Leonie Lastella
Brausepulverherz
Roman
FISCHER E-Books
Leonie Lastella verbrachte als Teenager viele Ferien in Italien, und als sie dort auf den süßesten Typen der Welt traf, lernte sie ganz schnell Italienisch. Eine witzige Anekdote? Vielleicht. Aber eben auch das wahre Leben: denn aus dem Sommerflirt wurde schließlich die große Liebe. Der attraktive Italiener kam mit nach Deutschland, heiratete sie und gab ihr seinen Nachnamen. Daher ist der Name Leonie Lastella auch kein Pseudonym. Leonie Lastella liebt Ben&Jerrys-Eis, ihre Söhne und ihr Pferd, außerdem lacht sie viel, laut und gerne. Von sich selbst sagt sie, sie sei der ungeduldigste Mensch auf dem Planeten. Auch in Sachen Liebe.
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Für Jiara ist der Sommer die schönste Zeit des ganzen Jahres. Denn den verbringt sie immer in einem kleinen Ort an der italienischen Küste, wo sie in einer Trattoria arbeitet. Dort fühlt sich Jiara wie zu Hause, viel mehr als in ihrer Heimatstadt Hamburg.
Als sie Milo in der Trattoria trifft, hebt er ihre Welt buchstäblich aus den Angeln. Sofort beginnt es zwischen ihnen zu knistern und zu prickeln. Obwohl Jiara sich nach Kräften dagegen wehrt, lassen sie seine tiefbraunen Augen nicht mehr los. Milo dagegen hat sich geschworen, nie wieder jemanden zu nah an sich heranzulassen. Ein fast unmöglicher Vorsatz, denn er kann nicht aufhören, an Jiara zu denken. Doch Jiara hat einen Freund, der in Hamburg auf sie wartet …
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2017 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
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Covergestaltung: Favoritbüro, München unter Verwendung eines Motives von shutterstock/pavelk
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ISBN 978-3-10-403680-9
Für Lasse Noah, Linus Eliah und Louis Aaron.
Baut Luftschlösser, tanzt, als würde keiner zusehen, lebt das Leben, als gäbe es nur diesen einen Tag, und habt immer, wirklich immer den Mut, Euer Herz zu verlieren.
Es riecht nach Hefeteig, selbstgemachter Tomatensauce und frischem Basilikum. Dieser aromatische Geruch gibt mir ein Gefühl von Zuhause. Und das, obwohl jener Ort eigentlich über tausend Kilometer entfernt von hier liegen sollte.
In der Küche rumort Dario leise vor sich hin, während ich in Gedanken versunken die Gläser poliere, die wir am Abend brauchen werden – sobald die Touristen auf dem Weg vom Strand in ihre Hotels über Darios Trattoria herfallen. Später am Abend kommen dann die Einheimischen, die Darios Essen sehr schätzen und dem Restaurant ganzjährig gute Umsatzzahlen bescheren.
Jetzt, in der glühenden Hitze des frühen Nachmittags, ist die Trattoria wie ausgestorben. Nur eine vierköpfige deutsche Familie vertilgt an einem der Außentische Pizza.
An der Promenade knattert eine Vespa vorbei, und auf der Via Aurelia, der Küstenstraße, die sich von Norden bis nach Rom an den schroffen Felsen der ligurischen Küste entlangschlängelt, hört man ein fernes Hupen. Die Türen der Trattoria stehen weit offen, um die leichte Brise vom Meer hineinzulassen und den sich träge drehenden Deckenventilator zu unterstützen. Der Wind trägt das Geschrei im Wasser tobender Kinder herein. Die hochaufragenden Palmen an der Promenade schirmen den Lärm jedoch so weit ab, dass die Geräusche nicht störend sind. Vielmehr gehören sie zu meinem Soundtrack dieses Sommers in Finale Ligure, einer kleinen Küstenstadt am Mittelmeer, die meine Sommer bunt malt, seitdem mir mein Vater als Kind eröffnete, wir wären gerade zu Halbitalienern geworden, und Finale damit nun unser zweites Zuhause. Dabei entging ihm das winzige Detail, dass er durch die Heirat seiner Schwester Annegret mit Gianluca Rossi nicht automatisch zu einem Halbitaliener wurde. Mein Vater ist in etwa so italienisch wie eine Kartoffel, und das hat sich bis heute nicht geändert.
Trotzdem erzählte ich von diesem Tag an stolz, dass ich jetzt Italienerin wäre. Das Halb ließ ich weg. Wer ist schon gern etwas Halbes?
Ich glaube nicht, dass Papa damals klar war, dass ich das Ganze wörtlich nehmen würde.
Ich lernte die Sprache und konnte mich bereits nach kurzer Zeit gut verständigen. Damit blieb ich allerdings die Einzige in unserer Familie. Papa verknotete sich bei dem Versuch, Italienisch zu sprechen, regelmäßig die Zunge. Und Mama schaffte es, drei Volkshochschullehrer in den Wahnsinn zu treiben, bevor sie es aufgab, mehr als ein kalt deutsch ausgesprochenes »Bongorno« zu lernen. Das i unterschlug sie einfach und verwandelte das italienisch weiche Gi somit in ein hartes akkurates G, und mein Bruder Basti – nun, der war eben Basti. Die Urlaube in Italien waren ihm zu analog, zu retro und der Wlan-Empfang am Strand zu dürftig.
Ich hingegen liebte schon damals die Melodie der Sprache, die selbst eine Schimpftirade so weich erscheinen lässt wie eine rosa Puderzuckerwolke, und noch mehr liebe ich die Lebensweise der Menschen, die zwischen den jahrhundertealten Häusern vibriert.
Mit Tante Annegrets Tod starb Papas Hang zum Italienischen, und seit ihrer Beerdigung vor einem Jahr kehrte meine Familie Finale den Rücken und verbringt seitdem die Familienurlaube auf Sylt. Papas Erklärung hierfür ist der lange Fahrweg und das furchtbar heiße Wetter, aber ich weiß, dass er sich in Wahrheit nicht an seine Schwester erinnern will. Es tut ihm zu sehr weh, die Vergangenheit zu sehen. Ich hingegen erinnere mich gern.
Mein Onkel Gianluca zog kurz nach dem Tod seiner Frau zurück zu seiner Familie nach Brugherio. Ein graues Städtchen, das als platt gewalzter Ausläufer Mailands zwischen Bahngleisen und Autobahnen liegt. Es fällt mir schwer, mir Gianluca inmitten dieser Tristesse vorzustellen. Noch immer sehe ich ihn Arm in Arm mit meinem Vater singend in einer der Bars der Piazza. Die Erinnerungen vermischen sich mit dem Geruch aus der Küche zu einem wehmütigen Gefühl.
Ich bin längst keine Mangiapatate mehr, eine Kartoffelesserin, wie die Italiener uns Deutsche liebevoll nennen. Nicht einmal zur Hälfte. Ich gehöre hierher. Weswegen es mir nur natürlich vorkommt, meine Semesterferien wie jedes Jahr seit dem Beginn meiner wenig erfolgreichen Studienkarriere genau an diesem Ort zu verbringen. Wenn ich mein Studienfach tatsächlich schon wieder wechseln sollte, wie es mir mein Bauchgefühl sagt, werde ich selbst in zehn Jahren noch in den muffigen Hörsälen der Hamburger Uni herumsitzen. Da kann ich wenigstens das Geld für mein studentisches Rumgeeiere hier verdienen anstatt im schmuddelig nasskalten Wetter Hamburgs.
Außerdem sehe ich auf diese Weise regelmäßig Dario – meinen besten Freund seit Kindertagen, meinen perfekten Bruderersatz.
Obwohl Dario und mich die meiste Zeit unseres Lebens Tausende von Kilometern trennten, ist er mir so vertraut wie sonst nur meine beste Freundin Kathi. Es ist, als hätten wir all die Zeit gemeinsam verbracht, nur dass wir stets dreihundertfünfundsechzig Tage in sechs Wochen Sommerferien quetschen mussten. Sechs bunte, intensive Wochen, in denen er zu meinem Bruder wurde und ich zu seiner Sorellina. Er ist nicht nur für mein gutes Italienisch verantwortlich, sondern auch dafür, dass ich das »R« so rolle, dass ich zwischen den meisten Italienerinnen nicht auffalle. Das Ergebnis eines ganzen Sommers auf der Badeplattform des Bagno San Donato, während unsere Haut langsam die typisch südländische Bräune annahm und sich der Geruch von Salzwasser mit dem von schmelzendem Eis mischte.
Ich habe nie das Gefühl, ihm etwas verschweigen zu müssen. Er schiebt es auf seine italienischen Gene, die ihn laut eigener Aussage per se zu einem Frauenversteher machen.
Ein Grinsen huscht über mein Gesicht. Ich liebe ihn. Genauso sehr wie die zerschrammten Türen des kleinen Restaurants und die moderne Ausstattung im Inneren der Trattoria, die Dario nach eigenen Angaben ein Vermögen gekostet hat und die sich schlicht an die einfach verputzten Mauern schmiegt.
»Ich muss nur noch die Pasta in die Kühlung bringen und die Briefe zur Post, dann bin ich soweit durch.« Darios blonde Locken erscheinen in der Durchreiche. »Das Glas ist übrigens schon eine ganze Weile sauber.« Er deutet auf das Weinglas in meiner Hand. »Sobald ich fertig bin, trinken wir ’nen Cappuccino zusammen, o.k.?«
Er weiß genau, dass ich niemals Kaffee trinke, aber er gibt sich alle Mühe, diesen Umstand zu ändern. Für ihn gehört Kaffee in all seinen Facetten zu einem ausgewogenen, glücklichen Leben, und dass ich mich dem Gesöff hartnäckig verweigere, bringt ihn zu dem gewagten Umkehrschluss, dass es mit meiner Glückseligkeit nicht weit her sein kann.
Ich verschwende einen trotzigen Gedanken an Jonas, meinen Freund, der zu Hause sitzt und für seine Abschlussprüfung in BWL paukt. Er hat als Einziger das Potential, meine momentane Glückseligkeit zu gefährden.
Warum denke ich so etwas? Es ist nicht fair, ihn so zu sehen. Im Gegenteil. Er war immer für mich da. Das, seine stechend blauen Augen und sein verschmitztes Grinsen waren die Gründe dafür, dass ich mich nach Jahren der Freundschaft in ihn verliebt habe. Er gibt mir Sicherheit und erdet mich.
Aber an ihn zu denken erzeugt in mir das Gefühl, dass ich nicht hier sein sollte. Auch wenn er mir immer wieder beteuert hat, dass es in Ordnung ist, die Sommer hier zu verbringen, weiß ich, dass er lügt. Es wurmt ihn, dass er nicht greifen kann, was mir dieser Ort gibt. Er will es verstehen, das glaube ich ihm, aber seine Gedanken verlaufen dazu zu gradlinig. Er ist ein Kopfmensch. Jemand, der schon in der Mittelstufe einen Zehnjahresplan hatte, den er bis heute stringent verfolgt, ohne einmal vom Weg abgekommen zu sein oder wenigstens zu straucheln.
Wenn ich etwas erreichen will, sind Umwege meine erste Wahl, und zu straucheln gehört praktisch zu meinem Gangbild. Dieser Sommer ist mir auch deswegen so wichtig. Ich muss endlich meinen eigenen Weg finden, und zwar ohne dass mir jeder gutgemeinte Ratschläge gibt, wie genau dieser auszusehen hat.
Für meine Familie und Freunde ist klar, dass Jonas’ und mein Weg ein- und derselbe ist. Selbst Kathi, meine chaotische beste Freundin, sagt mir immer wieder, dass Jonas mein Sechser im Lotto ist. Ich bin mir da nicht halb so sicher. Der Plan, Jonas zu heiraten, sobald er Partner in der Firma seines Vaters geworden ist, fühlt sich nicht wie meiner an. Er wird ein guter Ehemann sein, aufmerksam, liebevoll. So ist Jonas. Er wird aufopferungsvoll dafür sorgen, dass ich mich nicht aus Versehen umbringe oder auf all meinen Nebenwegen den Blick auf unsere strahlend vor uns liegende Zukunft verliere. Wir sind das perfekte Paar – schon so lange, dass ich längst nicht mehr weiß, wieso Kathi, genau wie jeder andere, denkt, wir wären so verdammt perfekt.
Es ist alles klar, strukturiert und vorhersehbar. Es müsste mich glücklich machen. Das Problem ist, ich hasse alles Vorhersehbare. Ich mag keine Strukturen, und mit der viel gerühmten Perfektion habe ich es auch nicht so besonders.
Vielleicht liebe ich diesen Ort genau deswegen so sehr. Hier leben die Menschen für den Moment. Um das Leben zu spüren, nicht um eine Zukunft zu planen, die vielleicht nie eintreten wird. Zumindest kommt es mir so vor. Deswegen fällt mir an diesem Ort das Glücklichsein so leicht wie Atmen. Ich runzele die Stirn und schnappe mir noch ein Weinglas. Das Handtuch verursacht ein quietschendes Geräusch, so fest reibe ich daran herum. Ich liebe Jonas. Das stimmt. Und gleichzeitig ist es nicht die ganze Wahrheit.
Vielleicht ist es nicht fair, alles in Frage zu stellen, nur weil ich hier in Finale etwas fühle, das ich in Hamburg nie gespürt habe.
Dieser Ort gibt mir das Gefühl, lebendig zu sein. Egal ob nun fair oder nicht, ich beschließe, dass ich den Rest des Sommers genießen werde. Um meine angeschlagene Beziehung und das dringende Bedürfnis, schon wieder das Studienfach wechseln zu wollen, kann ich mich auch in sechs Wochen noch kümmern, wenn mich mein altes Leben zurückhat.
»Also, Sorellina, ich bin gleich wieder da.« Dario entspricht absolut nicht dem Klischee eines Italieners. Mit seinen blonden Locken und den blauen Augen verdreht er so ziemlich jeder Frau den Kopf, noch bevor er den Mund aufmacht. Außerdem ist er intelligent, humorvoll und ein hervorragender Zuhörer, der immer einen guten Rat parat hat, ohne dass er einem diesen aufdrängt. Es wundert mich, dass ihm all diese gottgegebenen Eigenschaften nie zu Kopf gestiegen sind.
»Jetzt hau schon ab«, scheuche ich ihn grinsend hinter dem Tresen hervor. »Und bring mir bitte einen Milchshake mit!«
Er verdreht verzweifelt die Augen. »Einen Milchshake?« Mit einem Schulterzucken ergibt er sich seinem Schicksal, die einzige Angestellte in ganz Italien zu haben, die nicht bei dem Gedanken an Kaffee in verzückte Ekstase ausbricht. Ich drehe mich zum Weinregal, um das Glas wegzustellen, bevor ich es am Ende noch in seine Bestandteile zerreibe, als Dario hinter mir einen markerschütternden Begrüßungsschrei ausstößt. »Milo, das kann nicht wahr sein! Was zum Teufel machst du hier?«
»Dario, mein Großer«, antwortet eine angenehm tiefe Stimme.
Normalerweise ruht Dario in sich. Deswegen drehe ich mich schnell um und sehe nach, was ihn so aus dem Häuschen bringt. Genau in dem Moment, als er einem halbnackten Mann auf den Arm springt. Dario küsst ihn links und rechts auf die Wange und tätschelt, sobald er den Boden wieder erreicht, liebevoll dessen Hinterkopf.
»Milo, ich fass es nicht. Du bist wirklich hier?« Der Typ kommt nicht zu Wort, macht aber eine halbherzige Geste, die Darios rhetorische Frage bejaht.
»Gut siehst du aus, ein bisschen mager vielleicht, aber das lässt sich ändern.«
Bei Dario, wie bei vielen seiner Landsleute, ist jeder Gast grundsätzlich zu mager. Manchmal glaube ich, Gastfreundschaft wird bei Italienern mit Mästung gleichgesetzt. Wann immer ich Dario oder einen meiner anderen italienischen Freunde besuche, bekomme ich mindestens ein Drei-Gänge-Menü aufgedrängt, und es gilt als persönliche Beleidigung, nicht alles aufzuessen. Andernfalls regt man zu abenteuerlichen Spekulationen über eine hinterlistige Krankheit an, die einem den Appetit nimmt und in deren Folge mit Sicherheit das Leben.
Der Fremde spielt das Spiel bravourös mit.
»Ich bin seit heute Morgen unterwegs und gerade erst angekommen. Einen Teller deiner Spezialpasta könnte ich jetzt echt gut vertragen.«
Als hätte Dario nur auf den Startschuss gewartet, verschwindet er wie ein geölter Blitz in der Küche.
Mr Sixpack hingegen hat keine Eile. Lässig schlendert er zu mir herüber und reicht mir seine Hand. »Milo«, stellt er sich vor.
Ich bin eine Spur zu erleichtert, dass der Tresen als Barriere zwischen uns steht. Sein Anblick irritiert mich, was mit Sicherheit nur daran liegt, dass er bis auf eine kurze Jeans und ein Paar Flipflops nackt ist. In der Hand hält er jedoch eine dicke Canvasjacke, die er bei über dreißig Grad verständlicherweise nicht braucht. Vor seinen Füßen steht ein abgewetzter Gitarrenkasten und ein riesiger Seesack, der die besten Zeiten bereits hinter sich hat. Ich starre ihn nur an, unfähig, irgendetwas halbwegs Intelligentes zu sagen oder ihn auch nur anstandshalber zu begrüßen.
Mein Blick wandert von seiner Hand, die er mir noch immer entgegenhält, zu seiner muskulösen Brust und dem flachen, durchtrainierten Bauch. Dario hat mir von Milo erzählt. Einer seiner besten Freunde seit Kindertagen, der vor Jahren wegzog und sich inzwischen als Musiker durchschlägt. Leider hat er mit keiner Silbe erwähnt, dass dieser Freund so gutaussehend ist, dass einem die Spucke wegbleibt, und dass er es vorzieht, Frauen halbnackt von diesem Umstand zu überzeugen. Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt.
Mit einem spöttischen Grinsen lässt er die Hand sinken. »Namenloses Mädchen, gibst du mir etwas zu trinken?«, fragt er dann.
Am liebsten würde ich ihm sagen, er soll sich gefälligst selbst etwas nehmen, aber ich bringe kein Wort über die Lippen. Sein Blick lässt meine Atmung stolpern. Ich verstehe nicht, wieso er mich so aus der Fassung bringt. Zugegeben – er sieht ziemlich atemberaubend aus, aber das tun viele Männer, und normalerweise brechen bei mir trotzdem nicht alle Schaltkreise zusammen.
Ich versuche mich zusammenzureißen. Zuckersüß lächele ich zurück. »Wasser?«
Er zwinkert mir zu, als wüsste er, dass mich allein dieses winzige Funkeln in seinen Augen umhaut. Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich genauso darauf reagiere, wie er es gewohnt ist.
»Whiskey habt ihr um die Uhrzeit wohl noch nicht?«
Sehr witzig. Scheint wohl ein ganz harter Kerl zu sein. Ich zucke mit den Schultern und schenke, ohne eine Antwort zu geben, Wasser in ein Glas, während ich versuche, das Flattern in meinen Eingeweiden auszuschalten. Es wird ja wohl noch möglich sein, sich normal zu verhalten. »Jiara, freut mich«, bringe ich dann hervor.
»Die Psychologin«, entgegnet er gleichmütig, als wüsste er längst alles über mich, inklusive der Geheimnisse, die niemand außer meinem rosafarbenen Tagebuch aus Grundschulzeiten kennt. Ich schnaube und wünsche mir plötzlich, ich wäre an diesem Morgen einfach im Bett liegen geblieben.
»Und du bist der Musiker.« Meine Retourkutsche klingt lahm. Ich beiße die Zähne aufeinander, schnappe mir ein Handtuch und wische beharrlich an einem nicht existierenden Fleck auf dem Holz des Tresens herum. Hat dem Typen eigentlich niemand beigebracht, sich etwas überzuziehen, bevor er sich in die Zivilisation begibt? Ich sehe zu der Familie auf der Terrasse, deren Vater ebenfalls oben ohne an einem Stück Pizza knabbert, und grunze verächtlich. Wenigstens hat der modisch einwandfreie Tennissocken an. Ich verdrehe die Augen. Der Anblick von schneeweißer Haut und vor Schweiß glänzenden Speckrollen irritiert mich nicht halb so sehr wie Mr Ich-bin-ein-Rockstar-und-weiß-wie-geil-ich-bin.
»Hier, deine Pasta.«
Dario stellt einen Teller dampfender Spaghetti Carbonara vor Milo, der in einer geschmeidigen Bewegung auf einen der Barhocker rutscht.
»Lass es dir schmecken. Ich muss noch eben zur Post, aber dann wollen Jiara und ich Pause machen und uns mit einem Kaffee auf die Piazza setzen.«
Er zeigt auf die mit Natursteinen verlegte Piazza dei Canoni, in deren Zentrum drei riesige Bleikanonen stehen, die auf das spiegelglatt gegen den Strand stoßende Meer hinauszeigen. Ich blitze Dario wütend an. Er hat unser Vorhaben als Einladung verpackt, ohne mich zu fragen, ob es mir recht ist, dass Adonis sich zu uns gesellt. Er deutet meinen giftigen Blick fehl.
»Milchshake.« Entschuldigend zuckt er die Schulter und zeigt in meine Richtung. »Sie mag keinen Kaffee.«
Ich komme mir vor wie ein kleines Kind, das keine Ahnung hat, was gut ist. Leider klinge ich auch genau so, als ich sage: »Weil Kaffee absolut widerlich ist.«
Milo lacht glucksend und schaufelt sich wenig vornehm eine Riesenladung Nudeln in den Mund. »Ich würde auch lieber einen Milchshake nehmen«, nuschelt er.
Dario verdreht die Augen und schnappt sich die Post. »Zwei von der Sorte. Na toll. Milchshake also! Fior di Latte?«
Ich nicke, ohne aufzusehen. Dario braucht sich nicht einzubilden, dass ich ihm seinen blöden Kommentar so schnell vergebe. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Milo ebenfalls nickt.
»Ich sehe schon, ihr versteht euch. Dann kann ich ja beruhigt abhauen. Bin gleich zurück.«
Wie kommt er darauf, dass ich mich mit Mr Perfect verstehe? Nur weil der Kerl auch einen Milchshake trinkt, heißt das nicht, dass wir uns auf einer Welle oder auch nur im selben Kosmos befinden. Ich stöhne innerlich auf. Wieso hat Dario nicht mich zur Post gehen lassen?
Immerhin ist das hier sein Besuch, und ich habe keinen Schimmer, worüber ich mit dem Kerl reden soll. Er sieht nicht so aus, als hätte er allzu viel zu einer geistreichen Unterhaltung beizutragen. Ich weiß, dass diese Einschätzung alles andere als fair ist. Immerhin kenne ich ihn gar nicht. Aber mir einzureden, er hätte nicht auch noch bei der Vergabe der Intelligenz laut hier geschrien, hilft mir, dieses dämliche Kribbeln abzustellen. Allerdings sieht er aus wie jemand, der generell schreit, anstatt zu flüstern.
Ich warte gerade so lange, dass man es mir nicht mehr als Flucht auslegen kann, und verabschiede mich mit einer lahmen Ausrede in die Küche. Verbissen fege ich den Boden, räume die Zutaten zurück an ihren Platz, die Dario für die Zubereitung von Milos Pasta gebraucht hat, und wische dann die glatten Edelstahlflächen der Küche ab, obwohl sie bereits sauber sind.
»Wo soll ich den hinstellen?« Milo erscheint in der Tür zur Küche und schwenkt den leeren Teller in der Luft. Die Nudeln hat er in Rekordzeit verdrückt.
Mit einem bitterbösen Blick deute ich auf die Spüle. Ich bin sauer. Vermutlich mehr auf mich und dieses dämliche Flattern in meinem Bauch als auf ihn.
»Hab ich was verbrochen?« Er sieht belustigt aus. Nicht so, als würde er tatsächlich glauben, etwas falsch gemacht zu haben. Natürlich nicht.
»Du hast mich erschreckt.«
»Diese Wirkung habe ich manchmal auf Frauen«, antwortet er mit einem lasziven Blick in meine Richtung.
»Ach ja?« Er bringt mich tatsächlich dazu, einen Erklärungsversuch zu starten. »Es soll Frauen geben, die sich erschrecken, wenn man sich halbnackt von hinten an sie ranschleicht.«
Er sieht an sich herab, als wäre ihm bis jetzt gar nicht bewusst gewesen, dass sein Oberkörper unbekleidet ist. Er stellt den Seesack und die Gitarre in die Ecke neben der Treppe, die von der Küche in Darios Wohnung führt, und kommt mir dabei gefährlich nahe. Er riecht nach Waschpulver und Sonnencreme und nach etwas ganz Eigenem. Irgendwie hatte ich angenommen, dass er anders riechen würde. Wie genau, kann ich nicht sagen, aber auf jeden Fall nicht so verstörend gut. Verdammt. Seine Jeans sitzt etwas zu locker auf den Hüften und zeigt den breiten Muskelstrang seiner Leiste, der unter dem Bund seiner Jeans verschwindet. Ich versuche, nicht auf seinen unglaublichen Körper zu starren, und strecke kämpferisch das Kinn vor. Okay, er sieht gut aus. Zugegeben sogar mehr als das, aber es wird ja wohl möglich sein, ihn anzusehen, ohne dass meine Hormone gleich durchdrehen.
Er beugt sich runter zu seinem Seesack, um ein Oberteil herauszuziehen, und kommt mir dabei so nah, dass ich die Wärme seines Körpers spüre.
Er macht keine Anstalten, das Shirt überzuziehen, sondern macht noch einen Schritt auf mich zu. Mittlerweile ist er mir so nah, dass man kaum noch ein Blatt Papier zwischen uns quetschen könnte.
»Dario kommt bestimmt gleich wieder. Ich gehe vielleicht besser …« Meine Stimme versagt, als er sich zu mir hinunterbeugt. Sein Gesicht ist nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. Es ist, als würde das Ende meines Satzes von dem dunklen Braun seiner Augen aufgesogen werden. Mit einem schwachen Nicken deute ich in Richtung Treppe. Ich hätte nach oben verschwinden sollen, solange die Möglichkeit bestand.
»Und die Milchshakes?«, fragt er. Seine Stimme klingt warm, rau und unglaublich sexy, obwohl seine Mundwinkel belustigt zucken.
Es sollte mich wütend machen, aber das tut es nicht. Sein Atem streift meine Wange und raubt mir die Luft und die Kraft für jede Art von Reaktion. Überdeutlich sehe ich die winzigen Bartstoppeln auf seinen beängstigend perfekten Wangenknochen.
Ich versuche, ihn zu ignorieren, und versage dabei kläglich. »Was soll das werden?« Man hört mir meine Unsicherheit an.
»Wasser«, sagt er lächelnd. »Du stehst vor der Kiste.« Quälend langsam streicht seine Hand an meinem Arm entlang nach unten, verharrt sekundenlang auf meiner Hüfte, bevor sich seine Finger um den Hals einer Flasche legen und vorsichtig daran ziehen. Er hält das Wasser in der Hand wie eine Jagdtrophäe. Aber anstatt etwas zu trinken oder sich endlich etwas anzuziehen, bleibt er einfach vor mir stehen, legt seinen Kopf schief und betrachtet mich prüfend.
Ich berühre seine leicht gebräunte Haut, will ihn von mir schieben, nur raus aus dieser Situation, aber meine Hände haben offenbar ein Eigenleben entwickelt. Sie bleiben einfach auf seiner Brust liegen. Seine Haut fühlt sich heiß an unter meinen Fingern, als würde die Luft zwischen uns brennen. Ich zittere, während er vollkommen entspannt scheint. Sein Atem geht regelmäßig, sein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig unter meinen Fingerkuppen.
»Du zitterst.« Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem Grinsen. Ein entwaffnendes, halbes Grinsen, das so verdammt verwegen aussieht. Die Überheblichkeit in seiner Stimme ist fort. Stattdessen liegt Wärme darin. Langsam drängt er mich gegen die Kisten, bis mein Po sich gegen das harte Plastik drückt. Mir ist schwindelig. Ich verstehe nicht, was hier passiert, aber ich will es.
Ich kann seine Muskeln unter meiner Hand spüren, und sein Mund verharrt nur Millimeter über meinem. Ich will, dass er mich küsst. Die Intensität dieses Gefühls ist beängstigend, berauschend, vollkommen irre. Ich kann nicht atmen, nicht verschwinden, nichts tun.
Seine Wange streift den Rand meiner Lippen und jagt mir einen heißen Schauder durch den Körper. Die Hitze sammelt sich in meinen Eingeweiden und brennt tief in mir. Sein Atem beschleunigt sich und streift heiß mein Gesicht. Das, was hier passiert, bringt ihn endlich genauso aus der Fassung wie mich. Meine Finger streichen über seine Schultern, berühren sein Haar, das im Nacken raspelkurz geschnitten ist.
Mit seiner Hand streicht er mir eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht und zuckt dann urplötzlich zurück. Als hätte er sich verbrannt. Bevor ich verstehe, was passiert ist, löst er sich von mir und weicht langsam einige Schritte zurück. Meine Hände beben, als hätte man mich auf kalten Entzug gesetzt. Dabei ist genau genommen nichts geschehen. Unsere Lippen haben sich nicht berührt. Es hat keinen Kuss gegeben. Nichts ist passiert, und gleichzeitig alles.
Er streicht sich mit dem Daumen über die Lippen und lächelt schief, während sein Blick stumm auf mir liegt und mich an meinem Platz vor den Getränkekisten festeist.
Seine Wirkung lässt durch die plötzliche Distanz etwas nach. Ich hätte fast einen Fremden geküsst. Wenn er keinen Rückzieher gemacht hätte, hätte ich meinen Freund hintergangen. Verzweifelt versuche ich, Jonas aus meinem Kopf zu verscheuchen, der mich mit eimerweise Schuldgefühlen überschüttet. Ich habe das Gefühl, mein Kopf müsste jede Sekunde zerspringen. Das brennende Schamgefühl lässt sich nicht mehr beiseiteschieben, jetzt, da mein Verstand wieder funktioniert. Was immer da zwischen uns passiert ist, es hätte niemals geschehen dürfen, und hätte er es nicht darauf angelegt, wäre es das auch nie. Es ist seine Schuld! Es tut gut, sich das einzureden. »Was sollte das?«, knalle ich ihm wütend an den Kopf.
»Was denn?«, knurrt er. Seine überhebliche Art ist zurück und vertreibt die Wärme in seinen Augen.
Er wirkt so von sich eingenommen, dass es mir vor Wut die Röte in die Wangen treibt. Ich starre ihn an. Es ist so viel einfacher, wütend zu sein, als mich zu fragen, was zum Teufel eigentlich mit mir los ist.
In einer einzigen lässigen Bewegung streift er das Oberteil über den Kopf. Er macht sich nicht die Mühe, die Kapuze vom Kopf zu streifen. Stattdessen starrt er mich wortlos an. Die Stille zwischen uns verdichtet sich, während sich der Moment in meine Erinnerung brennt: sein perfekter Körper, das gnadenlos gutaussehende Gesicht, umrahmt vom dunklen Jerseystoff, und die Gefühle von Sehnsucht und Scham, die in meinem Inneren miteinander kämpfen.
Die Sonne würde uns rösten, wenn nicht der ausgefranste Schatten einer Palme auf den Tisch vor der Trattoria fallen würde. Jiara betrachtet mich mit einem beunruhigend prüfenden Blick. Ich bin mir sicher, dass es nicht besonders viele Leute gibt, die diese Prüfung bestehen, und ich war noch nie gut darin, über die Messlatten anderer Leute zu klettern. Wenn ich ehrlich bin, lege ich einfach nicht besonders viel Wert darauf, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Es ist mein Leben. Ich richte es nicht nach fremden Vorstellungen aus. Das war sicher mal anders, aber das ist Jahre her – ein gefühltes Leben.
Ich blinzle zu Jiara hinüber. Ihr kritischer Blick fixiert mich, bringt mich aber nur dazu, mit den Schultern zu zucken. Egal wie hübsch sie ist oder was da vorhin zwischen uns abgegangen ist, sie wird mich nicht dazu bringen, dass ich mich um ihr Urteil schere.
Ich folge mit meinem Finger den Kerben, die unzählige Gäste auf den Tischen der Trattoria hinterlassen haben. Dario hat den Gastraum modernisieren lassen und die alten Tische nach draußen verbannt, wo Salzwasser und die unbarmherzige Sonne an ihnen nagen. Für mich macht es die Möbelstücke weitaus interessanter als den neumodischen Kram im Innern des Gebäudes. Diese alten Stücke hier erzählen Geschichten von Liebe, von Eifersucht und Freundschaft. Die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle festgehalten in Holz, das nach Sonne und Meer riecht.
Für einen Moment schließe ich die Augen und höre das Lachen meines Bruders, bevor er meinen Kopf unter Wasser drückt. Ich spüre seinen Körper, der sich windet, als ich ihn kitzle, damit er von mir ablässt. Das war damals hier an diesem Strand. Wir haben an genau diesem Platz gesessen und uns die Strafpredigt unserer Eltern angehört, während unter dem Tisch unsere Beine vertraut gegeneinanderstießen und der Geruch nach Eis und Sonnencreme in der Luft hing. Das ist so verdammt lange her. Tiziano ist ein anderer Mensch geworden, genau wie ich. Heute verbindet uns kaum mehr als unser Genmaterial.
»Was führt dich her?« Dario schiebt mir einen der zwei Milchshakes über den Tisch und reicht Jiara den anderen. Das braune Haar fällt in leichten Wellen über ihre gebräunten Schultern. Sie hat die Augen geschlossen und reckt das Gesicht in die Sonne. Die Prüfung meiner Person ist wohl abgeschlossen, und ihren leicht angespannten Gesichtszügen nach zu urteilen, ist sie wie erwartet nicht positiv ausgefallen.
Ich habe diese Wirkung auf andere Leute. Ich provoziere sie bewusst. Es ist eine einfache, aber sehr effektive Methode, um sich die meisten lästigen Menschen vom Hals zu halten.
»Ich war in der Nähe«, versuche ich mich in einer belanglosen Floskel. Nicht gerade die Wahrheit. Seufzend versuche ich es mit etwas, das sich näher an der Realität befindet. »Es läuft derzeit nicht so gut, und ich brauchte dringend mal ’ne Auszeit und einen Platz zum Schlafen.«
Dario geht nicht auf meine schlecht getarnte Frage nach einem Schlafplatz ein. Wir wissen beide, dass ich bei ihm unterkommen kann, wann immer ich will. Er muss es nicht aussprechen. Ich sehe, wie er die Augenbrauen zusammenzieht und den Kopf schief legt. »Was genau heißt das?«
Ich habe ihm noch nie etwas vormachen können. Das ist es wohl, was unsere Freundschaft ausmacht. Überhaupt ist Dario der Typ Mensch, der anderen bis in die Seele schaut, ohne mehr dafür tun zu müssen, als er selbst zu sein. Mein Blick wandert wieder zu Jiara, die erfolglos so tut, als würde sie das Gespräch nicht verfolgen. Mit einem Mal habe ich das Gefühl, es wäre ein Leichtes, ihr den Sommer zu vermiesen, wenn ich hierbliebe. Noch habe ich mich nicht entschieden, ob mir das etwas ausmacht oder mich amüsiert. »Du weißt schon …«, versuche ich, die wenig schmeichelhafte Erklärung zu umgehen.
»Nein, eigentlich nicht.« Dario bleibt stur.
Ich weiche seinem Blick aus und sehe nach unten, wo mein Finger der herzförmigen Umrandung zweier Namen folgt, die jemand tief in das Holz geschnitzt hat – als würde die Liebe der beiden Menschen, die sich verewigt haben, dadurch haltbarer. Die Sonne brennt auf meinen Rücken. Ich werde keine Geständnisse irgendeiner Art ablegen, solange die angehende Psychologin mithört. Wahrscheinlich analysiert sie bereits seit meiner Ankunft jede meiner Bewegungen, um mir zu bescheinigen, dass ich eine Vollmeise habe.
Ich sehe blinzelnd zu Dario hinüber und nicke in Jiaras Richtung.
»Sie kann ruhig mithören. Dann verfällt sie deinem Charme wenigstens nicht.« Dario lacht leise, was seine ernstgemeinte Aussage weniger scharfkantig macht.
Ich grinse. Ob er ahnt, was vorhin in der Küche passiert oder, besser gesagt, nicht passiert ist? Das ist der beste Fast-Kuss gewesen, den ich je erlebt habe. Ich berühre nachdenklich meine Unterlippe. Sie ist hübsch. Irgendetwas an ihr fasziniert mich. Ihr Freund ist nicht hier, und trotzdem habe ich sie nicht geküsst. Ich verstehe nicht, warum, aber mein Bauchgefühl hat ziemlich laut Alarm geschlagen, und in der Regel ist es ein ziemlich vertrauenswürdiger Zeitgenosse.
Bevor ich zu einer Erklärung ausholen kann, nickt sie in Richtung der Wohnung über der Trattoria. »Ich geh rein. Mein Buch wartet, und wenn ich noch ein paar Seiten schaffen will, bevor die Arbeit ruft, sollte ich mich beeilen.« Sie mustert mich und fügt hinzu: »Außerdem traut sich unser Rockstar dann vielleicht zu beichten.«
Denkt sie ernsthaft, dass ich mich nicht traue, mit Dario zu reden, nur weil sie danebensitzt? Das ist lächerlich. Ich warte nicht, bis sie aufsteht, sondern beuge mich zu Dario hinüber, während mein Blick weiter auf ihr ruht. »Ich hab da ein paar Schulden bei so einem Barbetreiber in Mailand. Ich habe ihm versprochen, das Geld zeitnah zu besorgen, aber die Auftragslage ist wie gesagt nicht so besonders. Die Leute sind alle hier bei euch am Meer. Ganz Italien hat Urlaub, also dachte ich, ich komme auch her und versuche mein Glück hier.« Ich werde Jiara bestimmt nicht erzählen, dass mein Plan, von der Musik zu leben, zwar ab einem bestimmten Punkt zu dem einzigen Ziel in meinem Leben geworden ist, aber der Erfolg trotzdem mäßig bis nicht existent ist. Und Dario weiß es, auch ohne dass ich es in Worte fasse. Ich bin ihm verdammt dankbar, dass er nicht darauf herumreitet.
Als ich mein altes Leben gegen einen Traum eingetauscht habe, hat mich das obdachlos und pleite gemacht. Vermutlich sollte ich mich deswegen schlecht fühlen, aber das tue ich nicht. Ich fühle mich frei und das erste Mal in meinem Leben nicht orientierungslos. Ich bin nicht traurig. Ich bereue nichts, außer dann und wann die Leere in meinem Magen. Im Moment allerdings bin ich dank Darios Spaghetti satt. Es gibt nichts zu beichten. Ich schüttele den Kopf.
»Was heißt Schulden? Wie viel?« Eine tiefe Falte erscheint auf Darios Stirn. Er ist schon immer der Verantwortungsbewusste in unserer Freundschaft gewesen und ich der Idiot, den er in regelmäßigen Abständen retten muss.
»Jetzt dreh nicht gleich durch, mein Lieber. Du machst dir immer zu viele Sorgen«, wiegele ich ab.
»Und du dir zu wenige«, kontert Dario. Die Falte auf seiner Stirn nimmt die Ausmaße des Grand Canyon an.
»Hmm, schon klar.« Ich versuche abzulenken, indem ich das Thema wechsle. »Konzentrier du dich lieber darauf, die zukünftige Signora Montinari zu finden, bevor du ein alter, einsamer Sack wirst. Oder gibt es Neuigkeiten?«
Dario lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und beäugt mich misstrauisch. »Woher stammen die Schulden?«
Natürlich gibt er nicht auf. Dario ist ein Sturkopf. Und Jiara ist sitzen geblieben. Natürlich ist sie das. Ich habe sie ja geradezu dazu aufgefordert, und das hier ist vermutlich interessanter als irgendein Buch. Mit einem Mal ist es mir überhaupt nicht mehr recht, dass sie jedes Wort mitbekommt. Wieso habe ich die Sache mit dem Barbetreiber überhaupt erwähnt? Dario wird die ganze Geschichte aus mir herausquetschen, und dabei haben wir Jiaras volle Aufmerksamkeit. Ich schlucke trocken und ringe mir ein Grinsen ab. »Mach dich locker, Da.«
»Ich mach mich aber nicht locker. Sag mir einfach, was passiert ist.«
»Ein Porsche.« Es kommt nicht oft vor, dass ich mir in die Karten gucken lasse. Eigentlich schafft das nur Dario. Oder besser gesagt seine ganze Familie. Aber außer ihm sind alle tot, zerquetscht von einem völlig deformierten Kleinwagen, der metertief auf eine schroffe Ansammlung von Felsen gefallen ist. Mir entgeht die Parallele zu meiner Porsche-Geschichte nicht, weswegen ich schuldbewusst murmele: »Ich war wohl etwas zu schnell, und da habe ich das Teil zerlegt.« Etwas fester füge ich hinzu: »Vielleicht habe ich es auch ein bisschen drauf angelegt. Der Typ, dem das Auto gehört, ist ein Arschloch. Hatte so eine Karre gar nicht verdient.«
Jiaras Lachen ist hell und stellt etwas mit mir an, das meinen Puls beschleunigt und ein verwaschenes Rauschen in meinem Kopf erzeugt. Vermutlich, weil ich nicht gedacht hätte, dass sie darüber lachen würde.
»Was gibt’s denn da zu lachen?«, frage ich und klinge dabei, als würde meine Stimme drei Meter neben mir liegen. Normalerweise bin ich derjenige, der andere aus der Fassung bringt.
»Passt zu dir«, erwidert sie noch immer amüsiert.
»Du kennst mich doch gar nicht.« Ich höre mich an wie eine alternde Filmdiva und grunze unterdrückt.
Dario steht abrupt auf und schiebt seinen Stuhl an den Tisch.
»Ihr seid beide nicht ganz bei Trost«, entgegnet er schroff. »Ich muss wieder arbeiten. Du kannst deine Sachen nach oben in Flavios altes Zimmer bringen. Jiara hat diesen Sommer das Gästezimmer.«
Dario sieht müde aus. Nicht nur seine Augen. Sein sonst so typisches Lachen ist verflogen, und der ernste Zug um seinen Mund lässt ihn viel älter aussehen, als er in Wirklichkeit ist. Er hat den Namen seines Bruders bewusst benutzt, auch wenn er ihn nur mit Mühe über die Lippen bringt. Ich habe ihn dazu gebracht, sich zu erinnern. Schuldbewusst sehe ich auf die dunklen Buchstaben auf der Tischplatte. Ich bin ein verdammter Egoist. Wieso musste ich ihn an den Unfall erinnern, der ihn mit gerade einmal neunzehn Jahren mutterseelenallein auf der Welt zurückgelassen hat? Ich berühre seinen Arm, aber er macht sich los und schlurft in das Halbdunkel des Restaurants. Dabei sieht er so alt und gebrochen aus, dass es mir weh tut. Es wäre einfacher, wenn er zornig wäre.
»Das musste also sein, ja?«, fragt Jiara kampflustig und folgt meinem Blick, bis Dario von der Küche verschluckt wird. Ihr moralisches Getue nervt mich. Auch – oder besser gerade – weil sie recht hat.
Ich wollte nur, dass Dario mit seiner Fragerei aufhört. Er bohrt da, wo es unangenehm ist, und ich hasse es, wenn er mein Leben aus allen Blickwinkeln unter die Lupe nehmen will. Ich selbst sehe nicht besonders gern hin.
Ich sehe Jiara angriffslustig an: »Und da mischst du dich ein, weil …?«
»Weil er mein Freund ist?«, entgegnet sie kämpferisch.
Stirnrunzelnd mustere ich sie. Sie ist schön. Anders als die meisten Mädchen, die einen riesigen Haufen Make-up und noch mehr Aufwand benötigen, um begehrenswert zu wirken. Das Bild von ihr, wie sie mit dem Rücken an der sonnenverblichenen Fassade der Trattoria lehnt, brennt sich auf meine Netzhaut, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass mich ihre Art wahnsinnig macht. »Seit wann genau? Seit fünf Minuten?«, stoße ich kühl hervor. Das ist nicht fair, aber effektiv. Immerhin kann ich mit einer ganzen gemeinsam verbrachten Kindheit und Jugend aufwarten – sie bloß mit ein paar Sommern.
»Du bist ein Arsch, weißt du das? Ich kann nicht glauben, dass Dario nicht sieht, was für ein Mistkerl du bist«, sagt sie.
»Ach ja?« Ich bleibe lässig vor ihr stehen, während sie mir ganz nah kommt. Dieses Mal will sie mich bestimmt nicht küssen. Sieht eher aus, als würde sie mich schlagen wollen.
Ich spüre ihren warmen Atem auf meiner Haut, bevor sie sich abrupt umdreht und ohne eine Antwort zu geben in den Gastraum davonstolziert.
Es ist Abend und die Trattoria bis auf den letzten Platz besetzt. Ich sollte mich auf die Arbeit konzentrieren, aber ich bin einfach nur wütend.
»Das kann nicht dein Ernst sein!« Ich blicke aus der Küche in den Gastraum, wo Milo ein deutlich zu junges Mädchen mit einem naiven Grinsen um den Verstand flirtet, und sehe dann wieder zu Dario, der zwei Pizzen mit Mozzarella bestreut und sie zusammen mit einer Focaccia in den Ofen schiebt.
»Warum nicht? Wir sind seit unserer Kindheit befreundet«, entgegnet Dario mit einem Schulterzucken. Für ihn ist es selbstverständlich, dass Adonis bei uns wohnen wird.
Wie aufs Stichwort sagt er: »Ich bin schon immer seine Anlaufstelle gewesen, und er braucht Hilfe, auch wenn er niemals darum bitten würde. Wir haben genug Platz, also …«
»Aber er benimmt sich wie ein Neandertaler.«
Dario grinst und liest sich die nächste Bestellung durch, die am Klemmbrett hängt. Halb Finale hat sich die Trattoria ausgesucht, um den Abend ausklingen zu lassen. Junge Leute, die in kleinen Gruppen von der Promenade in die Trattoria strömen, sitzen an zusammengeschobenen Tischen und schlagen die Zeit tot, bis sie in die Diskotheken aufbrechen. Die Einheimischen lieben die ursprüngliche Atmosphäre der Trattoria und unterhalten sich wild gestikulierend, während sie sich die traditionellen Gerichte teilen. Ausländische Familien essen mit Blick auf das dunkle Meer, in dem sich der Mond spiegelt, zu Abend und hören ihren Kindern zu, die atemlos von den Abenteuern eines weiteren vergangenen Ferientags erzählen. Die Geräuschkulisse ist enorm, aber ich mag es. Normalerweise. Heute gelingt es mir nicht, mich in den zahlreichen Geschichten zu verlieren, in den Sog aus Geräuschen zu tauchen. Ich weiß, wer mich festhält wie ein perfekter, dunkler Anker.
Wütend starre ich zu Milo, der mir einen amüsierten Blick zuwirft. Er hat hoffentlich nicht vor, das Mädchen abzuschleppen und in Darios Wohnung zu bringen. Ich stelle mir vor, wie es sein wird, die ganze Nacht zu hören, wie es die beiden miteinander treiben. Angewidert pfeffere ich eine Cola-Flasche in den Kühlschrank und knalle die Tür zu. Leider hilft das nicht gegen die Gänsehaut, die sich auf meinem Arm ausbreitet, als ich an seine Hände denke, an seine Bartstoppeln an meinen Lippen und an seinen Atem auf meiner Haut.
»Er spielt nur eine Rolle, weißt du?«, meint Dario.
Seine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken, und ich wende mich ihm schuldbewusst zu. Mir ist nicht klar, wie viel ich verpasst habe, weil ich in Gedanken ganz woanders gewesen bin. Klar ist nur, dass er immer noch von Milo redet, dessen Anwesenheit die Haut in meinem Nacken zum Kribbeln bringt.
Dario ist zum Glück zu sehr mit der Zubereitung des Essens beschäftigt, um meine Reaktion zu analysieren. Sein Shirt ist durchgeschwitzt, und der feuchte Stoff klebt an Rücken und Brust. Seine Haare sind dunkel vor Nässe und die Wangen gerötet. Trotzdem wirkt er nicht geschafft, sondern zufrieden und hellwach. Er ist in seinem Element.
Über einen Teller mit Pasta gebeugt, fährt er fort: »Ich gebe zu, dass er das ziemlich überzeugend hinkriegt, aber ich kenne ihn besser. Der Mensch, der sich unter dem ganzen Idiotengehabe verbirgt, ist es wirklich wert.«
Ich sehe ihn zweifelnd an. »Wenn er diese Hohlbirne da in unsere Wohnung schleppt, flippe ich aus.«
Mir ist klar, dass ich mich anhöre wie der Inbegriff einer eifersüchtigen Freundin. Dabei bin ich noch nie eifersüchtig gewesen. Nicht einmal, als Jonas allein mit Pia, der überaus attraktiven Oberzicke aus der Abschlussklasse, nach Dresden gefahren ist, während ich mit einer Grippe im Bett lag. Wieso also sollte ich es jetzt und ausgerechnet wegen Mr Möchtegern-Rockstar sein?
Dario lacht. »Tisch vier ist fertig. Verschwende keine Gefühle an ihn, Sorellina. Er ist mit einem verdammt gutaussehenden Körper gesegnet, einem noch besser aussehenden Gesicht, und ich liebe ihn wie einen Bruder, aber er ist eine echte Katastrophe. Wenn man sich mit ihm abgibt, muss man aufpassen, dass man sich nicht verbrennt.« Er zuckt mit den Achseln und stülpt sich demonstrativ feuerfeste Ofenhandschuhe über. »Er macht, was ihm in den Kopf kommt, und dabei ist es ihm ziemlich egal, was und wen er auf seinem Weg zerstört. Du hast es gehört. Er macht selbst vor einem Porsche nicht halt«, witzelt Dario, und sein leidendes Gesicht, als er an das Schicksal des Autos denkt, bringt mich zum Lachen. Er hatte schon immer ein Faible für Autos, auch wenn er zu sparsam ist, sich selbst mehr als einen Fiat Stilo zu gönnen. »Ich will nichts von ihm, wirklich nicht.« Ganz ehrlich.
»Jonas.« Dario nickt wissend und widmet sich, nachdem er die Pizzen in dem großen Steinofen nach einem geheimen Plan umsortiert hat, den Gnocchi in der Pfanne, die er in Butter und duftendem Salbei schwenkt.
Die Art, wie er Jonas’ Namen sagt, gibt mir das Gefühl, als hätte er unsere Beziehung längst abgeschrieben. Es macht mich wütend, dabei bin ich noch nie wütend auf Dario gewesen. Er hat etwas an sich, das es unmöglich macht, sauer auf ihn zu sein. Aber jetzt bin ich es, und ich weiß auch, wer dafür verantwortlich ist. Als ich wieder zu Milos Tisch sehe, ist er fort. Das Mädchen auch. Und ich ignoriere den Stich, den es mir versetzt, dass sie gemeinsam gegangen sind.
Der Sand ist noch warm von der Hitze des Tages, dabei ist die Sonne vor knapp fünf Stunden untergegangen. Es ist fast zwölf, als Dario mir einen Liegestuhl ans Wasser zieht und sich selbst daneben in den Sand plumpsen lässt. Ich lasse feine Sandkörner durch die Hände gleiten. Vor meinen Füßen zieht sich ein breiter Streifen aus Algen, Muschelstücken und feingeschliffenen Glasscherben den Strand entlang. Die Promenade liegt hinter uns. Zum Strand hin ist sie nur begrenzt von einer Reihe Umkleidekabinen und Palmen, die weit in den sternenklaren Nachthimmel ragen. Die am frühen Abend dicht bevölkerte Flaniermeile ist um diese Zeit menschenleer, die Geräusche der Straßenmusiker sind längst verstummt. Die letzten Straßenverkäufer packen ihre Decken mit kitschigen Andenken, Handtaschen und Sonnenbrillen zusammen und zerren ihre überdimensionalen Rucksäcke und Taschen durch die Gassen in Richtung Bahnhof – vorbei an putzbröckelnden Palazzi und dem eingerüsteten Municipio, unter dessen Planen sich Unrat und Müll sammelt.
»War viel los heute. Morgen muss ich zum Großmarkt. Im Kühlschrank kann man ein Echo erzeugen.«
Ich honoriere Darios Witz mit einem schwachen Lächeln, antworte aber nicht. Smalltalk passt nicht zu ihm. Und zu mir passt es noch weniger. Stumm starrt er über das dunkle Meer, das am Horizont gegen ein noch dunkleres Firmament stößt.
»Was ist los?«, frage ich, obwohl ich die Antwort bereits kenne. Milo hat ihn an den Unfall erinnert, an seine Eltern, seinen Bruder und daran, dass er keine Familie mehr hat.
Dario antwortet nicht sofort, was zeigt, wie sehr es in ihm arbeitet. Milo ist es offensichtlich egal, aber er hat Darios wundesten Punkt berührt, um sich selbst vor lästigen Fragen zu schützen. Und anstatt seinen Fehler wiedergutzumachen und sich um seinen Freund zu kümmern, hat Milo ihn mit seinen Gefühlen allein gelassen, um sich mit diesem Flittchen zu amüsieren. Mein Puls beschleunigt sich, und ich rede mir ein, dass es bloß Wut ist. Unwillkürlich presse ich meine Zähne aufeinander.
Dario sieht mich an und runzelt die Stirn und sagt: »Nimm es ihm nicht übel. Er hat nicht darüber nachgedacht, was die Erwähnung eines Autounfalls bei mir auslöst, und mal ehrlich, es ist fünf Jahre her. Ich sollte mich allmählich damit abfinden.«
Er seufzt, und ich beschließe, niemals aufzuhören, Milo für die Traurigkeit in Darios Stimme zu hassen.
Leise sage ich: »Er hätte das nicht sagen sollen.« Hätte Milo nicht, aber er hat es dennoch getan, und jetzt sitze ich hier und lese den Dario-Scherbenhaufen auf, der so tut, als wäre er gar nicht zerbrochen. Ich verstehe nicht, wieso Dario Milo in Schutz nimmt.
Eine ganze Weile sitzen wir nur da, und niemand sagt etwas. Ich mag den Strand in der Nacht. Mein Herzschlag scheint sich dem Rhythmus der Wellen anzupassen. Der Mond verleiht dem Wasser etwas Sanftes. Wie Seide schimmert sein Licht auf der glatten Oberfläche. Am Tag genieße ich das Meer als Möglichkeit, um mich abzukühlen – in der Nacht berührt es meine Seele. Ich bin wirklich eine hoffnungslose Romantikerin. Milo würde sich schamlos darüber lustig machen.
Entnervt stoße ich die Luft aus. Wen interessiert, was Milo Riva dazu zu sagen hat? Wieso geht mir dieses arrogante Lächeln einfach nicht aus dem Kopf? Ich ignoriere das Kribbeln in meinen Eingeweiden und schleudere einen Stein, den ich im Sand ertastet habe, aufs offene Wasser hinaus. Ich bin nie eines der Mädchen gewesen, das wegen eines gutaussehenden Typen kichernd in einer Ecke stand und nicht mehr sie selbst war. Das wird auch Mr Rockstar nicht ändern.
»Du denkst über ihn nach?«, fragt Dario zielsicher.
Ich beiße mir auf die Lippen und frage mich, wie Dario das anstellt. Er sieht mir immer direkt in den Kopf.