Fernando Pessoa
Ich Ich Ich
Selbstzeugnisse und Erinnerungen von Zeitgenossen
Herausgegeben, aus dem Englischen, Französischen und Portugiesischen übersetzt, mit Anmerkungen und einem Vorwort versehen von Inés Koebel
FISCHER E-Books
Fernando Pessoa (1888-1935), der bedeutendste moderne Dichter Portugals, ist auch bei uns mit dem »Buch der Unruhe« bekannt geworden. Einen Großteil seiner Jugend vebrachte er in Durban, Südafrika, bevor er 1905 nach Lissabon zurückkehrte, wo er als Handelskorrespondent arbeitete und sich nebenher dem Schreiben widmete. 1912 begann seine Tätigkeit als Literaturkritiker und Essayist. Er schuf nicht nur Gedichte und poetische Prosatexte verschiedenster, ja widersprüchlichster Art, sondern Verkörperungen der Gegenstände seines Denkens und Dichtens: seine Heteronyme, darunter Alberto Caeiro, Ricardo Reis, Álvaro de Campos – und er schrieb eben auch als Pessoa, das im Portugiesischen so viel wie »Person, jemand« bedeutet.
Inés Koebel, geboren in Bamberg, arbeitete als Buchhändlerin und freie Feature Autorin. Sie übersetzt aus dem Französischen und Portugiesischen, hat den Band ›Brasilien erzählt‹ (S.Fischer 1994) ediert und ist Mitherausgeberin der neuen Pessoa Werkausgabe. Neben dem ›Buch der Unruhe‹ hat sie die Gedichte von Álvaro de Campos, Alberto Caeiro und Ricardo Reis übertragen sowie Baron von Teive und Pessoas statisches Drama ›Der Seemann‹.
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Dieser Band erscheint in Fortführung der Pessoa-Werkausgabe, die im Ammann Verlag begonnen wurde. Herausgegeben von Egon Ammann.
Die Übersetzerin dankt dem Deutschen Übersetzerfonds e.V. für die Förderung ihrer Übersetzung durch ein Arbeitsstipendium.
Dieses Werk wurde mit der Unterstützung des portugiesischen Kultur- und Sprachinstituts Camões herausgegeben.
Obra publicada com o apoio do Camões – Instituto da Cooperação e da Língua I.P.
Erschienen bei FISCHER E-Books
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2018 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Die enthaltenen Fotografien und Faksimiles entstammen dem Nachlass der Familie Fernando Pessoas.
Covergestaltung: Gundula Hißmann und Andreas Heilmann, Hamburg. Nach einem Entwurf von Beate Becker
Coverabbildung: Amman Verlag, Zürich
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403381-5
A.d.Ü.: Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Buch der Unruhe, herausgegeben von Richard Zenith, übersetzt und revidiert von Inés Koebel, Zürich 2003 und Frankfurt/M. 2012, Fragment 80 Abschnitt 3, S. 91 sowie unter: Die Großen Texte: Der visuelle Liebhaber II, Abschnitt 4, S. 507.
A.d.Ü.: Von Pessoa später aufgegebenes Präheteronym.
A.d.Ü.: Siehe hierzu: Fernando Pessoa: Buch der Unruhe, a.a.O., Fragment 133 Abschnitt 1, S. 139.
A.d.Ü.: Gemeint ist die Igreja da Nossa Senhora dos Mártires, in unmittelbarer Nähe des Largo de São Carlos Nr. 4, wo Pessoa 1888 geboren wurde. Dieser Platz verkörperte für Pessoa das zugleich kosmopolitische und provinzielle Lissabon, er nannte ihn zärtlich »mein Dorf«. Siehe hierzu in Fernando Pessoa, Er selbst, herausgegeben und übersetzt von Inés Koebel, Frankfurt/M. 2014, S. 23 das Gedicht O Glocke meines Dorfes.
A.d.Ü.: Emil Reich (1854–1910), englischer Schriftsteller ungarischer Abstammung, der u.a. ein Buch mit dem Titel Success in Life (1907) verfaßte.
A.d.Ü.: Es handelt sich hier um Pessoas Stiefvater João Miguel Rosa.
A.d.Ü.: Clifford Geerdts war Pessoas Konkurrent an der Durban High School um den Platz des Klassenbesten, Belcher lehrte an der High School Englisch und Dr. Haggar war Direktor der Commercial School, die Pessoa nach seiner Rückkehr nach Durban 1902 besuchte. Es handelt sich hier um den Entwurf eines Briefes, den Pessoa unter dem Namen Faustino Antunes 1907 als Neunzehnjähriger an seinen ehemaligen Mitschüler verfaßte. Tatsächlich schickte Pessoa sowohl an Geerdts als auch an Belcher Briefe unter diesem Namen. Sowohl Belcher, der diese Briefe für authentisch hielt, als auch Geerdts, der Pessoas Verwirrspiel möglicherweise durchschaute, gingen auf diese Schreiben, wie ihre Antworten hier belegen, ernsthaft ein.
A.d.Ü.: 1904 schloß Pessoa als Jahrgangsbester die Durban High School ab und hätte ein Stipendium in Oxford oder an einer anderen englischen Universität erhalten müssen. Da er aber als nicht britischer Staatsbürger vor diesem Examen vier Jahre in Folge in Natal hätte sein müssen und von 1901 bis 1902 mit seiner Familie in Portugal war, erhielt sein Mitschüler Geerdts diese Auszeichnung.
A.d.Ü.: Nachdem Pessoas Familie im Mai 1907 nach Durban zurückgekehrt war, lebte er zunächst bei seinen Großtanten Maria und Rita sowie seiner Großmutter väterlicherseits, Dona Dionísia, in der Rua da Bela Vista 17 in Lissabon.
A.R. Zenith: Atemtherapeut, der Pessoa, nach dessen eigenen Worten, innerhalb von drei Monaten aus dem Zustand eines »wandelnden Leichnams« errettet haben soll.
A.d.Ü.: Anspielung auf Shelleys berühmtes Gedicht: Alastor oder Der Geist der Einsamkeit.
A.d.Ü. Dieses fiktive Prosafragment, wie auch das folgende, wurden hier mit aufgenommen, obgleich sie keine Selbstzeugnisse darstellen, diese jedoch eindrucksvoll spiegeln.
A.d.Ü.: Siehe hierzu in: Fernando Pessoa/Álvaro de Campos, Poesia – Poesie und Fernando Pessoa/Álvaro de Campos, Poesie und Prosa, herausgegeben und übersetzt von Inés Koebel, Zürich 2007 und Frankfurt/M. 2014, die Gedichte Triumphode und Vom Vergehen der Stunden.
A.d.Ü.: Von Pessoa später aufgegebenes Präheteronym.
A.R. Zenith: Präheteronym, von Pessoa als »Mystiker ohne Gott und Christ ohne Glauben« bezeichnet, und dem er The Book of Friar Maurice zuzuschreiben gedachte. In ihm sollte es um religiöse und ethische Fragen, theoretischer wie auch persönlicher Art, gehen.
A.R. Zenith: Francisco de Assis de Távora (1703–1759), Politiker und Vizekönig von Indien zwischen 1750 und 1754, nach seiner Rückkehr nach Lissabon einer der Hauptgegner und Kritiker der Regierung Pombal. 1758 wurden er und weitere Mitglieder seiner Familie eines Attentates auf König José I. bezichtigt, brutal gefoltert und hingerichtet.
A.d.Ü.: Antero de Quental (1842–1891 durch Selbstmord), einer der bedeutendsten Dichter der portugiesischen Romantik und führenden Köpfe Portugals, oft auch als Dichterphilosoph bezeichnet. Von Hegel, Proudhon und A. Comte beeinflußt. Er setzte sich für eine kulturelle, künstlerische und literarische Erneuerung seines Landes ein. Von Pessoa bewundert und häufig zitiert. Pessoa ließ sein Präheteronym Marcos Alves vor einem Spiegel Selbstmord begehen, indem dieser sich einen Revolver in den Mund steckte und sich vorstellte, er sei Antero de Quental.
A.d.Ü.: Langes, fragmentarisches, auf englisch verfaßtes Gedicht.
A.d.Ü.: Pessoa verfaßte diesen Text kurz nach der Ermordung von König Dom Carlos I. und dessen Sohn, am 5. Oktober 1908.
A.d.Ü.: Französisches Präheteronym, dem Pessoa Gedichte, satirische und wissenschaftliche Werke in die Feder zu legen gedachte. Bekannt sind bisher einzig zwei satirische Essays Des Cas d’Exibitionnisme und La France en 1950, der Entwurf eines dritten Textes namens Messieurs les Souteneurs und einige fragmentarische Gedichte.
A.d.Ü.: Charles Binet-Sanglé (1868–1941), französischer Militärarzt und Psychologe, Autor von La Folie de Jésus (Das Irresein Jesu), einem Werk, das Pessoa die Absicht hatte zu widerlegen. Binet-Sanglé vertritt in ihm die Ansicht, die »Halluzinationen« Jesu seien, vom psychologischen Standpunkt aus gesehen, ein Beweis für dessen »religiöse Paranoia«. Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Genie und Wahnsinn, herausgegeben und übersetzt von Steffen Dix, Zürich 2010, S. 157ff.
A.d.Ü.: Maurice Rollinat (1846–1903), franz. Dichter und Musiker. Sah sich mit seinem berühmtesten Werk Les Névroses in der Nachfolge von Baudelaire. Starb im Irrenhaus.
A.d.Ü.: Von Pessoa später aufgegebenes Präheteronym.
A.d.Ü.: Freund Pessoas seit der gemeinsamen Schulzeit in Durban, daher auch der im Original auf englisch geschriebene Brief.
A.d.Ü.: Pessoa reiste im August 1909 nach Portalegre (Alentejo), um dort mit dem von seiner Großmutter Dionísia geerbten Geld Maschinen für seine in Lissabon geplante Druckerei zu kaufen.
A.d.Ü.: Psychiatrische Klinik.
A.R. Zenith: Es handelt sich hier um den Pseudo-Dionysius (frühes 6. Jahrhundert), dessen vom Neuplatonismus beeinflußte Schriften bis ins XVI. Jahrhundert von großer Bedeutung waren und noch heute von christlichen Mystikern geschätzt werden. Pessoa spielt höchstwahrscheinlich auf das Werk Die Himmlische Hierarchie an, nach dem Gott, obgleich so unfaßbar, daß selbst ein Heiliger keine unmittelbare Kenntnis von ihm haben kann, sich in allem offenbart.
A. R. Zenith: Bonaventura (1221?–1274), in seinem umfangreichen theologischen und philosophischen Werk folgte Bonaventura eher Platon als Aristoteles und bestand (genau wie der Pseudo-Dionysius) darauf, daß die Schöpfung den Schöpfer zwar offenbart, uns der unmittelbare Anblick Gottes oder seiner Attribute aber unmöglich ist.
A. R. Zenith: Thomas Gray (1716–1771), in Eton erzogener englischer Dichter und Gelehrter. Das Zitat stammt aus seinem Gedicht Ode on a Distant Prospect of Eton College.
A.d.Ü.: Von Pessoa später aufgegebenes Präheteronym.
Variante: das bist Du
Variante: da ist Dein Leib
Die Authentizität dieses Satzes wird von den portugiesischen Herausgebern angezweifelt.
A.R. Zenith: Einige Kritiker verteidigten die These, nach der Francis Bacon (1561–1626) der Autor eines Großteils von Shakespeares Stücken war. Von dieser Annahme fasziniert, erarbeitete Pessoa eine mehr als dreißig Titel umfassende Bibliographie zur »Frage Shakespeare-Bacon« und hinterließ einen unvollendeten Essay zu diesem Thema. A.d.Ü.: Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Genie und Wahnsinn, a.a.O., Die Fragestellung Shakespeare-Bacon, S. 217ff.
A.d.Ü.: Siehe hierzu: Fernando Pessoa: Buch der Unruhe, a.a.O., Fragment 193, Abschnitt 2, S. 195.
A.d.Ü.: Pessoa hat eine Reihe von unvollendeten Kriminalgeschichten hinterlassen. Darunter eine Serie mit dem Titel Quaresma, Dechiffrierer, über einen Mann, der Kriminalfälle auf »psychologische« Weise löst. Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Genie und Wahnsinn, a.a.O., S. 358ff.
A.d.Ü.: Mário Beirão (1890–1965), portugiesischer Dichter, gehörte der Kunst- und Kulturbewegung Renascença Portuguesa an.
A.d.Ü.: Antero de Quental, siehe Fußnote 17.
A.d.Ü.: Abílio de Guerra Junqueiro (1850–1923), Diplomat und Politiker, Schriftsteller, Lyriker zwischen Romantik und Realismus. Trat für eine Erneuerung der portugiesischen Kultur und des sozialen Lebens ein. In seinem berühmtesten, 1896 erschienen Gedicht A pátria (Das Vaterland) empört er sich über die Lethargie, mit der Portugal 1890 das englische Ultimatum hinnahm, durch das es zum Verzicht auf Territorien in Afrika gezwungen wurde. Der überzeugte Atheist trat gegen Ende seines Lebens zum Katholizismus über.
A.d.Ü.: Cesário Verde (1855–1886), Dichter der Stadt Lissabon und ihrer Menschen. Führte nach romant.-parnass. Anfängen unter dem Einfluß Baudelaires neue Stilelemente und Themen in die portugiesische Dichtung ein. Von Pessoa als Wegbereiter der Moderne geschätzt. Siehe hierzu in: Fernando Pessoa, Buch der Unruhe, a.a.O., die Fragmente 3, S. 16; 106, S. 117; 268, S. 270–271; und in: Fernando Pessoa/Alberto Caeiro, Poesia-Poesie, herausgegeben von F. Cabral Martins und R. Zenith; übersetzt von I. Koebel und G. R. Lind, Zürich 2004 und Frankfurt 2008, den Gedichtzyklus Hüter der Herden, Gedicht III, S. 17.
A.d.Ü.: José Duro (1875–1899), von den französischen Symbolisten beeinflußter, der Dekadenzdichtung zugerechneter portugiesischer Lyriker.
A.d.Ü.: General Henrique Rosa, Bruder von Pessoas Stiefvater João Miguel Rosa. Hochgebildeter und enger Freund des Dichters, der in regem intellektuellen Austausch mit ihm stand.
A.d.Ü.: Almeida Garrett (1799–1854), portugiesischer Dichter, Schriftsteller, Dramatiker und Politiker. Begründer und Hauptvertreter der romantischen Schule in Portugal.
A.d.Ü.: António Correia de Oliveira (1877–1969), integralistischer und nationalistischer, von der Neuromantik beeinflußter Lyriker, Dramatiker und Journalist.
A.d.Ü.: António Nobre (1867–1900), vom französischen Symbolismus und der Neuromantik beeinflußter portugiesischer Dichter. Sein berühmtestes Buch, der zu Pessoas Zeiten viel gelesene Gedichtband Só (Allein), wurde als »das traurigste Buch Portugals« bezeichnet. Im Buch der Unruhe schreibt Pessoa/Soares in Textfragment 412 in Anspielung auf Nobres Só: »Dieses Buch [gemeint ist das Buch der Unruhe] ist eine einzige Wehklage. Wenn es denn geschrieben ist, wird Allein nicht mehr das traurigste Buch Portugals sein.«
A.d.Ü.: Camilo Pessanha (1867–1926), einer der wichtigsten Vertreter des portugiesischen Symbolismus, lebte ab 1894 als Hochschullehrer und Jurist meist in Macau. Schrieb auch Bücher zur chinesischen Zivilisation und Kultur und übersetzte aus dem Chinesischen.
A.d.Ü.: Saudosismus, dem Symbolismus verwandte portugiesische literarische Bewegung Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Leitet sich von dem Wort saudade (Sehnsucht, Schwermut) ab und fordert eine Erneuerung der portugiesischen Dichtung.
A.d.Ü.: Dieser unbeendete und nie abgeschickte Brief galt dem brasilianischen Dichter Ronald de Carvalho.
A.d.Ü.: Paulismus: Von Pessoa begründete, nicht sehr langlebige literarische Bewegung. Sie leitet sich von dem Wort paúl: Sumpf/Pfuhl ab. Der Paulismus ist als eine Art verfeinerter Symbolismus zu verstehen, in ihm sollen das Vage, das Komplexe und Subtile zum Ausdruck gebracht und nicht zusammenhängende Ideen miteinander verbunden werden. Siehe hierzu in: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., auf S. 25 das 1913 verfaßte und 1914 veröffentlichte Gedicht: Sümpfe des Sehnens und in Pessoa/Campos: Poesie und Prosa, a.a.O., S. 369, Moderne Strömungen in der portugiesischen Literatur.
A.d.Ü.: Guilherme de Santa Rita. Künstlername: Santa-Rita Pintor (1889– 1918). Maler und bedeutender Vertreter des portugiesischen Modernismus. Weggefährte Pessoas in den literarischen Zeitschriften Orpheu und Portugal Futurista.
A.d.Ü.: Pessoa trug sich ursprünglich mit dem Gedanken, dieses Brieffragment im Buch der Unruhe zu verwenden.
A.d.Ü.: Gemeint ist Mário de Sá-Carneiro.
A.d.Ü.: Ana Luísa Pinheiro Nogueira de Freitas, genannt Tante Anica. Schwester von Pessoas Mutter und seine Patentante, mit der ihn zeitlebens eine enge Freundschaft verband.
A.d.Ü.: Pessoa schlug der Zeitschrift A Águia vor, sein statisches Drama Der Seemann zu veröffentlichen, die dies jedoch ablehnte. Es erschien erst 1915 in der ersten Ausgabe von Orpheu.
A.d.Ü.: Armando Côrtes-Rodrigues (1891–1971), port. Schriftsteller, Lyriker, Dramatiker und Ethnologe von den Azoren; aus dem unmittelbaren Kreis um Pessoa, mit dem ihn eine enge und herzliche Brieffreundschaft verband. Mitarbeit bei verschiedenen literarischen Zeitschriften, für die Pessoa ebenfalls schrieb.
A.d.Ü.: Intersektionismus (engl. Intersection = Überschneidung), eine der von Pessoa ins Leben gerufenen literarischen Bewegungen, bei der es um die Überschneidung, bzw. Verschmelzung unterschiedlicher Realitäten, Sinneswahrnehmungen, Gefühle und Gedanken geht. Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O.; S. 39 das Gedicht Schräger Regen.
A.R. Zenith: Verworfenes Projekt einer internationalen »intersektionistisch« ausgerichteten Zeitschrift namens Europa mit einer auf englisch und französisch erscheinenden Auslandsbeilage, die u.a. Werke von Pessoa ipse, seinem Präheteronym Alexander Search und seinem Freund und literarischen Weggefährten Mário de Sá-Carneiro beinhalten sollte.
A.d.Ü.: Von der Zeitschrift Renascença erschien lediglich eine einzige Ausgabe (Februar 1914), in der Pessoa sein Gedicht Impressões do crepúsculo (Impressionen der Dämmerung) veröffentlichte. Zu finden in: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., S. 23/25.
A.d.Ü.: Siehe hierzu in: Daten zu Leben und Werk – 1910.
engl.: Liebe suchen.
A.d.Ü.: Anspielung auf Marinettis Futurismus, als dessen Vertreter in Portugal sich insbesondere der Maler Santa Rita Pintor verstand.
A. R. Zenith: Wie Pessoa in einem Brief vom 4.10.1914 an Côrtes-Rodrigues erklärt, wurde das Projekt einer intersektionistischen Zeitschrift zugunsten einer Anthologie des Intersektionismus verschoben. In einem anderen, zwei Tage vor dieser Passage verfaßten Brief versichert Pessoa Côrtes-Rodrigues: »Unsere Anthologie steht, aber selbstverständlich kann sie erst verwirklicht werden, wenn der Krieg vorüber ist, zumal er ein ästhetischer Akt europäischen Charakters ist.«
franz.: Streich, Witz, Scherz.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., S. 25.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., S. 91.
A.d.Ü.: Arthur Morrison (1863–1945), englischer Journalist und Schriftsteller, bekannt für seine naturalistischen Romane und Erzählungen über das Leben der Menschen im Londoner East End und seine Detektivgeschichten.
Variante: ob es all diese anderen ist.
Variante: Huhn.
A.d.Ü.: Mário de Sá-Carneiro (1890–1916), bedeutender Lyriker und Prosaist, der sich nach symbolistischen Anfängen dem Modernismus zuwandte, enger Freund und künstlerischer Weggefährte Pessoas. Mitbegründer und Herausgeber der modernistischen Zeitschrift Orpheu (1915), die, obgleich in nur zwei Ausgaben erschienen, die portugiesische Literatur nachhaltig beeinflußte. Sein Selbstmord am 26.4.1916 in Paris stürzte Pessoa in eine tiefe Depression.
A.d.Ü.: Der Seemann (O Marinheiro), 1913 geschrieben, statisches Drama ohne Handlung.
A.d.Ü.: Von Pessoa später aufgegebenes Präheteronym.
Variante: Zweige
Variante: daß ich viele bin.
franz.: hier in der Bedeutung von »am Ende sein«.
A.d.Ü.: Pessoa kündigte 1912 in der Zeitschrift República das baldige Erscheinen eines Supra-Camões [sic] an (als den er sich selbst sah), der den neuen Höhepunkt der nationalen Literatur Portugals definieren wird. Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Orpheu, Schriften zur Literatur Ästhetik und Kunst, herausgegeben und übersetzt von Steffen Dix, Frankfurt/M. 2015, S. 23ff. Pessoa schrieb abwechselnd »Super-« und »Supra-Camões«.
A.d.Ü.: A Águia, von Teixeira de Pascoaes zwischen 1910 und 1932 in Porto herausgegebene Zeitschrift, in der die bedeutendsten Vertreter der portugiesischen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts publizierten.
A.d.Ü.: Orpheu, von Pessoa 1915 gegründete avantgardistische Literatur- und Kunstzeitschrift, die vierteljährlich erscheinen sollte, es aber auf nur zwei Ausgaben brachte, die allerdings für den größten Skandal in der Literaturgeschichte Portugals sorgten. Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Orpheu, a.a.O., S. 251ff.
Hector Durville (1849–1923), Magnetiseur, Okkultist und Verfasser zahlreicher Studien über magnetische Theorie bzw. experimentelle Psychologie, gründete die Société Magnétique de France und zusammen mit seinem Sohn, dem Arzt Henri Durville (1887–1963), die École Pratique de Magnétisme et de Massage in Paris.
A.d.Ü.: Francisco Manuel Cabral Metello (1893–1979), Dichter, Autor und Bekannter Pessoas. Der Brief erschien im Februar 1923 in Contemporânea Nr. 8 anläßlich des Erscheinens von Metellos Film-Novelle Sachá.
A.R. Zenith: Pessoa arbeitete intensiv für Büros von A. Xavier Pinto und Frederico Ferreira. Dies belegen zahlreiche mit diesen Firmennamen versehene und von ihm beschriebene Blätter aus seinem Nachlaß.
A. R. Zenith: Answers gehörte zu den englischen Wochenzeitungen, die Pessoa wegen der dort veröffentlichten Preisrätsel regelmäßig kaufte.
Variante: dieser Art doppelten Lebens.
A. R. Zenith: Vermutlich für ein Essay zu Shakespeare gedacht.
latein.: Eine Stimme und nichts sonst. (Plutarch)
A.d.Ü.: Pessoa hat eine Reihe von unvollendeten, höchst raffiniert konstruierten Kriminalgeschichten und Erzählungen hinterlassen, in denen das methodische Vorgehen z.T. wichtiger ist als die Lösung bzw. die Geschichte selbst.
A.d.Ü.: Der staatlich-autoritäre Korporatismus wurde in Portugal 1935 von Salazar unter dem Namen »Estado Novo« (Neuer Staat) übernommen.
A.d.Ü.: Von Pessoa selbst verfaßt und im Dezember 1928 in Presença Nr. 17 erschienen.
A.d.Ü.: Raul Leal (1886–1964), Schriftsteller, Journalist, Jurist, Okkultist und Mitstreiter Pessoas. Sein sich mit der Thematik der Homosexualität befassender Essayband Sodoma Divinizada (1923) wurde in Portugal verboten und von rechtsextremen Studenten geschmäht und verbrannt.
A.d.Ü.: Zu diesem Zeitpunkt in London lebender Halbbruder Pessoas.
A.d.Ü.: João Gaspar Simões (1903–1987), portugiesischer Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Kritiker. Seine Biographie über Pessoa (Vida e Obra de Fernando Pessoa) war nicht nur die erste über den Dichter, sondern sollte auch dessen Bild in der Öffentlichkeit über Jahrzehnte nachhaltig prägen.
A.d.Ü.: 1929 erschienener Essayband, darin ein Beitrag, der sich zum ersten Mal mit der Dichtung des bis dahin noch weitgehend unbekannten Fernando Pessoa befaßt.
A.d.Ü.: Einzig bekannte Liebesbeziehung in Pessoas Leben.
A.d.Ü.: Lissabonner Taverne von Portugals größtem Weinhändler Abel Pereira da Fonseca, zu deren Stammgästen Fernando Pessoa zählte. In diesem am Tresen von Abel geschriebenen Brief nimmt das Heteronym Álvaro de Campos vollständig den Platz Fernando Pessoas ein.
A.d.Ü.: Siehe hierzu: Pessoa/Campos, Poesia-Poesie, a.a.O., S. 415ff. und Pessoa/Campos, Poesie und Prosa, a.a.O., S. 217ff. sowie Pessoa, Buch der Unruhe, a.a.O., Fragment 59, Abschnitt 4, S. 70–71.
A.d.Ü.: José Osório de Oliveira (1900–1964), Dichter, Essayist und Literaturkritiker.
A.d.Ü.: António Sérgio (1883–1969), portugiesischer Philosoph, Pädagoge, Politiker und Gegner von Salazars Estado Novo.
A.d.Ü.: Adolfo Casais Monteiro (1908–1972), Lyriker, Essayist, Übersetzer und politischer Aktivist gegen das Salazar-Regime. Von 1931 bis 1940 einer der drei Chefredakteure von Presença, damals die zweitgrößte Literaturzeitschrift Portugals.
A.d.Ü.: Siehe Fernando Pessoa/Alberto Caeiro, Poesia-Poesie, Zürich 2004 und Frankfurt/M. 2016, S. 199.
A.d.Ü.: Botschaft (Mensagem, Lissabon 1934), patriotisch hymnischer Gedichtzyklus zum Ruhme Portugals, das einzige Werk, das Pessoa zu Lebzeiten vollständig veröffentlichte. Siehe: Fernando Pessoa, Esoterische Gedichte, Mensagem – Botschaft, Englische Gedichte, übersetzt von G. R. Lind, Ammann, Zürich 1989, S. 60ff.
A.d.Ü.: Am 1. Dezember wird in Portugal des Endes der spanischen Herrschaft über Portugal und der Restauration seiner Monarchie 1640 gedacht.
A.d.Ü.: Dom Sebastião, König von Portugal, 1578 im Alter von 24 Jahren bei der Schlacht von Ksar-el-Kebir (Marokko) gefallen. Durch seinen Tod verlor Portugal für 60 Jahre seine Unabhängigkeit an die spanische Krone. Der Glaube, daß der im Schlachtennebel verschollene König eines Tages zurückkehrt und dem Land wieder zu altem Ruhm und Glanz verhilft, hat sich in Portugal bis heute als Mythos erhalten. Pessoa schreibt dazu im Buch der Unruhe: »Daß Dom Sebastião eines Tages im Nebel zurückkommt, steht im Widerspruch zur Geschichte. Die Geschichte kommt und geht im Nebel, und die größten Schlachten, von denen man erzählt, die glanzvollsten Feste, die mächtigsten Errungenschaften sind nichts als Schauspiele im Nebel, Heerscharen, die in der Ferne entschwinden und untergehen.«
A.d.Ü.: Damaliger Kronprinz von Portugal.
A.d.Ü.: Siehe hierzu in: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., das Gedicht Ja, dies ist der Neue Staat, S. 229.
A.d.Ü.: Feldzüge während des dynastischen Kampfes innerhalb des Hauses Bragança. Pedro IV. war liberal und trat für eine konstitutionelle Monarchie ein, während sein Bruder Miguel I. an dem alten absolutistischen Regierungssystem festhalten wollte.
Tochter von Tante Anica.
A.d.Ü.: Das Automatische Schreiben wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts praktiziert, um mit den Geistern Verstorbener in Verbindung zu treten. Es bezeichnet auch eine Methode des Schreibens, bei der Bilder, Gefühle und Sprache ohne das Eingreifen des kritischen Ichs wiedergegeben werden. Der Begriff Écriture automatique (Automatisches Schreiben) wurde 1889 von dem französischen Psychotherapeuten Pierre Janet im Rahmen therapeutischer Versuche geprägt, während derer der Patient im Halbschlaf, in Trance oder unter Hypnose zum Schreiben angehalten wurde, um das Unbewußte ins Bewußte zu holen.
Die von Pessoa in der Écriture automatique auf englisch verfaßten mediumistischen Texte sind hier nur auszugsweise und nicht in vollem Umfang wiedergegebenen. Daher tauchen in dieser Auswahl von den »mitteilenden Geistern« auch nur der sich am häufigsten zu Wort meldende Geist des englischen Dichters und Philosophen Henry More (1614–1678) und der eines gewissen Henry Lowell auf.
Dieser Teil wiederum schließt mit einer nüchternen, auf portugiesisch geschriebenen wissenschaftlichen Abhandlung des Dichters zum Thema Mediumismus.
A.d.Ü.: Triumph-Ode, 1914 verfaßt, am 1.3.1915 in Orpheu erschienen. Zu finden in: Pessoa/Campos, Poesia – Poesie, a.a.O., S. 45ff. und Pessoa/Campos, Poesie und Prosa, a.a.O., S. 29ff.
A.d.Ü.: Mit Manifest ist wahrscheinlich das von Álvaro de Campos 1917 verfaßte Ultimatum gemeint. Zu finden in: Pessoa/Campos, Poesia – Poesie, a.a.O., S. 711ff. und Pessoa/Campos, Poesie und Prosa, a.a.O., S. 371ff.
A.d.Ü.: Eurico de Seabra, Universitätsprofessor und Autor von Theaterstücken, Romanen und historischen Abhandlungen. Erstellte auch Umfragen unter portugiesischen Literaten, so z.B. zu Ästhetik und Literatur in Portugal. Zu diesem Zweck schickte er am 31. April 1916 einen Fragebogen an Fernando Pessoa mit der Bitte um dessen Beantwortung bis zum 6. Mai 1916. Es blieb bei zwei Entwürfen einer Antwort von seiten Pessoas. Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Genie und Wahnsinn, a.a.O., S. 413–417.
A. R. Zenith: Laut Pessoa ein Okkultismus und Magnetismus praktizierender Freund.
A. R. Zenith: Luís de Montalvor (1891–1947), Dichter und einer der herausragenden Köpfe des portugiesischen Modernismus. Herausgeber der ersten Ausgabe der Zeitschrift Orpheu und Gründer von Ática, dem Verlag, der 1947 als erster eine Gesamtausgabe der Werke Pessoas herausbrachte.
A.d.Ü.: Möglicherweise eine Anspielung auf die Astrologie, in der der Einfluß des Planten Mars für jene kämpferischen Kräfte steht, die dem Menschen sowohl zu seiner schöpferischen als auch zu seiner sexuellen Entfaltung verhelfen.
A.d.Ü.: Siehe hierzu in: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., das Gedicht Rat, S. 307.
A.d.Ü.: Hier äußert sich Pessoa selbst zum Thema Mediumismus.
Variante: Krankheitsverlaufs
A.d.Ü.: Paul Richer (1849–1933), französischer Arzt, Medizinhistoriker, Professor für künstlerische Anatomie an der Hochschule für Schöne Künste, Paris, Bildhauer und Mitarbeiter des Neurologen Martin Charcot (1825–1893), der sich mit der Phänomenologie hysterischer Anfälle befaßte. In seinen in ganz Europa berühmten Dienstagsvorlesungen im Pariser Hôpital de la Salpêtrière führte Charcot, von Richer als Kollege und Zeichner assistiert, Frauen als Fallbeispiele für Hysterie und Epilepsie vor. 1881 veröffentliche Richer das Standartwerk Études cliniques sur L’Hystéro-épilepsie, ou Grande Hystérie, zu dem Charcot das Vorwort schrieb.
franz.: Ergebnisse
A. R. Zenith: Eine frühere Version dieses Textes endet wie folgt: Eine mir unangenehme Wahrheit, aber wer sich eine Wahrheit zurechtgelegt hat, empfindet die Wahrheit immer als unangenehm.
A.d.Ü.: Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Genie und Wahnsinn, a.a.O., S. 157ff.
A.d.Ü.: Devise des Okkultisten und Magiers Aleister Crowley und gewissermaßen Gesetz des von ihm gegründeten Geheimordens Astrum Argenteum. Pessoa stand mit Aleister Crowley 1930/31 in engerem Kontakt. Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Boca do Inferno. Aleister Crowleys Verschwinden in Portugal, herausgegeben und übersetzt von Steffen Dix, S. Fischer, Frankfurt/M. 2012.
A.d.Ü.: Nachwort Pessoas für den Band Entrevistas (Gespräche) von Francisco Manuel Cabral Metello. Editora Portugália, Lisboa 1923.
A.d.Ü.: Aus Shakespeares Kaufmann von Venedig.
Variante: die Dynamik.
A.d.Ü.: Siehe hierzu: Gruß an Walt Whitman in Pessoa/Campos, Poesia – Poesie, a.a.O., S. 173ff. und Pessoa/Campos, Poesie und Prosa, a.a.O., S. 93ff.
A. R. Zenith: Anspielung auf einen Essay von Edgar Allan Poe namens Heureka, der sich mit der Natur und dem Ursprung des Universums, Sternen und kosmischen Entfernungen befaßt.
A. R. Zenith: Die Lesart dieser beiden Zeilen ist ungewiß.
A. R. Zenith.: Anspielung auf Henrik Ibsens Drama Gespenster, in dem Oswald im 3. Akt sagt: »Gib mir die Sonne, Mutter.«
A. R. Zenith: Ab »verdeckt« ungewisse Lesart des Satzes.
A.d.Ü.: In diesem Textfragment findet sich die Philosophie der Oden von Pessoas Heteronym Ricardo Reis wieder.
Variante: Ein unschickliches Gebrüll, das den, der ein musikalisches Gehör besitzt, mit Schrecken und jähen Mordgelüsten erfüllt. Siehe hierzu: Pessoa, Buch der Unruhe, a.a.O., Fragment 165.
A.d.Ü.: Mit Encoberto (Der Verhüllte) ist Dom Sebastião gemeint.
A.d.Ü.: Augusto Ferreira Gomes (1892–1953), Lyriker und Journalist, einer der engsten Freunde Pessoas.
A.d.Ü.: Vetter Pessoas.
A.d.Ü.: Das Wortspiel em flagrante delitro (in flagranti Liter) leitet sich im Portugiesischen von em flagrante delicto (in flagranti) ab und ist unübersetzbar.
A.d.Ü.: Aus dem Buch der Unruhe, Fragment 8, S. 22.
A.d.Ü.: Almada Negreiros (1893–1970), Universalkünstler, einer der wichtigsten Vertreter der portugiesischen Moderne und Mitbegründer der Zeitschrift Orpheu.
A.d.Ü.: José Régio (1901–1969), Schriftsteller und Mitherausgeber der Zeitschrift Presença.
A.d.Ü.: Gemeint ist die 1950 erschienene und heute teilweise umstrittene Biographie Pessoas von João Gaspar Simões.
A.d.Ü.: Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Genie und Wahnsinn, a.a.O., S. 56ff.
A.d.Ü.: Afonso Costa (1871–1937) setzte sich als erster republikanischer Politiker für die Trennung von Staat und Kirche ein. In der Ersten Republik war er zwischen 1913 und 1917 viermal Ministerpräsident.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Orpheu, a.a.O., S. 15ff.
A.d.Ü.: ebd., S. 27–45 und S. 46–79.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Buch der Unruhe, a.a.O., S. 490–497.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., S. 29ff.
A.d.Ü.: ebd., S. 22–25.
A.d.Ü.: Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Orpheu, a.a.O., S. 91ff.
A.d.Ü.: Siehe: Pessoa/Caeiro, Poesia – Poesie, Zürich 2004 und Frankfurt/M. 2008, S. 10ff.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., S. 39ff.
A.d.Ü.: Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Orpheu, a.a.O., S. 103ff.
A.d.Ü.: Siehe: Pessoa/Campos, Poesia-Poesie, a.a.O., S. 45ff. und Pessoa/Campos, Poesie und Prosa, a.a.O., S. 29ff.
A.d.Ü.: Siehe hierzu: Fernando Pessoa, Orpheu, a.a.O., S. 251ff.
A.d.Ü.: Siehe: Pessoa/Campos, Poesia – Poesie, a.a.O.; S. 23ff. und Pessoa/Campos, Poesie und Prosa, a.a.O., S. 17ff.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Esoterische Gedichte, Botschaft, Englische Gedichte, a.a.O., S. 173ff.
A.d.Ü.: Siehe: Pessoa/Campos, Poesia – Poesie, a.a.O., S. 83ff. und Pessoa/Campos, Poesie und Prosa, a.a.O., S. 48ff.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Orpheu, a.a.O., S. 339.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., S. 91.
A.d.Ü.: ebd., S. 67ff.
A.d.Ü.: Siehe: Pessoa/Campos, Poesia – Poesie, a.a.O., S. 711ff. und Pessoa/Campos, Poesie und Prosa, a.a.O., S. 371ff.; sowie in Fernando Pessoa, Orpheu, a.a.O., S. 233ff.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Esoterische Gedichte, Botschaft, Englische Gedichte, a.a.O., S. 135ff.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Esoterische Gedichte, Botschaft, Englische Gedichte, a.a.O., S. 91ff.
A.d.Ü.: Siehe: Pessoa/Campos, Poesia – Poesie, a.a.O., S. 347–349 und Pessoa/Campos, Poesie und Prosa, a.a.O., S. 183–184.
A.d.Ü.: ebd., S. 735 und S. 396.
A.d.Ü.: ebd., S. 736ff. und S. 397ff.
A.d.Ü.: ebd., S. 351ff. und S. 185ff.
A.d.Ü.: ebd., S. 745 und S. 413.
A.d.Ü.: ebd., S. 433ff. und S. 225ff.
Pessoa/Teive, Die Erziehung zum Stoiker, herausgegeben von Richard Zenith, übersetzt von Inés Koebel, Zürich 2004, und Frankfurt/M. 2008
A.d.Ü.: ebd., S. 523–525 und S. 271–272.
A.d.Ü.: Siehe: Pessoa/Caeiro: Poesia – Poesie, a.a.O., S. 199ff.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa: Er selbst, a.a.O., S. 87–89.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Boca do Inferno. Aleister Crowleys Verschwinden in Portugal, herausgegeben und übersetzt von Steffen Dix, Frankfurt/M. 2012, S. 356ff.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., S. 141.
A.d.Ü.: ebd., S. 121.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., S. 161.
A.d.Ü.: Siehe: Pessoa/Campos, Poesia-Poesie, a.a.O., S. 415ff. und Pessoa/Campos, Poesie und Prosa, a.a.O., S. 217ff.
A.d.Ü.: Siehe: Fernando Pessoa, Er selbst, a.a.O., S. 183.
A.d.Ü.: ebd. S. 163–165.
A.d.Ü.: ebd. S. 307.
Ich fühle mich vielfältig.
Ich bin wie ein Zimmer mit unzähligen, wundersamen Spiegeln, die eine einzige zentrale Wirklichkeit falsch und verzerrt reflektieren, eine Wirklichkeit, die sich in allen und in keinem dieser Spiegel findet.
Fernando Pessoa
»Hier bin ich, ich bin Pessoa«, ruft es aus dem Bühnenraum, und weiter: »Ich bin Pessoa, der vorgibt, ein Schauspieler zu sein, der heute Abend Fernando Pessoa spielt.«
So beginnt das Bühnenstück, das Antonio Tabucchi über den von ihm verehrten Dichter Fernando Pessoa geschrieben hat, den er für Italien entdeckte und der in seinem Werk vielfach Eingang fand. Obgleich der Titel des Stückes »Herr Pirandello wird am Telefon verlangt« lautet, tritt Pirandello darin nicht auf, wohl aber Pessoa, der mit ihm telefonieren möchte. Pessoa sieht sich hier auf der Bühne selbst als eine Figur in einem Theaterstück, er schlüpft in eine Rolle, um sich eine Identität zu entwerfen, und es wird dem Zuschauer nicht leichtgemacht, zwischen dem Schauspieler und der von ihm verkörperten Rolle als Dichter zu unterscheiden.
Und so mag diese kleine Szene als Auftakt dazu gelesen werden, sich auf die Spur dieses großen portugiesischen Dichters und Denkers zu begeben.
Bereits eine frühe Notiz Pessoas weist auf den weiten Horizont hin, der in seinen Selbstaussagen abgeschritten wird. »Ich möchte alles verstehen, alles wissen, alles verwirklichen, alles sagen, alles genießen, alles erleiden, ja, alles erleiden. Aber ich tue nichts dergleichen, nichts, nichts. Ich bin wie vernichtet bei der Vorstellung von dem, was ich gerne hätte, könnte, fühlte. Mein Leben ist ein nicht enden wollender Traum.«
Er, der, wie er sagt, »von Natur aus das Geheimnisvolle liebte, die Mystifikation, das Obskure« und zugleich ein »aufrichtiger Liebhaber der Wahrheit« war, gibt in den vorliegenden Textfragmenten und Briefen Einblick in seine schwer zu fassende komplexe Persönlichkeit, jenseits seiner literarischen Identitäten, seiner Heteronyme. Sie offenbaren, was den Verfasser dieser »Autobiographie ohne Ereignisse« umtrieb, sein Suchen, Zweifeln und Werden als junger Mensch, seine inneren Kämpfe, seine Sehnsucht nach Selbstvergewisserung, seine Widersprüche, in einer zuweilen geradezu gnadenlosen Selbstanalyse. Die Aussagen von Zeitzeugen erweitern den Blick auf ihn zudem in eindrücklicher Weise.
Seine Selbstanalysen, tagebuchähnlichen Aufzeichnungen, Reflexionen und Texte Automatischen Schreibens fanden sich in der legendären Truhe, deren immensen Schatz man 1942, sieben Jahre nach seinem frühen Tod, zu sichten begann. Denn obwohl Pessoa zu Lebzeiten in allen wichtigen Zeitschriften seines Landes vertreten war, zwei selbst gegründet, verschiedene europäische Literaturströmungen in Portugal eingeführt und drei selbst erfunden hatte, war er, wie Antonio Tabucchi schreibt, eher als ein Intellektueller und heftiger Polemiker mit wechselhaften Ansichten denn als Dichter bekannt und anerkannt. Als solcher hatte er unter eigenem Namen und den Namen Alberto Caeiro, Ricardo Reis und Álvaro de Campos lediglich in Zeitschriften mit geringer Auflage publiziert – sowie vier schmale, kaum wahrgenommene Gedichtbände auf englisch – und mit Mensagem (Botschaft), einem ebenfalls schmalen Gedichtband, den zweiten Preis bei einem Literaturwettbewerb gewonnen. Jetzt aber fand sich die Bestätigung für die Existenz seiner drei großen Dichter-Heteronyme sowie seines Halbheteronyms Bernardo Soares und ihrer eigenständigen komplexen Werke. Zudem entdeckte man nach und nach auch eine vielstimmige, auf englisch, französisch und portugiesisch schreibende Autorschaft und darüber hinaus einen bis dahin weitgehend ungekannten Pessoa in Person.
Die hier versammelten Selbstzeugnisse und Reflexionen – fragmentarisch wie Pessoas gesamtes Werk mit Ausnahme der Lyrik – sind gleichsam als eine Vorstufe zu den Gedanken und Reflexionen in seinem orthonymen und heteronymen Werk zu verstehen. Sie zeigen, da zumeist undatiert, keine Chronologie im eigentlichen Sinne auf. Ihre Zu- und Anordnung ist zum einen durch den Textzusammenhang gegeben und zum anderen durch die Abfolge der englischen Originale. Diese stammen mehrheitlich aus der Zeit um und nach Pessoas definitiver Rückkehr nach Lissabon, als er in Ermangelung von Freunden, mit denen er sich austauschen konnte, seine Gedanken zunächst in der in Südafrika erworbenen Zweitsprache Englisch und gelegentlich auch in Französisch, das er bereits als Kind mit seiner Mutter erlernt hatte, niederschrieb.
Der erste Teil dieses Bandes umfaßt Aufzeichnungen und Briefe aus den Jahren 1905 bis 1935, der zweite Teil aus den Jahren 1916/1917 und 1929/1930, als Pessoa als Medium agierte und Erfahrungen mit dem Automatischen Schreiben machte. Der dritte Teil beinhaltet eine Sammlung undatierter Reflexionen. Der vierte Aussagen und Erinnerungen von Angehörigen, Freunden und Zeitgenossen Pessoas. Der fünfte Daten zu Leben und Werk.
In Pessoas Selbstzeugnissen ist die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit bisweilen fließend. Einige seiner Aussagen deuten bereits auf eine mögliche spätere Fiktionalisierung hin, sie erwecken zuweilen den Eindruck, als seien sie im Rückblick aus der Perspektive eines fortgeschrittenen Alters geschrieben. Bereits in jungen Jahren hat Pessoa eine Reihe literarischer und später wieder aufgegebener Doubles, Alter egos oder Präheteronyme erschaffen, die hier zum Teil mit aufgenommen wurden, da sie keine Masken des Dichters verkörpern, sondern im Gegenteil geistige Zwillingsbrüder des jungen Pessoa sind und die dramatischen Konflikte offenbaren, die sich in ihm abspielten.
Bemerkenswert die »Briefe, die Aufschluß über meinen Charakter geben«. In ihnen bittet Pessoa, der sich unter dem Namen »Faustino Antunes« als Psychiater ausgibt, seinen ehemaligen Schulkameraden Geerdts und zwei frühere Lehrer um deren Einschätzung von Charakter und Verhalten des ehemaligen Schülers Fernando Pessoa, der seinem Leben ein Ende gesetzt habe. Handelt es sich hier um eine Maskerade, ein Spiel des passionierten Scharadenspielers, oder ist der Verfasser dieser Briefe ernsthaft an der Fremd- und Außenperspektive auf seine Persönlichkeit interessiert? Aber warum lenkt er die erwartete Einschätzung seiner Person durch die Vorgabe einer fiktiven und detaillierten neurasthenischen Krankengeschichte?
Wir müssen uns zunächst einen jungen Mann vorstellen, der 1905 im Alter von 17 Jahren nach langer Abwesenheit nach Lissabon zurückkehrt und versucht, sich wieder in seine Stadt, in sein Land hineinzufinden. Er, der sich selbst eine »irrende Seele« nannte und zwischen zwei Ländern, zwei Kulturen und zwei Sprachen aufwuchs, fühlt sich aufgrund seiner Überzeugungen als Fremder im eigenen Land. Er schreibt: »Wenn ich spreche, wie ich bin, versteht man mich nicht, weil ich keine Portugiesen habe, die mir zuhören. Wir, meine Landsleute und ich, sprechen nicht dieselbe Sprache. Ich schweige.« Wir wissen aber, daß Pessoa keineswegs geschwiegen, sondern seine Stimme in Zeitungen und Zeitschriften erhoben und sich lautstark Gedanken um sein Land gemacht hat. Er wundert sich, daß die bei seiner Rückkehr nach Portugal durchweg republikanisch gesinnte Jugend Jahre später durchweg monarchistisch eingestellt ist. Dabei ist er selbst politisch gesehen eher wankelmütig. Zu Zeiten der korrupten, dekadenten Monarchie ist er Republikaner, als ihm die Republik zu mittelmäßig erscheint, ist er gegen die Republik. Die Militärdiktatur wird von ihm verteidigt, und gegen die herrschende Ungleichheit hat er keine Einwände. Zu Zeiten des Faschismus ist er zunächst für und schließlich vehement gegen Salazar. Doch dieses kontroverse politische Hin und Her geschieht immer zugunsten seiner ideellen oder aber der mystischen Rettung Portugals. Er wolle, sagt er, Portugal nicht als Nationalist, sondern mit seiner Seele retten. Pessoa leidet nicht nur an sich selbst, sondern auch »bis zum Wahnsinn« an Portugal.
Die Widersprüchlichkeit in Pessoas Fühlen und Denken zeigen auch Texte, in denen er einen bewußt elitären Standpunkt in seinen gesellschaftlichen Analysen einnimmt, und wiederum auch solche, in denen er von seiner umfassenden Liebe zur gesamten Menschheit spricht.
Sein Lebensgefühl ist geprägt von Einsamkeit und Fremdheit und dem Wunsch nach einem wahren Freund. »Ein enger Freund ist ein Ideal von mir.« Doch »lieben, ohne dazuzugehören« sind seine idealen Paradoxien von Nähe und Distanz.
Trost findet er in der Philosophie, die sein Denken nachhaltig prägt. »Ich bin ein von der Philosophie inspirierter Dichter.« Wie zutreffend diese Selbstcharakterisierung ist, wird deutlich in seiner beharrlichen Suche nach Wahrheit hinter den Phänomenen und insbesondere in der oft verzweifelten Suche nach Selbstvergewisserung und Identität: »Ich bin der Schatten meiner selbst auf der Suche nach dem, dessen Schatten er ist.«