The Gatekeepers

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Der 4. November 1995 war der Tag, an dem sich mein Leben von Grund auf verändert hat. Seit jener schrecklichen Nacht, in der Ministerpräsident Jitzchak Rabin von einem jüdischen Attentäter ermordet wurde, begleitet mich ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit, was die Möglichkeit angeht, im Staat Israel jemals eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu schaffen. Schimon Schewes, Rabins Vertrauter und Bürochef, hat dieses Gefühl damals treffend auf den Punkt gebracht: »Mein Staat ist mir verloren gegangen«, sagte er, und das Echo seiner Worte hallt in mir bis heute nach. Vielleicht flackerte ein Hoffnungsfunke auf, als Ehud Barak zum Ministerpräsidenten gewählt wurde und den »Anbruch eines neuen Tages« ankündigte, doch auch dieses Fünkchen erlosch ziemlich rasch.

Die meisten Leute in meiner näheren Umgebung sind seither in Fatalismus verfallen und haben sich mit unserer misslichen existenziellen Situation abgefunden. Ständige Kampfbereitschaft scheint bis auf Weiteres unser Schicksal zu sein, verbunden mit dem erstickenden Gefühl, in einer Sackgasse gelandet zu sein. »Eine Hand am Abzug und eine Hand am Pflug«, formulierten es die Väter des Zionismus, und nach dieser Maxime werden wir hier noch auf unabsehbare Zeit leben müssen. Ganze Schichten der israelischen Gesellschaft haben die Hoffnung, der israelisch-palästinensische Konflikt könne jemals gelöst werden, aufgegeben. Wir haben uns an den hohen Preis, den die israelische Gesellschaft für das Leben auf der Schneide des Schwertes zu zahlen hat, so sehr gewöhnt, dass wir ihn schon fast nicht mehr bemerken. Die Aussichtslosigkeit und der Wunsch, zu verstehen, wie wir in diese Lage geraten sind, haben mich veranlasst, den Dokumentarfilm zu drehen, der im Original den Titel »Die Wächter der Schwelle« (engl. »Gatekeepers«) trägt.

Ein weiterer Anstoß zu meinem Film »Die Wächter der Schwelle« war ein Gespräch, das ich für einen anderen Film führte: »Scharon«. In diesem Film wollte ich anhand von Interviews mit Personen aus dem innersten Kreis des damaligen Ministerpräsidenten Arik Scharon ergründen, was ihn zu der Entscheidung gebracht hatte, die Siedlungen im Gazastreifen zu räumen. Was hatte den ›Vater der Siedlungen‹ veranlasst, 17 Siedlungen im Gazastreifen und vier weitere im Westjordanland, deren Errichtung er selbst in die Wege geleitet hatte, zu evakuieren?

Dov Weissglas, Scharons Bürochef von 2003 bis 2006, erklärte mir: »Die Genfer Friedensinitiative für den Nahen Osten aus dem Jahr 2003 legte ein politisches Programm vor, das nicht auf dem Versiegen des Terrors als Vorbedingung bestand. Die Tatsache, dass ein solches Programm von 40 Prozent der Bevölkerung unterstützt wurde, bereitete Ariel Sorgen. Er sah darin ein Zeichen der Schwäche, der Müdigkeit und einer großen Sehnsucht nach einem Abkommen, die er nicht mehr ignorieren durfte. Schauen Sie mal, sagte er mir, so viele Menschen sind zum Verzicht auf das bereit, was in unseren Augen das Basisaxiom darstellt; sie sind bereit, auf den Grundsatz zu verzichten, dass es keine politische Vereinbarung geben kann, solange der

Ich weiß noch gut, dass aufgrund der Worte von Weissglas die Idee Gestalt annahm, alle ehemaligen Schin-Bet-Chefs zu interviewen und anhand ihrer Geschichte auch die Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts seit 1967 zu erzählen.

Die Chefs des Schin Bet selbst fragten mich mehr als einmal, warum ich gerade sie ausgewählt hätte. Die Antwort lautet ganz einfach: Weil der israelisch-palästinensische Konflikt ihr Spezialgebiet ist. Der innere Geheimdienst kennt sich hier besser aus als jede andere israelische Institution. Und seine Chefs spielten eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des modernen Nahen Ostens. Sie waren immer in das rätselhafte Geschehen verstrickt, kannten alle Geheimnisse, standen dem Ministerpräsidenten zur Seite. Sie gingen an der Spitze ihrer Leute gegen den Terror und gegen die inneren und äußeren Bedrohungen der israelischen Demokratie vor. Ihre Meinungen und Einschätzungen beeinflussten die Politik der Regierung im Westjordanland und im Gazastreifen. Sie entschieden nicht selten über Leben und Tod.

Sie waren dabei, als Israel während des Sechstagekrieges die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, Judäa und Samaria sowie den Gazastreifen im Sturm eroberte und über Nacht zu einer

Sie waren dabei, als die erste Intifada ausbrach und wir noch meinten, wir könnten ›ihnen die Knochen brechen‹. Sie durften bei der feierlichen Unterzeichnung der Oslo-Abkommen dabei sein, aber sie mussten auch miterleben, dass religiöse Nationalisten über einen amtierenden Ministerpräsidenten das ›Din-Rodef‹-Urteil verhängten und dass dieser Ministerpräsident nach einer großen Kundgebung des Friedenslagers in Tel Aviv erschossen wurde.

Sie waren dabei, als unmittelbar nach dem Ende der Friedensgespräche in Camp David, wo Ministerpräsident Barak ›alles‹ tat, um den Konflikt zu lösen und entdecken musste, dass wir ›keinen Partner‹ hatten, die zweite Intifada ausbrach. Sie waren dabei, als menschliche Bomben in israelischen Städten Hunderte von Menschen töteten, als Verhörspezialisten des Schin Bet Verdächtige, die als ›tickende Bomben‹ definiert wurden, folterten. Sie waren dabei, als die Hamas die Herrschaft im Gazastreifen antrat und das Gebiet in ›eine Vertretung des Iran nur zehn Kilometer von Aschkelon entfernt‹ verwandelte. Sie waren dabei, als unsere Armee – zum wievielten Mal? – versuchte‚ ›sich ins palästinensische Bewusstsein einzubrennen‹. Und sie waren immer dann dabei, wenn Hubschrauber zu einer weiteren ›gezielten Tötung‹ im Gazastreifen abhoben.

Sie waren überall dort dabei, und sie sind auch hier und heute dabei, um zu bezeugen, dass es keinerlei Anzeichen gibt für eine Verbesserung der Sicherheitslage, die unser Leben bestimmt hat und die es weiterhin bestimmen wird.

Die Interviews mit den Chefs des Schin Bet habe ich im Verlauf der Jahre 2009 und 2010 geführt. Oft bin ich gefragt worden, warum sie bereit waren zu sprechen und wie es mir gelang, sechs Schin-Bet-Chefs, fünf im Ruhestand und einen amtierenden (Juval Diskin befragte ich im Hauptquartier des Dienstes, als er noch im Amt

Um ehrlich zu sein, ich habe keinen von ihnen jemals gefragt, warum er den Interviews zugestimmt hat. Im Nachhinein glaube ich, dass sie mir Vertrauen entgegenbrachten als jemandem, der an ihrem Fachwissen, an ihrer Expertise interessiert war, der ihre Geschichte und ihre aufrichtige Meinung hören wollte. Aber wichtiger war wohl dieses: Sie müssen weit vor mir gespürt haben, dass das Fenster der Gelegenheit, den Konflikt zu lösen, im Begriff ist, sich zu schließen.

Die Reise begann mit Ami Ajalon. Nach ihm traf ich mit allen von ihnen mehrere Male zusammen und wurde bei diesen Gesprächen auch von ihnen ins Verhör genommen. Die Treffen fanden zumeist bei ihnen zu Hause statt und erfolgten in der Reihenfolge ihrer Amtszeiten. Ich begann mit Avraham Schalom und endete mit Juval Diskin. Obwohl ich Dutzende von Fragen vorbereitet hatte, kam es vor der Kamera meist zu offenen Gesprächen. Ich wollte in erster Linie verstehen. Dass die Chefs dieser wichtigen Organisation mir die Möglichkeit gaben, sie nach ihrer Sicht der dramatischsten Augenblicke in den letzten Jahrzehnten der israelischen Geschichte zu befragen, empfand ich als wahren Glücksfall.

Nach den meisten Interviews fiel mir das Einschlafen schwer. Ich hatte nur zu gut verstanden, eine wie ausgesprochen geschickte Führerschaft wir brauchen, um die komplexen Herausforderungen zu bestehen, mit denen Israel stündlich und täglich konfrontiert ist, und wie groß der Unterschied ist zwischen einer Regierung, wie man sie sich wünschen würde, und den Regierungen, die wir tatsächlich hatten und haben.

Im Laufe der Interviews waren die Schin-Bet-Chefs nicht selten mit schmerzhaften Fragen konfrontiert, die sie zwangen, sich mit der Vergangenheit und den schlimmsten Irrtümern in ihrer Laufbahn auseinanderzusetzen. Ein Teil von ihnen hat während des Dienstes schwere Wunden davongetragen und einen hohen Preis bezahlt. Ihre Gesichter sind gezeichnet.

Vieles, was ich zu hören bekam, ließ mich verstummen. Oft konnte ich kaum glauben, was mir hier offenbart wurde. Als zum

Oder als Karmi Gilon mir in seiner entwaffnenden Direktheit gestand, dass seine Frau Cherry nach dem Mord an Rabin, für den Karmi als Schin-Bet-Chef die ganze Schuld des Scheiterns auf sich nahm, in erster Linie damit beschäftigt war, ihn am Leben zu erhalten.

Mir klappte der Kiefer herunter, als Avi Dichter beschrieb, dass das mit einem Handy ausgeführte berühmte Attentat auf Jahija Ajasch, den ›Ingenieur‹ der Hamas, beim ersten Versuch scheiterte, dann aber beim wiederholten Versuch eine Woche später gelang. Und ich war tief betroffen, als Juval Diskin (noch im Amt) mir verriet, wie er sich nach einer gezielten Tötung, wie genau und sauber sie auch immer ausgeführt wurde, von der seelischen Belastung erholt.

Nachdem der Film herausgekommen war, wurde ich des Öfteren gefragt, was das Schlimmste sei, das ich während der Interviews mit den Chefs des Schin Bet gehört hätte. Die Antwort fiel mir leicht. Das Schlimmste war das Wissen um die vielen Gelegenheiten, die sich geboten hatten, die Wirklichkeit in der Region zu verändern, und die verpasst worden waren – meistens wegen der Kurzsichtigkeit der Politiker, die lieber ihren eigenen flüchtigen kleinen parteipolitischen Vorteil suchen, anstatt eine bessere Strategie für die Zukunft zu schaffen, und die sich daran anknüpfende Einsicht, wie viele Tausend Tote, Verletzte und trauernde Familien diese Torheit beide Seiten gekostet hat.

In ihrem Buch »Die Torheit der Regierenden« (1984) gibt Barbara Tuchman einen Überblick über Entscheidungen der Regierenden, die nicht wiedergutzumachenden Schaden über die von ihnen regierten Gesellschaften gebracht haben. Im Vorwort zu ihrem Buch stellt sie fest:

»Die gesamte Geschichte, unabhängig von Ort und Zeit, durchzieht das Phänomen, dass Regierungen und Regierende eine Politik betreiben, die den eigenen Interessen zuwiderläuft. In der

In der Folge zählt Tuchman vier Arten des Scheiterns von Regierungen auf. In ihrem Buch nimmt sie die vierte Art unter die Lupe: »Torheit oder Starrsinn. … ein politisches Handeln, das dem Eigeninteresse des jeweiligen Staates und seiner Bürger zuwiderläuft. Im Eigeninteresse liegt all das, was dem Staatskörper zum Wohlergehen und zum Vorteil gereicht; von Torheit sprechen wir angesichts einer Politik, die hieran gemessen kontraproduktiv ist.«

Wie alle Schin-Bet-Chefs einhellig betonten, trägt die andere, die palästinensische Seite, milde gesagt, nicht weniger Verantwortung für den tragischen Zustand beider Völker als die israelische. Der Film »Die Wächter der Schwelle« ermöglicht es uns, den Israelis, uns von innen und von außen zu sehen und klar zu erkennen, wo wir standen, wo wir zurzeit stehen und wohin wir mit geschlossenen Augen abdriften.

Nach der Rede des amerikanischen Präsidenten Obama im ›Binjanei ha-Uma‹ in Jerusalem im März 2013 rief mich Ami Ajalon an und fragte, ob ich den Teil gehört hätte, in dem Obama die Jugend aufforderte, sich zu engagieren und über die Köpfe der führenden Politiker hinweg etwas zu tun. Ajalon erinnerte mich daran, dass

»Nur Sie können festlegen, welche Art von Demokratie Sie haben werden. Aber wenn Sie diese Entscheidungen treffen, dann sollten Sie daran denken, dass Sie nicht nur die zukünftigen Beziehungen zu den Palästinensern festlegen, Sie legen damit auch Israels Zukunft fest. Wie bereits Ariel Scharon sagte: ›Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, einen jüdischen demokratischen Staat zu haben und gleichzeitig ganz Erez Israel zu kontrollieren. Wenn wir darauf bestehen, diesen Traum voll und ganz zu erfüllen, dann laufen wir Gefahr, alles zu verlieren.‹ Oder nehmen wir eine andere Perspektive ein und denken wir an das, was David Grossman kurz nachdem er seinen Sohn verloren hatte, sagte, als er von der Notwendigkeit des Friedens sprach: ›Einem unvermeidbaren Frieden muss man sich mit der gleichen Entschlossenheit und Kreativität nähern wie einem unvermeidbaren Krieg.‹

Bevor ich hierher kam, habe ich mich mit einer Gruppe von Palästinensern im Alter von 15 bis 22 Jahren getroffen. Beim Gespräch mit ihnen stellte ich fest, dass sie nicht anders sind als meine Töchter oder als Ihre Töchter und Söhne. Ich glaube wirklich, dass israelische Eltern, die mit diesen Jugendlichen zusammengesessen hätten, gesagt hätten, ich möchte, dass diese Kinder es zu etwas bringen, dass sie Erfolg haben werden und die gleichen Chancen wie unsere Kinder. Die Israelis müssen einsehen, dass die Fortsetzung der Siedlungstätigkeit dem Frieden im Wege steht. Ein unabhängiges Palästina muss innerhalb endgültiger Grenzen lebensfähig sein. Ich habe Grundsätze die Gebiete und die Sicherheit betreffend vorgelegt, von denen ich glaube, dass sie das Fundament für die Gespräche bilden können. Doch lassen wir die Pläne und die Verhandlungen beiseite. Ich bitte Sie stattdessen, einmal darüber nachzudenken, wie eine Vertrauensbasis zwischen den beiden Völkern geschaffen werden kann.

Vor vier Jahren stand ich in Kairo vor einer Zuhörerschaft von jungen Leuten. Politisch und religiös mögen sie Welten entfernt sein, doch wenn es um die Dinge geht, die sie sich wünschen, dann sind sie nicht

Das ist der Punkt, an dem der Frieden beginnt; nicht nur in den Plänen der Politiker, sondern in den Herzen der Menschen. Nicht in einem sorgfältig orchestrierten Prozess, sondern in den täglichen Kontakten derer, die in diesem Land und in dieser heiligen Stadt Jerusalem zusammenleben. Als Politiker, der ich bin, kann ich Ihnen eins versichern: Politiker gehen keine Risiken ein, wenn das Volk es nicht von ihnen verlangt. Sie selbst müssen die Veränderung herstellen, die Sie sich wünschen. Ich weiß, dass das möglich ist.«

Ami Ajalon hatte mir in jenem Interview gesagt: »Wenn ich mich mit jungen Leuten treffe, und das geschieht häufig, dann erzähle ich ihnen meist das Folgende: Ich wurde im Jordantal geboren, und ich verlebte eine wunderbare Kindheit. Ich wusste stets, dass in Jerusalem ein großes Haus steht und dass sich im zweiten Stock dieses Hauses am Ende eines langen Ganges eine Tür befindet und dass hinter dieser Tür ein weiser alter Mann sitzt, der Entscheidungen trifft. Er ist wichtig. Meine Eltern nannten ihn ›den Alten‹. Viele Jahre später, nach dem Jom-Kippur-Krieg, kam ich selbst nach Jerusalem, ging in jenem großen Gebäude in den zweiten Stock hinauf und sah, dass es am Ende des langen Ganges keine Tür gibt, und dass hinter der nicht vorhandenen Tür niemand sitzt und für mich denkt. Die Frage ist nun, was wir damit anfangen. Ich muss gestehen, dass bei mir etwas geschah, das ich im Nachhinein als sehr positiv bewerte. Plötzlich verstand ich, dass, wenn dort niemand sitzt, mir eine doppelte und dreifache Verantwortung auferlegt ist. Ich kenne die Schwächen der Führungskräfte, und ich kenne ebenfalls die Unfähigkeit, Vorgänge anzuschieben, auch wenn man weiß, dass sie notwendig sind. Wir haben eine Aufgabe. Wir müssen jeden Morgen aufstehen in dem Wissen, dass wir fähig sind, etwas zu verändern, dass wir über die Mittel verfügen, etwas zu verändern, und dass wir in Zeiten der Krise sogar die Verpflichtung haben, etwas zu verändern. Diese Einsicht

Während des Telefonats mit Ami Ajalon kam auch mir eine Erkenntnis. Im Verlauf der langwierigen Arbeit an meinem Film »Die Wächter der Schwelle« hatte sich das Gefühl der Vergeblichkeit verstärkt; es erschien unmöglich, dass wir hier jemals ein normales menschenwürdiges Leben führen können. Ich hatte mehr als tausend Stunden Archivmaterial gesichtet, das den israelisch-palästinensischen Konflikt über die Jahre hinweg dokumentiert. Wieder und wieder zogen an mir die Gesichter junger israelischer Soldaten in Uniformen vorbei, die durch die Kasbas der Ortschaften im Westjordanland und in Gaza patrouillierten. 1967 waren das Schwarz-Weiß-Aufnahmen; heute zeigen farbige Digitalfilme die jungen Männer in den gleichen Uniformen an fast denselben Orten. Es sind die Enkel der Jungen von damals, die die Arbeit der Besatzung fortsetzen.

Wer sich diese Reportagen anschaut, kommt nicht um die Einsicht herum, dass sich seit 1974, seit Beginn der Besiedlung des Westjordanlands und des Gazastreifens, die israelische Bevölkerung in zwei Lager teilt: Das eine kämpft leidenschaftlich für seinen Weg, macht sich zu jedem Zeitpunkt, an dem sein Anliegen gefährdet scheint, lautstark bemerkbar, ist bereit, jederzeit einen hohen Preis zu zahlen und nimmt sogar das Gesetz in die eigene Hand, um auf alle nur erdenkliche Art zu verhindern, was es seiner Ideologie gemäß für einen Fehler halten muss. Dies sind die Siedler und die National-Religiösen. An jedem historischen Scheideweg, an dem sie ihre Siedlungen gefährdet sahen, demonstrierten sie in den Straßen und an den Kreuzungen, engagiert und aufwieglerisch, protestierend, provozierend und Gesetze überschreitend.

Die Bevölkerungsgruppe dagegen, die noch meint, es gäbe einen anderen Weg, die Vision von zwei Staaten für zwei Völker habe noch eine Chance, bekundet dies zumeist im Fernsehsessel und auf dem Sofa im Kreis von Freunden. So haben wir uns verhalten, als

Der Philosoph Jeschajahu Leibowitz, der sich große Sorgen um die Auswirkung der Besatzung auf die israelische Gesellschaft machte, zitierte den Wiener Schriftsteller Franz Grillparzer (1791–1872), der ›den Weg der neuern Bildung‹ so beschrieb: »Der Weg der neuern Bildung geht von Humanität durch Nationalität zur Bestialität.«

»Das ist der Weg, den das deutsche Volk bis ans Ende ging, und wir haben ihn nach dem Sechstagekrieg ebenfalls betreten«, warnte Leibowitz. »Dann kam der Sechstagekrieg und der Staat Israel verwandelte sich in den Apparat brutaler jüdischer Herrschaft über ein anderes Volk. Seitdem hat unser Staat keinen anderen Zweck mehr als die Aufrechterhaltung dieser Herrschaft. Diesem Zweck werden alle Kräfte gewidmet, die materiellen als auch die geistigen: All die politischen Interessen, all die Probleme, all die Sorgen und Gedanken richten sich auf diesen Zweck. Völlig ignoriert werden dabei die Anliegen des gesamten jüdischen Volkes und der Bewohner des israelischen Staates, Fragen der Erziehung, der interreligiösen Beziehungen, sogar der öffentlichen Gesundheit, weil alle Kräfte, auch die geistigen, sich der Vision eines Großisrael verschrieben haben.«

Dabei scheint ein jeder zu wissen, wie das endgültige Abkommen zwischen den Israelis und den Palästinensern im Einzelnen, mit ein paar Nuancen in diese oder jene Richtung, aussehen wird. Die Frage ist nur, wie viele Jahre noch verstreichen und wie viele Opfer noch gebracht werden müssen, bis wir so weit sind.

Die Sätze von Ami Ajalon, die Gespräche mit den Schin-Bet-Chefs und der langwierige Arbeitsprozess für den Film und dieses

Ich betrachte das Projekt »Die Wächter der Schwelle«, dessen komplexeste Version das vorliegende Buch sein dürfte, als einen Beitrag zur Erfüllung dieser meiner Pflicht.

 

Dror Moreh, September 2013

Kapitel 1

Wien – Erst die Nazis haben mir gezeigt, dass ich Jude bin

Avraham Schalom: Es geschah an einem einzigen Tag. Ich glaube, es war der 13. März 1938. Ich war neuneinhalb Jahre alt, und die Wände meines Zimmers waren mit Landkarten gepflastert: Eisenbahnkarten, Straßenkarten, topografische Karten – das war schon damals mein Hobby. Jedes Mal, wenn die Deutschen vorrückten, schaute ich nach, woher sie kamen, warum sie kamen, wohin sie wollten. Und eines Tages gelangten ihre Truppen nach Wien. Zunächst war der Himmel voller Flugzeuge, dann marschierten Soldaten durch die Straßen. Freudige Erregung packte mich, wie das eben so ist bei einem Kind.

In der Nacht nach der Ankunft der Deutschen kam unser Dienstmädchen, das normalerweise bei uns schlief, nicht nach Hause. Als es am nächsten Morgen auftauchte, erklärte es: »Ich habe mich verlobt.« Mama fragte: »Mit wem?« Das Mädchen antwortete: »Mit einem deutschen Flieger.« Um die Wiener einzuschüchtern, hatte die deutsche Luftwaffe zunächst Dutzende Flugzeuge geschickt. Später feierten die Soldaten in den Kneipen der Stadt, und einer hat unserem Mädchen gefallen. Schließlich kam er zu uns, den Juden, und hielt um ihre Hand an. »Bitte schön, du kannst sie haben«, sagten wir, und sie bedankte sich und reiste tags darauf nach Deutschland. Nicht ihre Eltern hat sie gefragt, sondern uns – das klingt seltsam, aber so waren damals die Verhältnisse.

Wir wohnten in der Wiener Innenstadt, und mein Vater war Teilhaber einer Textilfabrik in Deutschland. Meine Eltern interessierten sich weder für Politik noch für Religion. Daher hatte ich noch nie Hebräisch gehört und wusste nicht einmal, dass man Hebräisch

Als Hitler nach dem Einmarsch der Deutschen seine berühmte Wiener Rede hielt, in der er die Vereinigung Österreichs mit Deutschland beschwor, saß ich mit Freunden auf der Terrasse ebenjenes Hotels. Was er sagte, war nicht genial, aber verrückt genug, um alle in Aufruhr zu versetzen. Ich saß da, und oben auf dem Balkon redete Hitler, und die brüllende Masse schwang Fähnchen und streckte die Arme in die Höhe. Aber für ein Kind hatte sein Auftritt nichts Historisches. Als ich nach Hause kam und Mama davon erzählte, fragte sie verwundert: »Du hast Hitler gesehen? Hattest du keine Angst? Was hast du an solch einem Ort zu suchen?« Anfangs taten die Deutschen den Juden noch nichts – im Gegensatz zu den Österreichern, die plötzlich frech wurden.

Am Morgen nach der Kristallnacht schickte mich meine Mutter zur Schule. Alle Juden wussten, dass man an diesem Tag lieber zu Hause bleiben sollte. Aber Mama sagte: »Was soll der Unsinn? Selbstverständlich gehst du zum Unterricht!« Ich weiß nicht, ob sich meine Eltern wegen der deutschen Invasion Gedanken machten. Wenn ja, verbargen sie es vor mir. Meine Erziehung war durch und durch deutsch, nicht wie bei einer jiddischen Mame. Es gab Dinge, die mich nichts angingen und über die meine Eltern in meinem Beisein nicht redeten. Sie hatten Prinzipien, und aus diesem

Ich war der einzige Jude im Klassenzimmer und musste Schläge einstecken, bis mich der Lehrer aus den Fängen meiner Kameraden befreite. Ich wurde so heftig gegen einen Heizkörper geschleudert, dass ich die nächsten beiden Wochen das Bett hüten musste. Der Vater des Anführers war Polizist. Nach dem Krieg suchte ich seinen Namen im Wiener Telefonbuch. Er hieß Hubert Leitner.

Wie kommt es, dass Sie sich an den Namen erinnern?

Weil er der Gemeinste von allen war. Ein miserabler Schüler mit einem Idioten von Vater. Auch in Österreich waren Polizisten nicht die hellsten Zeitgenossen. Hubert schrie am lautesten, aber er wagte nicht zuzuschlagen. Er hetzte die anderen gegen mich auf. Als ich nach 14 Tagen wieder zu Kräften kam, ließ mich meine Mutter nicht mehr zur Schule gehen. Zu groß war ihre Angst.

Ich hatte einen Verwandten, der die Schule gerade beendete. Er war zehn Jahre älter als ich. Eines Tages war er verschwunden. Seine Mutter rief bei uns an, und Mama beruhigte sie und sagte: »Mach dir keine Sorgen.« Sechs Wochen später kam der junge Mann völlig zerschunden nach Hause. Er war grün und blau geschlagen, seine Augen waren blutunterlaufen, und er stammelte wirres Zeug – er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Was ihm in Buchenwald widerfahren war, konnte oder wollte er nicht erzählen. Zu jener Zeit wurden junge Juden ins Konzentrationslager verschleppt, doch statt sie umzubringen, schickte man sie nach einer Weile zurück, damit sie ihren Angehörigen einen Schrecken einjagten. Die Deutschen wollten, dass die Juden auswanderten, aber die Juden konnten sich nicht dazu entschließen.

Zu dieser Zeit hatte mein Vater in Deutschland zu tun. Als er es dort nicht mehr aushielt, telefonierte er mit Mama. Ich erinnere mich, das sie zu ihm sagte: »Komm nicht! Es ist nicht gut hier.« Damals begann er, sich umzuschauen, wohin er uns bringen konnte. Eines Tages hatten Polizisten vor unserer Tür gestanden und uns mitgeteilt, dass wir die Wohnung binnen 14 Tagen verlassen müssten. Wir wussten nicht, wohin wir gehen sollten. Zunächst zogen wir in eine Pension,

Was den Menschen am meisten erniedrigt, sind nicht Schläge, sondern die Verachtung, mit der man ihm überall begegnet. Beim Fleischer oder beim Arzt sahen alle auf dich herab. Wenn irgendwo eine Schlange war, musstest du jeden vorlassen. Leute, die nach dir kamen, reihten sich wie selbstverständlich vor dir ein. Es sind diese kleinen Dinge, die an einem nagen. Man sah Juden, die gezwungen wurden, den Bürgersteig oder die Straße vor ihrem Laden zu schrubben. An ihrem Schaufenster prangte die Aufschrift »Juden«. Und im Café stand: »Für Hunde und Juden ist der Zutritt verboten!« Ständig und überall warst du der Untermensch. Das erinnert mich an die Situation hier in Israel.

Es ist anders und doch gleich. Die Araber werden wie Bürger zweiter Klasse behandelt. Und ich spreche nicht von den Arabern in den besetzten Gebieten, sondern von den israelischen Arabern, einem Viertel unserer Bevölkerung! Araber in Israel zu sein, ist nicht dasselbe wie Katholik in England, obwohl beide einer Minderheit angehören. Wenn ich wählen müsste, wollte ich nicht israelischer Araber sein, ebenso wenig wie Jude in Österreich vor dem Zweiten Weltkrieg. Beides lässt sich nur schwer vergleichen, aber es gibt Gemeinsamkeiten. Und ich konnte Österreich noch verlassen, ehe die Probleme wirklich begannen …

Im März 1939 sind wir nach Italien gegangen. Währenddessen trieb mein Vater mithilfe eines Freundes in Tel Aviv Geld auf für das, was man damals »Zertifikat« nannte, also das britische Einreisevisum für Palästina. Als er im August das ersehnte Dokument erhielt, kam er nach Italien und holte uns. Unser Schiff lief in Haifa ein, als in Europa der Zweite Weltkrieg begann. Es war der erste September 1939.

Papa hatte für uns ein Zimmer in der Ben-Jehuda-Straße gemietet. Tel Aviv war wie ein fremder Kontinent. Ich verstand kein Wort, doch meine Eltern sagten: »Sprache hin oder her – erst mal gehst du zur Schule.« Sie schickten mich ins Schalwa-Gymnasium im Norden der Stadt. Es hieß, dass alle deutschen Kinder dorthin gingen. Und tatsächlich hatte ich im Schalwa-Gymnasium einige

Ich akklimatisierte mich schnell, und als meine Eltern am Ende des Krieges nach Österreich zurückkehren wollten, weigerte ich mich. Ich hatte bereits Wurzeln geschlagen und sagte: »Wenn ihr zurückgehen wollt, geht! Ich komme nicht mit.« Da sagte Mama: »Wenn er hier bleiben will, bleibe ich auch«, und Papa musste sich fügen. Es ist meine Schuld, dass er Österreich niemals wiedersah. Mein Vater sprach bis zu seinem Tod kein Hebräisch. Er konnte es weder lesen noch schreiben. Das Exil raubte ihm alle Lebenskraft. Die Leute, mit denen er sich umgab, sprachen Deutsch, und wenn er Geschäfte mit Israelis machen musste, wurde er betrogen und bemerkte es nicht einmal. Mein Vater starb aus Kummer, als er 64 Jahre alt war. Innerhalb einer Woche erlitt er fünf Herzanfälle, dann war er tot.

1946, mit 17 Jahren, ging ich zum Palmach. Vorher war ich in der Jugendbrigade Gadna gewesen, die zur Untergrundarmee Hagana gehörte. Als eine Gruppe von jungen Leuten vom Gadna zum Palmach wechselte, schloss ich mich ihnen an. Ich fühlte mich in jeder Hinsicht als Israeli. Genau wie in Wien waren die Wände meines Zimmers mit Landkarten gepflastert. Vom Gymnasium aus machten wir viele Ausflüge, und einmal ging ich zu Fuß vom Karmelgebirge im Norden bis Bet Haarava bei Sodom im Süden. Auf den Wanderungen erkundete ich meine neue Heimat. Es gefiel mir, von Dorf zu Dorf zu ziehen. So lernte ich alle Gegenden kennen, ob jüdisch oder arabisch.

Am 28. November saß ich vor dem Radio im Kibbuz Maos und hörte die Abstimmung der Vereinten Nationen über die Zukunft Palästinas. Doch in meinem Kopf regte sich nichts. Von unseren Patrouillengängen waren wir derart ausgelaugt, dass die Neuigkeiten aus New York bei uns keine Reaktion auslösten. Außerdem war der Staat noch nicht anerkannt – es handelte sich nur um einen Teilungsbeschluss.

Im Mai 1948 hatten wir Stellung auf einer Anhöhe bei Malkija im Norden bezogen. Als am 15. des Monats der Staat Israel ausgerufen wurde, beschoss uns die gesamte libanesische Armee. Für mich war das der schlimmste Tag des ganzen Krieges. Ich glaubte, nicht mehr lebend herauszukommen, denn wir hatten dreitausend Libanesen in gepanzerten Fahrzeugen nichts entgegenzusetzen. Ich selbst hatte nur einen kleinen Mörser, mit dem ich wie verrückt feuerte. Die Libanesen rückten Meter um Meter vor, und fast alle Männer meines Zuges fielen. Als ich nur noch Tote um mich herum sah, floh ich ins nächste Tal und brach erschöpft zusammen.

Zwei Wochen später erging der Befehl, die verlorene Anhöhe zurückzuerobern. Natürlich war uns wegen des übermächtigen Gegners und der Niederlage, die er uns zugefügt hatte, mulmig zumute. Aber wir waren jung und kannten keine Furcht. Und diesmal hatten wir Glück: Mit nur zwei Schüssen gelang es uns, die Araber zu vertreiben. Als wir auf der Anhöhe ankamen, war der Kaffee in den Bechern, die die Flüchtenden zurückließen, noch heiß. Wir fanden Papiere, aus denen hervorging, dass es sich nicht um Libanesen handelte. In den vergangenen Wochen waren die libanesischen

Der befehlshabende General war Jigal Allon, der spätere Außenminister Israels. Als er mit Dan Lener, dem Regimentskommandeur, den Ort unseres Triumphes besichtigte, befand ich mich zufällig in ihrer Nähe. Sie riefen mich und sagten: »He, erzähl mal, wie habt ihr das gemacht?« – »Beim ersten Mal waren es Libanesen«, erklärte ich, »aber beim zweiten Mal hatten wir Glück. Da waren es schlecht ausgebildete Palästinenser, die flüchteten, als wir das Feuer eröffneten.« Als Allon das hörte, wurde er wütend: »Was redest du? Ihr habt die libanesische Armee geschlagen!« Offenbar brachte es einem Kommandanten keinen Ruhm ein, wenn seine Soldaten einen Niemand besiegten.

Ich führte einen Trupp der Vorhut an, und wir eroberten Dorf um Dorf ohne ernsthaften Widerstand. In Bezug auf die Einwohner kann ich nur sagen: Wir ermutigten niemanden zu bleiben. Auch die Eroberung der arabischen Städte Lod und Ramla habe ich miterlebt. Wie Karawanen zogen die Menschen zu Fuß nach Ramallah, in die heutige Westbank. Ich weiß nicht, ob wir sie vertrieben haben oder ob sie von alleine gegangen sind. Doch unbestreitbar unterlief den Arabern ein strategischer Fehler, als sie ihrer Bevölkerung sagten, es würde nichts ausmachen, wenn sie das Terrain den Juden überließen; die Streitkräfte Ägyptens, Sudans und aller anderen arabischen Länder würden das verlorene Land bald zurückerobern. Mir ist keine offizielle Weisung in Erinnerung, die Araber zu vertreiben; dem Palmach wurde jedenfalls kein derartiger Befehl erteilt. Trotzdem sollen diese Dinge geschehen sein, aber das weiß ich nur vom Hörensagen.

Nach dem Ende des Unabhängigkeitskriegs suchte ich Arbeit. Nach zwei Monaten in Revivim war mir klar, dass ich zum Kibbuzleben nicht taugte. Also kehrte ich nach Tel Aviv zurück und arbeitete ein oder zwei Monate als Traktorist in einer Ölbaumplantage. Danach fuhr ich Lastwagen für einen Obstbauern und traf eines Tages Rafael Eitan, der sich nach meinen Plänen erkundigte. »Ich habe keine«, antwortete ich, und er meinte: »Hättest du Lust, für den Geheimdienst zu arbeiten?« Als ich fragte, worin meine Aufgabe

Ich konnte mir nichts darunter vorstellen, doch die Sache interessierte mich, also sagte ich Ja. Ich füllte ein Formular aus, aber danach geschah zunächst nichts. Nach drei Monaten fragte ich Rafael: »Was ist los?« Er zog Erkundigungen ein, und tags darauf brachte jemand den Vertrag und sagte: »Unterschreib hier. Morgen fängst du bei uns an.« Als ich wissen wollte, warum es so lange gedauert hatte, hieß es, ich sei in Revivim gewesen, und das sei ein Kibbuz der Achdut Haavoda. Als vertrauenswürdig gälten aber nur die Leute vom Mapai, der Arbeiterpartei. Ich begriff nicht, doch ich unterschrieb den Vertrag, und sie gaben mir eine Arbeit, die mir nicht gefiel.

Doch zunächst holte ich das Abitur nach. Beim Eintritt in den Palmach hatte ich die siebte Klasse unterbrochen. Als ich in den Dienst zurückkehrte, schickte man mich nach Galiläa, in die Gegend von Araba. Meine Aufgabe bestand darin, Informationen über uninteressante Objekte zu sammeln. Das gefiel mir natürlich nicht, und ich stellte viel Unsinn an. Schließlich schickten sie mich zu einem Offizierskurs der Streitkräfte, und als ich zurückkam, wurde ich Einsatzleiter in Jerusalem. Ich war verantwortlich für Operationen diesseits und jenseits der Waffenstillstandslinie.

Ich erinnere mich an meine erste Operation im jordanischen Ostteil der Stadt. Wir sollten uns Zugang zu Dokumenten verschaffen, sie fotografieren und wieder zurücklegen. Dazu musste man heimlich die Grenze überqueren, sich in einem Auto verstecken und so weiter. Wenn du geschnappt wurdest, brachten sie dich um oder schnitten dir die Ohren ab und schickten dich über das Mandelbaumtor, den einzigen Grenzübergang zwischen Israel und Jordanien, nach Hause. Als Verantwortlicher hatte ich die Aufgabe, die richtigen Leute für die Operation auszuwählen. Da wir einbrechen mussten, suchte ich mir einen Mann aus, der sich mit Schlössern auskannte. Außerdem brauchte ich jemanden, dem ich vertrauen konnte und der mich in schwierigen Situationen nicht im Stich ließ (Rafi Eitan), und einen dritten Mann, der im Auto an der Grenze wartete, falls etwas schiefging und wir uns schnell in Sicherheit bringen mussten.

Isser sagte: »Fahr nach Europa und mach Vorschläge, was wir gegen die arabischen Staaten unternehmen können.« Er gab mir ein halbes Jahr, um mich umzuschauen. Das war eine tolle Zeit. Ich besuchte eine Menge Länder und wählte geeignete Objekte aus. Ich spreche drei Sprachen fließend und komme in fünf oder sechs weiteren gut zurecht. So brauchte ich niemanden zu fragen. Nach sechs Monaten kehrte ich nach Israel zurück und entwickelte ein Konzept, das ich Isser vorlegte. Ich bekam das Okay, und wir begannen, Leute für den Dienst in Europa anzuwerben.