Magic Marta und der Wunderkater

Britta Sabbag

Magic Marta
und der Wunderkater

Mit Bildern von Isabelle Metzen

FISCHER E-Books

Inhalt

Über Britta Sabbag und Isabelle Metzen

Britta Sabbag, geboren 1978 in Osnabrück, studierte Sprachwissenschaften, Psychologie und Pädagogik an der Universität Bonn. Ihr Romandebüt wurde 2012 auf Anhieb zum Spiegel-Bestseller und erfolgreich auf vielen Theaterbühnen aufgeführt. Weitere Romane, Jugend- und Kinderbücher folgten. Seit 2015 landet sie mit den Bilderbüchern rund um ›Die kleine Hummel Bommel‹ immer wieder neue Spiegel-Bestsellerplatzierungen. Sie lebt mit ihrem Partner und ihrem kleinen Sohn auf dem Land, wo neue Buchideen an den Bäumen hängen.

 

Isabelle Metzen hat schon als Kind leidenschaftlich gern gezeichnet. Nach ihrem Diplom in Design an der Fachhochschule Münster hat sie sich selbständig gemacht und arbeitet als freie Illustratorin für verschiedene Kinder- und Jugendbuchverlage.

 

Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden sich auf www.fischerverlage.de

Impressum

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

© 2019 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main

Lektorat: Antje Lehbrink

Covergestaltung: Karin Dahlhaus, MT-Vreden, unter Verwendung einer Illustration von Isabelle Metzen

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-7336-5108-4

Bomforzionöse Ereignisse

»Nein.«

»Doch.«

»Nein!«

»Doch!«

»Nein!«

»Wo-hooohl!«

Ich zog, so heftig ich konnte, an dem gestreiften Schal, dessen anderes Ende meine Schwester Greta fest umklammert hielt.

»Es ist meiner, und das weißt du genau!«

»Stimmt gar nicht!«, blökte Greta und verdrehte die Augen. Das tat sie eigentlich alle fünf Minuten, egal, was passierte. Sogar dann, wenn sich nur das Wetter änderte. Mama sagte, das läge an der Pubertät.

»Stimmt wohl!«, rief ich. »Das ist Oma Schleswigs Glücksschal, und den hat sie mir vererbt.«

Greta pustete Luft durch die Zahnlücke zwischen ihren beiden Vorderzähnen. »Pfft! So ein Quark.«

Dann riss sie mir mit einem Ruck den Schal aus der Hand. »Mir steht er einfach besser.«

Sie wickelte sich den Schal um und warf das lange Ende schwungvoll über die Schulter. Der bunte Stoff passte leider tatsächlich besonders gut zu ihrem blauen Mantel und den dunkelblonden Haaren.

Greta machte eine bedeutungsvolle Pause. »… dann bekommst du ihn trotzdem nicht!«

Sie brach in lautes Gelächter aus und schlenderte zur Tür. Dann drehte sie sich noch mal zu mir um.

»Und das mit dem Händchenhalten auf dem Pausenhof kannst du vergessen! Ich warne dich: Nur weil du jetzt auf meine Schule kommst, heißt das noch lange nicht, dass ich mit dir rede. Du hältst einen Sicherheitsabstand von mindestens zehn Metern ein. Ach, besser zwanzig!«

Ich wusste nicht mal, wie viel zehn Meter waren, oder zwanzig.

»Aber wieso denn?«, fragte ich enttäuscht. Ich hatte gehofft, dass meine Schwester mir wenigstens am ersten Tag in der neuen Schule zur Seite stehen würde.

»Hm, ich schätze, ich brauche meine Freiheit«,

Früher hatten wir uns ein Zimmer geteilt. Aber nachdem Greta dreizehn geworden war, hielt sie das für unzumutbar. Deswegen zog ich einen Tag nach ihrem Geburtstag in das Abstellkämmerchen neben unserem alten Zimmer. Allerdings war das so winzig, dass nur ein Bett und ein kleiner, ausklappbarer Schreibtisch hineinpassten, aber kein Kleiderschrank. Und so kam es, dass Greta und ich uns weiter einen Schrank teilen mussten.

Unser winziges Fachwerkhaus hatte insgesamt nur drei richtige Zimmer, allerdings auf drei Etagen. Die Wände und Türrahmen waren schief und krumm, aber das konnte man nicht ändern, weil das Haus unter Denkmalschutz stand. Mama liebte das schräge Häuschen, das direkt neben den Schrebergärten unseres Ortes lag. Ich mochte es auch irgendwie, denn es war immer furchtbar gemütlich. Aber die Sache mit dem Kleiderschrank mochte ich ganz und gar nicht.

Seufzend drehte ich mich zu dem Wandspiegel, der neben der Tür hing, und betrachtete mich

Ich trug eine Jeans, die am Bauch ein wenig eng war, und ein rotes T-Shirt. Dazu einen Kapuzenpulli in Rot, meiner Lieblingsfarbe, Turnschuhe und natürlich meine Brille, die mit den ganz großen Gläsern. Ich hatte sie direkt cool gefunden, als Mama sie mir beim Optiker gezeigt hatte. Wenn ich sie anhatte, hatte ich immer das Gefühl, dass ich mich ein bisschen hinter ihr verstecken konnte. Auch wenn es nicht stimmte, gab sie mir trotzdem ein gutes Gefühl. Na ja, und einen praktischen Grund hatte sie ja auch, denn ohne Brille sähe ich einen Elefanten noch nicht mal, wenn er in unserer Zimmertür stehen würde. Ich war ein bisschen pummelig, was gar nicht schlimm war, sagte Mama immer, denn »… jeder ist gut so, wie er ist«. Ich fand es auch nicht schlimm, meistens jedenfalls nicht.

»Marta, kommst du?«, rief Mama aus dem Flur und riss mich aus meinen Gedanken.

»Wenn du lächelst, lächelt die Welt zurück!«, hatte sie immer gesagt.

Also strengte ich mich an. Mein Lächeln legte die große silbrige Zahnspange frei, die ich seit einem Jahr tragen musste. Oh. Besser doch nicht zu viel lächeln, dachte ich und presste meine Lippen wieder zusammen.

Immerhin war es ja auch kein wirklicher Auftritt, den ich vor mir hatte. Sondern nur der erste Schultag in der 5b der Gesamtschule in Klein-Amerika.

Ja, ihr habt richtig gehört! Jeder, der das erste Mal durch die Ortseinfahrt kommt, hält an und macht erst mal ein Foto von sich mit dem Schild, auf dem »Klein-Amerika – Gemeinde Wietzendorf« steht. Als Greta und ich noch jünger waren, standen wir manchmal stundenlang neben dem Schild und warteten auf Touristen, die

»Du bist nicht erwünscht«, hatte sie eines Tages gesagt, als ich sie wie immer begleiten wollte. So einen Ausdruck hatte sie überhaupt noch nie vorher benutzt, und ich hatte sie mit offenem Mund angestarrt. Immerhin hatten wir bis dahin alles zusammen gemacht! Das war kurz nach ihrem dreizehnten Geburtstag gewesen, und ein paar Tage später hatte ich zuerst die Brille und dann die Zahnspange bekommen. Mama nannte die Sachen liebevoll »Martas neue Accessoires«. Und ich musste erst einmal herausfinden, wie das Wort geschrieben wurde, um dann nachzusehen, was es bedeutete.

Ich fand nicht, dass die Accessoires unbedingt eine Verbesserung darstellten. Mama aber

»Marta, ich warte auf dich!«

Mamas Stimme klang ungeduldig. Ich wollte auf gar keinen Fall am ersten Tag zu spät kommen, denn ich war schon aufgeregt genug. Schnell schnappte ich mir Gretas Schal, den mit den Punkten. Wenn sie mitkriegte, dass ich ihn trug, würde ich meinen geliebten Glücksschal mit den Streifen morgen ganz sicher wieder zurückhaben.

***

»Guten Morgen, liebe Klasse 5b!«

Unsere Klassenlehrerin Frau Morgenstern schaute uns freundlich an. Sie hatte fuchsrote Haare und einen riesigen Mund, der breit lächelte. Wenn man aber genau hinsah, konnte man erkennen, dass ihre Oberlippe leicht

»Ich freue mich, euch die nächsten Jahre begleiten zu dürfen. Und weil ihr meinen Namen schon kennt, ich eure aber noch nicht den Gesichtern zuordnen kann, bitte ich euch, nach vorne zu kommen und euch vorzustellen. Den Anfang machen wir mit dem Buchstaben A des Nachnamens. A wie … Aden, Jennifer.«

Ein zierliches blondes Mädchen aus der letzten Reihe mit funkelnden grünen Augen stand auf und ging zielstrebig nach vorne. Sie trug ein lässiges, fast bauchfreies Shirt und eine schwarze enge Jeans, die an den Knien die perfekten Löcher hatte. Dazu weiße Sneakers mit goldenen Seitenstreifen und einen ebenfalls perfekten Pferdeschwanz. Beim Gehen wippte er in einer besonderen Art und Weise so schwungvoll hin und her, wie ich es nur von der Haarshampoowerbung kannte. Jennifer – sie war einfach perfekt. Sie wirkte viel älter als wir alle! Noch bevor sie einen Ton gesagt hatte, wusste ich, dass ich ihre Freundin sein wollte.

»Hi«, sagte sie, nachdem sie sich zur Klasse

»Mein Name ist Jennifer, aber so nennt mich keiner. Nur die Leute, die ich nicht ausstehen kann. Alle anderen nennen mich Jen. Ich bin fast elf Jahre alt und komme eigentlich aus Tennessee, Amerika. Aber mein Vater wollte unbedingt nach Deutschland zurück und hat hier in seinem Heimatdorf einen Job angeboten bekommen. Deshalb sind wir umgezogen.

Jen