Rolf Wiggershaus
Max Horkheimer
Unternehmer in Sachen
»Kritische Theorie«
Fischer e-books
Rolf Wiggershaus studierte Philosophie, Soziologie und Deutsche Literatur u.a. bei Theodor W. Adorno. Seine großen Studie zur Geschichte der Frankfurter Schule ist zu einem vielfach übersetzten Standardwerk geworden. Darüber hinaus hat er mehrere Werke über Adorno, Wittgenstein und Habermas verfasst. Er lebt als freier Publizist in Frankfurt am Main.
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Erschienen bei FISCHER E-Books
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2013
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ISBN 978-3-10-402301-4
Eine seltene Kombination der Talente verkörperte Max Horkheimer, der Unternehmersohn aus Stuttgart-Zuffenhausen, der kein Unternehmer wie sein Vater werden wollte. Er wurde zu einem kritischen Gesellschaftsbeobachter und eigenwilligen Denker, zu einem Philosophen und Wissenschaftsmanager. Die »Frankfurter Schule«, die in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu einer der wichtigsten Strömungen kulturkritischen, gesellschaftstheoretischen und philosophischen Denkens in Deutschland und schließlich weltweit wurde, hätte es ohne ihn nicht gegeben.
Als er 1930 die Leitung des noch jungen Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main übernahm, begann eine erstaunliche Kooperation von Intellektuellen verschiedener Fachdisziplinen – darunter der Psychoanalytiker Erich Fromm, der Philosoph Herbert Marcuse, der Philosoph und Musiktheoretiker Theodor W. Adorno und der Literaturkritiker und Essayist Walter Benjamin. Sekundiert von seinem lebenslangen Freund Friedrich Pollock, einem Wirtschaftswissenschaftler, vermochte Max Horkheimer eine zunehmende Zahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen durch Sendungsbewusstsein und mit organisatorischem Geschick an sich und sein Programm einer interdisziplinären kritischen Gesellschaftstheorie zu binden. Dank dieses »Kapitals« konnte er seine Karriere und die des Instituts nach dem US-Exil im Nachkriegsdeutschland in anderer Form fortsetzen.
Eine Monographie über Horkheimer bietet die Möglichkeit, den Reichtum zu nutzen, der in Form der von Alfred Schmidt und Gunzelin Schmid Noerr herausgegebenen 19 Bände der »Gesammelten Schriften« vorliegt und darüber hinaus im Archivzentrum der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main zur Verfügung steht. Privates und Offizielles, Persönliches und Institutionelles sind gleichermaßen dokumentiert und oft nicht voneinander zu scheiden. Weil es sich um eine überwältigende Fülle handelt, weil die Thematik der Texte und ihre literarischen Formen so vielfältig sind und weil Niveau und Kraft des sprachlichen Ausdrucks oft großartig und pointiert sind, bietet es sich zudem an, diese Qualität durch markante Zitate zur Geltung kommen zu lassen.
In einem Offenen Brief zum 70. Geburtstag Horkheimers formulierte Adorno einmal als Quintessenz seines Bildes von dem Freund: »Der das Triebwerk bis ins Innerste durchschaute und es anders wollte, war entschlossen und fähig, trotzdem, und ohne Kapitulation, sich zu behaupten. Dem selbsterhaltenden Prinzip kritisch auf den Grund zu sehen, und der Einsicht noch die eigene Selbsterhaltung abzwingen – dies Paradoxe stellte in Dir leibhaftig sich dar.« Davon soll diese Biographie einen Eindruck vermitteln.
Max Horkheimer kam am 14. Februar 1895 in Zuffenhausen bei Stuttgart, der Residenzstadt des Königreichs Württemberg, zur Welt. Er blieb das einzige Kind von Moses – genannt Moritz oder Moriz – Horkheimer und dessen Frau Babette. Der Vater (*1858) und die Mutter (*1869), eine geb. Lauchheimer, hatten 1892 geheiratet und die württembergische Staatsangehörigkeit erworben. Nach dem geschäftlichen Misserfolg des Großvaters war der Vater als Teilhaber einer neuartigen Kunstbaumwoll-Fabrik, die er 1885 zusammen mit einem Bruder gegründet hatte, in kurzer Zeit zu einem reichen Mann geworden. »Aus den Abfällen der Webereien und Spinnereien, die natürlich ganze Züge von Wagen ausmachten«, so Max Horkheimer später im Rückblick, »machte er Kunstbaumwolle, die genau die Nuance hatte, die dann die Spinnereien oder die Webereien brauchten und unmittelbar verwenden konnten.« (Das Schlimme erwarten und doch das Gute versuchen. Gespräch mit G. Rein, 1972/HGS 7, S. 442) Die Horkheimer’schen Kunstbaumwollwerke beschäftigten 80–90 Mitarbeiter und produzierten jährlich 5000 Tonnen Ware, die im In- und Ausland verkauft wurden (cf. J. Toury: Jüdische Textilunternehmer in Baden-Württemberg 1683–1938, Schriftenreihe Wissenschaftliche Abhandlungen des Leo Baeck Instituts, Bd. 42, Tübingen 1984, S. 199f., zitiert nach A. Heuß: Die Sammlung von Moses Moritz Horkheimer, in: Exilforschung, Bd. 29, 2011, S. 139). Um die Jahrhundertwende war Moritz Horkheimer, der »Lumpenhändler in großem Stil« (Heuß), Millionär – »mehrfacher Goldmillionär«, wie sein Sohn Max später im Alter stolz betonte.
Die einzige Quelle für Informationen über seine Kindheit sind Max Horkheimers eigene verstreute Erinnerungen. Als er geboren wurde, lebten die Eltern »noch in einem gewissen strengen, ich würde nicht sagen orthodoxen, aber konservativen jüdischen Sinne« (HGS 7, S. 443). Als er mit etwa sieben Jahren schwer erkrankte, der Arzt als stärkendes Frühstück »ein Butterbrot mit Schinken« empfahl und der zu Rate gezogene Rabbi diesem Bruch mit einer koscheren Küche zustimmte, wurde fortan »einfach gekocht wie in einem anderen Hause – mit gewissen Hemmungen« (ibid.). Im Übrigen ging es im Elternhaus zu wie bei anderen Familien dieses Milieus. »Als Kind einer bürgerlichen, deutsch-jüdischen Familie hatte ich hingebend mit Zinnsoldaten gespielt, auch Kindergewehre mit Korkpfropfen und eine Pistole mit Zündblättchen gehörten zu meinem Arsenal. Bis ich etwa 10 Jahre zählte, um 1905, bedeutete der Sonntag eine besondere Freude, weil man vom Erker unserer Wohnung (in der Militärstraße) den Platz vor der Stuttgarter Garnisonkirche überblicken konnte. Dort trafen die Detachements der verschiedenen Truppenteile, der Musketiere und Grenadiere, gelben und weißen Dragoner, gelegentlich auch der Ulanen, mit ihren bunten Uniformen ein, und boten ein anregend farbiges Bild, bis sie in gewohnter Ordnung in dem für sie bestimmten Eingang der Kirche verschwanden.« (Nachwort zu Thilo Koch, Hg.: Porträts zur deutsch-jüdischen Geistesgeschichte, Köln 1961, S. 256) Der Vater, stolz darauf, ehemals ›Einjährig-Freiwilliger‹ gewesen zu sein, erklärte dem Sohn die edlen Absichten des Kaisers und des Königs von Württemberg. »Es war ›unser‹ Militär, gehörte zur Sphäre gesicherten Lebens, zum Bewusstsein dauernden Friedens und Fortschritts, in dem ich wie andere Kinder erzogen wurde.« (Ibid.) Von Antisemitismus wurde zwar zu Hause gesprochen, doch wenn ein Junge Horkheimer in der Klasse oder auf dem Schulweg »Jude« nachrief und der Lehrer davon erfuhr, wurde das geahndet und hinterließ keine großen Wunden. »Vom Judentum wusste ich als meinem Religionsbekenntnis, vom Deutschen Reich als meinem Heimatland.«
Max Horkheimer 1908
Vom Vater von Anfang an dazu bestimmt, sein Nachfolger in der Unternehmensleitung zu werden, verließ Max Horkheimer im Herbst 1910 nach Abschluss der Untersekunda das Gymnasium und wurde für ein bis zwei Jahre Lehrling in der väterlichen Fabrik. In dieser Zeit begann seine Freundschaft mit dem ein Jahr älteren Friedrich Pollock. Der war erst kurz vorher mit seinen Eltern von Freiburg nach Stuttgart gekommen. Sein Vater war Teilhaber der Reiseartikel- und Lederwaren-Fabrik Nördlinger & Pollock. Horkheimer lud Pollock zur Teilnahme an einer Tanzstunde für die Jugendlichen der jüdischen Gemeinde ein. Er war erstaunt und irritiert, als der nur einmal kam und eine weitere Teilnahme ablehnte. Er bat ihn um eine Aussprache.
Sie seien, so Pollock später, einander äußerst unsympathisch gewesen, seien ja auch ganz verschieden erzogen worden. Er entstamme einem Elternhaus, das sich rigoros vom Judentum abgewandt hatte, Horkheimer dagegen einer konservativ-jüdischen Familie mit einer ehrgeizigen und Protz liebenden Mutter. Sie habe den Vater gezwungen, Kommerzienrat zu werden, und habe die Medaillen, die der Sohn in jeder Klasse bekam, schön gerahmt auf samtenem Hintergrund aufgehängt. Mit seiner blumigen Sprache habe Horkheimer ihn zur Weißglut gebracht. Dieser Affektiertheit wegen hätten er und die meisten anderen Tanzstundenteilnehmer und -teilnehmerinnen eine eigene Tanzstunde aufmachen wollen. Das habe Horkheimer erfahren und um die Aussprache gebeten. Er sei nicht, was er scheine, sondern ein ganz verzweifelter Mensch, und er werde wahnsinnig werden, wenn ihm niemand helfe. »Und hat also einfach plötzlich wie ein Mensch zu mir gesprochen und nicht wie der einzige Sohn von Herrn und Frau Kommerzienrat Horkheimer. Ich war sehr beeindruckt. Horkheimer erzählte mir aber dann, daß es für ihn wie eine kalte Dusche war, als ich gesagt habe, ›Ja, das will ich mir alles durch den Kopf gehen lassen.‹ Also nicht etwa, nachdem er sich völlig nackt und bloß sozusagen gezeigt hat, ihm die Hand gegeben habe und gesagt habe, ›Komm, also ich helfe dir!‹ Sondern offenbares Misstrauen.« (Horkheimer/Pollock: »Biographische Interviews« 1965/66, MHA: X 132b) Diese Urszene mit pathetischer Selbstentblößung des einen, bedächtigem Eingehen darauf seitens des anderen lässt ahnen, warum es nach dieser Aussprache zu einer lebenslangen Freundschaft dieser beiden so unterschiedlichen Personen kam. Ihr Zusammenspiel machte es möglich, einen gewissen Überschwang mit Bodenhaftung zu versehen.
Pollock erschloss dem Freund eine neue Welt jenseits religiöser und konservativer Traditionen. Er machte Horkheimer aufmerksam auf Kritiker eines selbstzufriedenen und heuchlerischen Bürgertums wie Ibsen und Strindberg, Zola und Tolstoi. Für Philosophie hatten sie laut Pollock zunächst nur Verachtung. Das hatten sie zu Hause gelernt.
Villa Azenbergstraße 25 in Stuttgart-Zuffenhausen
Vor allem für Horkheimer wurde es eine Freundschaft mit konspirativen Zügen, die sich gegen den übermächtigen Vater richtete. Es kam zu einem ersten schriftlichen Freundschaftsvertrag, dem in späteren Jahren weitere schriftliche Abmachungen folgten. Genaue Regeln legten fest, wie Meinungsunterschiede ausgetragen und gemeinsame Beschlüsse erreicht werden sollten. Sogar die Länge der Debattierzeit und die dafür zu benutzende Tageszeit waren festgelegt. Das Ganze sollte »Ausdruck eines kritisch-humanen Elans« sein und der »Schaffung der Solidarität aller Menschen« (H. Gumnior/R. Ringguth: Horkheimer, Reinbek 1973, S. 16) dienen. Was an dem ersten Freundschaftsvertrag und ebenso an den späteren Neuformulierungen und Programmen so befremdlich anmutet – die Förmlichkeit des Ganzen und die Pedanterie der einzelnen Verhaltensvorschriften – war offenbar die den beiden Freunden angemessene Form eines Kompromisses zwischen Schwärmerei und Nüchternheit, zwischen Sehnsucht nach wesentlichem Leben und einem bürgerlicher Sozialisation entstammenden Sekuritätsbedürfnis.
Max Horkheimers Zimmer in der elterlichen Villa
Ein Fotoalbum der Villa in der Stuttgarter Innenstadt, die der Vater erbauen ließ, zeugt vom beträchtlichen Wohlstand der Familie Horkheimer. Zum Haus gehörten u.a. ein Musikzimmer und ein Bauernzimmer. Im Zimmer des Sohnes hingen expressionistische Grafiken an den Wänden. Besonders auffällig ist ein gerahmtes Plakat für eine neue Nummer der Zeitschrift »Der Sturm«: ein 1911 entstandenes Selbstbildnis von Oskar Kokoschka, der auf eine blutende Wunde auf seiner Brust deutet (cf. A. Heuß, a.a.O., S. 141). Der Vater war ein Mäzen der württembergischen Malerschule und sammelte Bilder arrivierter akademischer Künstler. »Daß eine moderne Abteilung hinzugefügt wurde«, so Horkheimer, »hing nicht zuletzt damit zusammen, daß ich als einziges Kind seit etwa 1910 mich leidenschaftlich für bildende Kunst und Literatur interessierte und meine Eltern meine Neigungen gerne unterstützten.« (Horkheimer-Dieter Koepplin, 10. 5. 1966/HGS 18, S. 624f.)
Der Erwerb moderner Bilder gehörte zu den rasch zunehmenden gemeinsamen Unternehmungen der beiden zu Nachfolgern ihrer Väter bestimmten jungen Männer. Die letzten anderthalb Jahre vor dem Ersten Weltkrieg verbrachten sie mit wenigen Unterbrechungen im Ausland: in Brüssel, Paris, Manchester, London, anfänglich mit beruflichen Ambitionen, doch bald schon fremde Sprachen lernend und das Leben genießend, lesend und diskutierend. Aus Brüssel, wohin Horkheimers Vater den kränkelnden Sohn zwecks Absolvierung eines Volontariats gebracht hatte, schrieb Horkheimer im Mai 1913 an Pollock: »Es ist mir, als ob ich in den letzten Tagen sehr gelitten hätte u. einmal sogar gefährlich krank gewesen sei – aber – Du kommst, bald – und das ist die Hauptsache. […] Du, was meinst Du, wenn wir zusammen gehen, Hand in Hand, – Sonne -- und allein, weit weg von Menschen die uns kennen – u. wenn ich dann fühle, daß auch ich leise, langsam – gesund werde. – Verzeihe mir, wenn Du es nicht liebst, daß ich so schreibe, aber ich bin krank u. es tut mir wohl.« (Horkheimer-Pollock, Bruxelles, 14. Mai 1913/HGS 15, S. 9f.)
Tanzstunde Winter 1910/11
Während der gemeinsamen Zeit in Brüssel entdeckten sie Schopenhauer. Pollock fand Kant unverständlich, Spinoza unverständlich, und geriet dann an Schopenhauer. »Und auf einmal redete da einer auf Deutsch und über Dinge, die einen etwas angingen: von dem, was einer ist, von dem, was einer vorstellt usw.« Er gab das Horkheimer zu lesen. »Und an einem der folgenden Abende gingen wir auf dem Boulevard du Nord in die deutsche Buchhandlung und fragten nach Schopenhauers Gesammelten Werken.« (»Biographische Interviews« 1965/66)
In der Zeit der Auslandsaufenthalte traf Horkheimer mehrmals mit einer entfernten Verwandten und Jugendfreundin – »Suze« – zusammen, mal bei ihren Eltern in Paris, mal in einem Ferienort an der bretonischen Küste. Nur einer seiner Briefe an Suze blieb erhalten. »Wenn ich das lese, was Du mir schreibst, u. mich so recht in Deine Lage hineindenke«, schrieb er während der Brüsseler Zeit an die Freundin, »wenn ich empfinde, was Du leidest – dann habe ich manchmal das Verlangen, dich aus all dieser eklen Kleinigkeit zu entfernen u. Dich eine Zeitlang hier bei uns Ruhe u. Verständnis atmen zu lassen. – Wir wohnen jetzt in einem Hause – ich bei Fritz – der Traum, der unsre kühnste Sehnsucht einschloß, hat sich erfüllt –immerwährendes ungestörtes Beisammensein. – Der Welt, in der Du leidest, sind wir entronnen u. unsre Erinnerung an sie ist nur eine stete Freude, von ihr los zu sein.« (Horkheimer-Suzanne Neumeier, 7. 9. 1913/HGS 15, S. 12f.)
Welche Zuspitzung die Beziehung zwischen den drei jungen Menschen aus gutem Hause erlebte und wie es zum spektakulären Ende ihres großen Pubertätsabenteuers kam, schilderte Horkheimer in einer unverschlüsselt autobiographischen Novelle mit dem Titel »L’île heureuse«, die nur im engsten Bekanntenkreis kursierte und die er selbst nie veröffentlichte. Unmittelbar nach den Ereignissen im August 1914 niedergeschrieben, verband sie detaillierte Rekonstruktion mit der Beschwörung erlebter Ekstase und kombinierte expressionistischen Protest gegen bürgerliche Geschäftigkeit und bürgerlichen Eigennutz mit lebensreformerischen Aus- und Aufbruchsvisionen. »Heraus aus dem Kampf um Geld und Ehre«, um »diese herrliche Welt immer mehr verstehen zu lernen und uns selbst als Menschen höher zu schwingen« – so und ähnlich lauteten die parolenartigen Formulierungen, die den Text durchzogen.
Friedrich Pollock um 1913
Nach einem Aufenthalt im tristen Manchester hatten die beiden Freunde sich in London niedergelassen. Dort sollte Suze sich mit ihnen vereinen. Auch Fritz – also Pollock –, der bei den mehr als schwärmerischen Schilderungen des Berichtenden – also Horkheimers – »von der neuen Lebenskraft, die gekommen war, uns zu stärken«, zunächst »ruhig und kalt wie das Meer« (HGS 11, S. 303) geblieben war, stimmte dem Vorhaben schließlich zu. »Dadurch, daß Suze ein Weib war, bekam unser Verhältnis etwas in sich Geschlossenes, etwas Unabhängiges, etwas Ganzes«, resümierte der neunzehnjährige Horkheimer. »Alles Menschliche an uns konnten wir unserem Bunde weihen, von Seele, Geist und Körper gehörte nichts mehr der Außenwelt, alles – selbst gemeine Triebe – fanden in unserer Mitte ihre Beruhigung, denn Suze freute sich ihrer sinnlichen Schönheit, weil sie uns ein Geschenk damit machen konnte. Wenn wir zu dreien waren, waren wir daheim, dort, wo man alles hat, wessen man bedarf, wo man alles gibt, was man besitzt.« (A.a.O., S. 311)
Den Höhepunkt erreichte die Geschichte im Juli 1914. Suze verließ nachts heimlich die Wohnung ihrer Eltern in Paris und hinterließ nur einen Zettel mit der Nachricht, sie verlasse Paris heil und glücklich und werde bald einen ausführlichen Brief schicken. Horkheimer holte sie an der französischen Küste ab und fuhr mit ihr zu einer neu angemieteten kleinen Wohnung in London, in der sie das neue Dreierdasein beginnen und sich mit einem »langen ernsten Brief« an ihre Familien wenden wollten: »Gebt uns die Möglichkeit, aus eurer Wirklichkeit zu fliehen und uns irgendwo auf dieser Erde abseits von euren Städten niederzulassen, wir wollen unserer Sehnsucht leben, doch glaubt nicht, daß wir denken, der Arm soll ruhen, nur der Kopf soll schaffen, nein – schaut her – Arbeit muß sein; wir glauben daß der Mensch das Brot verdienen soll, das er genießt, doch nicht nach eurem Sinn! […] Laßt uns das tun, was gut ist, schickt uns hinaus in ein anderes Land, dort wollen wir der Erde selbst abringen, was sie uns geben muß. Freie Menschen wollen wir bleiben in freier Natur […].« (A.a.O., S. 317) In späteren Erinnerungen Pollocks ist von vagen Plänen die Rede, »möglichst weit weg von Europa« Farmer etwa in Südafrika zu werden (»Biographische Interviews« 1965/66) und sich in der Mußezeit der Erkenntnis zu widmen.
Während die drei mit sich und dem Brief an die Familien beschäftigt waren, war eine Pariser Freundin von Suze nach London gekommen, hatte durch einen Brief, den sie in der ihr bekannten dortigen alten Wohnung von Horkheimer und Pollock deponierte und in dem von einer schweren Krankheit von Suzes Mutter die Rede war, für eine erste Kontaktaufnahme gesorgt. In Paris hatten zudem Suzes Eltern einen von ihr nicht ganz vernichteten Brief gefunden, in dem die beiden Freunde noch einmal davon schwärmten, »daß eine ganz kurze île heureuse […] dem Hinsiechen im Alltag vorzuziehen sei und daß es schöner wäre, nach ein paar Wochen Seligkeit zu sterben als noch länger ein uns widersprechendes Dasein zu fristen« (HGS 11, S. 324). Auf diesen Fund hin hatte Suzes Vater Horkheimers Eltern telegraphiert: »Max in Lebensgefahr, kommet sofort.« Unterstützt von zwei Detektiven konnten die eilends nach London gekommenen Eltern die drei Abtrünnigen zu einer gemeinsamen Aussprache im Hotel zwingen. Nach einem gemeinsamen Dinner, so heißt es in Horkheimers Novelle, gab Suze ihm die Hand und sagte, ohne ihn anzusehen, Adieu. In der Wohnung fanden die beiden Freunde im Ofen die Asche aller von Suze an sie gesandten Briefe. Sie hatte sie vor ihrer Abreise verbrannt. Einen solchen Verrat wollten die beiden nicht begehen. Sie wollten an ihrem Vorhaben festhalten. Doch als sie den Eltern den fertig gewordenen Brief zu lesen gaben, sahen sie »in keinem Auge auch nur einen Funken des Begreifens«, sondern »nur Jammer, Elend und Selbstbedauern«.
Als junge Männer mit besten Berufsaussichten hatten sie es allerdings auch leichter als ein junges Mädchen, nicht zu Verrätern ihres Traums zu werden und lediglich an einen Aufschub zu denken. Zurück in der schwäbischen Heimat logierte Horkheimer sich im Kurhaus Waldhotel Villingen ein und fixierte das Geschehene in Form einer Novelle. Er eröffnete sie mit der selbstbewussten und selbstgefälligen Ankündigung: »Und dies ist der Traum, den ich erzählen will und den keiner aus eurer Gemeinschaft je verstehen wird, dessen Wahrheit eure niedern Worte und Gedanken nicht zu fassen vermögen und dessen Bedeutung entschwindet, wenn ihr ihn mit euren Wünschlein und Absichten vergleicht: drei Menschen erwachten, zersprengten eure Fesseln, wurden frei und schwebten dem blauen Himmel zu. Da schosset ihr mit Pfeilen nach den Vögeln und traft den einen unter ihnen, der die zwei andern mit sich in die Tiefe riß. Doch sie haben noch Flügel, die zwei andern, und sie leben noch, sie flogen wieder der Sonne zu, ließen den Kadaver auf der Erde liegen, wo er hin gehört, und ich wünsche ihnen gute Fahrt!«
Während Horkheimer sich – teils wohl, weil er erholungsbedürftig war, teils wohl, weil man die Freunde wenigstens eine Zeitlang trennen wollte – in Villingen im Kurhaus Waldhotel aufhielt, wo er sich an die Niederschrift der Novelle Île heureuse machte, erfolgte am 28. Juli, einen Monat nach dem Attentat auf das österreichisch-ungarische Thronfolgerpaar in Sarajewo, die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien. Horkheimer fand es empörend, wie er Pollock nach Stuttgart schrieb, »daß der heillose menschliche Wahnsinn glaubt, es sei gut und recht für zwei verlorene Menschenleben hunderttausend andere zu opfern, das ist der Beweis für die Dummheit u. Rohheit der Gesellschaft […]« Von sich selbst meinte er: »Ich arbeite viel im Kopfe u. ich freue mich, daß ich trotz meiner traurigen Umgebung, trotz fortwährenden Regens u. der deprimierenden Aussicht aufs Geschäft meine Sonne bewahre.« (Horkheimer-Pollock, 27. 7. 1914/HGS 15, S. 14)
Max Horkheimer als Betriebsleiter 1915
Das Geschäft, dem er sich in der Folge widmen musste, war die Tätigkeit als Betriebsleiter und Prokurist im Unternehmen des Vaters – eine Position, die ihn zunächst vor Musterung und Kriegsdienst schützte. Der Vater sah sich auf dem Höhepunkt des Erfolgs, bekam 1916 vom König von Württemberg das Charlottenkreuz und das Ritterkreuz I. Klasse des Friedrichordens verliehen, spendete dem Deutschen Museum in München, in dessen Ausschuss er Mitglied wurde, 50 000 Mark und bekam 1917 vom König von Bayern den Titel eines Kommerzienrats verliehen. 1918 wurde er Ehrenbürger von Zuffenhausen. In dies erfolgreiche Unternehmen eines erfolgreichen Vaters sollte der Sohn Max sich nach seinem Ausbruchsversuch einfügen. Wie das zuging, kann man teilweise aus den zahlreichen in den Kriegsjahren entstandenen Novellen erschließen. Konkret wird von den wenigen erhaltenen Tagebuchnotizen nur eine vom 9. Juli 1915, als Horkheimer in Stuttgart wegen einer unbedeutenden Wunde am Fuß im Bett lag.
»Gestern war ich in unserer Filiale in Hirsau. Mitten zwischen den Wäldern an einem lustigen Bach haben sie ein paar Häuser hingestellt mit komplizierten Maschinen im Innenraum. In der Gluthitze stehen ein paar arme Menschen und schaffen mit nassen, roten Gesichtern; ein paar andere mühen sich, schwere Ballen mit alten Lumpen aufeinander zu setzen, schleppen sie zuerst auf die Waage und lupfen dann die unförmige Masse, schimpfend und unzufrieden inmitten einer dicken, unerträglichen Luft. Ich betrachte sie halb mitleidig, halb angeekelt und schaudere bei dem Gedanken an den Kontrast der Wälder draußen und dieser Hölle. – Da plötzlich fällt mir ein, daß ich ja dazu gehöre zu dieser Arbeit; daß ich gekommen bin, um hier in irgendeiner Weise zu wirken, mich am Geschäfte der Leute zu interessieren oder gar zu freuen; daß das Ganze noch andere Reaktionen in mir wecken soll als Mitleid oder Ekel. Mich beteiligen soll ich an dem Werke dieser Leute und meines Vaters; mein Lebensbedürfnis soll ich damit stillen, Geld zu machen oder Kunstbaumwolle oder etwas Derartiges – nein, nein, nein, das ist unmöglich, das wäre der Tod meiner lebendigen, sehnsüchtigen Seele […] Und alle ähnlichen Werte, alle ähnlichen Ziele, wie diese Menschen sie verfolgen, alle Häuser und Teppiche und Möbel und Bücher, alle Titel und Ehren, alle, alle werden mich nie befriedigen.« (Vier Tagebuchblätter, HGS 1, S. 159f.)
Dass er »die glänzendste Stellung mit einer noch glänzenderen Zukunft« im Geschäft des Vaters hat, dass er sich außer dem Geschäft gleichzeitig jeglicher Liebhaberei widmen und jedem Vergnügen hingeben kann, mindert nicht die Sehnsucht, wegzuwandern, »wohin die tolle Fahrt auch gehe«, notiert der inzwischen Zwanzigjährige. »Nach meinem Wahrheitsdrang will ich leben und erforschen, was ich wissen möchte; dem Gequälten will ich helfen, meinen Haß des Unrechts befriedigen und die Pharisäer besiegen, vor allem aber Liebe suchen […]; ich möchte ein so großer Künstler sein, wie ich ein Dilettant bin, um in die Welt hinausschreien zu können, daß jedes Weib nur eines Freundes, jeder Mann nur einer wahrhaften Geliebten bedarf, um mehr als ein Engel zu sein. Aufgehen in Liebe, das ist die Erlösung, das ist das Heil […]«
Auch was ihn hindert, dem heftigen Drang zu folgen, wird in dieser Tagebuchnotiz deutlich ausgesprochen. »Weißt du, daß es Bande gibt, die stärker sind und tiefer ins Fleisch schneiden als Gewalt […]? Das sind die Wärter, die sich vor die Türe setzen und heulen, wenn du fliehen willst, die dir sagen, daß sie die Todesstrafe erwartet und grausame Martern, wenn du nicht im Gefängnis bleibst; das sind die Fesseln des Mitleids, von denen dich kein Gott befreit.« (A.a.O., S. 160f.)
Einer nach den Tagebuchblättern entstandenen Sammlung von zehn Novellen gab Horkheimer den Titel Wille zur Erkenntnis – ein Zeichen seiner Schopenhauer-Lektüre und -Bewunderung. In zwei der Novellen, die in den Monaten vor seinem 21. Geburtstag entstanden, wird das Verhältnis zwischen jungen Empörern aus der Unterschicht und Söhnen der Oberschicht thematisiert. In Herbst trifft ein vom Drang nach Rache »für Verachtung und Ungerechtigkeit, für Hunger, Elend und harte, verdummende Arbeit« erfüllter »junger Strolch« (a.a.O., S. 171) in einem vornehmen Viertel auf einen endlosen Leichenzug. Er erfährt, dass der Verstorbene der einzige Sohn reicher Eltern war, zu Hause »ein strenger, zeremonieller Ton« ohne jede Mütterlichkeit herrschte und er mit seinem nur an Arbeit und Geschäfte denkenden Vater zerstritten war, dass er sich in wilde Abenteuer gestürzt und dabei nur Geldgier und Verrat erlebt habe und zuletzt krank und verachtet gestorben sei. Als zentrale Einsicht des »jungen Strolchs« formuliert Horkheimer in dieser Novelle:
»Er sah wohl die Ungerechtigkeit der Verteilung der Güter, er begriff, daß vieles Äußerliche gemildert und gebessert werden könne, doch im tiefsten Bewusstsein ahnte er, daß alle Neuordnungen, alle Besserungen, alle Revolutionen, daß die Erfüllung der kühnsten Utopien die große Qual nicht berühren würde, weil der Kern des Lebens selbst Qual und Sterben ist.« (A.a.O., S. 172f.)
Welche Konsequenz sich aus der Einsicht in die »große Qual« für den Umgang mit der ungerechten Verteilung der äußeren Lebensbedingungen ziehen ließ, die man im Unterschied zur großen als ›kleine Qual‹ bezeichnen könnte – das spielte Horkheimer in der Novelle Leonhard Steirer durch. Der Arbeiter Leonhard Steirer überrascht seine untreu gewordene Geliebte in der Villa des Unternehmers in den Armen des Fabrikantensohns, bringt diesen um, nimmt eine große Menge Geld an sich und zwingt das Mädchen, mit ihm zu fliehen. Bitter und verzweifelt meint er zu der Widerstrebenden:
»Wenn Menschen wie er gut sein können, Menschen, deren Vergnügungen und Bildung, deren Tage mit soviel Unglück anderer erkauft sind, dann kann auch meine Tat nicht schlecht sein. Der Unterschied zwischen ihm und mir ist nur der, daß ich handeln musste und Mut und Kraft besaß, während er bequem sein und genießen durfte und nicht erfuhr, was der Genuß kostet und wie blutig er ist. Er war nicht edler als ich, besaß den Tag und alle Freuden und hatte noch das Bewusstsein seiner Unschuld; er nahm das Leben als gutes Recht und durfte froh sein ohne Schatten, ohne Selbstvorwurf, ohne Gedanken an die Sünde. Ich habe dies alles auf mir, ich war beladen und niedrig und werde es sein, für mich ist nicht dasselbe gut, was für ihn gut war. Johanna, wenn Du nicht unmenschlich grausam bist, musst Du mir gehören, wie Du ihm gehört hast! Liebe mich, liebe mich, verlaß mich nicht!« (HGS 1, S. 205f.)
Wenn man Schopenhauers metaphysischen Pessimismus ernst nahm, konnte es keine Legitimität von Privilegien und Ungleichheit geben. Erschien im Licht dieser Weltsicht jeder erfolgreiche Kampf gegen Privilegien als bloßer Rollentausch in einem amoralischen Spiel, so war andererseits auch jede Rollenbesetzung nur soweit respektabel, wie sie erfolgreich gegen die Ansprüche anderer behauptet werden konnte. »Das sogenannte Präokkupationsrecht, demzufolge man für den bloßen gehabten Genuß einer Sache noch obendrein Belohnung, nämlich ausschließliches Recht auf den ferneren Genuß fordert, ist moralisch ganz grundlos. Dem sich bloß auf dieses Recht Stützenden könnte der neue Ankömmling mit viel besserem Recht entgegnen: ›Eben weil du schon so lange genossen hast, ist es Recht, daß jetzt auch Andere genießen.‹« (Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, § 62)
In seiner Novelle zieht Horkheimer daraus den Schluss: Wenn schon alles Lebendige auf der Suche nach Lust und Glück in einen Schuldzusammenhang verstrickt ist und es nur die Alternative von Glück des Quälenden und Gequältwerden des Glücklosen gibt, dann ist es das Beste, wenn möglichst viele beide Rollen einmal erleben, und das nicht nur unvermeidlicherweise bei der »großen Qual«, sondern gerade auch bei der ›kleinen‹.
Doch was kann ein Sohn aus reicher Familie tun, der einerseits an »die rohen, vergrämten, gemeinen Gesichter der Arbeiter« denkt, »vor denen er stets ein unerträgliches Gefühl der Abneigung, des Mitleids und der Scham empfunden hatte«, andererseits an die ihm verhassten Wünsche und Sorgen der Eltern – und der das ganze Treiben düster und nutzlos findet. Welchen Ausweg könnte es für ihn geben? Die Novelle Der Zaun macht deutlich, welcher der falsche wäre, so verführerisch er dem jungen Autor auch in manchen seiner poetischen Versuche vor Augen steht. Er ist nicht vom »jungen, blendend schönen Mädchen in ländlichen Kleidern mit braunen Augen und braunem Haar, mit roten, lachenden Lippen« zu erwarten, das schelmisch seinen Namen ruft und ihm rät, alle Gewissensbisse hinter sich zu lassen und unbekümmert um Menschen und Götter das Leben zu genießen. Stattdessen kommt die Lösung überraschend jenseits all des von Horkheimer in Novellen probeweise Phantasierten aus dem väterlichen Betrieb, ist acht Jahre älter und nicht blendend schön.
Max Horkheimer und Rosa Riekher 1915
Als der Juniorchef am 14. Februar 1916 seinen 21. Geburtstag feierte, überreichte ihm die Privatsekretärin des Vaters, Rosa Christine Riekher, 21 tiefdunkle rote Rosen. Eine ihr gewidmete Novelle Arbeit vom Juli desselben Jahres macht kaum verschlüsselt deutlich, wie der Beschenkte diese Geste und die Schenkende wahrnahm und was sie für ihn bedeutete. Rosa Heim – diesen sprechenden Namen gibt er der Mädchenfigur dieser Novelle. Sie ist in mäßigem Wohlstand erzogen, stammt aus einer kürzlich verarmten Familie, sucht deshalb um Arbeit in einer Fabrik nach und wird »mit unbeschreiblich mildem, blondem Haar, nicht regelmäßig schön, nur zauberhaft innig« zum Ziel einer »jähen, machtvollen Liebe« des Sohnes des Fabrikanten (Wille zur Erkenntnis. 10 Novellen: Die Arbeit/HGS 1, S. 249). »Ich liebte sie, als ich sie sah«, ruft in der Novelle der Sohn dem entrüsteten Vater und den sprachlosen Kommis und Buchhaltern zu, »denn ich fühlte und begriff ihr Wesen, das Hingabe ist. […] Sie ohne mich, ich ohne sie vermögen nichts; zusammen werden wir Menschen sein.« (Ibid.) Sie ist für ihn »das Versprechen süßester Heimat«, besiegt »nur aus Liebe zu ihm« das Mitleid mit gebrechlichen Eltern und weinenden Schwestern, die ihr mit rührendsten Schilderungen von Armut und Krankheit das Herz zerreißen, und lässt ihn an die Möglichkeit allgemeinen Glücks, an soziale Besserung, an »den Aufstand des Volkes für Daseinsbedingungen, die ihm den Zugang zu wahrer Kultur ermöglichen«, (a.a.O., S. 247) glauben. Der Titel »Arbeit« verweist auf ein merkwürdiges Versprechen, das der Unternehmer-Dichter der gibt, der er seine Novelle gewidmet hat. Sollte er als Künstler, dem zuliebe sie ihre Familie verlassen hat, scheitern, dann wird er bereit sein, das zu tun, was sie zuvor aus Mitleid mit ihrer Familie getan hat: an irgendeiner Maschine in der väterlichen Fabrik, dieser »Hölle«, zu arbeiten. »Weil die Menschen, die Geld besitzen, sich zu ›höherer‹ Arbeit berufen fühlen, zwingen sie die Armen zu den niederen, harten Tätigkeiten. Der Nutzen jeder Handlung ist problematisch, die Forderung der Liebe aber ist klar: Nimm das Bittere auf dich selbst. Dies ist die Lehre Rosa Heims.« (A.a.O., S. 255) Alle anderen Wege würden bedeuten, die Frucht härtester Arbeit anderer zu genießen und Schuld auf sich zu laden.
Rosa Riekher war tatsächlich die 1887 in London geborene Tochter eines schwäbischen Hoteliers, der eine Engländerin geheiratet hatte und in London Konkurs machte. Nach ihrer Ausbildung in einer Handelsschule hatte sie eine Stellung angenommen, um die Familie unterstützen zu können. Tatsächlich war Horkheimers Vater entrüstet darüber, dass der einzige Sohn, der seinen wirtschaftlichen und sozialen Erfolg fortsetzen sollte, sich mit der acht Jahre älteren Tochter eines Bankrotteurs verbinden wollte. In den Augen der Mutter war sie auch deshalb eine ungeeignete Wahl, weil sie Christin war. Jahrelang herrschte ein gespanntes, ja vergiftetes Verhältnis zwischen Eltern und Sohn.
Aufs Neue kam ein Dreierbund ähnlich dem in der Île heureuse-Geschichte zustande. Dieses Mal erwies er sich als langfristig, ja lebenslang. Als Rosa Riekher ihre Stellung bei Horkheimers Vater verlor und die Eltern ihren Sohn von ihr zu trennen suchten, war es Pollock, der sich um die Geliebte des Freundes kümmerte und sowohl einen offenen Bruch Horkheimers mit den Eltern wie auch einen Verrat an der in Schwierigkeiten geratenen jungen Frau vermeiden half.
»Maidon« nannte Horkheimer die Geliebte – »Maid, das ist das englische Mädchen, und don, das Geschenk« (HGS 15, S. 17 Anm.1). Durch die vielen Briefe jener Jahre, die voller Liebesbeteuerungen und Zukunftshoffnungen Horkheimers sind, zieht sich wie ein roter Faden, was in einem Brief aus Hotel und Kurhaus St. Blasien vom Oktober 1916 einmal so klingt: »Maidon, ich liebe Dich, ist mein Gebet, u. ich will es immer, immer wieder beten, bis ich hinzufügen kann: ›Maidon, ich arbeite.‹«
Die Situation Rosa Riekhers war in den Zeiten der Trennung und des Wartens oft verzweifelt. Der Besuch Pollocks, hieß es in einem ihrer Briefe an Horkheimer in den letzten Kriegsjahren, sei der einzige Lichtblick des Tages. »Er ist wirklich ein herzensguter Mensch er will mir Deine Abwesenheit so leicht wie möglich machen, trotzdem er selbst beinahe (ich sage ›beinahe‹ weil ich eben trotz allem ›ein schwaches Weib‹ bin) so viel darunter zu leiden hat, wie ich. Ich habe ihn auch lieb darum. Ich lerne fleissig, so fleissig, als ob ich Dich mir damit erringen müsste, dass ich bis zu einer bestimmten Zeit französisch sprechen kann. Ich habe alles auf die Seite gelegt, ich lese beinahe nichts, denn ich brauche meine ganze geistige Kraft zum lernen, mittags & abends.« Und sie schloss: »Ich will nichts anderes, als bei Dir sein, nicht hier bei diesen ekligen Menschen, die am liebsten den Arbeitern & Angestellten das Blut aussaugen möchten, damit sie ein paar hundert Mark mehr zusammen bringen. Wie ich diese Leute hasse.« (Riekher-Horkheimer, 1917 oder 1918/MHA: XVIII 1. 106)
Nachdem er bei einer ersten Musterung 1916 noch als frontuntauglich zurückgestellt worden war, wurde Horkheimer 1917 doch noch Soldat. Zum Kriegsdienst kam es aber nicht. Briefe zeugen von Klinikaufenthalten, von Theaterbesuchen, vom Umgang mit Künstlerkreisen in München. Wie weit ein Ende 1917 entstandenes Stück Friede. Ein Zwischenakt auf eigene Erfahrungen zurückgeht, ist unklar. Es ist erstaunlich hellsichtig im Hinblick auf die ein Jahr später erfolgte Novemberrevolution. Es ist zugleich hellsichtig im Hinblick auf die Manipulierbarkeit Unzufriedener und die prekäre Situation distanziert und unangepasst Wirkender. In der Szene, in der der pazifistisch-sozialistische Agitator Zech die Verwundeten im Lazarett zur Revolution aufruft, kommt es zu einer Sequenz von Vorurteilen:
»ERSTER VERWUNDETER deutet auf Claude:
Der steht dabei und sieht dem Schauspiel zu. Der Herr ist zu fein.
ZWEITER VERWUNDETER:
Er ist Maler Gelächter – verächtlich
ERSTER VERWUNDETER:
Malt nachher ein Bild davon.
ZWEITER VERWUNDETER:
Hat sich den ganzen Krieg gedrückt.
ERSTER VERWUNDETER:
Möchte jetzt wieder verschwinden.
ZWEITER VERWUNDETER:
Pfui über den Juden.
ZECH:
Laßt ihn. Andere Arbeit ist wichtiger. Auf die Straßen jetzt!
ZWEITER VERWUNDETER:
Warum nicht erst dem Kerl sein Teil? Die Juden haben uns am schlimmsten ausgezogen. Alle wurden reich durch unser Blut.
ZECH:
Was kümmert uns dieser einzelne! Wider die Gesellschaft, die ganze Ordnung streiten wir. Trefft die Verantwortlichen! Und keinen Aufschub! Auch muß unnötige Grausamkeit vermieden werden, sie würde uns entstellen.« (HGS 1, S. 317)
Doch die verwundeten Soldaten hören nicht auf ihn, sondern auf einen Leutnant mit Eisernem Kreuz, der sie aufhetzt: »Laßt ihr euch prellen, dumme Michel? Ich, der wie ihr den Leib jahrelang feindlichen Kugeln bot, warne vor diesem gekauften Verräter!« Darauf die Verwundeten: »Er hat recht. Auch Offiziere sind gefallen.« Und: »War wenigstens im Schützengraben, der dort verkroch sich.« (A.a.O., S. 317)
Briefe zeigen, dass Horkheimer sich in den letzten Kriegsmonaten als Künstler sah und seine Novellen und Tagebuchblätter gerne vortrug und zu lesen gab – und zwar mit großem Selbstbewusstsein. Dabei sah er sich als Vertreter des Dreierbundes. »Also: ich kann was. Wir wussten das schon ziemlich lang, aber die Eitelkeit läßt sich bekanntlich alles zehnfach bestätigen – dabei empfinde ich hier nicht meine, sondern unsre Eitelkeit. Diese Leute empfinden sich als Künstler u. wenn wir ihnen nur eine ›äußerliche Äußerung‹, ein ›Versucherl‹ von unserem Reichtum zeigen, staunen sie. Wir sind sehr, sehr reich.« (HGS 15, S. 46)
Von Anfang an agierte Horkheimer ungeachtet der Tatsache, dass er oft krank war oder kränkelte, als treibende Kraft des Dreierbundes, der sich in der Terminologie der beiden Freunde als intérieur dem Rest der Welt als dem extérieur gegenübersah. Anfängliche Schwächen – »meine Disposition zu verkommen und alles aufzugeben, manche Regungen in Fritz während unserer Brüsseler Zeit, Maidons Hang zu gemütlichem Lebensgenuß« (a.a.O., S. 41) – hielt Horkheimer für überwunden. »Oh es ist so wunderbar, daß wir keinen Menschen, keinen brauchen, daß wir uns haben« (a.a.O., S. 47), meinte er selbstsicher und übermütig. Über seine Beziehung zu den Eltern schrieb er in den Novembertagen 1918 an Maidon und Pollock: »Der Ordnung halber teile ich Euch mit, daß ich an meine Eltern einen längeren Brief geschrieben habe, der ihnen für den bevorstehenden Zusammenbruch ihrer Existenz etwas Rückgrat geben soll. – Die Zeit – macht uns unabhängig von ihnen. –« (A.a.O., S. 47f.) Das war hellsichtig im Hinblick auf die Situation des väterlichen Unternehmens. Die 1921 in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Firma zahlte seit 1922 keine Dividenden mehr aus und war nach Stilllegung des Werkes und aufgrund hoher Verluste der Tochtergesellschaften seit 1931 in Liquidation (cf. Heuß, Die Sammlung von Moses Moritz Horkheimer, S. 139, 144). Es verdrängte aber Horkheimers eigene noch lange währende Angewiesenheit aufs Elternhaus. Noch in demselben Brief teilte er der Geliebten und dem Freund mit, er habe von seinem Vater die Erlaubnis erwirkt, 400 Mark mehr als er brauche abzuheben. Die werde er für großzügige Schenkungen nutzen, um notfalls bei seinen jungen Münchner Bekannten ein sicheres Asyl zu finden, wenn es im Sanatorium gefährlich werde.
Und was unternahm er überhaupt, um finanziell selbständig zu werden? Sein Künstlertum brachte ihm nichts ein. An- und Verkäufe von Bildern blieben eine Zufallsangelegenheit. Horkheimer erwarb zwar zusammen mit Pollock vor und nach dem Ersten Weltkrieg einige Bilder, vor allem von Klee und Chagall, und sie besaßen auch einmal das Aquarell »Der Blaue Reiter« von Franz Marc, doch nichts deutet darauf hin, dass sie dabei Nennenswertes oder überhaupt etwas verdienten.
In München holten Horkheimer und Pollock im Februar 1919 das Abitur nach. Dort begannen sie auch, sich über die Verachtung von Horkheimers »angebetetem geistigem Vater« Schopenhauer für die Universität hinwegsetzend, Ökonomie und Psychologie zu studieren. Das hielten die Väter für nicht unnütz zur Vorbereitung auf die Kaufmannslaufbahn. Die beiden studierenden Söhne sympathisierten mit der Räterepublik. In Briefen an seine Geliebte versicherte Horkheimer: »Traue den Lügen über München nicht. […] hier herrscht nicht Wahnsinn u. Ungerechtigkeit« (HG 15, S. 55). Von Sympathie zeugt auch Pollocks Rolle. Nach der brutalen Niederschlagung der Räteherrschaft waren am 12. Mai 1919 bei Schwaz in Tirol zwei Flüchtende festgenommen worden, die zu den polizeilich gesuchten Repräsentanten der Zweiten Räterepublik gehörten. Der eine von ihnen gab sich als der Kaufmann Friedrich Pollock aus. In Wirklichkeit war er Towia Axelrod, beglaubigter Vertreter der Sowjetregierung und stellvertretender Volksbeauftragter für Finanzen in der Räteregierung. Er wurde von einem Standgericht wegen Hochverrats zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, schon nach kurzer Zeit aber, von der Sowjetregierung als Diplomat reklamiert, ausgetauscht. Eine Freundin von Pollock und Horkheimer aus der Münchner Bohème-Szene, die Kunstfotografin Germaine Krull, hatte dem Flüchtenden Pollocks Pass besorgt. Damit fiel der weniger ängstliche der beiden Freunde der Polizei ein erstes Mal auf. Wegen Pollocks Ärger mit der Polizei und weil Horkheimer nach eigenem Bekunden einmal für Ernst Toller gehalten und festgenommen wurde, vielleicht auch, um Horkheimers Eltern ferner zu sein und endlich das ersehnte Leben zu dritt führen zu können, entschlossen sich die beiden Freunde, ihr Studium im ruhigeren Frankfurt am Main fortzusetzen.
Das Glück eines gemeinsamen und der Erkenntnis gewidmeten Lebens jenseits des Kampfes um Geld und Ehre blieb das Ziel Horkheimers. Seit Rosa Riekher 1916 seine große Liebe geworden war, hatte er es dabei mit dem Widerstand der Eltern zu tun, die ein Jahrzehnt lang die Heirat ihres Sohnes mit der früheren Privatsekretärin des Vaters erfolgreich verhinderten. Der Kontakt zwischen den beiden bestand lange Zeit aus Briefen, Telefongesprächen und zeitweiligem Beisammensein ohne konkrete Aussicht auf ein baldiges glückliches Zusammenleben.
»Wie gern«, schrieb Horkheimer im Oktober 1921 aus Frankfurt am Main an Maidon, »möchte ich alle Gründe und Vorsätze über den Haufen werfen, dieses martervolle Warten abschneiden und endlich das höchste Glück, zu dem mein ganzes Leben als auf seine Erfüllung hinstrebt: die Vereinigung mit Dir unwiderruflich verwirklichen! Du kennst wie ich die Anschauungen, die mich glauben lassen, ich dürfte die Möglichkeit zu studieren jetzt noch nicht fortwerfen und wir müssten deshalb noch eine Weile Konzessionen machen. Doch jede Stunde kann alle Gründe wegblasen und nicht nur bei äußeren Ereignissen, nicht nur bei Zufällen liegt die Entscheidung – auch bei Deiner Kraft und bei Deinem Willen. – An ihrem Ende findest Du immer das ewige Recht Deiner Liebe: die unwiderrufliche Vereinigung.« (Horkheimer-Riekher, 17. 10. 1921/HGS 15, S. 68)
Unterstützung dafür war von einem Frankfurter Philosophen zu erwarten, bei dem Horkheimer Philosophie studierte und mit dem er sich angefreundet hatte: Hans Cornelius, ein den Frankfurter Gestaltpsychologen nahestehender Neukantianer, der aus einer Künstlerfamilie stammte, selber künstlerisch tätig und verglichen mit anderen Professoren recht unkonventionell war. »C. zeigte sich ziemlich erfreut, als ich ihm sagte, daß Du endgültig zu mir gehörst. Er meint, in Wien könne man eine heimliche Trauung schon durchsetzen; aber es ist ja noch ganz problematisch, ob er hinkommt.« (Horkheimer-Riekher, 30.11.21/A.a.O., S. 78f.) Aus der Berufung von Cornelius nach Wien und der Hoffnung auf ein gemeinsames Leben des Paares ohne Abbruch des Studiums wurde nichts. Cornelius blieb in Frankfurt und war einerseits ein Förderer Horkheimers, andererseits verkörperte auch er für Horkheimer die Sterilität akademischer Philosophie. Das Bewusstsein für diese frustrierende Beschränktheit war in den beiden Semestern, die Horkheimer im Sommer und Winter 1920/21 in Freiburg studierte, geschärft worden. Er hatte dort auf Empfehlung von Cornelius hin den Phänomenologen Edmund Husserl gehört und auch dessen Schüler Martin Heidegger erlebt. »Täuschen wir uns doch nicht!«, schrieb er Maidon. »Es liegt mir in Wirklichkeit ganz fern, eine Unsumme fremder Gedanken, gleichgültiger Gesetze, toter Daten in meinem Gedächtnis nebeneinanderzureihen, es liegt mir nicht, fortwährend mit meiner eigentlichen Meinung im Hinterhalte zu bleiben, um mir nicht die Unbill irgend eines gelehrten Herrn zuzuziehen, es liegt mir nicht, Arbeiten zu schreiben, deren enge Grenzen durch die Mentalität derer, die sie zu beurteilen haben, im vorhinein feststehen. Ich fühle mich in einem Käfig, dessen Gitterstäbe meine guten Vorsätze sind! […] Gestern habe ich einem jungen Philosophen eine Rede über die Aufgaben der Philosophie gehalten. Er war sehr begeistert. Leider erfuhr ich erst heute, daß C. im Nebenzimmer war und meine Ausführungen, die völlig ihm entgegengerichtet waren, hatte hören müssen. […] Je mehr Philosophie mich gefangen nimmt, umso weiter entferne ich mich von dem, was man auf der hiesigen Universität darunter versteht. Nicht formale Erkenntnisgesetze, […] sondern materiale Aussagen über unser Leben und seinen Sinn haben wir zu suchen. Ich weiß heute, daß Heidegger eine der bedeutendsten Persönlichkeiten war, die zu mir gesprochen haben.« Das bezog sich nicht so sehr auf das, was Heidegger inhaltlich sagte, als vielmehr darauf, »daß für ihn das Motiv zum Philosophieren nicht aus intellektuellem Ehrgeiz und einer vorgefassten Theorie sondern jeden Tag neu aus dem eigenen Erlebnis entspringt.« (Horkheimer-Riekher, 30.11.21/A.a.O., S. 77)
Das Kronberger Haus von Max und Maidon Horkheimer
und Friedrich Pollock
In vorläufiger Form gingen die beiden Wünsche Horkheimers doch schon bald in Erfüllung. Ungeachtet des Streites zwischen Sohn und Eltern muss es die Großzügigkeit des Vaters gewesen sein, die es Horkheimer erlaubte, in dem nahe Frankfurt am Südhang des Taunus gelegenen malerischen Städtchen Cronberg (heute Kronberg) eine Villa zu kaufen, in der er zusammen mit Pollock fortan wohnte. Dorthin zog dann bald auch Rose Riekher – offenbar ohne Wissen der Eltern Horkheimers und ohne mit ihm verheiratet zu sein.
Außerdem hatte der Vater sich offenbar damit abgefunden, dass zum Schwerpunkt des Studiums seines Sohnes die Philosophie wurde. Dass dieser eigens des Philosophen Husserl wegen für zwei Semester nach Freiburg gegangen war, hatte den Vater veranlasst, den Philosophieprofessor aufzusuchen und mit ihm über die Zukunft seines Sohnes zu sprechen. Nur durch diesen ist das Ergebnis überliefert. Die kurze Antwort des Vaters auf die Frage des Sohns nach dem Ergebnis des langen Gesprächs war demnach: »Du hast Talent zur Philosophie, und außerdem haben wir über Politik gesprochen.« (Gumnior/Ringguth, a.a.O., S. 22) Dieses Talent wurde vom Vater, wenn auch widerwillig, offenbar nahezu ein weiteres Jahrzehnt lang finanziert, denn bevor Horkheimer 1930 Ordinarius und Institutsleiter wurde, hatte er keine Einnahmequelle, die ihn finanziell vom Elternhaus unabhängig gemacht hätte.
Was Horkheimer sich unter Philosophie vorstellte und wovon er etwas bei Heidegger verspürt hatte, gab es weder in Frankfurt noch sonst an deutschen Universitäten. Ungeachtet einer Erklärung, in der 1912