Carolin Emcke
Gegen den Hass
FISCHER E-Books
Carolin Emcke, geboren 1967, studierte Philosophie in London, Frankfurt/Main und Harvard. Sie promovierte über den Begriff »kollektiver Identitäten«.
Von 1998 bis 2013 bereiste Carolin Emcke weltweit Krisenregionen und berichtete darüber. 2003/2004 war sie als Visiting Lecturer für Politische Theorie an der Yale University.
Sie ist freie Publizistin und engagiert sich immer wieder mit künstlerischen Projekten und Interventionen, u.a. die Thementage »Krieg erzählen« am Haus der Kulturen der Welt. Seit über zehn Jahren organisiert und moderiert Carolin Emcke die monatliche Diskussionsreihe »Streitraum« an der Schaubühne Berlin. Für ihr Schaffen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus, dem Lessing-Preis des Freistaates Sachsen und dem Merck-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. 2016 erhält sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Bei S. Fischer erschienen ›Von den Kriegen. Briefe an Freunde‹, ›Stumme Gewalt. Nachdenken über die RAF‹, ›Wie wir begehren‹ und ›Weil es sagbar ist: Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit‹.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Rassismus, Fanatismus, Demokratiefeindlichkeit – in der zunehmend polarisierten, fragmentierten Öffentlichkeit dominiert vor allem jenes Denken, das Zweifel nur an den Positionen der anderen, aber nicht an den eigenen zulässt. Diesem dogmatischen Denken, das keine Schattierungen berücksichtigt, setzt Carolin Emcke in ihrem engagierten Essay ein Lob des Vielstimmigen, des „Unreinen“ entgegen – weil so die Freiheit des Individuellen und auch Abweichenden zu schützen ist. Allein mit dem Mut, dem Hass zu widersprechen und der Lust, die Pluralität auszuhalten und zu verhandeln, lässt sich Demokratie verwirklichen. Nur so können wir den religiösen und nationalistischen Fanatikern erfolgreich begegnen, weil Differenzierung und Genauigkeit das sind, was sie am meisten ablehnen.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: buxdesign, München
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-490225-8
Zu den machtvollen Techniken des Ausgrenzens oder Stigmatisierens gehören auch die Begriffe, mit denen Menschen bezeichnet werden. Für viele, die sich im wissenschaftlichen oder polit-aktivistischen Kontext mit den Fragen der Ausgrenzung befassen, ist gerade die sprachpolitische Debatte um angemessene Bezeichnungen ein gravierendes ethisches Problem. Schon die vermeintlich »selbstverständlichen« Kategorien wie »schwarz/weiß« wiederholen doch lediglich die rassistische Zuschreibung und Spaltung, die kritisiert werden sollen. Deswegen gibt es eine Vielzahl sprachlicher Strategien, um sensibler mit diesem Problem umzugehen: vom Weglassen und Ersetzen der belasteten Begriffe, einer Verwendung ausschließlich englischer Bezeichnungen bis hin zu verschiedenen kreativen Formen der Markierung (Kleinschreibung »weiß«, Großschreibung »Schwarz«, um die soziale Hierarchisierung umzukehren). Oft entfernen sich diese sprachpolitischen Optionen allerdings recht weit von den verbreiteten Gewohnheiten des Sprechens und Schreibens. Das ist einerseits auch genau die politische Absicht: Es sollen schließlich Gewohnheiten verändert werden. Aber dadurch verlieren sie mitunter ihre Wirkung gerade bei den Menschen, die sie erreichen wollen. Wichtig bleibt festzuhalten, dass »schwarz« und »weiß«, wie sie hier im Text verwendet werden, keineswegs als objektive Tatsachen behauptet werden. Sondern als Zuschreibungen in einem spezifischen historisch-kulturellen Kontext. Wer mit welchem Recht in welchem Kontext und mit welchen Folgen als »schwarz« gelesen und gesehen wird, eben darüber gibt es beeindruckende Kontroversen. Zu den historisch belasteten Zuschreibungen und zum Rassismus mehr und ausführlicher im Abschnitt über Eric Garner.
Giorgio Agamben beschreibt so auch die Figur des »homo sacer«. Ders., Homo Sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt am Main 2002.
Nur als Gedankenexperiment möge man sich das einmal andersherum vorstellen: Heterosexualität sei ja akzeptabel, aber warum müssten Heterosexuelle immer so erkennbar heterosexuell sein. Sie könnten sich ja privat lieben, das störte niemanden, aber warum auch noch heiraten?
Im Folgenden wird nicht von individuellen Pathologien oder Psychosen die Rede sein, die sich auch in Hass und Gewalt (wie in Amokanschlägen) artikulieren können. Inwiefern sich im Einzelfall solche psychischen Dispositionen besonders verstärken oder entladen in Zeiten der politisch-ideologischen Mobilmachungen des Hasses ist ein eigenständiger Untersuchungsgegenstand.
Siehe auch Axel Honneths schönen Aufsatz »Unsichtbarkeit. Über die moralische Epistemologie von ›Anerkennung‹«, in: Ders., Unsichtbarkeit. Stationen einer Theorie der Intersubjektivität, Frankfurt am Main 2003, S. 10–28.
Claudia Rankine, Citizen, Minneapolis 2014, S. 17. Eigene Übersetzung. Das Zitat lautet im Original: »… and you want it to stop, you want the child pushed to the ground to be seen, to be helped to his feet, to be brushed off by the person that did not see him, has never seen him, has perhaps never seen anyone who is not a reflection of himself.«
Die Erzählung dient nicht als Empfehlung zur Nachahmung – nur um das sicherheitshalber noch mal deutlich zu machen. Es war nur als Illustration der Shakespeare’schen Vorstellung von Liebe als zeitlich begrenzter Projektion gemeint.
So lässt sich zwischen dem Objekt und dem »formalen Objekt« einer Emotion unterscheiden. Siehe: William Lyons, »Emotion«, in: Sabine Döring (Hrsg.), Philosophie der Gefühle, Frankfurt am Main 2009, S. 83–110.
Martha Nussbaum, Politische Emotionen, Berlin 2014, S. 471.
Über dieses passive Identitäts-Modell nach Jean-Paul Sartre und auch Iris Marion Young habe ich sehr ausführlich geschrieben in: Carolin Emcke, Kollektive Identitäten, Frankfurt am Main 2000, S. 100–138. Inwiefern es tatsächlich anwendbar ist auf unterschiedliche Formen und Gruppierungen des Fanatismus, müsste eingehender und auch spezifischer untersucht werden als das hier möglich ist.
Didier Eribon, Rückkehr nach Reims, Berlin 2016, S. 139.
Jürgen Werner, Tagesrationen, Frankfurt am Main 2014, S. 220.
Vgl. auch Jan-Werner Müller: der »Kernspruch aller Populisten (…) lautet etwa so: ›Wir – und nur wir – repräsentieren das wahre Volk.‹« In: Ders., Was ist Populismus, Berlin 2016, S. 26. Müller fragt auch, welchen Unterschied es bedeuten würde, wenn der Slogan nur um ein Wort ergänzt würde: »Wir sind auch das Volk«.
Sie erinnert an einen Satz von Frantz Fanon: »Nach allem, was gesagt wurde, versteht man, dass die erste Reaktion des Schwarzen darin besteht, nein zu sagen zu denen, die ihn definieren wollen.« Frantz Fanon, Schwarze Haut, weiße Masken, Wien 2013/2015, S. 33.
Aurel Kolnai, Ekel Hochmut Hass. Zur Phänomenologie feindlicher Gefühle, Frankfurt am Main 2007, S. 102.
Elaine Scarry, »Das schwierige Bild der Anderen«, in: Friedrich Balke, Rebekka Habermas, Patrizia Nanz, Peter Sillem (Hrsg.), Schwierige Fremdheit, Frankfurt am Main 1993, S. 242.
Der einzige Begriff, der mir ansonsten zutreffend erschiene, wäre der der »Meute«, im Sinne von Elias Canetti: »Die Meute besteht aus einer Gruppe erregter Menschen, die sich nichts mehr wünschen, als mehr zu sein.« Elias Canetti, Masse und Macht, Frankfurt am Main 1980/2014, S. 109.
https://www.facebook.com/Döbeln-wehrt-sich-Meine-Stimme-gegen-Überfremdung-687521988023812/photos_stream?ref=page_internal
Zum Zeitpunkt des Schreibens an diesem Buch gab es noch diese Bilder/Videos/Kommentare auf der Seite.
http://www.sz-online.de/sachsen/autoliv-schliesst-werk-in-doebeln-2646101.html
Der Bus der Firma »ReiseGenuss«, der in Clausnitz schließlich blockiert wurde, war ursprünglich an diesem Tag in Schneeberg gestartet und fuhr über die Ausländerbehörde in Freiberg nach Clausnitz. In Döbeln hat er nie Station gemacht.
Kolnai, Ekel Hochmut Hass, S. 132f.
Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt am Main 1989, S. 180.
Christoph Demmerling/Hilge Landweer, Philosophie der Gefühle, Stuttgart 2007, S. 296.
So warnte auch der BKA-Chef Münch im Juni 2016 mit bemerkenswerter Klarheit: »Die Sprache kommt vor der Tat.«: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/bka-chef-muench-im-interview-die-sprache-kommt-vor-der-tat-14268890.html
Elaine Scarry, Das schwierige Bild der Anderen, in: Balke/Habermas/Nanz/Sillem (Hrsg.), Schwierige Fremdheit, Frankfurt 1993, S. 238.
In der Ausstellung »Angezettelt«, die vom Zentrum für Antisemitismusforschung und dem Deutschen Historischen Museum organisiert wurde, werden diese historischen Linien aus alten Vorurteilen und Motiven bis in die heutige Bild-Politik antisemitischer oder rassistischer Aufkleber aufgezeigt. Die Hetzkampagne »Schwarze Schmach«, mit der in den 20er Jahren vor der angeblichen »Bestialität« von Schwarzen »gewarnt« wurde, die dazugehörigen Briefmarken, auf denen riesige, düstere Figuren sich über wehrlose, weiße Frauenkörper hermachen, eben diese rassistische Insinuierung von der sexuellen Gefahr, die angeblich von »Fremden« (nun »Ausländern« oder »Nordafrikanern«) ausgehe, sie wiederholt sich.
Was dieses historische Zitat in neuem Umfeld so perfid macht, ist, dass es die erreichte Wachsamkeit gegenüber sexueller Gewalt instrumentalisiert und in die gewünschte Richtung kanalisiert. In der Gegenwart, in der endlich sexuelle Gewalt gegenüber Kindern und Frauen kriminalisiert wird, in der sie nicht mehr verharmlost oder verniedlicht wird, verkoppeln sich die illegitimen Muster der rassistischen Zuschreibung (die geschürte Furcht vor dem »übergriffigen Fremden« oder dem »arabischen Mann«) mit der legitimen und notwendigen Sensibilisierung gegenüber sexueller Gewalt gegen Kinder und Frauen. Deswegen ist das Schüren von Angst vor »Kinderschändern« so ein populäres rhetorisches Instrument in der rechtsradikalen Szene, weil sich damit in einem breiten gesellschaftlichen Spektrum Zustimmung generieren lässt. Natürlich will sich jeder und jede gegen sexuelle Gewalt stellen. Nur dient in diesem Milieu die Warnung vor sexuellen Übergriffen vor allem der Vertiefung des Ressentiments gegenüber »dem arabischen« oder »dem schwarzen« Mann.
Das ist nicht zufällig, sondern Ergebnis bewusster, rhetorischer Taktik. In einem Beitrag des Magazins SPIEGEL TV, der am 14. Mai 1989 ausgestrahlt wurde, lässt sich die Oberflächen-Politur rassistischer Ideologie nachvollziehen: Ein Workshop von NPD-Kadern wird filmisch begleitet. In einer Seminar-Einheit soll eine Rede zum Thema »Ausländer-Problematik« geübt werden. Die Sitzung ist als ein Rollen-Spiel konzipiert: Ein Seminar-Teilnehmer probt einen Vortrag, die anderen sollen ihn mit Einwänden oder Einwürfen konfrontieren. Auf die Nachfrage, ob nicht Ausländern aus Kriegsgebieten doch geholfen werden müsste, antwortet der NPD-Schüler: »… das sind arme Teufel. Natürlich muss man denen helfen. Aber denen ist nicht geholfen, wenn man versucht, die hier einzugliedern … das geht eben nicht. Das ist ’ne andere Rasse, die sich auszeichnet durch andere Merkmale, durch eine andere Lebensart …« In der anschließenden Feedback-Runde durch die Dozenten folgt die taktische Korrektur: »Dann sagst Du ›Rassen‹ … das ist auch ein Wort, das ich nie in dem Zusammenhang bringen würde … gemeint hast Du ›andere Mentalität‹. Aber so hast Du natürlich gleich wieder bei den Linken oder bei der (unverständlich) Presse … ›Das ist ein Rassist‹.« Die Kritik bezieht sich also nicht auf die Unterstellung, es gäbe so etwas wie unterschiedliche »Rassen« und ihnen ließen sich kollektiv bestimmte Eigenschaften zuschreiben. Sondern die Kritik bezieht sich lediglich auf das Wort »Rasse«, weil es den Vorwurf anlockt, der Sprecher sei ein Rassist. So erklärt sich, warum der heutige Diskurs so geglättet daherkommt – ohne an den ideologischen Inhalten etwas verändert zu haben. Dank an Maria Gresz und Hartmut Lerner aus der Dokumentation von SPIEGEL TV, die mir diesen Beitrag zugänglich gemacht haben.
Selbst die Polizei wird in diesem Kontext wenn nicht als feindlich, so doch als manipuliert oder verwirrt wahrgenommen. Es gibt Aufrufe, die sich ausdrücklich an Beamte richten und in denen erklärt wird, wen sie stützen und wen sie schützen sollten. Das »Volk«, so heißt es da, das Volk, das sind »Eure Familie, Eure Verwandten, Eure Freunde, Eure Nachbarn«. Dass Polizisten zuvörderst den Rechtsstaat schützen und alle Menschen, die hier leben, unabhängig davon, ob sie mit ihnen verwandt oder befreundet sind – das ist offensichtlich ungültig.
Jede vermeintliche Differenzierung dient in diesem einheitlichen Diskurs allein der Bestätigung des Generalverdachts. Um ein Beispiel aus demselben Kontext zu geben: Ein Bild von einer gläsernen Schale mit bunten M&Ms. Darüber großgedruckt die Zeile: »Nicht alle Flüchtlinge sind kriminell oder böse«, darunter die kleiner gesetzte Zeile: »Nur stell dir jetzt einmal eine Schale M&Ms vor, wovon 10 % vergiftet sind. Würdest du eine Handvoll davon essen?«
Dazu gehören Publikationen wie »Sezession«, die sich nüchtern und intellektuell geben oder es auch sind, und die doch all die Themen und Deutungen bereitstellen, die es für den Hass auf die Menschen im Bus braucht. Vgl. auch Liane Bednarz/Christoph Giesa, Gefährliche Bürger. Die Neue Rechte greift nach der Mitte, München 2015. Oder auch Volker Weiß, Deutschlands neue Rechte, Paderborn 2011. Sowie: Küpper/Molthagen/Melzer/Zick / (Hrsg.), Wut, Verachtung, Abwertung. Rechtspopulismus in Deutschland, Bonn 2015.
Eine exzellente Analyse der Geschichte und Strategie des IS liefert Will McCants, The ISIS Apocalypse, New York 2015. Der Autor ist auch auf twitter sehr aktiv: @will_mccants
In einem der zentralen Dokumente, auf das sich der IS ideologisch-programmatisch beruft, The Management of Savagery, widmet sich der Autor, Abu Bakr Naji, in einem ganzen eigenen Kapitel der Strategie der Polarisierung. Der Text wurde übersetzt von Will McCants im Jahr 2006 und ist allen, die die dogmatischen Grundlagen des Terrors des IS verstehen wollen, sehr zu empfehlen. Über Polarisierung und Fragmentierung des Westens als Ziel des IS siehe auch: http://understandingwar.org/sites/default/files/ISW%20ISIS%20RAMADAN%20FORECAST%202016.pdf
http://www.focus.de/politik/videos/brauner-mob-in-clausnitz-dramatische-szenen-aus-clausnitz-fluechtlingsheim-frauen-und-kinder-voellig-verstoert_id_5303116.html
https://www.youtube.com/watch?v=JpGxagKOkv8
Die Namen sind erst nachträglich über die Ermittlungen bekannt geworden. Ich verwende sie hier zur präziseren Beschreibung der Abläufe, die zum Tod von Eric Garner führten.
Im englischen Original lauten die letzten Worte von Eric Garner: Get away [garbled] for what? Every time you see me, you want to mess with me. I’m tired of it. It stops today. Why would you …? Everyone standing here will tell you I didn’t do nothing. I did not sell nothing. Because everytime you see me, you want to harass me. You want to stop me [garbled] selling cigarettes. I’m minding my business, officer, I’m minding my business (…) Es gibt auch eine Tonspur davon: http://www.hiaw.org/garner/
Eric Garner war zuvor schon wegen des Verkaufs nicht versteuerter Zigaretten und wegen des Besitzes von Marihuana mehrfach verhaftet worden.
Im Original (wie in der deutschen Übersetzung) ist das N-Wort ausgeschrieben. Ich verzichte hier bewusst darauf, den Begriff auszuschreiben, weil ich – als weiße Autorin einen schwarzen Schriftsteller zitierend – diesen Begriff in einen anderen Kontext setze und mir der Verschiebungen und Verletzungen, die sich daraus ergeben können, bewusst bin. Frantz Fanon, Schwarze Haut, weiße Masken, Wien/Berlin 2013–2015, S. 97.
Besonders instruktiv dazu die Texte von Judith Butler, »Endangered/Endangering: Schematic Racism and White Paranoia« sowie Robert Gooding-Williams, »Look, a n…« in: Robert Gooding-Williams (Hrsg.), Reading Rodney King, Reading Urban Uprising, New York/London 1993, S. 15–23 und S. 157–178.
Scarry, Das schwierige Bild des Anderen, S. 230.
Den Tod begünstigt, auch das stellt die Gerichtsmedizin fest, hatten zudem Eric Garners Asthma-Erkrankung, eine Herzschwäche und sein Übergewicht.
Fanon, Schwarze Haut, weiße Masken, S. 95.
http://www.nytimes.com/1994/12/30/nyregion/clash-over-a-football-ends-with-a-death-in-police-custody.html
Ta-Nehisi Coates, Zwischen mir und der Welt, München 2016, S. 17.
Coates, Zwischen mir und der Welt, S. 105.
Ausgerechnet in Dallas, wo fünf Polizisten durch den schwarzen Afghanistan-Veteranen Micah Johnson erschossen wurden, war die lokale Polizei seit Jahren besonders um De-Eskalation bemüht. Siehe: www.faz.net/aktuell/feuilleton/nach-den-polizistenmorden-ausgerechnet-dallas-14333684.html
George Yancey beschreibt diese Erfahrung der Angst in einem Interview in der New York Times unter dem Titel »The Perils of Being a Black Philosopher« mit den Worten: »Black people were not the American ›we‹ but the terrorized other.« http://opinionator.blogs.nytimes.com/2016/04/18/the-perils-of-being-a-black-philosopher/?smid=tw-nytopinion&smtyp=cur&_r=1
Ich will hier gar nicht aufzählen, mit wie vielen lesbischen Frauen ich schon verwechselt wurde, die mir wirklich nicht ähnlich sehen.
Vgl. auch Mari J. Matsuda/Charles R. Lawrence III./Richard Delgado/Kimberlè Williams Crenshaw (Hrsg.), Words that Wound. Criticial Race Theory, Assaultive Speech, and the First Amendment, Boulder/Colorado 1993, S. 13.
Jacques Derrida, Schibboleth, Wien 2012, S. 49.
Unterschiede in Praktiken und Überzeugungen des Glaubens finden sich zudem nicht nur zwischen religiösen Gemeinschaften, sondern auch innerhalb einer jeden. Glaube in der Moderne ist immer auch – jenseits aller theologischen Lehre – gelebter Glaube und darin, über verschiedene Generationen oder Regionen hinweg, facettenreicher und beweglicher, als es die jeweiligen kanonischen Texte oder das jeweilige Lehramt vorgeben mögen. Grundsätzlich gilt auch für religiöse Gemeinschaften, dass kein Zwang ausgeübt werden darf. Das verlangt, dass für diejenigen, die hineingeboren wurden in eine Gemeinschaft, mit deren Regeln sie nicht übereinstimmen können oder wollen, eine Exit-Option bereitsteht: dass Mitglieder oder Angehörige also aussteigen können, wenn sie nicht glauben können oder wollen, wenn die Vorgaben sie vielleicht überfordern oder sie gar in ihren Rechten als eigenständige Subjekte missachten. Glauben zu dürfen (oder zu können) wie nicht glauben zu dürfen (oder zu können) sind gleichermaßen schützenswerte individuelle Rechte (oder Gaben). Der Zugang zum Glauben und einer religiösen Gemeinschaft darf nicht erzwungen werden.
Tzvetan Todorow, Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen, Frankfurt am Main 1985, S. 177.
Bevor darüber ein Missverständnis aufkommt: Natürlich können solche Ausgrenzungen manchmal auch mehrheitlich, durch Volksentscheide oder parlamentarische Wahlen autorisiert sein. Aber das ändert nichts an ihrem potentiell illiberalen, normativ fragwürdigen Charakter. Auch demokratische Entscheidungen werden in einem Rechtsstaat eingefasst und eingegrenzt durch menschenrechtliche Garantien. Aber dazu später mehr.
Im Liberalismus dagegen zeigt sich ein gewisser Pragmatismus: Das Volk delegiert seine Souveränität an gewählte Vertreterinnen und Vertreter. In der Bundesrepublik wird die Staatsgewalt des Volkes, so formuliert es das Grundgesetz, nur »in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt« (GG. Art. 20, Abs. 2). Siehe auch zu einer Reformulierung des Begriffs der Volkssouveränität durch ein diskurstheoretisch erweitertes Konzept der demokratischen Willensbildung: Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung, Frankfurt am Main 1992, S. 349–399.
Vgl. »Das Imaginäre der Republik II: Der Körper der Nation«, in: Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, Frankfurt am Main 2007, S. 219–233.
Ausführlicher zu der Frage des Kopftuchs siehe: Carolin Emcke, Kollektive Identitäten, Frankfurt am Main 2000, S. 280–285.
Ebenda
So die schöne Formulierung von Gustav Seibt in: http://www.sueddeutsche.de/kultur/alternative-fuer-deutschland-sprengstoff-1.2978532
Warum hingegen kulturelle Diversität nicht nur politisch oder demokratisch erwünscht, sondern auch von ökonomischem Vorteil sein kann, darüber gibt es einige Studien. Vgl. http://www.nber.org/papers/w17640 oder https://www.americanprogress.org/issues/labor/news/2012/07/12/11900/the-top-10-economic-facts-of-diversity-in-the-workplace/
Für Marine LePen vom »Front National« beispielsweise liegt das »ursprüngliche«, »echte« Frankreich mindestens vor dem historischen Beitritt zur Europäischen Union, womöglich auch zu der Zeit de Gaulles. Frankreich ist nicht Frankreich, wenn es eingebunden ist in die EU (oder die NATO). Vor allem aber verortet Marine LePen das »richtige« Frankreich in jener historischen Zeit, in der es keine muslimischen Franzosen gab. Wenn LePen die kulturelle und religiöse Vielfalt im Frankreich der Gegenwart kritisiert, dann unterstellt sie gern, es habe das irgendwann einmal gegeben: eine wirklich homogene französische Nation mit einer einheitlichen – wie auch immer definierten – Identität. Deswegen gilt LePen die Abstammung als entscheidendes Merkmal für das Recht auf französische Staatsangehörigkeit – und nicht, wie es in der Fünften Republik Gesetz ist, der Geburtsort.
Benedict Anderson, Imagined Communities, London/New York 1983/1991, S. 6. Eigene Übersetzung. Das Zitat lautet im Orginal: »It is imagined because even the members of the smallest nations will never know most of their fellow members, meet them or even hear of them, yet in the minds of each lives the image of their communion.«
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/pegida-anhaenger-hetzen-gegen-nationalspieler-auf-kinderschokolade-a-1093985.html
http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/forschungsprojekt_diskriminierung_im_alltag.pdf?__blob=publicationFile
»Boateng will jeder haben«, Interview mit Alexander Gauland, im: SPIEGEL 23/2016, S. 37.
Zu den Techniken des Ausgrenzens oder Diffamierens gehören – das sei auch in diesem Abschnitt noch einmal ausdrücklich hervorgehoben – nicht zuletzt die Begriffe, mit denen Menschen bezeichnet werden. Für viele, die sich im wissenschaftlichen und polit-aktivistischen Feld mit der Frage der Exklusion befassen, ist die sprachpolitische Debatte um angemessene und inklusivere Bezeichnungen existentiell wichtig. Auch die vermeintlich »selbstverständlichen« Kategorien wie »männlich/weiblich« stellen ein ethisches und sprachpolitisches Problem dar, weil sie jene Zuschreibungen und binären Spaltungen, die doch reflektiert und kritisiert werden sollten, nur wiederholen. So gibt es inzwischen eine ungeheure Vielfalt an sprachlichen Varianten und Vorschlägen, die nach angemesseneren Begriffen oder Schreibweisen suchen (so gibt es die Strategie des Sichtbarmachens aller gemeinten Geschlechter: und dies lässt sich wiederum durch verschiedene Schreibweisen anzeigen: durch eine Doppelform, durch Schrägstriche oder durch das Binnen-I; es gibt aber auch die Strategie der Neutralisierung, bei der jede Erkennbarkeit des Geschlechts und der Norm der Zweigeschlechtlichkeit vermieden wird). Wichtig bleibt für mich auch an dieser Stelle festzuhalten, dass »männlich/weiblich«, wie sie hier im Text verwendet werden, nicht als einfach gegebene, objektive Tatsachen behauptet werden – sondern immer auch als historisch und kulturell geprägte Formen. Wer mit welchem Recht in einem bestimmtem Umfeld als »männlich« oder »weiblich« gesehen wird und gelten darf, eben das ist kontrovers und Thema dieses Abschnitts. Ich hoffe, dass die Formulierungen und Begriffe, die ich verwende, als respektvoll und doch auch noch verständlich empfunden werden.
Ganz herzlichen Dank an Tucké Royale und Maria Sabine Augstein für die Geduld, mit der sie mir Fragen beantwortet haben, für die Offenheit, mit der sie mir auch Persönliches anvertraut haben, und für die fundierte und konstruktive Kritik. Für Schwächen oder Fehler im nachfolgenden Abschnitt bleibe ich selbstverständlich allein verantwortlich.
Zur Entstehung des geschlechtlichen Körpers waren u.a. die historischen Studien von Claudia Honegger, Die Ordnung der Geschlechter, Frankfurt am Main 1991; Thomas Laqueur, Auf den Leib geschrieben, Frankfurt am Main 1992; und Barbara Duden, Geschichte unter der Haut, Stuttgart 1991 einschlägig. Zur Idee von Geschlecht als gesellschaftlich-kultureller Existenzweise siehe: Andrea Maihofer, Geschlecht als Existenzweise, Frankfurt am Main 1995.
Siehe zu der Frage wie »Differenz im Verhältnis zu Macht- und Herrschaftsverhältnissen gedacht werden kann«: Quaestio/Nico J. Beger/Sabine Hark/Antke Engel/Corinna Genschel/Eva Schäfer (Hrsg.), Queering Demokratie, Berlin 2000.
Für die zweite Version: siehe Stefan Hirschauer, Die soziale Konstruktion der Transsexualität. Über die Medizin und den Geschlechtswechsel, Frankfurt am Main 1993/2015.
Um es noch etwas präziser und vielleicht auch überraschender zu beschreiben: Es gibt durchaus auch Transpersonen, die gar nicht grundsätzlich ihre angeborenen Geschlechtsmerkmale als »falsch« oder »störend« empfinden. Sie finden sie womöglich sogar schön und passend. Was für sie nicht passt, ist die Deutung dieser Merkmale als »eindeutig weiblich« oder »eindeutig männlich«.
Vgl. auch Andrea Allerkamp, Anruf, Adresse, Appell. Figuration der Kommunikation in Philosophie und Literatur, Bielefeld 2005, S. 31–41.
Mari J. Matsuda/Charles R. Lawrence III./Richard Delgado/Kimberlè Williams Crenshaw (eds.), Words that Wound. Critical Race Theory, Assaultive Speech, and the First Amendment, Boulder/Colorado 1993, S. 5.
»Durch das Sprechen verletzt zu werden bedeutet, dass man Kontext verliert, also buchstäblich nicht mehr weiß, wo man ist«, schreibt Judith Butler in Hass spricht. Judith Butler, Hass spricht. Zur Politik des Performativen, Berlin 1998, S. 12.
Die Zahlen zitiert nach Jacqueline Rose, »Who do you think you are«?, in: London Review of Books, Vol. 38, No. 9, 2. Mai 2016 http://www.lrb.co.uk/v38/n09/jacqueline-rose/who-do-you-think-you-are
Bei »Packern« handelt es sich um unterschiedliche Sorten von Penis-Prothesen. Mit »Bindern« lassen sich Brüste abbinden und auf diese Weise von außen weniger sichtbar machen. Dank an Laura Méritt, die ihr Wissen so großzügig wie humorvoll teilt.
Dieser Wunsch, die offizielle Geschlechtszugehörigkeit oder auch den Körper der inneren Überzeugung anzupassen, hat im Übrigen nichts mit der Frage der sexuellen Orientierung zu tun. Transsexualität betrifft, wie die Schriftstellerin und Aktivistin Jennifer Finney Boylan es einmal beschrieben hat, »nicht die Frage, mit wem Du schlafen willst, sondern als wer Du mit jemandem schlafen willst«. Zitiert in Jacqueline Rose, »Who do you think you are?«, http://www.lrb.co.uk/v38/n09/jacqueline-rose/who-do-you-think-you-are
Paul B. Preciado, Testo Junkie. Sex Drogen Biopolitik in der Ära der Pharmapornographie, Berlin 2016, S. 149.
Vgl. den Eintrag von Julian Carter, »Transition«, in: Posttranssexual. Key Concepts for a Twenty-First-Century Transgender Studies, TSQ, Vol. 1, No. 1–2, Mai 2014, S. 235ff.
Paul B. Preciado, Testo Junkie, S. 68f.
Paul B. Preciado, Testo Junkie, S. 57.
Hier der Gesetzestext: http://www.gesetze-im-internet.de/tsg/BJNR016540980.html
Ebenda. Es gibt noch den Zusatz, dass »mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird«.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20110111_1bvr329507.html
Zu einer kritischen Diskussion der Pathologisierung von Transpersonen siehe: Diana Demiel, »Was bedeuten DSM-IV und ICD-10?«, in: Anne Alex (Hrsg.), Stop Trans*Pathologisierung, Neu-Ulm 2014, S. 43–51.
Daniel Mendelsohn, The Elusive Embrace, New York 2000, S. 25f. Eigene Übersetzung. Das Zitat lautet im Original: »If you spend a long enough time reading Greek literature that rhythm begins to structure your thinking about other things, too. The world men you were born into; the world de you choose to inhabit.«
Besonders der neu-rechte Diskurs verlangt diese Eindeutigkeit. »Geschlecht fungiert in diesem Zusammenhang als sozialer Platzanweiser innerhalb der streng anti-individualistischen und autoritär-hierarchischen Konstruktion der ›Volksgemeinschaft‹. Entwürfe von Männlichkeit(en) und Weiblichkeit(en) sind funktional für den inneren Zusammenhalt der Gemeinschaft.« So: Juliane Lang, »Familie und Vaterland in der Krise. Der extrem rechte Diskurs um Gender«, in: Sabine Hark/Paula-Irene Villa (Hrsg.), Anti-Genderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen, Bielefeld 2015, S. 169.
Kurioserweise müssen Transpersonen die vom Amtsgericht geforderten psychiatrischen Gutachten selbst bezahlen. Die Hormontherapie wiederum wird, so das Gutachten einmal die Diagnose »Transsexualität« attestiert hat, von der Krankenkasse übernommen. Das erscheint widersprüchlich: Entweder wertet der Gesetzgeber »Transsexualität« als Krankheit. Dann müsste aber auch das Gutachten, das das Amtsgericht fordert, durch die Krankenkasse bezahlt werden.
Zu der fehlenden Sensibilität gegenüber Gewalt gegen gender-nonforme Menschen siehe: Ines Pohlkamp, Genderbashing. Diskriminierung und Gewalt an den Grenzen der Zweigeschlechtlichkeit, Münster 2014.
Siehe dazu auch http://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-orlando-1.3038967
Didier Eribon, Rückkehr nach Reims, Berlin 2016, S. 210f.
http://hatecrime.osce.org/germany?year=2014
Wichtig bei der Beschreibung der Gewalt gegen Transpersonen ist es zudem, die besondere Gefährdung von People of Color oder nicht-weißen Transpersonen zu reflektieren. Transfeindlichkeit und Rassismus formen eine grausame Allianz, und die doppelte Schutzlosigkeit darf nicht übersehen werden. Die sieben Transfrauen, die in den ersten sieben Wochen des Jahres 2015 in den USA ermordet wurden, waren alle People of Color. Die besondere Schutzlosigkeit hat häufig auch damit zu tun, dass viele als People of Color besonders marginalisiert sind, keinen Job finden und in der Folge zur Sex-Arbeit genötigt sind. In der Rechtelosigkeit dieser Situation werden sie besonders leicht Opfer von brutalster Gewalt.
Sehr häufig wird transphobe Gewalt auch damit »begründet«, der Täter sei von der Transperson über ihr Geschlecht »getäuscht« worden. Dem Opfer von Gewalt wird so auch noch die Schuld an der Gewalt zugeschoben. Über dieses Muster der Rechtfertigung transphober Gewalt siehe: Talia Mae Bettcher, Evil Deceivers and Make-Believers, in: Susan Stryker/Aren Z. Aizura (eds.), The Transgender Studies Reader Vol. 2, New York 2013, S. 278–290.
http://www.dw.com/de/transgender-toilettenstreit-in-usa-auf-neuem-höhepunkt/a-19283386
https://www.hrw.org/report/2016/03/23/do-you-see-how-much-im-suffering-here/abuse-against-transgender-women-us#290612