Christoph Ransmayr
Der Ungeborene oder Die Himmelsareale des Anselm Kiefer
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Christoph Ransmayr wurde 1954 in Wels/Oberösterreich geboren und studierte Philosophie in Wien, wo er nach Jahren in Irland und auf Reisen wieder lebt. Neben seinen Romanen ›Die Schrecken des Eises und der Finsternis‹, ›Die letzte Welt‹, ›Morbus Kitahara‹ und ›Der fliegende Berg‹ sowie dem ›Atlas eines ängstlichen Mannes‹ erschienen bisher zehn Spielformen des Erzählens, darunter ›Damen & Herren unter Wasser‹, ›Geständnisse eines Touristen‹, ›Der Wolfsjäger‹ und ›Gerede‹. Für seine Bücher, die bisher in mehr als dreißig Sprachen übersetzt wurden, erhielt er zahlreiche literarische Auszeichnungen, unter anderem die nach Friedrich Hölderlin, Franz Kafka und Bert Brecht benannten Literaturpreise, den Premio Mondello und, gemeinsam mit Salman Rushdie, den Prix Aristeion der Europäischen Union. Ein langes Gespräch mit Christoph Ransmayr sowie Texte zu seinem Werk erschienen in ›Bericht am Feuer. Gespräche, E-Mails und Telefonate zum Werk Christoph Ransmayrs‹.
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Erschienen bei FISCHER E-Books
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2002
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ISBN 978-3-10-403257-3
Anselm Kiefer – Ein Meister aus Deutschland? Der Bibliothekar, ja Prophet des Bleis? Oder ein Freund der Leichtigkeit, des Klatschmohns und der Rosen? Maler und Bildhauer der Barbarei? Missionar der Vergänglichkeit? Admiral bleierner Flotten und Geschwader? Reisender durch alle Welten? … Mit wie vielen Namen hat man diesen Mann aus dem badischen Donaueschingen in den Jahren seines wachsenden Ruhmes, seines Weltruhms schließlich, schon bedacht, mit wie vielen Ehrungen, Schmähungen und immer neuen Namen …
Christoph Ransmayr ist im Spätsommer des Jahres 2000 und im folgenden Frühjahr einer Einladung Kiefers gefolgt und hat ihn auf La Ribaute, einer zur Bastion und gläsernen Kolonie der Kunst umgestalteten stillgelegten Seidenfabrik im Süden Frankreichs, besucht. Ransmayr hat auf La Ribaute viele von den alten Namen wiederentdeckt, vergessene, längst abgelegte – und auf einem nächtlichen Spaziergang mit Kiefer einen neuen gefunden: Der Ungeborene.
Hier …, das hier ist die Wildnis. Im Moos, im Gras und schwarzen Laub wird jeder Schritt leiser. Und das hier, das ist die Straße, die neue, erst im Frühjahr ins Dickicht geschlagene Erdstraße, auf der brüchiger Lehm, Steine und Sand noch so lose und unverbunden liegen, daß unsere Schritte knirschen wie im Brucheis. Selbst die Hunde hört man laufen. Castor! Pollux! Hierher!
Wie dunkel es ist. Neumond. Über den Oliven, den Akazien und Maulbeerbäumen frühsommerliche, zirpende Finsternis. Pollux!