Chris Anderson
TED Talks
Die Kunst der öffentlichen Rede. Das offizielle Handbuch
FISCHER E-Books
Chris Anderson, geboren in Pakistan und aufgewachsen in Indien, Pakistan und Afghanistan, studierte Philosophie an der Oxford University, bevor er viele Jahre als Journalist tätig war. 2002 wurde er zum Kurator der TED Conference und machte die TED Talks zu dem, was sie heute sind: eine globale Plattform, von der aus gute Ideen verbreitet werden.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Chris Anderson ist seit mehr als einer Dekade der Kopf hinter den TED Talks. Was als jährlich stattfindende Innovationskonferenz in Kalifornien begann, ist mittlerweile zu einem globalen Phänomen geworden: TED Talks werden in Städten auf der ganzen Welt gehalten und im Internet frei zugänglich gemacht. Den Themen sind keine Grenzen gesetzt, einziges Kriterium: die Ideen müssen begeistern und inspirieren- und das in 18Minuten. Anderson verfügt über einen immensen Erfahrungsschatz und weiß, was eine gute Rede ausmacht. Und genau das verrät er in diesem Buch:
- Wie entwickle ich eine Idee und spinne einen roten Faden?
- Wie bereite ich mich vor: Schreibe ich ein Skript oder spreche ich frei?
- Was ziehe ich an?
- Und wie gehe ich mit Lampenfieber um?
Erschienen bei FISCHER E-Books
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel
TED Talks. The Official TED Guide to Public Speaking
im Verlag Houghton Mifflin Harcourt, New York
© 2016 by Chris Anderson
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2017S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: hißmann, heilmann, Hamburg
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403643-4
Neben Logik, Grammatik, Mathematik, Geometrie, Astronomie und Musik.
Um einen TEDx-Event durchzuführen, beantragen die Veranstalter eine kostenlose Lizenz, die es ihnen gestattet, eine TED-ähnliche Konferenz abzuhalten. Pro Tag finden in aller Welt acht oder neun solcher Veranstaltungen statt.
Es kann natürlich sein, dass Sophies These durch künftige Untersuchungen widerlegt wird. In dieser Hinsicht sind Ideen immer vorläufig. Aber sobald ein Gedanke Eingang in unser Gehirn gefunden hat, kann ihn uns niemand ohne unsere Zustimmung wieder nehmen.
Um unseren Gast nicht bloßzustellen, habe ich einige Einzelheiten geändert.
BK = Buchstabenkürzel
Ob dieses Zitat wirklich von Einstein stammt, ist nicht bekannt, aber es wird ihm oft zugeschrieben.
Unter Tom Riellys Leitung hat das TED-Fellows-Programm in den vergangenen zehn Jahren mehr als vierhundert Stipendiaten unterstützt und so ein globales Netzwerk von Talenten aufgebaut, das die TED-Konferenzen sehr belebt hat.
Die Plattform besteht aus realen Veranstaltungen (der alljährlichen TED-Konferenz in Vancouver sowie TEDGlobal, TEDYouth, TEDWomen, Unternehmensveranstaltungen und verschiedenen Salons), der globalen TEDx-Bewegung autonomer Veranstaltungen sowie zahlreichen Internetkanälen (unsere Seite TED.com, aber auch auf YouTube, iTunes, der Radiosendung TED Radio Hour auf NPR, mobilen Apps und einer Reihe von Kooperationen mit Dutzenden anderen Organisationen). Daneben gibt es eine eigene Initiative für Studenten namens TED-Ed, den jährlichen TED Prize und das TED-Fellows-Programm.
Unter http://ted.com/tedx können Sie regionale Veranstalter finden oder eigene Veranstaltungen anmelden.
Die TED-Ed Clubs finden Sie unter http://ed.ted.com.
Informationen finden Sie unter http://open.ted.com.
Inspiriert von Zoe Anderson (1986–2010)
Das Leben vergeht. Ideen, Inspiration und Liebe bleiben.
Vorwort
Im Saal gehen die Lichter aus. Eine Frau betritt das Podium, ihre Hände sind feucht, ihre Beine zittern. Ein Scheinwerfer strahlt sie an, und 1200 Augenpaare suchen ihren Blick. Das Publikum spürt ihre Nervosität. Die Spannung ist mit Händen zu greifen. Sie räuspert sich und beginnt zu sprechen.
In diesem Moment passiert etwas Erstaunliches.
Die Gehirne der 1200 Menschen im Saal legen mit einem Mal ein sonderbares Verhalten an den Tag. Sie stimmen in eine gemeinsame Schwingung ein. Von der Frau geht ein Zauber aus, der sie alle in ihren Bann zieht. Sie seufzen zusammen. Sie lachen zusammen. Sie weinen zusammen. Und gleichzeitig passiert noch etwas anderes. Komplexe, in die Gehirnzellen der Frau eingeschriebene, Informationsmuster werden auf geheimnisvolle Weise kopiert und in diese 1200 Gehirne übertragen. Dort bleiben sie ein Leben lang gespeichert und haben das Potential, das künftige Verhalten ihrer Besitzer zu beeinflussen.
Was die Frau da auf dem Podium macht, hat etwas Zauberhaftes, doch mit Magie hat es nichts zu tun. Deswegen wirkt es nicht weniger mächtig.
Ameisen beeinflussen das Verhalten ihrer Artgenossen, indem sie Chemikalien absondern. Wir tun dies, indem wir einander in die Augen sehen, mit den Händen gestikulieren und mit dem Mund sonderbare Laute formen. Zwischenmenschliche Kommunikation ist ein echtes Wunder. Wir vollbringen es jeden Tag, ohne uns dessen bewusst zu werden. Und der öffentliche Vortrag ist das Wunder in Reinform.
Dieses Buch will Ihnen erklären, wie ein Vortrag seinen Zauber entfaltet, und Ihnen helfen, das Beste aus Ihren Präsentationen herauszuholen. Aber eines sollte von Beginn an klar sein:
Es gibt nicht das eine Strickmuster für einen gelungenen Vortrag. Dazu ist die Vielfalt der Themen, Redner, Zuhörer und Anlässe viel zu groß. Jeder Versuch, Ihre Reden nach einem festen Schema zu halten, muss nach hinten losgehen. Das Publikum durchschaut das Spiel sofort und fühlt sich manipuliert.
Und selbst wenn es das eine Erfolgsrezept gäbe, dann würde es sich nicht allzu lange halten. Denn wenn es etwas gibt, das einen Vortrag besonders attraktiv macht, dann ist es seine Frische. Wir sind Menschen. Wir wollen Abwechslung. Wenn Ihre Zuhörer den Eindruck haben, dass sie Ihren Vortrag schon einmal gehört haben, dann bleibt die Wirkung aus. Deshalb sollen Sie gerade anders klingen als alle anderen und nicht so, als hätten Sie eine Platte aufgelegt.
Verstehen Sie dieses Buch daher bitte nicht als Regelwerk, das Ihnen eine ganz bestimmte Methode vermitteln will. Verwenden Sie es eher als Werkzeugkasten, der Ihnen eine große Bandbreite von Möglichkeiten an die Hand gibt. Verwenden Sie nur die Werkzeuge, die am besten zu Ihnen und zum Anlass passen. Wenn Sie einen Vortrag halten wollen, kommt es einzig und allein darauf an, dass Sie etwas zu sagen haben, und dass Sie es glaubwürdig und auf Ihre ganz eigene Art und Weise vermitteln.
Das ist gar nicht so schwer. Der öffentliche Vortrag ist eine uralte Kunst, die tief in unseren Gehirnen verankert ist. Archäologische Funde beweisen, dass unsere Vorfahren schon vor vielen hunderttausend Jahren ihre Versammlungsplätze hatten, auf denen sie sich um ein Feuer herum zusammensetzten. Während die Menschen ihre Sprache entwickelten, lernten sie auch, einander ihre Geschichten, Hoffnungen und Träume mitzuteilen.
Stellen Sie sich eine typische Szene vor. Das Lagerfeuer knistert. Über der Lichtung wölbt sich der Sternenhimmel. Ein alter Mann steht auf, und alle Augen richten sich auf ihn. Sein weises, von Falten zerfurchtes Gesicht leuchtet im Feuerschein. Er beginnt, eine Geschichte zu erzählen. Und während er spricht, malen sich die Zuhörer die geschilderten Ereignisse aus und werden von denselben Emotionen erfasst wie die Protagonisten der Geschichte. Von dem Mann geht ein Zauber aus. Die Gehirne in der Runde schwingen im Gleichklang. Für kurze Zeit handeln die Zuhörer wie ein einziges Lebewesen. Sie stehen zusammen auf, tanzen zusammen, singen zusammen. Von da aus ist das Bedürfnis nicht weit, gemeinsam zu handeln, zu einer Reise aufzubrechen, in die Schlacht zu ziehen, ein Haus zu bauen oder ein Fest zu feiern.
Das hat sich bis heute nicht geändert. Wer Mitgefühl wecken, Begeisterung entfachen, Wissen mitteilen oder einen gemeinsamen Traum beschwören will, muss vor anderen Menschen sprechen.
Heute ist das gesprochene Wort mächtiger denn je. Unser Lagerfeuer ist die ganze Welt. Über das Internet kann ein Vortrag, der ursprünglich vor einem relativ kleinen Publikum gehalten wurde, Millionen von Menschen erreichen. So wie die Druckerpresse die Reichweite von Schriftstellern vergrößert hat, so vergrößert das Internet die Reichweite von Rednern. Wer Zugang zum Netz hat (und wir hoffen, dass in einem guten Jahrzehnt noch das entlegenste Dorf auf dem Planeten angeschlossen ist), kann die besten Lehrer und Lehrerinnen der Welt zu sich nach Hause holen und von ihnen lernen. Plötzlich lassen sich mit einer uralten Kunst Menschen auf dem gesamten Erdball erreichen.
Die Internetrevolution hat der Redekunst zu einer neuen Blüte verholfen. Wer von uns hat nicht langweilige Vorlesungen, nicht enden wollende Predigten und ermüdende Politikerreden über sich ergehen lassen müssen. Aber das muss nicht so sein.
Ein guter Vortrag kann mitreißen und das Weltbild des Publikums nachhaltig beeinflussen. Ein guter Vortrag ist wirkungsvoller als jedes geschriebene Wort. Die Schrift gibt uns Wörter. Aber der Vortrag gibt uns noch viel mehr. Wenn wir in die Augen einer Rednerin blicken, den Klang ihrer Stimme hören und ihre Verletzlichkeit, Intelligenz und Leidenschaft spüren, dann springt ein Funke auf uns über, der uns aufrüttelt, mitreißt und begeistert. Aber mehr noch, der Vortrag lässt sich heute auf eine Weise gestalten, von der frühere Redner nicht einmal träumen konnten. Wir können jedes beliebige Bild zeigen, hier und jetzt und hochauflösend. Wir können Videos und Musik einbauen. Wir können wissenschaftliche Instrumente verwenden und bei der Recherche auf das gesamte Wissen der Menschheit zurückgreifen.
Und das Schönste ist, dass Sie das alles lernen können. Das heißt, dass es heute eine wirkungsvolle Fähigkeit gibt, die jeder von uns erlernen und für sich nutzen kann. Diese Fähigkeit nennt sich Vortragskompetenz. Wir leben in einer Zeit, in der ein Leserbrief oder ein Buch möglicherweise nicht mehr die beste Möglichkeit ist, andere Menschen zu erreichen. Vielleicht reicht es aus, aufzustehen und etwas zu sagen – denn die Worte und die Leidenschaft, mit der sie gesprochen werden, lassen sich heute mit Lichtgeschwindigkeit in alle Welt verbreiten.
Im 21. Jahrhundert gehört die Vortragskompetenz in den Lehrplan jeder Schule. Vor der Erfindung der Druckerpresse gehörte sie unter dem altmodischen Namen »Rhetorik« zum Bildungskanon.[1] Heute sollten wir diese Kunst wiederbeleben und als vierte große Kulturtechnik lehren: Rechnen, Lesen, Schreiben – und Sprechen.
Im Grunde bedeutet Rhetorik nämlich nichts anderes als »die Kunst des wirkungsvollen Sprechens«. Und genau das will dieses Buch: Eine Rhetorik für die Gegenwart vermitteln und Ihnen das Mittel der modernen Vortragskompetenz an die Hand geben.
Dabei schöpfe ich aus den reichen Erfahrungen, die ich in den vergangenen Jahren bei TED sammeln durfte. TED begann 1984 als Konferenz, auf der einmal im Jahr Vertreter aus Technik, Entertainment und Design zusammenkamen (daher der Name). In den vergangenen Jahren wurde TED jedoch ausgebaut und ist heute ein Forum für alle Themen, die für die breite Öffentlichkeit von Interesse sind. In kurzen, sorgfältig vorbereiteten Präsentationen stellen die Gäste einem Laienpublikum ihre Themen und Thesen vor. Sehr zu unserer Freude haben sich diese Vorträge im Internet zu einem Erfolg entwickelt, und allein im Jahr 2015 wurden sie insgesamt über eine Milliarde Mal aufgerufen.
Bei TED haben meine Kollegen und ich mit Hunderten Vortragenden zusammengearbeitet und ihnen geholfen, ihre Botschaft zu präzisieren und ihren Vortrag zu schärfen. Diese außergewöhnlichen Menschen haben dazu beigetragen, unser Bild von der Welt zu verändern. Wir haben uns immer wieder gefragt, wie ihnen dies gelungen ist. Auf unseren privilegierten Sitzplätzen am Rand des Podiums ließen wir uns mitreißen und erzürnen, informieren und inspirieren. Wir haben die Gelegenheit genutzt, sie selbst zu fragen, wie sie ihre Vorträge vorbereitet und gehalten haben. Von ihnen haben wir eine Menge darüber gelernt, wie man innerhalb weniger Minuten eine derart große Wirkung erzielen kann.
Deshalb ist dieses Buch ein Gemeinschaftsprojekt. Es entstand in Zusammenarbeit mit den Vortragenden und meinen Kollegen, vor allem Kelly Stoetzel, Bruno Giussani und Tom Rielly, die gemeinsam mit mir die TED-Konferenzen organisiert, das Format entwickelt und außergewöhnliche Stimmen auf unser Podium geholt haben.
Daneben schöpfe ich aber auch aus den Erfahrungen der vielen tausend unabhängig organisierten TEDx-Veranstaltungen.[2] Deren Inhalte überraschen uns immer wieder und vermitteln uns eine ganz neue Vorstellung davon, was mit dem Medium des öffentlichen Vortrags alles möglich ist.
TED hat es sich zum Auftrag gemacht, die Verbreitung von guten Ideen zu fördern. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies in einer TED- oder einer TEDx-Konferenz passiert oder in irgendeinem anderen Vortragsrahmen. Wenn wir von anderen Veranstaltungen im Stile von TED hören, sind wir begeistert. Letztlich gehören Ideen niemandem. Sie entwickeln ein Eigenleben. Wir freuen uns darüber, dass heute die Kunst des öffentlichen Vortrags wiederbelebt wird, egal wie und wo.
Deshalb werde ich Ihnen in diesem Buch nicht erklären, wie Sie einen guten TED-Vortrag halten. Es geht um viel mehr. Es geht um jede Form des öffentlichen Vortrags, der erklären, begeistern, informieren oder überzeugen will, sei es in Unternehmen, in Bildungseinrichtungen oder in der Öffentlichkeit. Wenn viele der Beispiele in diesem Buch aus den TED Talks stammen, dann nur deshalb, weil ich diese besonders gut kenne. Die TED-Konferenzen haben in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit erregt, und ich bin überzeugt, dass man von ihnen viel über die Kunst des Vortrags lernen kann. Ich bin außerdem überzeugt, dass sie viel zur Verbesserung der Vortragskompetenz beitragen können.
Deshalb finden Sie hier keine konkreten Anleitungen für Ihre Hochzeitsreden, Verkaufspräsentationen oder Referate. Dieses Buch bietet Ihnen vielmehr Werkzeuge und Erkenntnisse, die Sie bei diesen Anlässen – und allen anderen Formen des öffentlichen Vortrags – nutzen können. Darüber hinaus will es Sie anregen, Vorträge neu zu sehen und als aufregendes und wirkmächtiges Medium zu begreifen.
Das Lagerfeuer von einst hat ein neues Feuer entzündet. Ein Feuer, das von einem Gehirn zum anderen überspringt und Ideen entzündet, deren Zeit gekommen ist.
Die Bedeutung dieser Entwicklung lässt sich gar nicht hoch genug einschätzen. Menschlicher Fortschritt war nur möglich, weil Menschen einander ihre Ideen mitgeteilt und sie dann gemeinsam in die Tat umgesetzt haben. Von den ersten gemeinsamen Mammutjagden bis zu Neil Armstrongs erstem Schritt auf dem Mond haben Menschen das gesprochene Wort in atemberaubenden kollektiven Leistungen umgesetzt.
Das ist heute nötiger denn je. Ideen, mit denen sich unsere dringlichsten Probleme lösen lassen, bleiben oft ungehört, weil die außergewöhnlichen Menschen, die sie erdacht haben, nicht über das Selbstbewusstsein oder das Knowhow verfügen, um sie wirkungsvoll zu verbreiten. Das ist eine Tragödie. In einer Zeit, in der sich Ideen mit Lichtgeschwindigkeit um die Erde verbreiten und in Millionen von Gehirnen festsetzen können, ist es ganz entscheidend zu wissen, wie wir sie auf den Weg bringen können – sowohl für Sie, die potentiellen Redner, als auch für uns, die wir wissen müssen, was Sie zu sagen haben.
Sind Sie bereit?
Entzünden wir das Feuer.
Chris Anderson
Februar 2016
Eine Fähigkeit, die Sie lernen können
Na, aufgeregt?
Es kann einem schon Angst machen, auf ein Podium zu treten, während Hunderte Augenpaare auf Sie gerichtet sind. Ihnen graut davor, in einer Besprechung im Unternehmen aufzustehen und Ihr Projekt vorzustellen. Was, wenn Sie nervös werden und zu stottern anfangen? Wenn Sie vergessen, was Sie sagen wollten? Wie demütigend wäre das! Ihre ganze Karriere stünde auf dem Spiel! Vielleicht wird die Idee, an die Sie glauben, nie verwirklicht!
Gedanken wie diese können einem den Schlaf rauben.
Aber wissen Sie was? Diese Angst, vor anderen zu sprechen, hat fast jeder Mensch schon einmal erlebt. In Umfragen steht der Auftritt vor anderen ganz oben auf der Liste der Ängste, noch vor Schlangenphobien, Höhenangst und sogar noch vor dem Tod.
Wie kann das sein? Hinter dem Mikrophon versteckt sich keine Tarantel. Sie müssen keine Angst haben, vom Rand des Podiums aus in den Tod zu stürzen. Die Leute im Saal werden Sie nicht mit Mistgabeln angreifen. Woher also diese Angst?
Der Grund ist, dass so viel auf dem Spiel steht. Nicht nur dieser eine Moment, sondern Ihr ganzer Ruf. Wir legen großen Wert auf die Meinung, die andere von uns haben. Wir sind nun einmal Herdentiere. Wir sehnen uns nach der Anerkennung und Zuneigung der anderen. Unser Glück hängt in erstaunlichem Maße davon ab. Und wir haben das Gefühl, dass das, was auf dieser öffentlichen Bühne passiert, darüber entscheidet, ob uns andere Menschen wertschätzen oder nicht.
Aber mit der richtigen Einstellung können Sie sich diese Sorge zunutze machen. Sie kann nämlich ein überzeugendes Motiv sein, Ihren Vortrag gründlich vorzubereiten.
Wie Monica Lewinsky, als sie auf einer TED-Konferenz sprach. Für sie hätte kaum mehr auf dem Spiel stehen können. Siebzehn Jahre zuvor hatte sie eine öffentliche Demütigung erlebt, wie sie schlimmer kaum hätte sein können, und daran wäre sie fast zerbrochen. Nun wollte sie wieder an die Öffentlichkeit gehen und ihre Seite der Geschichte erzählen.
Aber sie hatte keinerlei Erfahrung mit öffentlichen Auftritten und wusste, dass es einer Katastrophe gleichkäme, wenn sie versagen würde. Nach ihrem Vortrag gestand sie mir:
Nervosität ist noch ein gelinder Ausdruck für das, was ich empfunden habe. Eher – aufgewühlt. Von Sorgen zerfressen. Von der Angst durchbohrt. Wenn ich an diesem Morgen den Strom in meinen Nerven hätte anzapfen können, dann hätten wir damit das Energieproblem der Menschheit gelöst. Ich sollte nicht nur vor einem Publikum aus prominenten und intelligenten Menschen sprechen, sondern mein Auftritt sollte auch noch aufgezeichnet werden, und wahrscheinlich würde er auch auf einer gut besuchten Plattform veröffentlicht werden. Das Trauma, das ich aus Jahren des öffentlichen Spotts zurückbehalten hatte, regte sich wieder. Tief in mir spürte ich die Angst, dass ich auf dem Podium von TED nichts verloren hatte. Gegen all das musste ich ankämpfen.
Aber Lewinsky fand eine Möglichkeit, mit dieser Angst umzugehen. Dazu verwendete sie einige verblüffende Techniken, die ich Ihnen in Kapitel 15 vorstelle. An dieser Stelle will ich nur so viel verraten: Es funktionierte. Ihr Auftritt wurde mit stehenden Ovationen bejubelt und innerhalb weniger Tage mehr als eine Million Mal aufgerufen und begeistert kommentiert. Er veranlasste sogar Lewinskys langjährige Kritikerin, die feministische Autorin Erica Jong, zu einer öffentlichen Entschuldigung.
Auch Jacqueline Novogratz, die wunderbare Frau, mit der ich heute verheiratet bin, fürchtete sich vor öffentlichen Auftritten. In der Schule und in der Universität verfiel sie schon beim Gedanken an ein Mikrophon und ein Publikum in Schockstarre. Aber sie wusste, dass sie mit ihrer Arbeit in der Armutsbekämpfung nur dann Erfolg haben würde, wenn sie andere für ihre Ideen gewinnen konnte. Also zwang sie sich dazu. Heute hält sie pro Jahr Dutzende Vorträge, die oft mit stehenden Ovationen bedacht werden.
Wohin Sie auch sehen, überall begegnen Ihnen Geschichten von Menschen, die Angst vor dem öffentlichen Auftritt hatten und eine Möglichkeit fanden, sie zu meistern – angefangen von der Präsidentengattin Eleanor Roosevelt über den Starinvestor Warren Buffett bis zu Prinzessin Diana, die ungern Reden hielt, aber eine Möglichkeit fand, informell mit ihrer eigenen Stimme zu sprechen und damit die Welt zu verzaubern.
Mit einem gelungenen Vortrag können Sie Erstaunliches zu Wege bringen. Wie der Unternehmer Elon Musk, als er am 2. August 2008 zu den Mitarbeitern von SpaceX sprach.
Musk galt nicht als großer Redner. Doch was er an diesem Tag sagte, markierte die Wende für sein Unternehmen. SpaceX hatte bereits zwei gescheiterte Raketenstarts hinter sich. Es war der Tag des dritten Starts, und alle wussten, wenn es diesmal wieder schiefging, dann wäre das Unternehmen vermutlich am Ende. Die Rakete Falcon hob ab, doch kurz nach der Zündung der zweiten Stufe nahm die Katastrophe ein weiteres Mal ihren Lauf und die Rakete explodierte. Die rund 350 Mitarbeiter versammelten sich zu einer Krisensitzung, und die Personalleiterin Dolly Singh erinnert sich, wie dick die Luft war. Elon Musk trat vor die Belegschaft. Er sagte den Mitarbeitern, er habe immer gewusst, dass es schwer werden würde, aber trotz allem hätten sie an diesem Tag etwas geschafft, das nur wenige Länder erreicht hätten, von Unternehmen ganz zu schweigen. Der erste Abschnitt des Starts sei erfolgreich verlaufen und habe die Raumkapsel hinaus ins All befördert. Nun mussten sie wieder aufstehen und sich an die Arbeit machen. Singh erinnert sich an den Höhepunkt der Ansprache:
Dann sagte Elon, mit der ganzen Energie, die er nach einer durchgearbeiteten Nacht aufbringen konnte: »Ich für meinen Teil werde niemals aufgeben – niemals.« Ich glaube, damals wären ihm die meisten von uns mit ein bisschen Sonnencreme in die Hölle gefolgt. Es war die eindrucksvollste Demonstration von Führungskraft, die ich je erlebt habe. Augenblicklich schlug die Stimmung im Raum von Niedergeschlagenheit in Entschlossenheit um, und die Leute blickten nach vorn, nicht zurück.
So viel kann eine einzige Ansprache bewirken. Auch wenn Sie kein Unternehmen leiten, können Sie mit einem Vortrag Türen öffnen oder Ihrer beruflichen Laufbahn eine Wende geben.
TED-Redner haben uns herrliche Geschichten darüber erzählt, welchen Eindruck sie mit ihren Vorträgen hinterlassen haben. Einige haben Angebote für Bücher, Filme, gut bezahlte Vorträge und unerwartete Spenden erhalten. Aber am schönsten sind die Geschichten von Vorträgen, die Ideen verbreitet und Leben verändert haben. Amy Cuddy hielt einen Vortrag darüber, wie eine Veränderung der Körpersprache das Selbstbewusstsein positiv beeinflussen kann. Daraufhin erhielt sie mehr als 15000 Zuschriften von Menschen aus aller Welt, die ihr mitteilten, wie sehr sie ihnen mit ihrer Botschaft geholfen hatte.
Nach seinem mitreißenden Vortrag setzte William Kamkwamba, ein junger Erfinder aus Malawi, der als Vierzehnjähriger in seinem Dorf eine Windmühle errichtet hatte, eine Kette von Ereignissen in Gang. Schließlich studierte er Ingenieurwesen am Dartmouth College.
Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte aus meinem Leben erzählen. Als ich Ende 2001 die Leitung von TED übernahm, stand ich noch ganz unter dem Eindruck des Beinahe-Bankrotts meines Unternehmens, das ich über fünfzehn Jahre hinweg aufgebaut hatte. Ich hatte Angst vor einer neuerlichen Pleite. Ich hatte die TED Community bearbeitet, um sie von meinem Konzept für TED zu überzeugen, und ich war in Sorge, dass das Projekt eines unrühmlichen Todes sterben würde. Damals war TED eine Konferenz, die einmal jährlich in Kalifornien stattfand. Organisiert wurde sie von einem charismatischen Architekten namens Richard Saul Wurman, dessen Persönlichkeit bis in den letzten Winkel der Konferenz hinein spürbar war. Die Veranstaltung hatte ein Stammpublikum von rund achthundert Besuchern, doch die meisten schienen sich damit abgefunden zu haben, dass TED den Abschied von Wurman nicht überleben würde. Im Februar 2002 fand die letzte Konferenz unter seiner Leitung statt, und ich hatte nur diese eine Chance, um den Besuchern klarzumachen, dass sie auch im kommenden Jahr stattfinden und einen Besuch lohnen würde. Ich hatte allerdings noch nie im Leben eine Konferenz organisiert, und obwohl ich seit Monaten die Marketingtrommel für die Veranstaltung des kommenden Jahres rührte, hatte ich erst siebzig Karten verkauft.
Am letzten Morgen der Konferenz hatte ich eine Viertelstunde Zeit, um für TED zu werben. Aber ehe ich mehr erzähle, muss ich Ihnen etwas gestehen: Ich bin kein geborener Redner. Ich sage andauernd äh und mh. Ich halte mitten im Satz inne, um das richtige Wort zu finden. Allzu oft klinge ich ernst, leise oder abstrakt. Und mein schräger englischer Humor kommt auch nicht überall an.
In diesem Moment war ich so nervös und besorgt, ich könnte auf der Bühne eine schlechte Figur abgeben, dass ich nicht einmal stehen konnte. Also rollte ich einen Stuhl aufs Podium, setzte mich und begann.
Wenn ich mich heute an diesen Vortrag zurückerinnere, dann zucke ich vor Scham zusammen. Rückblickend würde ich hundert Dinge anders machen, angefangen mit dem ungebügelten weißen T-Shirt, das ich trug. Trotzdem – ich hatte meine Botschaft gut vorbereitet und wusste, dass im Publikum zumindest ein paar Leute saßen, die wollten, dass es mit TED weiterging. Wenn es mir gelang, diese paar Unterstützer mitzureißen, dann schafften wir vielleicht die Wende. In der zurückliegenden Dotcom-Krise hatten viele im Publikum ähnliche unternehmerische Rückschläge hinnehmen müssen wie ich. Vielleicht bekam ich sie ja an diesem Punkt zu packen?
Was ich sagte, kam von Herzen, und ich sprach mit aller Offenheit und Überzeugungskraft, die ich aufbringen konnte. Ich sagte meinen Zuhörern, dass ich gerade eine Firmenpleite hinter mir hatte und mich für einen Versager hielt. Dass ich nur überlebt hatte, weil ich mich in die Welt der Ideen gestürzt hatte. Dass TED für mich alles bedeutete, und dass es ein einmaliger Ort war, an dem neue Ideen aus den verschiedensten Disziplinen zusammenkamen. Dass ich alles tun würde, um die Werte von TED zu bewahren. Und dass diese Konferenz uns allen so viel Inspiration und Wissen geschenkt hatte, dass wir sie doch unmöglich sterben lassen konnten – oder?
Ach ja, und das Eis hatte ich mit einer nicht verbürgten Anekdote über die französische Präsidentengattin Madame de Gaulle gebrochen, die auf einem diplomatischen Diner die englischen Gäste schockiert hatte, weil sie ihnen »a penis« gewünscht hatte. Womit die Gute natürlich happiness gemeint hatte. Aber auch wir Engländer wünschten uns natürlich happiness, und die hatte mir TED geschenkt.
Nachdem ich geendet hatte, stand zu meinem großen Erstaunen Amazon-Chef Jeff Bezos auf, der mitten im Publikum saß, und applaudierte. Dann stand der ganze Saal auf. Es war, als hätte die TED Community innerhalb dieser wenigen Sekunden beschlossen, dass sie dieses neue Kapitel von TED nun doch unterstützen wollte. In der folgenden einstündigen Pause reservierten 200 Leute ihren Platz für das kommende Jahr, und damit war die Veranstaltung gerettet.
Wenn dieser fünfzehnminütige Vortrag gefloppt wäre, dann wäre TED am Ende gewesen – vier Jahre bevor das erste Video ins Internet gestellt wurde. Sie würden dieses Buch nicht lesen.
Im nächsten Kapitel verrate ich Ihnen, warum dieser Vortrag meiner Ansicht nach wirkungsvoll war, trotz meines etwas dilettantischen Auftritts. Es ist eine Erkenntnis, die sich auf jeden Vortrag anwenden lässt.
Egal wie wenig Zutrauen Sie heute in Ihre Redekünste haben – es gibt Dinge, die Sie tun können, um das zu ändern. Reden ist kein Geschenk des Himmels, das nur einigen wenigen Auserwählten in die Wiege gelegt wird. Es ist vielmehr eine große Bandbreite von Fähigkeiten. Es gibt zahllose Möglichkeiten, einen Vortrag zu halten, und jeder von Ihnen kann den Ansatz finden, der ihm oder ihr am besten entspricht, und die jeweiligen Fähigkeiten lernen.
Vor einigen Jahren unternahm ich mit der TED-Programmleiterin Kelly Stoetzel eine Weltreise auf der Suche nach Vortragstalenten. In der kenianischen Hauptstadt Nairobi lernten wir Richard Turere kennen, einen zwölfjährigen Jungen, der eine erstaunliche Erfindung gemacht hatte. Seine Familie lebte von der Viehzucht, und eine der größten Herausforderungen bestand darin, die Tiere nachts vor Angriffen durch Löwen zu schützen. Richard hatte bemerkt, dass sich die Raubtiere von Lagerfeuern nicht abschrecken ließen, sehr wohl aber von Menschen, die Fackeln über das Grundstück trugen. Die Löwen hatten offenbar Angst vor Lichtern, die sich bewegten! Richard hatte sich ein paar Grundkenntnisse in Elektronik beigebracht, indem er den Radioapparat der Eltern auseinandergeschraubt und damit herumexperimentiert hatte. Mit diesem Wissen erfand er ein System von Lichtern, die sich nacheinander ein- und ausschalteten und den Eindruck vermittelten, dass sich die Lichter bewegten. Er hatte seine Erfindung aus Müll zusammengebaut – Solarzellen, einer Autobatterie und dem Blinker eines Motorrads. Er installierte seine Lampen und siehe da, die Löwen blieben fern. Der Erfolg dieser Erfindung verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und andere Dörfer wollten auch so ein System. Statt wie früher die Löwen zu töten, installierten sie nun Richards »Löwenlichter«. Der Erfolg begeisterte nicht nur die Dorfbewohner, sondern auch die Tierschützer.
Das war eine beeindruckende Leistung, aber auf den ersten Blick sah Richard nicht aus wie ein geborener Redner. Er drückte sich in der Ecke herum und blickte schüchtern zu Boden. Englisch sprach er nur stockend, und es kostete ihn einige Mühe, seine Erfindung in zusammenhängenden Sätzen zu erklären. Es war schwer, sich ihn auf einer kalifornischen Bühne vor 1400 Menschen vorzustellen, als Programmpunkt zwischen Google-Gründer Sergey Brin und Microsoft-Chef Bill Gates.
Aber Richards Geschichte war so gut, dass wir ihn trotzdem einluden. In den Monaten vor der Konferenz halfen wir ihm, seinen Vortrag zu entwickeln – vor allem, den richtigen Einstieg und einen natürlichen Aufbau. Dank seiner Erfindung hatte Richard ein Stipendium für eine der besten Schulen Kenias bekommen, wo er Gelegenheit hatte, seinen TED-Vortrag mehrmals vor Publikum zu proben. Das gab ihm Selbstvertrauen, und allmählich wurde auch seine Persönlichkeit spürbar.
Also bestieg er zum ersten Mal in seinem Leben ein Flugzeug und flog nach Long Beach in Kalifornien. Als er das Podium betrat, war ihm seine Nervosität anzumerken, doch das machte ihn nur sympathischer. Während Richard sprach, hing das Publikum an seinen Lippen, und jedesmal wenn er lächelte, schmolz es dahin. Nachdem er geendet hatte, standen die Zuschauer auf und jubelten.
Richards Geschichte soll denjenigen unter uns Mut machen, die glauben, dass sie niemals einen vernünftigen Vortrag halten werden. Sie brauchen kein Winston Churchill und kein Nelson Mandela zu sein. Es reicht, wenn Sie Sie selbst sind. Wenn Sie ein Wissenschaftler sind, dann seien Sie ein Wissenschaftler – versuchen Sie nicht, ein Aktivist zu werden. Wenn Sie eine Künstlerin sind, dann seien Sie eine Künstlerin – versuchen Sie nicht, eine Kunsthistorikerin zu sein. Und wenn Sie ein ganz normaler Mensch sind, dann geben Sie sich nicht als Intellektueller – seien Sie einfach nur Sie selbst. Sie müssen die Massen nicht zu überwältigenden Beifallsstürmen hinreißen. Es kann schon reichen, wenn Sie Ihre Botschaft wie in einem Gespräch vermitteln. Für die meisten Zuhörer funktioniert das sogar am besten. Wenn Sie sich beim Abendessen mit Freunden unterhalten können, dann können Sie auch vor Publikum sprechen.
Die Technik bietet Ihnen neue Hilfsmittel. Heute müssen Sie nicht auf Veranstaltungen mit Tausenden Besuchern auftreten, um Ihre Botschaft zu verbreiten. Es reicht, wenn Sie zu Hause in eine Videokamera sprechen und dem Internet den Rest überlassen.
Vortragskompetenz ist kein Wahlfach für einige wenige. Es ist eine Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts. Es ist die wirkungsvollste Möglichkeit, anderen zu vermitteln, wer Sie sind und was Ihnen am Herzen liegt. Diese Fähigkeit vermittelt Selbstbewusstsein, und Sie werden staunen, wie positiv sie sich auf Ihren Erfolg auswirkt – ganz egal wie Sie Erfolg definieren.
Sie müssen nur Sie selbst sein, um diese uralte Kunst nutzen zu können, die in unseren Gehirnen angelegt ist. Es reicht, wenn Sie allen Mut zusammennehmen und es versuchen.
Jeder Vortrag ein Geschenk
Im März 2015 betrat eine Wissenschaftlerin namens Sophie Scott das Podium von TED, und binnen zwei Minuten bog sich das Publikum vor Lachen. Sophie ist Lachforscherin, und sie spielte ihren Zuhörern eine Aufnahme von lachenden Menschen vor, um ihnen zu demonstrieren, was für ein sonderbares Phänomen das ist – »mehr Tierlaut als Sprache«, wie sie meinte.
Ihr Vortrag war 17 Minuten reine Freude. Am Ende räkelten sich alle in dem wohligen Gefühl eines rundherum angenehmen Erlebnisses. Aber es war noch etwas anderes passiert. Keiner von uns würde das Lachen jemals wieder so sehen wie früher. Sophies These über das Lachen – dass es aus Sicht der Evolution dem Zweck dient, soziale Spannungen in ein angenehmes Miteinander zu verwandeln – hatte sich in unsere Gehirne eingebrannt. Wenn ich heute eine Gruppe von Menschen beim Lachen beobachte, dann sehe ich sie mit ganz anderen Augen. Genau wie früher spüre ich die Freude und möchte mitlachen. Aber ich erkenne in dem Lachen auch einen gesellschaftlichen Kitt und weiß, dass ich Zeuge eines merkwürdigen, uralten biologischen Phänomens werde. Das macht die ganze Sache noch viel wundersamer.
Sophie hat mir ein Geschenk gemacht. Und zwar nicht nur die Freude, ihr zuzuhören. Sie hat mir eine Idee geschenkt, die mich für den Rest meines Lebens begleiten wird.[3]
Sophies Geschenk ist eine wunderschöne Metapher, die wir auf jeden Vortrag anwenden können. Wenn Sie einen Vortrag halten, dann besteht Ihr oberstes Ziel darin, etwas für Sie sehr Bedeutsames in den Köpfen Ihrer Zuhörer neu zu erschaffen. Dieses Etwas könnten wir als »Idee« bezeichnen. Ein geistiges Konstrukt, das Ihre Zuhörer festhalten, mitnehmen und wertschätzen können, und das sie sogar auf gewisse Weise verändert.
Das ist vielleicht der eigentliche Grund, warum der Vortrag, vor dem ich mehr Angst gehabt hatte als vor jedem anderen, am Ende doch seine Wirkung zeigte. Wie bereits erwähnt, hatte ich 15 Minuten Zeit, um die TED Community für den Neuanfang der Konferenz unter meiner Leitung zu gewinnen. Mein Vortrag hatte viele Schwächen, aber in einer Hinsicht war er erfolgreich: Er pflanzte einen Gedanken in die Köpfe der Zuhörer. Es war der Gedanke, dass das Besondere an TED nicht so sehr die Persönlichkeit des Gründers war, der mir die Leitung überließ. Das Besondere war vielmehr, dass es sich um einen Ort handelte, an dem sich Menschen sehr unterschiedlicher Disziplinen treffen und austauschen konnten. Diese gegenseitige Befruchtung konnte etwas in der Welt bewegen, und deshalb wollte ich für die Konferenz den Status einer gemeinnützigen Organisation beantragen. Wenn es mit TED weiterging, dann würde das allen etwas bringen.
Diese Idee stellte den Zuhörern den Wechsel in der Leitung in einem anderen Licht dar. Es war nicht mehr so wichtig, dass der Gründer von Bord ging. Das Entscheidende war, dass diese besondere Plattform des Gedankenaustauschs erhalten blieb.
Dieses Buch geht von einem einfachen Gedanken aus: Jeder, der eine mitteilenswerte Idee hat, ist in der Lage, einen überzeugenden Vortrag zu halten. Bei einem Vortrag kommt es nicht auf Selbstbewusstsein, Bühnenpräsenz oder Wortgewandtheit an. Es zählt nur eins: dass Sie etwas zu sagen haben.
Ich benutze den Begriff »Idee« in allgemeinsten Sinne. Es muss sich nicht um einen wissenschaftlichen Durchbruch, eine geniale Erfindung oder eine komplexe juristische Theorie handeln. Es kann eine einfache Handlungsanleitung sein. Oder eine zutiefst menschliche Erkenntnis, die an einer bewegenden Geschichte demonstriert wird. Oder ein schönes Symbol, das Bedeutung für Sie hat. Oder ein Ereignis, von dem Sie hoffen, dass es in der Zukunft eintritt. Oder vielleicht auch nur eine Erinnerung daran, worauf es im Leben wirklich ankommt.
Eine Idee ist alles, was die Sichtweise anderer Menschen verändern kann. Wenn es Ihnen gelingt, eine überzeugende Idee in die Köpfe anderer Menschen zu verpflanzen, dann haben Sie etwas Wunderbares vollbracht. Sie haben ihnen ein Geschenk von unschätzbarem Wert gemacht. Auf sehr reale Weise ist ein Stückchen von Ihnen zu einem Teil Ihrer Zuhörer geworden.
Haben Sie Ideen, die ein größeres Publikum verdient hätten? Es fällt uns erstaunlich schwer, das zu beurteilen. Viele Redner (oft Männer) sind in den Klang ihrer eigenen Stimme verliebt und reden gern stundenlang, ohne dabei irgendwas mitzuteilen, was auch nur den geringsten Wert hätte. Aber noch viel mehr Menschen (oft Frauen) unterschätzen den Wert ihrer eigenen Arbeit, ihres Wissens und ihrer Erkenntnisse.
Wenn Sie dieses Buch in die Hand genommen haben, weil Sie gern auf der Bühne stehen und davon träumen, ein TED-Star zu werden und das Publikum mit Ihrer Ausstrahlung in Ihren Bann zu ziehen, dann legen Sie es bitte wieder weg. Tun Sie lieber etwas, das sich mitzuteilen lohnt. Form ohne Inhalt ist unerträglich.
Aber wahrscheinlich haben Sie viel mehr mitzuteilen, als Ihnen bewusst ist. Sie brauchen gar keine Löwen zu bändigen. Sie führen ein ganz und gar einmaliges Leben. Sie haben Erfahrungen gemacht, die außer Ihnen niemand gemacht hat. Aus diesen Erfahrungen lassen sich mitteilenswerte Erkenntnisse ziehen. Denken Sie nur darüber nach, welche das sein könnten.
Das empfinden Sie als Stress? Vielleicht müssen Sie ein Referat halten. Oder in kleiner Runde Ihre Forschungsergebnisse vortragen. Oder Ihren Verein präsentieren, um Stiftungsgelder zu bekommen. Vielleicht haben Sie das Gefühl, dass Sie nichts getan haben, was sich mitzuteilen lohnt. Sie haben nichts erfunden. Sie sind nicht sonderlich kreativ. Sie halten sich nicht für ein Superhirn. Sie haben keine originellen Zukunftsvisionen. Sie sind sich nicht einmal sicher, ob Sie für irgendetwas große Leidenschaft empfinden.
Natürlich, das ist ein schwieriger Ausgangspunkt. Um die Zeit Ihrer Zuhörer nicht zu verschwenden, muss Ihr Vortrag einen gewissen Tiefgang haben. Vielleicht bleibt Ihnen für den Moment nichts anderes übrig, als Ihre Reise fortzusetzen und nach etwas zu suchen, das Sie wirklich bewegt und den Wunsch weckt, tiefer nachzuforschen und dieses Buch in ein paar Jahren wieder aufzuschlagen.
Aber ehe Sie zu diesem Schluss kommen, denken Sie lieber noch einmal darüber nach, ob Sie mit Ihrer Einschätzung richtig liegen. Vielleicht fehlt es Ihnen ja nur an Selbstbewusstsein. Es ist paradox: Sie waren immer nur Sie selbst, Sie haben sich immer nur von innen wahrgenommen. Das, was andere an Ihnen bemerkenswert finden, das bemerken Sie vielleicht gar nicht. Um diese Aspekte kennenzulernen, könnten Sie Gespräche mit den Menschen führen, die Sie am besten kennen – die kennen Sie oft besser als Sie sich selbst.
So oder so haben Sie etwas, das niemand sonst auf der Welt hat: Ihre ganz konkrete Lebenserfahrung. Gestern haben Sie eine Abfolge von Dingen erlebt und Emotionen gespürt, die buchstäblich einmalig waren. Von den sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten hat niemand exakt diese Erfahrungen gemacht. Lässt sich daraus nichts machen? Die besten Vorträge bestehen oft aus einer persönlichen Geschichte und einer einfachen Lektion, die jemand daraus zieht. Haben Sie etwas gesehen, das Sie überrascht hat? Vielleicht sind Sie in einem Park ein paar Kindern begegnet oder Sie haben mit einem Obdachlosen gesprochen. Haben Sie etwas beobachtet, das andere Menschen interessieren könnte? Oder wenn nicht, können Sie sich vorstellen, in den kommenden Wochen mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und sich der Möglichkeit bewusst zu sein, dass ein Teil dieser einmaligen Reise für andere Menschen von Interesse sein könnte?
Wir lieben Geschichten, und jeder kann lernen, eine gute Geschichte zu erzählen. Und wenn Sie keine neuen Lektionen aus Ihrer Geschichte ziehen, dann ist das auch in Ordnung – wir sind Menschen! Wir müssen öfter daran erinnert werden! Es hat schon seinen Grund, warum der Pfarrer jeden Sonntag eine Predigt hält und uns immer wieder dasselbe erzählt, nur in anderer Verpackung. Wenn eine Idee in einer frischen und gut erzählten Geschichte vermittelt wird, kann sie immer wieder ein Denkanstoß sein.
Denken Sie an Ihre Arbeit der letzten drei oder vier Jahre – was sticht in Ihrer Erinnerung hervor? Wofür konnten Sie sich besonders begeistern? Worüber haben Sie sich aufgeregt? Worauf waren Sie stolz? Was war das letzte Gespräch, in dem Ihnen jemand gesagt hat, »Das ist aber sehr interessant!«? Wenn Sie einen Zauberstab hätten, welche Idee würden Sie am liebsten in die Köpfe anderer Menschen bringen?