«Wenn ich immer gleich eingeschnappt wäre, könnte ich keine drei Tage Bundeskanzlerin sein.»
(Angela Merkel am 16. November 2012 beim «Petersburger Dialog» in Moskau)
«Ich glaube, dass im Großen und Ganzen nichts schiefgelaufen ist.»
(Angela Merkel in der Bundespressekonferenz am 22. Juli 2021)
An einem nebligen Vormittag im November 2005 wählte der Deutsche Bundestag die Abgeordnete Angela Merkel zur ersten Kanzlerin: ein großer Schritt für das undurchsichtige Wesen aus der Uckermark, ein kleiner Schritt für das Land. Helmut Kohls Mädchen hatte es also geschafft, den abgewirtschafteten Laden von der rot-grünen Spaßguerilla zu übernehmen. Immer wenn eine Regierung abdankt, weht ein kurzer Hauch der Hoffnung durch das Land. Schlimmer kann’s ja eigentlich nicht mehr werden, flunkert sich der Bürger wider besseres Wissen selber vor. Und so begann die anscheinend niemals endende Ära Merkel für uns recht entspannt.
Für Merkel muss es die Hölle gewesen sein. Angie-Lookalikes bevölkerten die Witzesendungen des Fernsehens, jeder durchgeknallte Radiosender hatte eine lustige Kanzlerinnenserie im Programm: Merkel, das putzige Meerschweinchen; Angie: Unglücklich in Berlin. Man hat ihr die Garderobe zerpflückt, die Frisur rezensiert, und Gesichtschirurgen gaben Exklusivinterviews über die Chancen einer Mundwinkelkorrektur. Es ist ein Leben, das sich nur ein völlig bekloppter Masochist wünschen kann, dem die häuslichen Auspeitschungen nicht mehr genügen. Je länger sie Kanzlerin war, desto mehr hat sie sich deshalb in den künstlichen Kokon ihrer Parallelwelt verabschiedet. Dorthin, wo man noch glaubt, dass Politiker die Gesellschaft gestalten und IllnerWillMaischberger keine Comedysendungen sind. Sie ist wie all ihre Vorgänger wichtig, wichtig durch die Welt karjolt, aus Limousinen gestiegen, hat Nullsätze in Mikrofone gemurmelt, irgendwann die Atomkraftwerke hochgefahren und danach abgeschaltet, Flüchtlinge importiert und das eine Zitat hinterlassen, das jeder Politiker hinterlässt. «Blühende Landschaften», «Yes, we can», «Der lupenreine Demokrat» und so weiter, das ihre ist: «Wir schaffen das.» Alle vier stimmen übrigens nicht, das muss wohl so sein, damit sie haften bleiben bei den Regierten.
Und irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, wo auch sie zur Regierungsendzeitfigur geworden ist. Halb gemeuchelt von den lieben Parteifreunden, halb abgewählt von den launischen Untertanen. Dann stand auch sie vor ein paar Hundert Männern in Uniform. Und wir alle haben danach gedacht: Schlimmer kann’s ja jetzt eigentlich nicht mehr werden. Und wir haben uns genauso getäuscht wie immer. Doch vorerst geht’s zurück.
Noch spät in der Nacht am Tag x plus 1 ihres Wahlsieges saß Angela Merkel allein in ihrem privaten Arbeitszimmer und schraubte sich eine Flasche Uckermärker Nacktarsch hinter die Brüstung, ihren Lieblingsstachelbeerwein. Wie immer genoss sie diese seltenen Minuten der absoluten Intimität. In ihrem Bunker hatte sich Angela Merkel eine geheime Kommandozentrale eingerichtet. An den Wänden hingen Bilder aller Kabinettsmitglieder und einiger anderer wichtiger deutscher Politiker. Gerade hatte sie mit einem acht Millimeter breiten Faserschreiber das Foto von Kristina Schröder durchgeixt. Jetzt blickte sie in die hündischen Augen von Thomas de Maizière, warf den Edding-Stift von der Linken in die Rechte, verhoffte kurz, um dann doch mit energischem Strich ein großes Kreuz durchs hugenottische Antlitz zu fetzen. «Wen noch?», hätte ein Beobachter jetzt in dem ihren gelesen. Just wollte sie sich mit tintengetränktem Filz auf Peter Altmaier stürzen, da blieb sie an der feixenden Visage vom Pofalla hängen. Es brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis der Filzkegel des Stiftes so tief ins fotografierte Fleisch des Pofalla eindrang, dass darunter die hohle Pappe sichtbar wurde. Befriedigt steckte Angela Merkel die schwarze Kappe zurück auf ihr filzenes Schwert. Schon leicht angetrunken vom sauren Stachelbeertropfen aus Templin blieb ihr schweifender Blick an einem kantigen Frontsoldatenschädel hängen. «Werrsssumdeufelisdasdenn», murmelte die Wahlsiegerin. «IsdernichvonneSsseEsU?» Da hatte die strahlende Alleinherrscherin über Mitteleuropa und die angeschlossenen Vasallenstaaten richtig geraten, denn es handelte sich um Verkehrsminister Peter Ramsauer. «Warum sehen diese ganzen CSU-Schranzen eigentlich alle so aus», dachte die angeflutete Regentin, «warum sehen die alle so aus, als ob das Atomkraftwerk Gundremmingen seit zwei Generationen leckt?» Was soll’s, die ostzonale Siegesgöttin entsicherte den Faserschreiber und fegte über die bajuwarische Fratze hinweg – unter Mitnahme des danebenhängenden Innenministers Friedrich, an den sie sich auch nicht mehr erinnerte. So ging es noch weiter im Privatissimum der güldenen Kanzlerin bis vier Uhr in der Früh. Als sie schließlich zwei Stunden später aus unruhigem Schlaf aufschreckte, lag neben der alles überragenden Wahlsiegerin ein durchgeixtes Bild von ihr selber. Leichenblass wankte Angela Merkel hinaus in einen noch jungen Tag in Deutschland.
Freitagnachmittag an Bord eines Linienflugs der Iberia von Madrid nach Buenos Aires. Die Maschine hatte einen prominenten Gast. Hinter einem hastig herbeigeschafften Vorhang kauerte, leise vor sich hin fluchend, Passagier Nummer 324: Merkel, Andrea. Auf Anraten ihrer Personenschützer reiste sie unter falschem Namen, um das Sicherheitsrisiko für die anderen Passagiere zu minimieren. IM «Andrea» kochte vor Wut, schon die zweite Panne von Uschis Flugbereitschaft in kurzer Zeit. Als man neulich im Luftwaffen-Airbus Nagetiere gefunden hatte und der Scholzomat nicht aus Indonesien abfliegen konnte, hatte sie noch gescherzt: «Freu dich, Olaf, alles nicht so schlimm mit deiner SPD, die Ratten verlassen ja noch nicht das sinkende Schiff, harrharr.» Doch jetzt saß sie selbst hier mit dem Pöbel zusammen in der Holzklasse und durfte Brötchen aus Pappe wegmümmeln. Das würde UvdL ihr büßen, wenn die nicht sowieso selbst hinter dieser Panne stand. Das Flintenweib aus Burgdorf hatte es immer noch nicht verwunden, dass nicht sie, sondern Annegret, die Krampe aus dem Saarland, ihre Nachfolgerin werden würde. «Na warte, Frollein», murmelte Merkel vor sich hin, «dir werde ich in den letzten Jahren, die mir im Kanzleramt noch bleiben, den Wehretat zusammenstreichen, dass du damit nicht mal mehr das Moor in Meppen in Brand setzen kannst.»
Was für eine Blamage, die deutsche Bundeskanzlerin, Stimme der freien Welt, kommt verspätet mit einem Touristenbomber zum G20-Gipfel. Da sind ja die Naziverbrecher 1946 komfortabler nach Argentinien gereist. Und wenn sich wenigstens die verdammten Islamisten zu einem Anschlag bekannt hätten. Sonst kommt zu jedem Silvesterböller ein Bekennerschreiben, aber nichts … wenn man sie EINMAL braucht. Merkel schäumte mittlerweile vor Wut und mochte sich den Imageschaden für die gesamte deutsche Exportwirtschaft gar nicht vorstellen. Und erst die demütigenden Witze, die sie sich nach der Landung würde anhören müssen. Besonders von Putin, der die dann sogar laut auf Deutsch erzählen würde, damit Altmaier sie auch verstand. Altmaier? Wo war Altmaier? Der hatte sich auf dem Flughafen in Madrid doch nur eben einen Serrano-Schinken holen wollen für den Flug. Trotzdem würde Putin seine Witze reißen. Einen hat er ihr neulich schon erzählt: «Wenn du ein rot-weißes Flugzeug am Himmel siehst, ist es die Tupolew von Wladimir Putin, wenn du gar nichts siehst, dann ist das die Luftwaffe.» Sehr witzig. Allmählich fing Merkel an, ihren Job zu hassen. Vorbei die Zeiten, als sie noch auf dem Titelblatt vom «Forbes»-Magazin stand, jetzt saß sie neben einem Reporter der «Superillu». Dieser ganze G20-Quatsch hing ihr meterweise aus dem Hals raus, es würde wohl ihr letzter sein, und sie war nicht mal auf dem gemeinsamen Foto.
Die Iberia-Maschine begann mit dem Anflug auf Buenos Aires, Merkel blickte aus dem Fenster. Hier lag bis vor wenigen Jahren noch das Wrack des deutschen Panzerschiffes Admiral Graf Spee in der Mündung des Rio de la Plata. «Nicht unsere Stadt, dieses Buenos Aires», dachte Angela Merkel, «besser, man bleibt mit dem Arsch zu Hause. Verdammt, wo ist der überhaupt, in Madrid hab ich ihn noch gesehen.» Sie musste nachher unbedingt die Stewardess fragen, ob sie einen dicken Mann mit einem Serrano-Schinken aus Versehen in den Frachtraum gesteckt hatte.
Bei ihrer letzten Vereidigung als deutsche Kanzlerin stand Angela Merkel da wie ihr eigenes Abbild aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett: Frisur, Blazer, Raute – alles wie immer! Doch schon jetzt war ihr klar, dass mit DER Truppe kein Staat zu machen war, einige von denen sah sie überhaupt zum ersten Mal: «Die Blonde mit dem Fielmann-Face, kommt die von den Sozen?» Doch da fiel es Merkel wieder ein: «Anja Karliczek, CDU, Forschung und Gedöns. Sechs blonde Frauen im Kabinett, da ist der Zickenkrieg ja schon vorhersehbar. Zu allem gibt es bei den Besetzungen eine Quote: Frau, Ossi, Landesverband, links, rechts, jung, alt, aber niemand hat an die Haarfarbe gedacht. Und nun ist die Kacke am Dampfen, bis auf die Sozen-Barley alle blond, sogar Seehofer. Wenn das die Muslime mitkriegen, gibt’s Ärger.»
Angela Merkel verlor sich in Gedanken und wollte gerade sagen: «Ich nehm noch ’ne Karte», da fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass das hier nicht Siebzehnundvier war, sondern die Vereidigung zur Bundeskanzlerin. Ihr Zögern war allerdings nicht unbemerkt geblieben: Jens Spahn schickte ein wölfisches Grinsen zu Ursula von der Leyen hinüber. Planten die beiden schon jetzt ihren Sturz? Merkel wusste, dass man von ihr verlangte, nach maximal zwei Jahren einen Nachfolger aufzubauen. Warum dachten eigentlich alle, sie habe Interesse am Aufbau eines kompetenten Nachfolgers? Je beschissener, umso besser, desto größer würde ihr Stern am Firmament der Geschichte strahlen. Und «beschissen», das kriegte die Partei auch ohne ihre Hilfe hin, da war sich Merkel ganz sicher.
Sie blickte wieder zu den neuen Gesichtern in ihrem Kabinett hinüber. Wer war noch mal der Dicke mit dem vollen schwarzen Haar, irgendwo hatte sie den schon mal gesehen. Der Pate zwei oder bei den Sopranos, an sich auch egal, Merkel hielt es für eine Verschwendung, sich die Namen von SPD-Ministern zu merken. Der eine mit den Haaren im Gesicht, wollte der nicht sogar drei Tage lang Außenminister werden? Und wo war er jetzt, abgetaucht. Zwei GroKos mit der SPD hatten sie gelehrt, diese Typen einfach zu ignorieren. Sollten sie doch ihre albernen Programmpunkte durchsetzen, wen interessierte es, aber wer blieb immer Kanzler? Warum grinste die Klöckner eigentlich andauernd. Merkel bereute schon, sie ins Kabinett geholt zu haben. «Demokratie ist, wenn alle vier Jahre gewählt wird und Angela Merkel danach immer Bundeskanzler ist.» Wer hatte diesen klugen Spruch noch mal geprägt, überlegte die größte Bundeskanzlerin aller Zeiten, war es Jürgen Habermas oder Lothar Matthäus? Wie dem auch sei, das tat dem Wahrheitsanspruch keinen Abbruch.
Julia Klöckner grinste noch immer wie ein Honigkuchenpferd, dem es gerade Black Beauty besorgt hatte. Nahm die Drogen, oder grinsten die da unten alle so in der Pfalz? Der Uckermärkerin war dieses Verhalten äußerst suspekt. «Hoffentlich wird diese stinklangweilige Vereidigung bald vorbei sein», dachte Angela Merkel, war doch eh immer dasselbe: den Nutzen des deutschen Volkes mehren, Schaden von ihm abhalten, pipapo, brüh im Lichte dieses Glückes, deutsches Heimatland. Zum ersten Mal an diesem Tag musste die neue Bundeskanzlerin lächeln, doch dann hatte sie sich selbst in die Realität zurückgeholt. Nur noch dreieinhalb Jahre bis zur nächsten Wahl, scheiß doch der Hund auf diese Zwischen-GroKo hier, und von wegen einen Nachfolger aufbauen. Erst im Jahre 2021 würde Angela Merkel den alten Saumagen aus Oggersheim überholt haben, und nur darauf kam es an. Krampi hatte auch schon den Wahlkampfslogan 2021 testen lassen: «Merkel». Sonst nichts, nur «Merkel» – kam total super an, der Slogan, da war alles drin. So, und nun würde Angela Merkel, die endlich zu Ende vereidigte Bundeskanzlerin, zu Julia Klöckner herübergehen und sie fragen, warum sie die ganze Zeit so dämlich grinste.
Kaum ein anderer Begriff wird so mit der Ära Merkel verbunden. Er passt allerdings eher in den Wortschatz eines Autokraten wie Orbán oder Putin, denn eine Alternative – sei sie auch noch so schlecht – gibt es außer zum Tod immer. Die Alternative hat es nicht leicht in Deutschland, dauernd muss sie unter ihrem falschen Plural leiden, dann wurde sie erst zur grünen Liste und jetzt am absoluten Tiefpunkt zu einer für Deutschland. Da bin ich dann auch für «alternativlos».
Paragraph 1b des Grundgesetzes lautet: Die Würde der Bundeskanzlerin ist unantastbar. Wir schreiben das Jahr 2018, Ihro Obsoleszenz hatte gerade ihren Rücktritt angekündigt, da wurden die ersten Rufe nach einer Zugabe zu den vier Akten laut. Vieles sprach dafür, Merkel selbst dagegen. Wohl mächtigster Beweggrund für den Ruf nach Verlängerung war der erbärmliche Zustand ihrer möglichen Nachfolger, um nicht gleich Usurpatoren zu sagen, wenn man an jene aus der Union dachte. Markus Antonius Söder hatte sich am Hofe beliebt gemacht und strich der Königin um die Beine. Dem Volk gab er den Cäsaren, der, in Bayern unbesiegt, auch dem Reich ein herausragender Anführer wäre. Und ein Volk, stets auf der Suche nach einem Leithammel, applaudierte ihm. Das Würstchen aus Düsseldorf dagegen wurde am Hofe nicht mal mehr vorgelassen. Der Rest der Bewerber war längst Geschichte, von ganz fern winkte ab und zu noch Annekramp-Karrengret in die Kamera. Vonseiten der seit Jahren ruhmlosen deutschen Sozialdemokratie war wie immer nichts zu erwarten. Das Beste, was man von Ratz und Rübe, den beiden Vorsitzenden, sagen konnte, war, dass sie in der Bevölkerung weitgehend unbekannt waren. Olaf Scholz und Hubi Heil waren Mitarbeiter von Merkel, und an ihren besten Tagen vergaß man, dass sie nebenbei auch noch in der SPD waren. Bei den Grünen war Habecks Komet schon wieder hinterm Horizont verschwunden, stattdessen plagte man sich mit einem Tübinger Ersatz-Sarrazin herum, hatte in Stuttgart einen alten weißen Mann in der Staatskanzlei sitzen und war zur Fahrstuhlpartei der Liga geworden.
Wenn die Personaldecke dünn ist, besinnt man sich aufs Altbewährte, und wer verkörperte diese Eigenschaft besser als Angela, die Alternativlose. Warum sollte sie auch nicht noch ein paar Jahrzehnte länger das Traumschiff MS Deutschland durch schwierige Fahrwasser steuern. Im Vergleich zu Trump oder gar Joe Biden war sie noch ein junges Huhn mit ihren damals gerade mal fünfundsechzig Lenzen auf der Uhr. In dem Alter war Konrad Adenauer noch nicht mal geboren. Nun konnte sie natürlich nicht, um das Gesicht zu wahren, einfach weitermachen. Der Plan daher: Ihren eigenen Medwedew, den Helge Braun, für eine Runde in den Berliner Kreml schicken, irgendwo in Europa oder bei der Uno überwintern und 2025 erholt und putzmunter zu uns nach Deutschland zurückkommen.
Fünf Uhr früh im Kanzleramt, Angela Merkel war spät dran heute Morgen, ein kleiner Schluck aus der Essigpulle machte sie fit für den neuen Arbeitstag. Gleich war die Mittwochsrunde, in der sich ihre letzten Vertrauten zum Frühstück trafen, es gab wie immer Konsum-Brot nach Bäcker Süpke mit Nudossi. Seit sechzig Jahren ernährte sich Angela Merkel von nichts anderem, nur wenn sie gut gelaunt war, brachte sie ein paar Tüten Wurzener Käsebällchen mit in die Runde. Doch heute war sie gelaunt wie nach einer Wurzelbehandlung durch Horst Seehofer, denn ein paar von den Knalltüten hatten sich zu offensichtlich gefreut bei ihrer Rücktrittsrede. Dafür würden sie büßen.
Den Anfang würde die Blutkanzlerin mit AKK machen: sie so lange ignorieren, bis sie weinte. Alle in der Partei glaubten ja, dass sie sich insgeheim Krampi als Nachfolgerin wünschte. Lachhaft! Eine lispelnde katholische Saarländerin mit einem Nachnamen wie aus einem englischen Nazifilm, «Kramp-Karrenbauer, zu Befehl», da holte der Zaziki doch sofort wieder seine Hakenkreuzfahnen ausm Schrank. Krampi hatte sie nur aus Saarland-Herzegowina zu sich in die Muttischanze geholt, damit die Daumenlutscher aus der Partei glaubten, ihr läge was an ihrer Nachfolge. WAS FÜR EINE NACHFOLGE! Wer sollte denn wohl in ihre Fußstapfen treten? Sie würde das Kanzleramt nur mit den Füßen nach vorne verlassen, wenn überhaupt. Vielleicht würde sie sich auch dort einbalsamieren lassen in zwanzig, dreißig Jahren, und Bewunderer aus aller Welt könnten sie ausgestopft im roten Sakko am Tisch sitzen sehen. Um sie herum würden als Plastinate Horst Seehofer, Friedrich Merz und Wolfgang Bosbach knien.
Nein, Krampi war nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver, genau wie die GroKo, dieser von langer Hand geplante Vernichtungskrieg gegen die SPD. Merkels letzte große Aufgabe würde sein, die Nachfolgeanwärter gegeneinander aufzuhetzen, bis das Blut spritzte. Jens Spahn war schon politisch tot, er wusste es nur noch nicht, letztlich scheiterte er an seinem eigenen Ehrgeiz. Eher würde Kevin Kühnert seinen Mofaführerschein bestehen, als dass man dieses aufmüpfige andersrumme Früchtchen zum CDU-Vorsitzenden wählte. Und wo hielt sich eigentlich Flinten-Uschi versteckt? Merkel musste lachen: Ein Militärputsch wäre ja wohl mit ihrer Blechbüchsenarmee nicht zu erwarten.
Doch genug geträumt, nun galt es, Gottes Plan – also ihren –, die ewige Kanzlerschaft, in die Tat umzusetzen. Angela Merkel wählte eine sechsundzwanzigstellige Nummer, und sofort meldete sich der Kreml: «Sdrastwuite, Wladimir, Gerd Fritzowitsch hat mir deine Nummer gegeben, hör zu, schick mir bitte mal die App mit der Wahlmanipulationssoftware, ich glaube, 2021 wählen mich die Germanski nicht mehr freiwillig zur Kanzlerin. Übrigens noch mal vielen Dank für Bayern und Hessen, aus den Landesverbänden muckt jetzt keiner mehr auf.»
Mit sich und der Welt zufrieden, beendete die Stählerne Kanzlerin das Gespräch und freute sich auf den ersten politischen Toten des Tages. Sie hatte sich für Friedrich Merz entschieden. Der aber ahnte noch nichts.
Die Nacht fiel bereits über Berlin-Mitte, doch droben im Mausoleum der Macht brannte noch Licht. Die Bundeskanzlerin hatte zu später Stunde die Entscheidungsträger der CDU einberufen, eigentlich nur sich selbst, aber es war immer gut, ein paar Sündenböcke und Claqueure in greifbarer Nähe zu haben. Einziges Thema: Bekanntgabe der neuen Nachfolgerin durch die Amtsinhaberin, nachdem die Püttlingerin so schmählich abgeschmiert war. Infolge reiflicher Überlegung und Abwägung aller Argumente war Ihro Kanzlerschaft zu der Überzeugung gelangt, dass dafür nur eine Person infrage komme. «Wir haben entschieden», hob die regierende Endmoräne an, «dass wir noch eine Legislatur draufsatteln.» Eisiges Schweigen stand wie gestockte Kartoffelsuppe im Raum. «Dann bin ich ja fast siebzig», ging es dem Sauerländer durch den Kopf. «Noch sechs weitere Jahre NRW, und ich häng mich auf», murmelte Armin Laschet leise vor sich hin. Nur der Organbanker Spahn grinste wie eine frisch beschälte Eselsstute: «Supi, Mutti, dann nehm ich bis dahin meine Elternzeit für mich selbst.»
Wenn Blicke nicht nur töten, sondern auch pulverisieren könnten, wäre der Spahn jetzt zu einem solchen zusammengeschnurrt. «Hat noch jemand Fragen», simulierte Merkel sodann eine ergebnisoffene Diskussion. Doch die Anwesenden waren noch zu sehr geschockt und gingen im Geiste alle Möglichkeiten durch, wie man die offensichtlich orientierungslose Herrscherin loswerden könne. Später in der Currywurstbude, als sich die Überrumpelten zu einer Nachbesprechung trafen, machte Fritze Merz den Vorschlag, bei Merkels nächster Auslandsreise die Schlösser vom Kanzleramt auszutauschen. Er kenne da jemanden in Iserlohn, der mache das fürn Fuffi schwarz aufe Kralle. Ein müdes Lächeln Laschets quittierte den Merz’schen Redebeitrag, ja, den kenne er auch, aber fürn Fuffi arbeite der schon lange nicht mehr. «Verdammter Mist, was dann?» Spahn brachte Gauland ins Spiel, ob man den nicht überreden solle, bei der Kanzlerwahl für Merkel zu stimmen, dann sei sie verbrannt. «Und was sollen wir dem dafür bieten?», stichelte Merz, «Schlesien? Oder gleich Böhmen und Mähren als Protektorat?»
Und so ging es hin und her, doch zu einem Ergebnis gelangte die Runde nicht. Droben in ihrem Horst entkorkte die Kanzlerin selbstzufrieden die zweite Flasche Uckermärker Nacktarsch und griff zum roten Fernsprechendgerät: «Nabnd Wladimir, wir sehen uns noch ein paar Jahre.»
Irgendwann haben wir uns gefragt: Was will Angela Merkel eigentlich alles noch erreichen in ihrem politischen Leben? Länger regieren als Konrad Adenauer? Abgehakt! Länger CDU-Vorsitzende bleiben als Helmut Kohl? Jetzt wissen wir’s: Sie wollte die letzte CDU-Kanzlerin aller Zeiten sein. Mutti macht das Licht aus, das war die historische Mission der geheimnisvollen Uckermärkerin. Erst hat sie den Christenverein so dicht an die SPD rangeschmissen, dass den Spezialdemokraten die Luft wegblieb. Schlappe fünfundzwanzig Prozent verbuchte seinerzeit der Scherzengel Gabriel noch auf seiner Resterampe, mittlerweile ein Traumergebnis der SPD. Der Ökopartei raubte sie durch Atomausstieg und Energiewende die Rolle als grünes Gewissen der Nation. Als Letzte auf dem Speiseplan der gefräßigen Gottesanbeterin stand nur noch die eigene Partei. Der Coup vom 5. September 2015, das Öffnen der Grenze für über eine Million Migranten, gab dem konservativen Kern der CDU den Rest.
Das Ziel schien irgendwann erreicht. Die Verheißung: Moses Mutti führt den zukunftsfähigen Teil der Partei durch das seichte Rote Meer hin zum gelobten Land, in dem Biomilch und kalt geschleuderter Honig fließen. Angela Merkel wird dank hunderttausend neuer Mitglieder die erste Bundeskanzlerin der Grünen. Die CDU wird aufgelöst, die Jungs und Madeln vom rechten Rand fegt irgendwann der Söder zusammen und formt daraus eine bundesweite CSU. Die große Strategin Dr. Angela Merkel hätte ihre Mission erfüllt, und aus der Tiefe einstelliger Prozentzahlen schaute ein völlig düpierter Olaf Scholz auf das Ergebnis. Wie wir heute wissen, wurde daraus erst mal gar nichts.
Die Geschichte wird einst ihr Urteil über Angela Merkel fällen, und es wäre verwunderlich, stimmte es mit den Umfragewerten während ihrer aktiven Zeit überein. Eins lässt sich allerdings jetzt schon sagen: Wie sie die beiden Kampfhähne Laschet und Söder gegeneinander aufgehetzt hat, verdient allerhöchsten Respekt. Nur so konnte sie ihrem Ziel näher kommen, denn in Annalena Baerbock sah Merkel sich selbst als junge Ministerin und damit die einzig geeignete Nachfolgerin. Eine Frau härter als UvdL, nicht katholisch wie AKK und vor allem nicht so ein Mädchen wie Armin Laschet.
Nun ist es nicht ganz so einfach, ein Mitglied der Grünen als heimliche Kanzlerkandidatin der CDU zu etablieren. Deshalb spielte die schwarze Mamba aus der Uckermark über Bande. Zum einen mussten alle infrage kommenden Kandidaten der eigenen Partei ausgemerzt werden. Das war der Erste. Danach fiel AKK der eigenen Machtlosigkeit zum Opfer, Little Norbert Röttgen war schon als Kollateralschaden dahingeschieden. Verblieb an sich nur noch Armin aus Aachen, angeblicher Nachfahre von Karl dem Großen, wobei bei Laschi eher die Gene von Karls Vater Pippin, dem Jüngelchen, durchgeschossen sind. Zu aller Überraschung fiel Laschi die Kanzlerkandidatur aber nicht in den Schoß, sondern aus dem finsteren Frankenwald entstieg ein Monster der eigenen Asche, mit der er nie selbst sein Haupt bedecken würde. Egozentrisch, niederträchtig und verschlagen – mithin ein CSU-Häuptling, wie er im Buche steht – erschien Mark Antonius Söder auf der Bühne. Das Volk jubelte ihm zu, und täglich wuchsen ihm neue Umfragerekorde zwischen den Hörnern.
Die Union hätte allen Grund zur Freude gehabt, wäre die Kanzlerkandidatur nicht schon dem netten kleinen Laschi versprochen gewesen. Große Politiker und erst recht -innen zeichnen sich dadurch aus, dass sie wissen, wann ihre Chance gekommen ist – und Mutti, die Mamba, wäre die Letzte gewesen, die sie nicht zu ergreifen gewusst hätte. In einer furiosen Inszenierung von Parteibeschlüssen, Unterschriftenaktionen und Schmutzeleien hetzte sie die beiden Kämpen gegeneinander – so geschickt, dass ihre Urheberschaft nie zutage trat: «Mein Name ist Mutti, ich halt mich da raus.» Es war ihr nie wichtig, ob Söder oder Laschet Annalena Baerbock den Weg bereiten, der Rasen, auf dem der Kampf stattfand, war so oder so zertreten. Die Union wurde ein Schatten ihrer selbst, Merkel brauchte sie nicht mehr. Gemocht hat sie den Verein der doofen Wessi-Stinker ohnehin nicht. Damals schien es noch so, als würden die Grünen am 26. September aus der Bundestagswahl als die stärkste Partei hervorgehen. In dem Falle wäre Annalena Bauerbock die Kanzlerin einer grün-schwarzen oder auch schwarz-grünen Koalition geworden, und Mutti hätte die Union besenrein verlassen. Am Ende war Annalena jedoch nicht Muttis Nenntöchterchen, sondern Habecks Mädchen. Der ließ sie am langen Arm seiner Loyalität verhungern, und aus war’s mit dem grünen Durchmarsch durch die Wahlprognosen. Robert Habecks Plan aber ist aufgegangen.
Der Preis für die Macht ist der würdelose Abschied. In der Demokratie wird man zwar nicht erschossen wie Nicolae Ceaușescu – übrigens zu Recht –, dennoch gibt kaum einer freiwillig oder erhobenen Hauptes das Zepter ab. Willy Brandt stürzte über den DDR-Spion Guillaume, Helmut Kohl wurde von seinem Mädchen Angela hinterrücks gestürzt. Gerhard Schröder zerfaselte seine Wahlniederlage in der Talkshow. Nach sechzehn Jahren Regierung durch eine uckermärkische Wanderdüne dachte ein jeder, wenn es mal so weit ist, faltet sie still und in Würde ihre dreihundert Sakkos zusammen und reitet auf dem Rücken Helge Brauns in den Sonnenuntergang. Was sollte schon passieren. Die Finanzkrise hatte sie abgewettert, den Flüchtlingsstrom gebändigt und ihre Partei in einen Haufen zahnloser Mümmelgreise verwandelt. Merkel suhlte sich im Schleim ihrer Freier und wusste, dass ihr Stern umso heller erstrahlte, je länger einer von ihnen ihr Erbe zu Tode ritt. Drum war es ihr auch völlig gleichgültig, wer ihr nachfolgte. Alles schien gar wunderbar zu laufen, selbst die vermaledeite Seuche konnte ihrem Ruhm nichts anhaben, ja mehrte ihn anfangs sogar. Unvorstellbar erschien es daher ihren Untertanen, dass sie – die gottgleiche Kanzlerin – dereinst nicht mehr die Geschicke ihres Volkes lenken würde. Oh Graus, das Land würde in Elend und Chaos versinken. Doch ein zorniger Gott erkannte die Hybris der Pastorentochter im irdischen Merkeloneum und sandte Chaos und Elend bereits in ihren letzten Tagen als Kanzlerin herab. Wie einst Nero mit der Lyra hockte die scheidende Kaiserin in ihrem Horst und blickte auf die lichterloh brennende CDU herab. Nun war das Werk vollendet: Partei im Arsch, Laschet im Arsch, alles im Arsch. Horrido und amen.
Und als die alles Überstrahlende auch körperlich das Amt verließ, war der Nachruhm schon längst hinfort. So ist es mit der Macht: Wird sie bis zur Neige ausgekostet, will der Teufel am Schluss die Seele.
Ist die Gruppe noch so klein, einer muss der Laschet sein – oder allgemein formuliert: Einer ist immer der Hanswurst. Bei der vorletzten Bundestagswahl war es der traurige Clown aus Würselen, davor Mr. Stinkefinger Peer Steinbrück. Und wer erinnert sich noch an den radebrechenden Edmund Stoiber, der 2002 von Gerhard Schröder die Eselsmütze aufgesetzt bekam und prompt die Wahl verlor? 2005 versuchte Schröder es noch mal mit der despektierlich gemeinten Bezeichnung «Der Professor aus Heidelberg» für Paul Kirchhof, den Merkel als Finanzminister vorgesehen hatte. Mit der Verächtlichmachung von akademischer Bildung lässt sich im Land der Bekloppten und Bescheuerten fast immer punkten. Diesmal allerdings nicht, Schröder verlor die Wahl, Kirchhof trotz allem seinen guten Ruf.
Bei Armin Laschet war es nicht von Anfang an klar, dass er die Witzfigur der Wahl werden würde, schließlich hatte er gerade den beliebteren Söder besiegt, daraus hätte durchaus eine David-gegen-Goliath-Erzählung werden können. Wurde es aber nicht, denn das eherne Gesetz jeder Wahl verlangt nun mal nach der Rolle des Kaspers. Annalena Baerbock kam trotz ihrer Trotteligkeit für die Rolle nicht infrage wegen altmännlichem Kavaliersgehabe. Der Scholzomat hätte als Pflaumenaugust auch eine glaubwürdige Figur abgegeben. Abgemeiert von einer Hinterbänklerin, einem CD-Käufer aus NRW und dem schnöseligen Kevin: Allein das bot Stoff genug, um ihn als Hampelmann zu outen. Doch Scholz hatte nicht nur Glück, sondern auch Fortune. Als er sah, wie Laschet zwischen lauter Fettnäpfchen einen Riesenslalom hinlegte, erkannte der Scholz seine Chance und stellte sich tot. Vom Rand des Haifischbeckens konnte er seither seelenruhig zusehen, wie sich der Laschet abstrampelte und nach Luft schnappte. Nichts und niemand konnte ihn mehr retten. Je mehr er strampelte, desto erschöpfter wirkte er.
Der Politzirkus fordert seine Menschenopfer: Scharping, Platzeck, Nahles, Schulz und als jüngstes Armin Laschet.
Brexit. Was sonst! Die Briten sind hoffnungslose Romantiker, haben sie doch tatsächlich das Volk – mit anderen Worten: die Doofen – über die Zukunft des Landes abstimmen lassen. Warum haben sie nicht ein Ferkel über die Euro-Flagge laufen lassen – wenn’s draufkackt: Brexit! Das hätte Großbritannien wenigstens die über Monate nervenden Kampagnen erspart. Demokratie: Ist ja alles schön und gut, aber man kann’s auch wirklich übertreiben. Wir Deutschen sind da gebrannte Kinder: Bei den Reichstagswahlen 1932 wurde die NSDAP durch das wählende Volk zur stärksten Fraktion, schönen Dank auch. Hier bei uns käme heute keiner – außer den Grünen natürlich – auf den bekloppten Gedanken, die Furztruppen des Unterschichtsfernsehens bei wichtigen Fragen auf Einwurfweite an eine Wahlurne heranzulassen. Gut, bei Bundes- und Landtagswahlen oder verwandten Folklore-Events der Bürgerbeteiligung lässt man die Dumpfbacken etwas von der Kette, und sie dürfen irgendwo ein Kreuzchen machen. Wo, ist im Grunde schnurzpiepe, aber doch nicht, wenn’s um die Wurst geht! Etwas immerhin hat uns die Nazizeit gelehrt: ein gesundes Misstrauen gegenüber der zweibeinigen Biomasse im Geltungsbereich des Grundumsatzes. Die sind zu allem fähig: Einführung der Todesstrafe, gesonderte Autokennzeichen für Muslime, hundertzwanzig Prozent Vermögenssteuer, Abschaffung der Schwerkraft an Sonn- und Feiertagen – denk dir irgendwas aus, und bei den Wesen mit den geistigen Flachbildschirmen unterm Scheitel bildet sich sofort eine Meinung, und die wird dir nicht gefallen.
Es erscheint also durchaus sinnvoll, für den Souverän – bruharhara – ein paar harmlose Futterstellen einzurichten, an denen Mann und Maus ihren Hunger nach Mitbestimmung stillen können: Shitstorm-Foren für die Allerblödesten unter ihnen, Meinungsumfragen, die nach einmaligem Lesen in den Abfall wandern, Unterschriftensammlungen gegen ohnehin nie geplante Bahnstrecken, Autobahnen oder Stromleitungen. Mit etwas Phantasie hält man den Besatz bei Laune, und wenn die Empörtesten unter ihnen nach dreißig Jahren endlich Gorleben verhindert haben – das eh keiner bauen wollte, weil der Atommüll einfach da liegen bleibt, wo er anfällt, hihihi –, hat man dreißig Jahre lang den plebiszitären Trieb der Untertanen gebunden.
Doch zurück ins Land der eingewickelten Fische: Deren Fressfeinde haben mit satten einundfünfzig Komma irgendwas Prozent dafür gestimmt, dass die Briten fürderhin inkontinent durchs Leben schreiten. Somit haben sie sich selbst verschuldet in den eigenen Schlüpfer geschissen – und David Cameron beißt sich in den eigenen Arsch. Wie dämlich kann man eigentlich sein als Politiker.
Alles, was es über die Briten zu sagen gibt, hat schon Obelix in einem Satz zusammengefasst. Dennoch überraschen uns die seltsamen Inselmenschen immer wieder aufs Neue mit ihren Kapriolen. Wie auch bei ihrem brexitären Rumgezicke. Über Monate war nicht klar, wie sie’s gerne hätten: knallhart oder soft raus aus der EU. Halb schwanger wurde noch nie jemand, und halb besoffen ist weggeschmissenes Geld. Ob ihr nun den harten oder nur den halb eregierten Brexit wolltet, dachten in der Rest-EU die allermeisten: Schmeißt sie endlich raus! Vor allem zu ihrem eigenen Besten. Wenn die Global-Britain-Illusionisten nicht am eigenen Leibe erfahren, dass sie nur ein eitriger Wurmfortsatz des Kontinents sind – ohne den der sehr wohl weiterleben kann –, werden sie es nicht begreifen. IHR DÄMLICHEN ERBSENMOMPE-FRESSER SEID KEINE WELTMACHT MEHR. Bitte sprecht mir nach: Wir sind scheiße, wir sind scheiße. Sorry! We are shit. We have a very small cock. Danke, das reicht. Ihr müsst einfach mal ein paar Jahre auf eurer Nieselregen-Ausbringfläche zur Besinnung kommen, damit ihr begreift, in welcher Liga ihr spielt. Eure Auto-Ikonen gehören VW, BMW oder – noch lustiger – Tata aus Indien, die Beatles sind zur Hälfte tot, der Nachwuchs-Regent hat bereits seinen Siebzigsten gefeiert und ist mit einem Rottweiler verheiratet. Wann habt ihr das letzte Mal einen Arsch in der Hose gehabt? Als ihr eine winzige Möwendreck-Insel im Südatlantik verteidigt habt? Lachhaft! Den Krieg hätte sogar Krampis Blechbüchsenarmee gewonnen. Dem Chinesen habt ihr eure Kronkolonie Hongkong mit allem Inventar auf dem Silbertablett geschenkt, und in ein paar Jahren wird sich der schwachmatische Spanier Gibraltar unter den Nagel reißen. Blickt den Tatsachen ins Auge: Euer letzter Erfolg war die Verteidigung der Insel gegen die Nazis. Dafür kam siebzig Jahre später der deutsche Weihnachtsmarkt, auch nicht schön. Das Einzige, was euch noch bleibt, ist, die blutverschmierten Moneten aller Drecksäcke der Welt in der Londoner City zu verwalten, da zieht sogar der korrupte Schweizer seinen Hut vor so viel Skrupellosigkeit. Und haben sie es euch gedankt? Nein, die Drecksäcke haben eure Fußballvereine aufgekauft und in zynische Söldnertruppen verwandelt, sie haben ganz London unterhöhlt und überbaut, damit jeder beschissene Oligarch, jeder Saudi-Prinz und jedes Säureattentat-Arschloch einen eigenen Swimmingpool im Keller hat. Engelland ist abgebrannt, sogar eure eigene zwangsverheiratete Schwester in Schottland kann euch nicht ausstehen. Träumt weiter von der Wiederkehr des Empire in anderer Gestalt. Stimmt meinetwegen auch noch mal ab über den Austritt aus der EU, aber dann möchte ich auch abstimmen, ob wir euch überhaupt noch wollen. Ansonsten stellt euch hinten an, wenn ihr wieder in die EU wollt, hinter Serbien, Moldawien, Transnistrien und Nagorno-Karabach. Bye-bye, Britain. Und merkt euch: Ein totes Pferd wird nicht geritten.
Irgendwann hatte es auch die alte Legehenne Theresa May erwischt. Das Brexit-Chaos in Her Majesty’s Own Fucking Empire ging in die nächste Runde.
Der völlig durchgeknallte Brite nabelte sich vom Kontinent ab und glaubte tatsächlich, am anderen Morgen als Weltmacht wieder aufzuwachen. Macht Gurkensandwichfressen eigentlich blöd? Wisst ihr nicht mehr, wie der Zweite Weltkrieg ausgegangen ist? Der Zweitplatzierte hatte danach ein Wirtschaftswunder, und bei euch laufen die Lokusrohre noch immer außen an der Hauswand runter. Macht ja nichts, wenn sie zufrieren, scheißen eben alle in den Sherwood Forest. Wisst ihr eigentlich, dass Fußballergebnisse nicht in das Bruttoinlandsprodukt einfließen? War nur ’ne Frage. Okay, ihr habt dreihundert Jahre lang andere Kontinente ausgemolken wie eine runzelige Ziegentitte, aber glaubt ihr tatsächlich, die lassen sich das heute noch gefallen? Denkt doch mal nach, wenn ihr auf dem Klo «Rule Britannia» pfeift, wie der Chinese das findet, wenn ihr ihm Opium verkaufen wollt, damit er wieder aus Hongkong verschwindet. Um es kurz und schmerzlos zu sagen: Global Britain, das wird nix mehr. Das wird eher Local England und Free Republic of Scotland. Es gab damals noch Hoffnung, und die nannte sich Brexit-Aufschub. In einem zweiten Referendum hätte man den britischen Wählern zum Beispiel folgende Frage gestellt: «Sind Sie a) für einen Austritt des UK aus der EU, oder möchten Sie b) am Ausgang eine Flasche original Christkindl-Glühwein aus Deutschland entgegennehmen?» Mit dem Ergebnis wären gleich mehrere Fragen beantwortet worden. Erstens: Wie wichtig ist den Wählern der Brexit tatsächlich? Sogar wichtiger, als einen Abend lang hackebreit in der Doppelhaushälfte abzuhängen? Zweitens: Wie hoch ist die Akzeptanz von deutschem Glühwein auf dem britischen Markt?
Hätte sich wider Erwarten auch diesmal eine Mehrheit für den Austritt aus der EU entschieden, wäre es tatsächlich zum harten Brexit gekommen, und der hätte Folgendes bedeutet: Einige Regionen in Deutschland wären davon überhaupt nicht betroffen gewesen, weil die eh nix nach England exportiert haben. Sie haben keine Industrie, kein Internet, es ist eine einzige demographische Wandelhalle mit topfitten Untoten auf E-Bikes, und schon bist du immun gegen politische Verwerfungen – von Sachsen-Anhalt lernen heißt siegen lernen. Wäre dann der harte Brexit zwangsläufig gekommen, wäre eine Massenflucht von der Insel gefolgt, weil viele alltägliche Dinge nicht mehr funktioniert hätten. Man hatte zum Beispiel überhaupt nicht aufm Zettel, dass fünfundneunzig Prozent des Toilettenpapiers aus Deutschland importiert wurden, es gibt im Englischen überhaupt kein Wort für «dreilagig». Great Britain hätte also buchstäblich in der eigenen Scheiße gesteckt, und Tausende wären zu Fuß durch den Eurotunnel geflohen und von da weiter Richtung Deutschland. So weit unten, dass er bei den Froschwämsern um Asyl gebeten hätte, so weit unten wäre der Brite dann aber doch noch nicht gewesen.
Deutschland hätte die Neuankömmlinge mit offenen Armen aufgenommen, die Briten hätten sich so geschmeidig integrieren lassen wie der Fisch in die Morgenzeitung. Deutschland wäre aufgeblüht wie zuletzt, als die Vertriebenen aus Schlesien den Eingeborenen das Essen mit Messer und Gabel beigebracht haben. Vechta wäre das neue Oxford geworden, und Jürgen Klopp hätte Hannover 96 in der Zweiten Bundesliga trainiert. Deutschland hätte wieder mal gesiegt in der Niederlage – leider hat die Geschichte keinen Humor, und es kam anders.
Ursprünglich «Buzzword-Bingo», das Jonglieren mit nichtssagenden Allgemeinplätzen und Schlagwörtern, kurz: das tägliche Brot eines Politikers. Mit Bullenscheiße hat es nichts zu tun, eher mit dem französischen «boul» für Täuschung. Auf Deutsch käme «Humbug-Halma» recht nahe.
Nicht mal die älteste parlamentarische Demokratie ist davor gefeit, einem Scharlatan auf den Leim zu gehen, Boris Johnson, dem Erfinder von «bullshit politics». Die größte Schwäche der Demokratie ist ja gerade ihr Wesen, nämlich dem Volk eine Stimme zu geben. Das mag in vergangenen Jahrhunderten eine pfiffige Idee gewesen sein, als verblödete Blaublütler ihr Willkürregime über das ausgebeutete Volk ausübten. Heute, da Murdoch, Fratzenbuch und Konsorten dem Volk sagen, was es zu denken hat, sollte man bei Plebisziten äußerst vorsichtig sein. Die Erbsünde der Brexit-Abstimmung musste irgendwann einen Volkstribun wie Boris nach oben spülen. Ihm ist einfach alles vollkommen schnurz, Fakten gibt es nicht, was gestern beschlossen wurde, ist heute obsolet, und alle andern sind Idioten. Dummerweise steht der Pöbel auf große Fressen wie Boris, Orbán oder Bolsonaro. Drum ist es nur gerecht, wenn jene, die ihn gewählt haben, auch unter seiner Politik zugrunde gehen. Nicht schade drum. Nur die Anglophilen aller Länder werden nie wieder staubige Walkers Crackers mümmeln, nie mehr bei der Night of the Proms «Rule Britannia» mitgrölen oder mit dem Harris-Tweed-Sakko im 90-Inch-Landy durch Ostwestfalen kurven … nie wieder, ohne dran zu denken, dass dieses Great Britain nun endgültig untergegangen ist und sich vorerst in ein Ungarn light verwandelt hat. Doch, Boris Johnson, bedenke, was die Londoner mit Guy Fawkes gemacht haben.
Im November 2013 trafen sich am Rande einer Tagung in Brüssel die Unterzeichner der Römischen Verträge von 1957. Das war das Gründungsjahr des heute EU genannten Staatenbundes. Es trafen sich die Vertreter der Länder Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande und der Bundesrepublik Deutschland. Diesmal ging es über die reine Beziehungspflege hinaus, die sechs beschlossen den Geheimplan GREXIT ZWANZIGFÜNFZEHN. Längst war ihnen klar geworden, dass sich die EU auf ihre Rumpfmitglieder zurückziehen müsste, um zumindest deren Wohlstand zu retten. An den Rändern strebten selbst solch absurde Staatengebilde wie Serbien oder Moldawien in die Gemeinschaft, die Bevölkerung der Ukraine sehnte sich nach Dämmschutzverordnung und Staubsaugerleistungsbeschränkung. Immerhin war es dem ehemaligen Außenminister Westerwelle gelungen, Putin so weit zu reizen, dass an eine ukrainische Mitgliedschaft nicht mehr zu denken war. Aber wie würde man die Länder entsorgen können, die bereits EU-Mitglieder waren? Dummerweise kann laut Satzung ein Mitglied nur auf eigenen Wunsch austreten. Diesem Umstand war der Geheimplan Grexit 2015 zu verdanken. Ziel war die Vergrämung des Landes mittels Regierungs- oder Volksentscheid. Als Pilotprojekt wurde deshalb Griechenland ausgewählt, weil es einerseits über eine komplett desaströse und korrupte Staatsbürokratie verfügte, andererseits über eine leicht zu erzürnende Bevölkerung – außerdem kannte der deutsche Vertreter zwei Schauspieler, die glaubhaft einen Ministerpräsidenten und dessen Finanzminister darstellen konnten. Beide sollten durch aberwitzige Versprechungen das Volk locken, Brüssel auf die Nerven gehen, die Milliardäre dazu ermutigen, ihr Geld abzuziehen, und insgesamt einen so üblen Eindruck hinterlassen, dass einfach alle die Schnauze voll hätten, wenn sie nur das Wort «Griechenland» hören. Das Beste an dem Plan war aber: Gleich, welches Ergebnis das Projekt hervorbrachte, ob Rausschmiss aus der Eurozone oder den Einsatz eines Verwesers für das EU-Protektorat Hellas, schon auf kurze Sicht wäre man durch Vox populi den griechischen Patienten los, und die Darsteller der Rollen Tsipras und Varoufakis wanderten zum Dank in das EU-Zeugenschutzprogramm. Der Plan wäre fast gelungen, doch dann kamen die Flüchtlinge, und das kranke alte Weib westlich des Bosporus wurde noch gebraucht.