitskontexten, behalten jedoch stets den Fokus auf der Teamebene. So erhält jede:r Einzelne sowie jedes Team eine Hilfestellung, um die Herausforderungen der komplexen Gegenwart und Zukunft meistern zu können. Der aktuell großen Herausforderung einer weltweiten Corona-Pandemie wird dabei ebenso Rechnung getragen wie den Megatrends unserer Zeit.
Wir verstehen dieses Buch als zeitlosen und gleichzeitig zeitbewussten Impulsgeber. Das heißt, wir sind uns dem Entstehungskontext des Buches mitten in der Corona-Pandemie bewusst. Gleichzeitig sind die Konzepte und Werkzeuge nicht an einen (zeitlichen) Kontext gebunden und können von verschiedensten Personen zu jedem Zeitpunkt genutzt werden.
Einem Megathema widmen wir besondere Aufmerksamkeit: der Digitalisierung. Die Corona-Pandemie wurde zum Treiber der Digitalisierung von Arbeitsprozessen und in der Teamzusammenarbeit. Unter der Maßgabe, Kontakte zu reduzieren, lernten wir mobiles Arbeiten in unserem Organisationsalltag kennen. Die Anwendung digitaler Werkzeuge wurde zur Notwendigkeit für eine gelingende Zusammenarbeit. Gleichzeitig führte diese neue Arbeitsweise auch zu mehr Flexibilität und Selbstbestimmung in der Arbeitserbringung. Die Möglichkeiten einer digitalen Zusammenarbeit werden auch nach der Corona-Krise weiter gefestigt werden. Mit der diesbezüglichen Veränderung der Arbeitskultur spielt sich die Teamarbeit auch zukünftig in einer Hybris zwischen digitalen und analogen Formaten ab. Diesem Umstand tragen wir Rechnung mit praktischen Anwendungshinweisen für sowohl digitale als auch analoge Formate. Beide Umsetzungsarten bieten Vor- und Nachteile, sodass wir in diesem Buch versuchen, das Beste aus beiden Welten zu vermitteln. Ein wichtiger Aspekt digitaler Zusammenarbeit betrifft die zunehmende Flexibilität, welche sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben kann. Daher thematisieren wir bewusst Konzepte, die die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit im Team geringhalten, und thematisieren die für das gesamte Team notwendigen Kompetenzen für eine erfolgreiche hybride Zusammenarbeit.
Mit diesem Buch möchten wir vor allem eins: positive Energie freisetzen und neue Impulse geben für eine Teamentwicklung, die Individuen gerecht wird und Wunder der Zusammenarbeit ermöglicht. Viel Freude beim Lesen!
Die wertschätzende Teamentwicklung ist ein äußerst vielfältiges Phänomen. Wir möchten für dieses Buch zumindest drei zentrale Einflussfaktoren verorten, die wir als Gestaltungsparameter verstehen.
Wertschätzung heißt auf das zu blicken, was an Positivem da ist, und nicht auf das, was fehlt. In einer Teamentwicklung liegt der Fokus auf Talenten, positiven Charaktereigenschaften oder Interessen, die wir ins Team als Ressourcen mitbringen. Teamgestalter:innen fördern diese Ressourcen, um Teampotenziale zu heben. Das Vorgehen unseres Ansatzes ist grundsätzlich wertschätzend, weil es bereits vorhandene Schätze identifiziert und nutzbar macht. Gerade in Teams, in denen Unsicherheiten und bestehende Konflikte Angst schüren vor dem subjektiven Versagen vor sich selbst und anderen, kann dieser Ansatz den Teammitgliedern Mut machen. Diese Sichtweise leitet uns durch das gesamte Buch. Jedem Konzept, jedem Werkzeug und auch jedem Interview ist ein Ansatz gemein: Eine positive, wertschätzende Herangehensweise mit dem Blick auf Ressourcen und Potenziale statt auf Fehlendes oder allgemein nur Probleme.
Wir brauchen eine echte, auf gegenseitigem Respekt und Wertschätzung basierende, interdisziplinäre Teamarbeit, in der Verantwortung und Gestaltungsfreiheit Hand in Hand gehen. Folgende Merkmale in Teams verstehen wir als Basis dafür, dass echte Zusammenarbeit entstehen kann: (1) gegenseitiger Respekt, (2) die Möglichkeit für alle Teammitglieder sich zu äußern, (3) eine Führungskraft, die ihren Teammitgliedern vertraut, aber gleichzeitig auch in Krisen bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und den Teammitgliedern so Sicherheit und Freiheit gibt, und (4) ein Team, das an seine Arbeit glaubt. Statt nur auf kurzfristige Kosten und Profite zu schauen, sollen langfristige Perspektiven gefördert werden.
In der Recherche der verschiedenen Definitionen von Teamentwicklung wird deutlich, dass sich diese mit ihren Anlässen verändert. Die Welt befindet sich in einem immer schnelleren und permanenten Wandel. Die digitale Revolution bringt durch die Automatisierung und die Digitalisierung von Geschäftsmodellen viele Neuerungen oder gar disruptive Umbrüche in der Arbeitswelt. Zur Beschreibung dieses Phänomens wird in der Literatur häufig das Akronym VUKA verwendet. Es steht für Volatilität (Unbeständigkeit), Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit). Unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen müssen Organisationen in der heutigen Zeit agieren. Diese Merkmale beschreiben die Moderne mit etlichen, sich überlappenden Umwelt-, Gesundheits- und Wirtschaftskrisen sehr gut: Es werden parallel immer neue Wirtschaftszweige geschaffen, es gibt neue Zahlungsmittel mit stark schwankenden Kursen und auch die Wissenschaft wird immer schneller bei der Lösung unmittelbar auftretender Probleme wie dem COVID-19-Virus.
Dabei besteht die Notwendigkeit, die organisationale Lernfähigkeit und Anpassungsfähigkeit zu verbessern. Dies kann wiederum im Rahmen einer positiven Adaptierung von VUKA gelingen. Diesmal steht das Akronym für Vision, Understanding (Verstehen), Klarheit und Agilität. Wie die folgende Abbildung zeigt, geben Kontext und Geschichte Orientierung in der neuen VUKA-Welt (Sydow, 2018). Mitarbeitende können Energie aus Erfahrungen und gegebenen Bedingungen schöpfen.
Was heißt das konkret für das vorliegende Buch über wertschätzende Teamentwicklung? Wir übernehmen Verantwortung und brauchen Vertrauen für die gemeinsame Arbeit in und an der Organisation.
Gerade bei komplexen Herausforderungen stehen Teams vor der Wahl: Arbeiten sie weiter an den Inhalten, um diese voranzutreiben, oder an ihrer Organisation, um die Arbeit möglicherweise besser und schneller zu erledigen? Hierbei sollten beide Extreme vermieden werden: Das sture Weiterarbeiten trotz möglicherweise besserer Herangehensweisen oder aber auch ein zeitraubendes und wenig effektives „Beschäftigen mit sich selbst”. Ersteres wird durch den auf der folgenden Seite abgebildeten Cartoon dargestellt.
Daher sollte immer im individuellen Team geschaut werden: Brauchen wir überhaupt, was gerade vorgeschlagen wurde? Hilft uns das bei unserer täglichen Arbeit? Unser Buch unterstützt die Entscheidungsfindung mit Reflexionsfragen und einem bunten Strauß an Verbesserungsvorschlägen. So kann jedes Team individuell entscheiden, was es wirklich braucht, um erfolgreich und gesund zusammenzuarbeiten.
Das Buch ist in verschiedene Teile gegliedert: Konzepte, Tools (Werkzeuge) und ein Blick in neue Teamformate.
Zunächst werden elf zentrale Konzepte vorgestellt, die für eine wertschätzende Teamentwicklung eine wichtige Rolle spielen. Jedes Konzeptkapitel endet mit Reflexionsfragen, die uns dabei helfen, die zentralen Aussagen des vorangegangenen Textes in die Teamarbeit zu integrieren.
Weiterhin kommen in Form von Interviews zu jedem Thema Experten und Expertinnen sowie Praktikerinnen und Praktiker zu Wort.
Im Kapitel „Tools“ zeigen wir euch unsere Lieblingswerkzeuge im praktischen Einsatz entlang des fünfstufigen Prozesses einer wertschätzenden Teamentwicklung. Wir bedienen uns dabei an den Phasen von Appreciative Inquiry: Define, Discover, Dream, Design und Deliver. Es werden phasenspezifisch Werkzeuge als Workshop-Formate vorgestellt, welche konkret zu der (Weiter-)Entwicklung des Teams beitragen.
Die Define-Phase stellt den Anfangspunkt unseres Veränderungszyklus dar, an dem wir uns fragen, worauf wir uns im Entwicklungsprozess fokussieren wollen: Wo drückt bei uns im Team der Schuh?
Die Discover-Phase soll zeigen, über welche Ressourcen wir bereits verfügen und welche Stärken im Team zusammenkommen: Was bringen wir auf die Entwicklungsreise mit?
In der Dream-Phase träumen wir von dem, was sein kann. Ziel ist es hier, einen idealen Zustand zu erdenken, den wir als Team gemeinsam anstreben können: Was ist unsere Teamvision?
Die Design-Phase bringt die Discover- und Dream-Phase zusammen. Es wird aufgezeigt, was wir bereits im Team an Potenzialen besitzen und wie sie mit unserer Vision zusammenpassen: Was ist auf dem Weg zu unserem Idealzustand bereits vorhanden?
Die Deliver-Phase unterstützt auf dem Weg vom Ist- zum Soll-Zustand: Was brauchen wir noch und welche Maßnahmen müssen wir konkret umsetzen?
Im Anschluss an die Vorstellung geeigneter Tools für die wertschätzende Teamentwicklung schlagen wir eine Brücke zum Thema Community Building. Gemeinsam reflektieren wir, inwiefern Parallelen zwischen der Teamentwicklung und dem Aufbau einer Community bestehen. Dabei beziehen wir uns auf unsere Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt „ClusterFeedback“ und skizzieren die Grundelemente für ein wertschätzendes Community Building.
In unserem Check-out bieten wir noch unsere persönlichen Reflexionen aus dem Buch und bedanken uns bei den Personen, die uns beim Entstehungsprozess unterstützt haben und nicht zuletzt bei denen, für die wir dieses Buch geschrieben haben: euch Leser:innen.
In diesem Sinne herzlichst
Reinhold, Mareike und Isabelle