H. P. Lovecraft
Der Schrecken der Finsternis
Erzählung
Aus dem Amerikanischen von Alexander Pechmann
FISCHER digiBook
H. P. Lovecraft (1890-1937) ist der einflussreichste und beliebteste Horror-Autor des 20. Jahrhunderts. Seine Erzählungen erschienen zu seinen Lebzeiten vor allem in Magazinen wie »Weird Tales« und werden heute in Millionenauflagen gedruckt und gelesen.
Weitere Informationen finden Sie auf www.tor-online.de und www.fischerverlage.de
Robert Blake wird tot und mit angstverzerrtem Gesicht an seinem Schreibtisch vorgefunden, zusammengesunken über einem letzten Tagebucheintrag: »Ich sehe es – es kommt hierher – Höllenwind – riesiger Schatten – schwarze Schwingen – Yog-Sothoth errette mich – das dreilappige brennende Auge ...«
Eine der erschütterndsten Geschichten H. P. Lovecrafts über die Großen Alten in ungekürzter Neuübersetzung, der es erstmals gelingt, Lovecrafts speziellen Stil und die besondere Atmosphäre seiner Erzählung in deutscher Sprache schillern zu lassen.
»H. P. Lovecraft ist der bedeutendste Horror-Autor des 20. Jahrhunderts.« Stephen King
Erschienen bei FISCHER digiBook
Unter dem Titel »The Haunter of the Dark« erstmals veröffentlicht 1936 in der Zeitschrift »Weird Tales«
Erstdruck der Übersetzung in »H. P. Lovecraft – Das Werk« (FISCHER Tor, 2017)
© 2017 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: Guter Punkt, München, nach einer Idee und unter Verwendung einer Illustration von Jonathan Gray
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-490742-0
[Robert Bloch gewidmet]
Ich sah den dunklen Kosmos enthüllt,
Die schwarzen Planeten auf ziellosen Bahnen,
Sie treiben unbeachtet, von Grauen erfüllt,
Ohne Wissen, ohne Licht, ohne Namen.
Umsichtige Ermittler werden sich davor hüten, die verbreitete Annahme in Frage zu stellen, nach welcher Robert Blake durch einen Blitzschlag oder durch einen heftigen Nervenschock, ausgelöst durch eine elektrische Entladung, zu Tode kam. Das Fenster, vor dem er saß, war zwar nicht zerbrochen, doch die Natur hat bewiesen, dass sie zu sonderbaren Launen fähig ist. Sein Gesichtsausdruck könnte leicht durch einen unbekannten Muskelkrampf entstanden sein und nichts mit dem zu tun haben, was er gesehen hat, während seine Tagebuchnotizen eindeutig auf Phantasievorstellungen zurückzuführen sind, die von einem gewissen lokalen Aberglauben und alten Geschichten, die er ausgegraben hatte, angeregt wurden. Was die ungewöhnlichen Zustände in der verlassenen Kirche auf dem Federal Hill angeht – der scharfsinnige Analytiker kann sie im Handumdrehen als bewussten oder unbewussten Betrug entlarven, an dem Blake zumindest teilweise insgeheim beteiligt war.
Denn schließlich war das Opfer ein Autor und Maler, der sich ganz dem Reich der Mythen, Träume, Schrecken und des Aberglaubens verschrieben hatte und stets eifrig nach bizarren und gespenstischen Schauplätzen und Effekten fahndete. Sein früherer Aufenthalt in der Stadt – er besuchte einen seltsamen alten Mann, der ebenso stark wie er an okkulten und verbotenen Überlieferungen interessiert war – hatte inmitten von Tod und Feuer ein Ende gefunden, und es muss ein morbider Instinkt gewesen sein, der ihn aus seinem Heim in Milwaukee zurückrief. Er könnte von den alten Geschichten gewusst haben, obwohl er in seinem Tagebuch das Gegenteil behauptet, und sein Tod hat womöglich nur einen gewaltigen Streich im Keim erstickt, der ihm als literarische Inspiration hätte dienen sollen.
Unter denjenigen, die all diese Beweise untersucht und in Zusammenhang gebracht haben, gibt es dennoch etliche, die an weniger rationalen und gemeinverständlichen Theorien festhalten. Sie neigen dazu, einen Großteil von Blakes Tagebuchaufzeichnungen wörtlich zu nehmen, und verweisen vielsagend auf gewisse Fakten, wie die unbezweifelte Echtheit der alten Kirchenchroniken, die gesicherte Existenz der verhassten und unorthodoxen Sekte Starry Wisdom vor 1877, das schriftlich belegte Verschwinden eines neugierigen Reporters namens Edwin M. Lillibridge 1893 und – vor allem – den Ausdruck monströser, entstellender Angst im Gesicht des jungen Autors im Augenblick seines Todes. Einer dieser Überzeugten war es, der, in einem Anfall von extremem Fanatismus, den merkwürdig gewinkelten Stein und seinen eigenartig verzierten Metallbehälter in die Bucht warf, den man im Kirchturm der alten Kirche entdeckt hatte, genauer: in der schwarzen fensterlosen Kirchturmspitze, nicht im Turm, wo diese Gegenstände laut Blakes Tagebuch ursprünglich aufbewahrt wurden. Obwohl er offiziell und inoffiziell weitgehend zum Schweigen gebracht wurde, behauptete dieser Mann – ein angesehener Arzt mit einer Vorliebe für kuriose Folklore –, er habe die Erde von etwas befreit, das zu gefährlich sei, um es aufzubewahren.
Der Leser muss selbst entscheiden, welcher der beiden Meinungen er folgen möchte. Die Zeitungen haben die greifbaren Einzelheiten aus einem skeptischen Blickwinkel betrachtet und es anderen überlassen, das Gesamtbild aus der Perspektive Blakes – oder seiner eingebildeten Perspektive – oder seiner vorgeblichen Perspektive – darzustellen. Indem wir das Tagebuch nun genau, nüchtern und in aller Ruhe studieren, können wir die dunkle Kette von Ereignissen aus der schriftlich festgehaltenen Sicht ihres Hauptakteurs zusammenfassen.
Der junge Blake kehrte im Winter 1934/3519