Kathrin Röggla
Beitrag zu einem kleinen Wachstumsmarathon
Essay
Fischer e-books
Kathrin Röggla, geboren 1971 in Salzburg, lebt in Berlin. Sie arbeitet als Prosa- und Theaterautorin und entwickelt Radiostücke. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise, darunter den Italo-Svevo-Preis, den Anton-Wildgans-Preis und den Arthur-Schnitzler-Preis; ›wir schlafen nicht‹ wurde mit dem Preis der SWR-Bestenliste und dem Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch ausgezeichnet. Im Fischer Taschenbuch Verlag sind lieferbar: ›Niemand lacht rückwärts‹, ›Abrauschen‹, ›Irres Wetter‹, ›really ground zero‹, ›wir schlafen nicht‹ und das Prosabuch ›die alarmbereiten‹, das mit dem Franz-Hessel-Preis geehrt wurde. Im Frühjahr 2012 erscheinen gesammelte Essays und Theaterstücke unter dem Titel: ›besser wäre: keine‹.
Weitere Informationen, auch zu E-Book-Ausgaben, finden Sie bei www.fischerverlage.de
Erschienen bei FISCHER E-Books
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2013
Der vorliegende Text entstammt der Ausgabe: Röggla, Besser wäre: keine. Essays und Theater. Als E-Book erhältlich unter ISBN 978-3-10-401733-4.
Covergestaltung: hißmann, heilmann, hamburg
Coverabbildung: Oliver Grajewski
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-402676-3
Der Film »Die bewegliche Zukunft – Eine Reise ins Risikomanagement« ist bis November 2013 in der Mediathek des ZDF zu sehen.
Wachstum beginnt heute auf den Flughäfen. In den Reisezentren, in den Senator Lounges, den Businessabteilen, inmitten des Schweigeabkommens der Businessinsassen, sozusagen der Innenwelt der Außenwelt – internationale Manager, Consultants, die einmal ungestört ihre Mails checken wollen. Es beginnt an Gate F oder Gate G am Wiener Flughafen, in Frankfurt im Terminal 1, im Lufthansaterminal in München. Es beginnt auf den langen Rollbändern, über die hektisch Businesskoffer gezogen werden an Relay-Pressebuden und Starbucks-Coffeeshops vorbei, durch Glastüren hindurch, die auf- und zugehen, als machten sie die ganze Zeit nichts anderes. Es beginnt in den Sitzreihen vor dem Gate, den Wartesekunden, den billigen und den unbilligen, je nachdem. Es beginnt mit den kleinen Gesten, dem Sich-nervös-Luft-Zufächeln, dem Blick auf die Uhr, dem Gleiten des Bildschirmstiftes über das iPad. Blackberry. Es beginnt mit dem Bild: Menschen sitzen vor ihren Notebooks und sehen wirklich hinein! Und: Gebügelte Hemden, Jacketts sind es, die wir um uns haben, nichts anderes.
Es beginnt nicht mehr bei der schmutzigen Reibung zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, in der klassischen Mehrwertproduktion bei den Stahlkochern, den Sweatshops, nicht einmal bei den Rohstoffmärkten, dem Bergbau, den Getreidehöllen unserer Erde, sondern bei den Vermittlern, den Investorenberatern, den internationalen Spürhunden und Consultants, bei der weltweiten Reisebewegung, die viele von uns mitreißt, die auch mich plötzlich mitgerissen hat, so dass ich mich in der einen oder anderen Fluggaströhre wiederfinde, zwischen seltsamem Strandgut auf ein Fortkommen wartend: Werbung für die Bundesdruckerei der Bundesbanken, für medizinische Grundlagenforschung, sichere, ehrliche Werte, letzte Reste der Verbindlichkeit einer Gesellschaft, die mit ihren flexiblen Zeittaktungen, Just-in-time-Produktionsformen und Deregulierungen sich im ständigen Aufbruch wähnt.
Ein wenig später geht Wachstum schon weiter auf Platz 7C genauso wie auf Platz 8