Jörg Schindler
Panikmache
Wie wir vor lauter Angst unser Leben verpassen
FISCHER E-Books
Jörg Schindler, geboren 1968 in Darmstadt, studierte Germanistik, Anglistik und Soziologie in Frankfurt am Main
und Edinburgh. Er war Nachrichtenredakteur und Reporter bei der »Frankfurter Rundschau«,
seit 2012 arbeitet er beim Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«. Jörg Schindler wurde 2009 zusammen mit seinem Kollegen Matthias Thieme
mit dem Wächterpreis für investigativen Journalismus ausgezeichnet und erhielt 2014 mit mehreren SPIEGEL -Redakteuren den Henri-Nannen- Preis für die beste investigative Leistung fürArtikel zur NSA -Affäre. 2012 erschien Schindlers Bestseller ›Die Rüpel-Republik. Warum sind wir so unsozial?‹.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: buxdesign, München
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403567-3
In der Untersuchung »Die Ängste der Deutschen« der R+V-Versicherung nahm 2015 die sogenannte Schuldenkrise in der Europäischen Union den ersten Platz ein. 52 Prozent der Befragten äußerten ihre Angst vor terroristischen Anschlägen – hier gab es gegenüber dem Vorjahr (39 Prozent) den deutlichsten Anstieg. Bei 49 Prozent der Befragten lösten der »Zuzug von Ausländern« und die mögliche Pflegebedürftigkeit im Alter starke Ängste aus.5 – In einer ähnlichen Studie zur »Risikoeinschätzung der Deutschen« verglich der Versicherungskonzern Canada Life gefühlte und reale Gefahren: Die beiden meist überschätzten Risiken waren demnach im Jahr 2015 in Deutschland Opfer eines Terroranschlags bzw. eines Gewaltverbrechens zu werden.
Im Frühjahr 2016 kündigte die Bundesregierung an, künftig auch noch geringere Investitionen bezuschussen zu wollen.
Nach Angaben des Bundeskriminalamts werden in Deutschland nur etwas mehr als 15 Prozent aller Wohnungseinbrüche aufgeklärt. Als »aufgeklärt« gilt den Behörden ein Fall jedoch bereits, sobald einer der Tatverdächtigen namentlich bekannt ist. Die geringe Quote führen Fachleute auch darauf zurück, dass bei den Länderpolizeien seit dem Jahr 2000 etwa 16000 Stellen eingespart wurden. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen kam in einer eigenen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass es sogar nur in 2,6 Prozent aller Fälle tatsächlich zu einer Verurteilung gekommen ist. Das hohe Dunkelfeld lasse damit keine belastbaren Aussagen über Herkunft oder Motivation von Tätern zu.
Einer der ersten SUVs war der von AM General 1992 auf den Markt geworfene »Hummer«. Bei diesem handelte es sich um eine zivile Version des Mehrzweck-Armeefahrzeugs »High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle« HMMWV), »Humvee« genannt. Es wurde entwickelt, um in feindlichem und unwirtlichem Gelände jederzeit manövrierfähig zu bleiben.4
Ein Netzwerk von Hochschulen und Medizinfirmen hat 2014 die Haltung der Deutschen gegenüber Gesundheits-Apps untersucht: 68 Prozent der Befragten gaben an, sie würden derartige Programme zur Selbstkontrolle der Gesundheit einsetzen, 70 Prozent sagten, sie würden dies tun, um einen gesundheitsfördernden Lebensstil einzuhalten.24
Das Hörspiel war eine Adaption von H.G. Wells’ gleichnamigem Roman von 1898, die Handlung wurde von Südengland nach Nordamerika verlegt.
Die Bundesbank kam in einer Erhebung 2016 sogar zum Ergebnis, dass die reichsten zehn Prozent der Haushalte inzwischen 60 Prozent des Vermögens besitzen.
1954 berief Prinz Bernhard der Niederlande erstmalig eine Konferenz von geladenen Vertretern der europäischen und amerikanischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein, damit »die westliche Welt mehr miteinander redet und weniger aufeinander schießt«. Das Treffen wurde nach dem Tagungsort, dem Hotel de Bilderberg in Oosterbeek benannt und behielt danach seinen Namen bei. Die handverlesenen Gäste, bis 1972 ausschließlich Männer, treffen sich einmal im Jahr, der Tagungsort wird jeweils strikt abgeschirmt, Gesprächsinhalte dringen nur selten nach draußen. Aus Deutschland waren bislang unter anderem Helmut Kohl, Helmut Schmidt und Joschka Fischer zu Gast, der Verleger Hubert Burda, der Mercedeschef Jürgen Schrempp und der Deutschbanker Hilmar Kopper. 2015 nahm auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) teil – was umgehend zum Gerücht führte, sie sei von den Bilderbergern zur nächsten deutschen Kanzlerin bestimmt worden.
Der irreführende Name kam zustande, weil sogenannte Vorläuferviren in Schweinepopulationen entdeckt worden waren. Zwar ging weder von Schweinen noch vom Verzehr von Schweinefleisch eine Gesundheitsgefährdung für Menschen aus – in der Folge brach der Markt für Schweinefleisch gleichwohl drastisch ein.
So etwa der französische Präsident François Hollande, der kurz nach den Terroranschlägen von Paris im November 2015 sagte: »Konfrontiert mit Krieg muss die Nation angemessene Maßnahmen ergreifen.«
m Januar 2015 stürmten Attentäter das Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris, einen Tag später schossen sie im Süden der Hauptstadt um sich – zwölf Menschen starben. Bei einer weiteren Anschlagsserie im November kamen insgesamt 130 Menschen ums Leben.
Das Ansinnen wurde letztlich vom Parlament gestoppt.
Gesucht wurde in folgenden Medien: Bild, Bild am Sonntag, Focus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Neue Zürcher Zeitung, Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, tageszeitung, Welt, Welt am Sonntag, Die Zeit. Die Vergleichbarkeit der Zahlen ist nur bedingt gegeben: In einigen Jahren waren nicht alle der genannten Medien komplett erfasst, zudem hat sich die Gesamtzahl aller Presseartikel durch die Medienkrise seit 2002 bis heute fast halbiert. Hochgerechnet fiele der Anstieg der Nennungen seit 9/11 also noch wesentlich höher aus.
Als mögliche »Gefährder« führte das Bundeskriminalamt im Frühjahr 2016 rund 500 Islamisten.
Laut der Konvention darf nur ausgewiesen werden, wer als »Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet«. Bei einer Bewährungsstrafe gehen Richter davon aus, dass gerade diese Gefahr nicht besteht.17
Dass die Angst vor Geflüchteten in keiner Partei größer ist als in der AfD, belegte im Februar 2016 eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des NDR. Demnach gaben 88 Prozent der AfD-Sympathisanten an, diese Angst zu teilen. Dagegen erklärten 57 Prozent der CDU-Anhänger, 58 Prozent der SPD-Anhänger, 68#x2005;Prozent der Linken-Anhänger und 79 Prozent der Grünen-Anhänger, der starke Zuzug von Hilfesuchenden mache ihnen keine Angst.22
In Baden-Württemberg kamen CDU und SPD im März 2013 zusammen auf 39,7 Prozent der Stimmen, in Sachsen-Anhalt auf 40,4 Prozent
http://www.stiftungfuerzukunftsfragen.de/de/newsletter-forschung-aktuell/265.html
Krämer, S. 16ff.
Furedi, VII
Pickett, S. 33f.
Renn, S. 109
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/allensbach-umfrage-zeigt-angst-um-innere-sicherheit-steigt-14073805.html?printPagedArticle= true
http://de.wfp.org/hunger/hunger-statistik
Krämer, S. 110f.
Gigerenzer, S. 22
https://www.bdl.aero/de/bdl-reports/luftfahrt-aktuell/luftfahrt-aktuell-2/
Gigerenzer, S. 24
Gardner, S. 10
Furedi, S. 10
Bode, S. 85
Bude, S. 10
http://www.focus.de/immobilien/wohnen/kriminalitaet-umfrage-grosse-sorge-vor-einbrechern-in-deutschland_id_5176463.html
Bauman, S. 139
Strasser, S. 35
Pickett, S. 58
Bauman, S. 139
http://www.ingenieur.de/Fachbereiche/Robotik/Ueberwachungs roboter-K5-Sicherheitsgewerbe-revolutionieren
Spiegel 51/2015, S. 50
Strasser, S. 153
http://www.nytimes.com/2015/03/24/opinion/angelina-jolie-pitt-diary-of-a-surgery.html?_r=0
http://www.barmergek-vv.de/artikel-startseite/artikel/akf-stellungnah me-zu-angelina-jolie-brca-gentests-und-genetisch-bedingtem-brustkrebs.html
http://www.nytimes.com/2013/05/14/opinion/my-medical-choice.html
Süddeutsche Zeitung, 2.3.2015, S. 11
Renn, S. 142
Krämer, S. 85
ebd., S. 178f.
http://www.ernaehrungsberatung.rlp.de/Internet/global/themen.nsf/ 2eca2af4a2290c7fc1256e8b005161c9/f83a7ef28d893717c1256faa00293ecc?OpenDocument
enorm 02/2015, S. 88
ebd., S. 90
a.a.O., S. 93
Strasser, S. 99
Bauman, S. 176
enorm, 5/6 2015, S. 26
ebd.
Süddeutsche Zeitung, 3.8.2015, S. 17
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.3.2015, S. 15
www.beyondverbal.com
a.a.O.
Bauman, S. 154f.
Spiegel 50/2015, S. 18
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/gesundheits-apps-du-bist-zu-fett-dafuer-zahlst-du-12993523.html
http://www.wissen.de/self-tracking-das-vermessene-ich
siehe dazu auch: Überfluss, S. 60ff.
Frankfurter Rundschau, 30.10.2015, S. 14
Spiegel 51/2015, S. 120
http://www.freerangekids.com
Spiegel 21/2015, S. 112
Süddeutsche Zeitung, 20.3.2015, S. 10
http://europe.newsweek.com/norwegian-health-organization-uses-hitler-teddy-bear-raise-awareness-420247?rm=eu
Die Zeit, 20.8.2015, S. 29
http://www.nzz.ch/zuerich/aktuell/lebendig-zu-bleiben-das-waere-kein-schlechter-ansatz-ld.3177
Die Zeit, 20.8.2015, S. 29
siehe: Spiegel 29/2015, S. 50
http://www.bka.de/DE/ThemenABisZ/Vermisstensachbearbeitung/vermisstensachbearbeitung__node.html?__nnn=true
Furedi, S. 117
Spiegel 29/2015, S. 50
Gardner, S. 214
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27.3.2016, S. 13
https://www.mpib-berlin.mpg.de/Pisa/PISA_im_Ueberblick.pdf
Süddeutsche Zeitung, 18./19.7.2015, S. 33
Gigerenzer, S. 330
Süddeutsche Zeitung, a.a.O.
Spiegel 41/2015, S. 40ff.
Bude, S. 78
Spiegel, 11/2016, S. 15
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20.9.2015, S. 23
Spiegel 41/2015, S. 40ff.
a.a.O.
Hauch, a.a.O.
http://www.rheingold-marktforschung.de/veroeffentlichungen/artikel/Kinder_brauchen_Eltern.html
enorm 5/6 2015, S. 25
http://sounds.mercurytheatre.info/mercury/381030.mp3
http://www.zeithistorische-forschungen.de/2-2011/id%3D4723
Bourke, S. 187
Glassner, S. 208
Bandelow, S. 110
Bude, S. 60
Süddeutsche Zeitung, 12./13.12.2015, S. 14
Pickett, S. 44
Spiegel 11/2016, S. 16
Frankfurter Rundschau, 18.11.2016, S. 2
Spiegel 11/2016, S. 12
ebd., S. 11
siehe Bude, S. 70f.
Bude, S. 17
http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/publications/view/1314
Spiegel 35/2014, S. 69f.
Furedi, 87
http://www.nybooks.com/articles/2015/11/19/president-obama-marilynne-robinson-conversation-2/
Süddeutsche Zeitung, 29.12.2015, S. 2
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/gesellschaft-der-angst-heinz-bude-ueber-die-40-jaehrigen-a-994694.html
siehe etwa: Meinhard Miegel/Stefanie Wahl: Das Ende des Individualismus. Die Kultur des Westens zerstört sich selbst.
Beck, Risikogesellschaft, S. 113
Schindler, Rüpel, S. 82
Gronemeyer, S. 63
Miegel, S. 53f.
zitiert in: Baumann, S. 30
Gigerenzer, S. 110f.
a.a.O., S. 112
siehe: Rüpel-Republik, S. 73ff.
Strasser, S. 98
siehe: Rüpel-Republik, S. 148ff.
Heitmeyer, S. 34
Pickett, S. 52
Frankfurter Rundschau, 16./17.1.2016, S. 13
Hüther, S. 52f.
Bauman, S. 138
Furedi, S. 60
Bauman, S. 137
Zick, Wut, S. 54
Beck, Weltrisiko, S. 93
http://www.deutschlandradiokultur.de/philosophiemagazin-sind-verschwoerungstheorien-vernuenftig.2162.de.html?dram:article_id=334941
http://www.sueddeutsche.de/politik/verschwoerungstheorien-dunkle-maechte-1.2802981
http://www.rp-online.de/panorama/ausland/verschwoerungstheorien-kaum-zu-glauben-aid-1.5004155
https://www.uni-tuebingen.de/en/news/press-releases/newsfullview-pressemitteilungen/article/neues-forschungsnetzwerk-geht-verschwoerungstheorien-auf-den-grund.html
https://thepsychologist.bps.org.uk/volume-23/edition-7/truth-out-there
a.a.O.
http://blog.neon.de/2015/03/die-andere-wahrheit/
Süddeutsche Zeitung, 21./22.3.2015, S. 26
Renn, S. 220
ebd., S. 245
ebd., S. 318
https://www.otto-brenner-stiftung.de/presse/pressearchiv/ pressedetail//1//querfront-obs-analysiert-publizistisch-politisch-aktives-netzwerk.html
Gigerenzer, S. 304
Gardner, S. 138
Renn, S. 33
Süddeutsche Zeitung, 4.12.2015, S. 17
Die Zeit, 8.5.2013, S. 15
siehe: Schindler, Überfluss, S. 190
Krämer, S. 93f.
Furedi, Culture, S. XII
siehe: Schindler, Überfluss, S. 81ff.
Süddeutsche Zeitung, 21./22.3.2015, S. 26
http://venturevillage.eu/how-to-be-german-part-1
http://www.zeit.de/2011/37/GS-Deutsche-Versicherung
http://www.focus.de/finanzen/news/titel-sind-sie-wirklich-sicher_id_3870363.html
http://www.wiwo.de/finanzen/vorsorge/ueberversicherte-deutsche-so-vermeiden-sie-unnoetige-versicherungen/10981166.html
http://www.it-finanzmagazin.de/zwischen-self-tracking-und-pay-as-you-live-die-herausforderungen-neuer-digitaler-geschaefts modelle-20726/
https://www.generali-deutschland.de/de/presse-und-medien/ standpunkte/vitality-1150478
Süddeutsche Zeitung, 5./6.7.2014, S. 28
http://www.nytimes.com/2012/02/19/magazine/shopping-habits.html?pagewanted=1&_r=2&hp
Süddeutsche Zeitung, 23.10.2015, S. 13
siehe: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.3.2015, S. 15
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.6.2015, S. 10
Schaar, S. 14
Hofstetter, S. 9f.
www.mobileterritoriallab.eu
Süddeutsche Zeitung, 25.1.2016, S. 10
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-132040367.html
ebd.
ebd.
a.a.O.
Spiegel, 10/2015, S. 22
Beck, Weltrisikogesellschaft, S. 28
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31.8.2014, S. 35
http://www.zeit.de/2015/26/journalismus-medienkritik-luegenpresse-vertrauen-ukraine-krise/komplettansicht?print«main
http://meedia.de/2015/06/24/politik-berichterstattung-mehrheit-der-deutschen-hat-kaum-vertrauen-in-medien/
http://www.cicero.de/berliner-republik/der-journalist-als-hirte-der-rezipient-als-schaf/53273
http://www.tagesspiegel.de/medien/gespraech-ueber-die-fuenfte-gewalt-nicht-nur-bei-pegida-jeder-findet-eine-plattform-fuer-exklusiven-irrsinn/11229712.html
http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Home
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131147816.html
Furedi, Culture, S. XII
Glassner, a.a.O.
Renn, S. 239
Krämer, S. 48
Renn, S. 240
http://www.security-informatics.de/blog/?p=425
Furedi, S. 53
Gardner, S. 160
ebd., S. 163
siehe: Renn, S. 237f.
Beck, Weltrisiko, S. 135
www.derstandard.at/1389857918776/Wir-zeichnen-ein-falsches-Bild-von-der-Welt
www.derstandard.at/1389857918776/Wir-zeichnen-ein-falsches-Bild-von-der-Welt
https://perspective-daily.de/
www.derstandard.at/1389857918776/Wir-zeichnen-ein-falsches-Bild-von-der-Welt
www.derstandard.at/1389857918776/Wir-zeichnen-ein-falsches-Bild-von-der-Welt
https://perspective-daily.de/
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/zeitungssterben100.html
http://www.zeit.de/2002/51/Schill-Bilanz/komplettansicht
siehe: Gardner, S. 202
http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/politics/vote_2005/ wales/4434193.stm
http://www.nzz.ch/articleEO7SW-1.76651
Hamburger Abendblatt, 4.4.2011
http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/gangsterlaeufer/203562/zahlen-und-fakten?p=all
a.a.O.
a.a.O.
Beck, Weltrisiko, S. 132
Furedi, S. VII
siehe: Gardner, S. 249
Glassner, S. 235
Gardner, S. 263
Süddeutsche Zeitung, 26.10.2015, S. 7
Klein, S. 419
Spiegel 38/2015, S. 88
Glassner, S. 238
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/03/23/AR2007032301613.html
Glassner, S. 239
Beck, Weltrisiko, S. 32
Gardner, S. 271
Beck, Weltrisiko, S. 34f.
https://en.wikiquote.org/wiki/Michelle_Obama
http://www.rand.org/nsrd/terrpanel.html
siehe: Gardner, S. 255f.
http://www.heritage.org/research/reports/2012/04/fifty-terror-plots-foiled-since-9-11-the-homegrown-threat-and-the-long-war-on-terrorism
http://economicsandpeace.org/research/
Beck, Weltrisiko, S. 197
Bommarius, S. 30
Süddeutsche Zeitung, 7./8.5.2016, S. 6
Bommarius, S. 30
Süddeutsche Zeitung, 7./8.5.2016, S. 6
Süddeutsche Zeitung, 10.2.2016, S. 12
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21.2.2016, S. 26
Süddeutsche Zeitung, 24.6.2013
http://www.zeit.de/2004/03/Buffalo/komplettansicht
http://www.theguardian.com/world/2010/mar/11/dave-eggers-zeitoun-hurricane-katrina
Stuttgarter Zeitung, 3.9.2007
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131147808.html
Frankfurter Rundschau, 7.1.2016, S. 9
Bourke, S. 373
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 24.1.2016, S. 9
Süddeutsche Zeitung, 28.1.2016, S. 2
Siedentop, S. 449
Gigerenzer, S. 23
http://www.fr-online.de/die-neue-rechte/-politically-incorrect--im-netz-der-islamfeinde,10834438,10835026.html
http://www.rp-online.de/politik/die-deutsche-angst-vor-dem-islam-aid-1.4191980
Zick, Mitte, S. 67
Bude, S. 139
siehe: Bax, S. 13
www.fes.de/cgi-bin/gbv.cgi?id=07905&ty=pdf
Bauer, S. 190
Süddeutsche Zeitung, 4.2.2016, S. 5
Süddeutsche Zeitung, 17.12.2014, S. 11
http://www.mopo.de/hamburg/brandstiftung-von-escheburg-kim-m---38----ich-dachte--ich-tue-etwas-gutes---1117412
Spiegel 6/2016, S. 22
http://www.nzz.ch/feuilleton/willkommensunkultur-1.18678059
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.5.2016, S. 4
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/s-p-o-n-der-kritiker-a-1071310.html
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/s-p-o-n-der-kritiker-a-1071310.html
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-mehrheit-der-deutschen-fuer-grenzkontrollen-a-1078289.html
Die Zeit, 28.1.2016, S. 19
Spiegel 1/2016, S. 37ff.
http://archive.tehelka.com/story_main13.asp?filename=op071605The_Manipulation.asp
http://www.cicero.de/berliner-republik/afd-ein-manifest-fuer-eine-alternative-fuer-europa/56894
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 10.1.2016, S. 4
Frankfurter Rundschau, 15.3.2015, S. 4
Baumann, S. 141
ebd, S. 176
Canetti, S. 15
Zick, S. 108
Beck, Weltrisiko, S. 197
https://www.jacobs-university.de/news/respekt-verhindert-radikalisierung
Bauman, S. 126
Zick, S. 58
So die Politologin Gesine Schwan, in: Die Zeit, 30.12.2014, S. 44
Frankfurter Rundschau, 5./6.12.2016, S. 11
Riemann, S. 9
Gigerenzer, S. 28
Pickett, S. 60
Für Doro
Der Verstand glaubt stets,
dass wahr sei,
was er fürchtet.
Ovid
Es war im Advent, wenige Wochen nach den Terroranschlägen von Paris. Ich war auf dem Weg zum Büro und musste dafür an den Absperrgittern vor der französischen Botschaft in Berlin vorbei, die von einem Meer aus Blumen und Kerzen gesäumt wurden. Ich hatte das Ende des Blumenteppichs beinahe erreicht, als mir im Augenwinkel eine Frau auffiel, die sich mitten im Gewusel am Brandenburger Tor fast zeitlupenartig auf die Absperrung zu bewegte. Sie hatte die Arme vor dem Körper angewinkelt und die Augen geschlossen. Sie trug eine hellgraue Burka. In dem Moment erschrak ich. Im Bruchteil einer Sekunde lief ein Horrorfilm vor meinem inneren Auge ab, in dem ein Sprengstoffgürtel, eine Explosion und das blanke Chaos die Hauptrollen spielten. Im nächsten Moment erschrak ich wieder. Ich hatte innegehalten und beobachtete die Frau. Sie stand da und betete. Auf einem Platz, der nie stillsteht, war sie der einzige ruhende Pol. Nachdem ich sie einige Sekunden lang verstohlen angeschaut hatte, ging ich weiter. Und schämte mich.
Als ich Freunden später davon erzählte, berichteten alle von ganz ähnlichen Erlebnissen. Einem war im Flugzeug unwohl geworden, nachdem hinter ihm zwei bärtige Männer Platz genommen hatten, die offenbar Arabisch sprachen. Eine erzählte, sie habe jüngst auf dem Heimweg den U-Bahn-Waggon gewechselt, nachdem ein Mann mit einem rollenden Metallgestell zugestiegen war, auf dem sich eine klobige Kiste befand. Der Typ, meinte sie, habe irgendwie seltsam gewirkt. Ein Dritter berichtete, er habe mit seiner jungen Familie gerade erst die Urlaubsreise nach Thailand storniert. Thailand? In irgendeiner Zeitung habe er eine Meldung aufgeschnappt, dass dort ein Anschlag drohen könnte. Und mit seinem kleinen Kind sei ihm das zu unsicher.
Wohin ich auch blickte, von überallher starrte die Angst zurück. Sie prangte auf den Titelseiten aller Zeitungen und Magazine. Sie war zu Gast in fast allen Talkshows der Republik. Und sie waberte durch die sogenannten sozialen Netzwerke, in denen Menschen vieltausendfach unglaubliche Gruselgeschichten miteinander »teilten« und sich eine Art Bürgerkrieg herbeiphantasierten. Auf den Marktplätzen der Republik wurde frenetisch gejubelt, wenn davon die Rede war.
Nach Silvester wurde aus der Angst Panik. In Köln hatte angeblich ein 1000-köpfiger »Sex-Mob«, bestehend aus entfesselten arabischen Männern, gegen deutsche Frauen gewütet. Kurz darauf kursierten im ganzen Land noch mehr Meldungen, die das dumpfe Klischee vom triebgesteuerten, mordlüsternen Fremden zu bestätigen schienen. Eine furchterregender als die andere. Eine so falsch wie die andere. Aber Millionen nahmen sie für bare Münze, wie überhaupt in diesen Monaten Lüge, Gerücht und Wahrheit munter durcheinanderpurzelten. Nach Köln ploppten überall im Land – sogar in Dörfern, wo nur ein paar alte Großmütter Kopftuch tragen – »Bürgerwehren« aus dem Boden. Manche von ihnen bliesen zur Menschenjagd; alle paar Tage brannte eine Asylunterkunft. Behörden kamen nicht mehr nach mit dem Ausstellen kleiner Waffenscheine, Bürger stürmten Apotheken, um sich mit Pfefferspray einzudecken. Mancherorts waren sogar Tierabwehrsprays ausverkauft.
Irgendetwas war spätestens seit dem Sommer 2015 ins Rutschen geraten. Mit den zahllosen Hilfesuchenden aus Syrien, Irak, Eritrea, so schien es, war auch die Verunsicherung massenhaft eingewandert nach Deutschland. Oder war sie schon vorher da und durch den Treck der Elenden nur ausgelöst worden? Schnell war von einer »Flüchtlingskrise« die Rede, und gemeint war nicht etwa der Zustand der vor Fassbomben und fanatischen Halsabschneidern geflohenen Menschen, die nun zusammengepfercht in der Fremde auf eine Art Zukunft warteten. Gemeint war, dass diese Menschen uns bedrohten. Wenn man durchaus seriösen Politikern und Medien Glauben schenken konnte, würde Deutschland nicht mehr lange der steinreiche und strahlende Wirtschaftsmotor Europas sein, mit Verhältnissen, von denen andere nicht mal mehr träumen. Vielmehr sei das Land auf dem besten Weg zu einem failed state. Das ging an den Menschen nicht spurlos vorüber.
Ende 2015 präsentierte die »Stiftung für Zukunftsfragen« die Ergebnisse ihrer jährlichen Umfrage zum persönlichen Empfinden der Bundesbürger. 55 Prozent der Befragten gaben demnach an, »angstvoll in die Zukunft« zu blicken – das waren fast doppelt so viele wie zwei Jahre zuvor.[1] Vor allem die älteren Menschen in Deutschland zeigten sich übermäßig besorgt, aber auch unter den Jüngeren zwischen 14 und 34 Jahren frisst sich die Angst, wie es scheint, zunehmend in den Alltag. Die Forscher attestierten überrascht eine »Rückkehr der German Angst«. Drei Monate später erstarkte dann bei drei Landtagswahlen eine neue Partei, die die bundesdeutsche Gegenwart in düstersten Farben gezeichnet hatte. Viele Bürger mochten das gerne glauben. Sie hatten die Angst gewählt.
Und kann man es den Menschen verdenken? 2015 war ja tatsächlich ein Jahr, das vor lauter Krisen kaum Luft zum Atmen ließ. Terror in Paris, Terror in Syrien und Irak, Ebola in Westafrika, der Absturz einer Germanwings-Maschine, Tausende Ertrunkene im Mittelmeer, ein verheerendes Erdbeben in Nepal, der drohende Staatsbankrott in Griechenland, schwere Turbulenzen bei der Deutschen Bank, Terror in Tunesien, Hunderttausende Fliehende auf dem Weg nach Europa, brennende Asylunterkünfte in ganz Deutschland, »Islamischer Staat«, ein Abgasskandal bei VW, ein gekauftes Fußball-Sommermärchen, Terror in der Türkei, ein Attentat auf die Kölner OB-Kandidatin, noch einmal Terror in Paris, eine Art Staatsputsch in Polen, Terror in Kalifornien. Ein Jahr so voller Heimsuchungen und Schrecken wie die Bilder von Hieronymus Bosch. Und mit einer Terrorwarnung in München und einem Terroranschlag in Istanbul fing 2016 gleich spiegelbildlich an. Der Alarmzustand war ganz allmählich zum Normalzustand geworden.
Zumal sich zu den vielen globalen und bedrohlichen Gefahren in unserem Alltag anscheinend noch unzählige weitere heimtückische und unterschätzte Risiken gesellen. Gift auf dem Acker, Chemie in Lebensmitteln, Feinstaub, Weichmacher, analoge und digitale Viren, Abzocker, Einbrecher, Scharlatane, Kinderschänder. Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Bochum, sammelt seit Ausbruch der BSE-Krise in Europa an seinem Lehrstuhl die »Angst der Woche« – im Lauf der Zeit ist ein bedrohliches Kompendium dabei entstanden: Es reicht von A wie »Airbag als Todesfalle« über »Benzol im Babybrei«, »Brustkrebs durch Flatrate-Trinken«, »Gefahr durch Energiesparlampen«, »Invasion stinkender Käfer«, »Krebserregende Stoffe in Babyschnullern« und »Umweltgift in Babysocken« bis Z wie »Zuckerfreie Limonade«, die der Gesundheit anscheinend ebenfalls schadet.[2]
Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen sich und ihr Umfeld als bedroht wahrnehmen. Nicht nur in Deutschland. »Westliche Gesellschaften werden in zunehmendem Maße von einer Kultur der Angst dominiert.«[3] Die Psychologin Jean Twenge von der San Diego State University hat 269 Studien zum Angstempfinden aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts miteinander verglichen. Ihr Befund: Die Angstkurve zeigt in allen Altersgruppen nach oben.[4] Die Zahl der Menschen, die sich wegen Depressionen und Angststörungen behandeln lassen, steigt daher in westlichen Gesellschaften seit Jahren. Ebenso die Zahl der Apps, mit denen sich Ängstliche – so das Versprechen – selbst auf Knopfdruck kurieren können: Sie tragen Namen wie »Panik Ambulanz«, »Relax Melodies«, »Inner Balance« und »Worry Watch« und werden Monat für Monat tausendfach aus dem Netz heruntergeladen.
Und welche Ängste sind es genau, die die Deutschen in ihren schlaflosen Nächten heimsuchen? Wenig verwunderlich sind es, neben finanziellen Sorgen, vor allem unkontrollierbare Bedrohungen von außen, die den größten Schrecken verbreiten: Kriminalität, Terror und Krieg, Naturkatastrophen und der »Zuzug von Ausländern«.[1]
Aber sind das auch tatsächlich die größten Gefahren, die den Deutschen drohen? Man darf es bezweifeln. Nehmen wir die Kriminalität: Jeder vierte Deutsche hat Umfragen zufolge Angst oder sogar große Angst davor, Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden.[5] Und fast die Hälfte der Bundesbürger ist felsenfest überzeugt davon, dass derartige Verbrechen von Jahr zu Jahr zunehmen. Nur, das Gegenteil ist der Fall. Beispiel Mord: Registrierte die Polizei im Jahr 2000 noch 454 Morde in Deutschland, waren es fünf Jahre später 387, weitere fünf Jahre danach 293 – und 2015 noch 281. Einen deutlichen Rückgang der Fallzahlen gab es auch bei gefährlicher Körperverletzung und Raub. Die Gesamtzahl der Gewaltverbrechen nahm von 218000 (2007) auf 181000 (2014) ab. Aber fragt man die Menschen in Deutschland, sagen sie: Das kann nicht sein. Wir lesen es doch dauernd. Wir sehen es im Fernsehen. Unsere Freunde posten es auf Facebook. Von 2014 bis 2015 sprang die Angst vor Kriminalität in einem gewaltigen Satz von 60 auf 82 Prozent, was nicht einmal ansatzweise mit einer realen Zunahme von Delikten zu erklären ist.[6]
Die gefühlte und die tatsächliche Bedrohungslage klaffen also weit auseinander, was, wie wir noch sehen werden, auch für die vermeintlich schrecklichste Heimsuchung der 21. Jahrhunderts gilt: den Terrorismus. Ja mehr noch, es gilt für den größten Teil der vermeintlichen Risiken, denen wir uns Tag für Tag schutzlos ausgeliefert fühlen.
Wie man es auch dreht und wendet: Wir leben in so sicheren Verhältnissen wie selten zuvor. Elend und Krieg kennen die meisten Deutschen, ja die meisten Europäer, nur noch aus Erzählungen. Zwar ist der Reichtum in unserem Land grotesk ungleich verteilt, aber in bitterster Armut leben die wenigsten, kaum jemand leidet Hunger. Unser Essen ist, allen Lebensmittelskandalen zum Trotz, so gesund wie selten zuvor. Schon lange hat keine infektiöse Krankheit – nicht einmal Aids – ähnlich verheerend in unseren Gesellschaften gewütet wie Erreger in früheren Zeiten. Die Pest zum Beispiel tötete allein in den vier Jahren zwischen 1346 und 1350 ganze Landstriche Nordeuropas. Der Grippeepidemie im Winter 1918/19 fielen weltweit mindestens 25 Millionen Menschen zum Opfer – mehr, als im gesamten Ersten Weltkrieg starben.
Bisweilen kann auch ein Blick über den Tellerrand nicht schaden. Allen vollmundigen »Millenniumszielen« der Weltgemeinschaft zum Trotz gibt es noch heute etliche Länder, in denen nahezu jedes zehnte Kind niemals zur Schule gehen wird, weil es vorher stirbt. Nach Angaben des Welternährungsprogramms haben aktuell fast 800 Millionen Menschen zu wenig zu essen – das sind zehnmal mehr als in Deutschland leben. Bis 2050, so schätzt die Organisation, werden wegen des Klimawandels weitere 24 Millionen Kinder in Armut leben, die Hälfte davon in Afrika.[7]
Verglichen damit »ist die aktuelle Empfindsamkeit gegen alles und jedes, die wir derzeit in Deutschland und anderen Industrienationen zelebrieren, ein reiner Luxus, den wir uns nur deshalb leisten können, weil wir uns um sauberes Trinkwasser, ein Dach über dem Kopf, eine im Winter geheizte Wohnung und eine Möglichkeit zum ungefährlichen Kochen unseres Essens nicht mehr sorgen müssen (…)«.[8]
Aber viele von uns wollen nicht wahrhaben, dass die Bedrohungen unseres Lebens seit Jahrzehnten kontinuierlich abnehmen, schon gar nicht, wenn sie selbst einen nahen Menschen an eine furchtbare Krankheit verloren oder darüber gelesen haben, wenn es in ihrem Umfeld einen Raub gab, einen Mord oder gar einen Terroranschlag. Und wimmelt es nicht in unseren Nachrichten vor aberwitzigen Todesfällen, marodierenden Mordgesellen, unwahrscheinlichen Unfällen, Katastrophen? Muss man sich nicht wappnen? Jederzeit und überall? Es scheint so. Aber es scheint eben nur so. Und das vor allem deshalb, weil wir durch die neuen Medien, die uns inzwischen bis aufs stille Örtchen verfolgen, jede Katastrophe hautnah erleben. Das schreckt uns derart, dass manche von uns sich mittlerweile wirklich ducken, wenn in China ein Sack Reis umfällt.
In der Bilderflut, die solchermaßen auf uns niederprasselt, kann man dann schnell den Überblick verlieren. Bebt in Japan die Erde und zerstört ein Atomkraftwerk, kaufen wir, 9000 Kilometer entfernt, in rauen Mengen Jodtabletten, setzen uns aber tags darauf bedenkenlos vor ein Röntgengerät oder ins Flugzeug. Stürzt ein Flugzeug ab, fahren wir anschließend sicherheitshalber Auto. Nicht ahnend oder nicht wissen wollend, dass wir uns damit einem unendlich viel größeren Risiko aussetzen. So geschehen auch nach den bis heute unfassbaren – und einzigartigen – Terroranschlägen in New York und Washington am 11. September 2001, bei denen etwa 3000 Menschen ermordet wurden. Anschließend mieden unzählige Amerikaner über viele Monate Flugzeuge und begaben sich stattdessen in den Straßenverkehr. Die Folgen hat der Psychologe Gerd Gigerenzer in seinem Buch »Risiko« eindrucksvoll beschrieben: In den zwölf Monaten nach 9/11 stieg die Zahl tödlicher Verkehrsunfälle in den Vereinigten Staaten rapide an – rund 1600 Amerikaner bezahlten ihre Entscheidung, aus Sicherheitsgründen aufs Auto umzusteigen, mit dem Leben.[9] Als 14 Jahre später ein Pilot mutwillig ein deutsches Passagierflugzeug über den französischen Alpen zum Absturz brachte, reagierten in Deutschland etliche Menschen ähnlich. Erzählte man ihnen, dass 2015 eines der sichersten Jahre in der Geschichte der Luftfahrt war, würden viele es nicht glauben.[10] »Lügenpresse« würden manche murmeln.
Die meisten von uns können offenbar nicht zwischen tatsächlichen, minimalen und aufgebauschten Risiken unterscheiden. Gigerenzer nennt das Risikoinkompetenz: »Wir fürchten den seltenen Kernkraftwerksunfall, nicht die stetige Sterberate, die die Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke bewirkt. Wir fürchten die Schweinegrippepandemie, nachdem mehrere zehntausend mögliche Todesfälle angekündigt wurden – zu denen es nie kam –, während nur wenige Angst davor haben, zu den Zehntausenden zu gehören, die jedes Jahr tatsächlich der normalen Grippe zum Opfer fallen.«[11]
Rund zwei Drittel von uns haben, womöglich berechtigte, Angst vor gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Aber nur wenige sorgen sich um ihre zu fette, zu süße, zu unausgewogene Ernährung, die erwiesenermaßen der Hauptauslöser vieler sogenannter Zivilisationskrankheiten ist. Um die Legalisierung von Drogen führen wir hysterische Debatten, machen dabei aber einen weiten Bogen um Alkohol, eine Droge, die mit Sicherheit mehr Menschen getötet hat als alle illegalen Drogen zusammengenommen. Und die Angst vor Terrorismus ist allgegenwärtig, obwohl die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland Opfer eines Terroranschlags zu werden, selbst in den vom Terrorismus dominierten 15 Jahren seit 9/11 stets geringer war als die, von einem Blitz getroffen zu werden. So merkwürdig es auch klingen mag: Selbst wenn sich ein Blutbad wie jenes von Paris vom 13. November 2015 mit 130 Toten Monat für Monat in Deutschland wiederholte, würden dabei weniger Menschen sterben als die durchschnittlich 3300, die jährlich Opfer des Passivrauchens werden.
Aber Statistik ist das eine, das Bedrohungsgefühl etwas ganz anderes. Und so leben wir alle in einer paradoxen Wirklichkeit: »Wir sind die gesündesten, reichsten und am längsten lebenden Menschen der Geschichte. Und wir werden immer ängstlicher.«[12] Deshalb unternehmen wir zum Teil aberwitzige Anstrengungen, um jedes erdenkliche Risiko für uns und unsere Kinder zu minimieren oder besser noch zu eliminieren. Eine mögliche Gefahr auszuhalten, und sei sie noch so winzig, ist keine Option mehr. Sie muss angegangen, bekämpft, ausgelöscht werden. Wir sind eine Null-Risiko-Gesellschaft geworden, die sich auch gegen die unwahrscheinlichsten Ereignisse mit allen erdenklichen Mitteln absichern will – und die offenbar bereit ist, dafür einen hohen Preis zu zahlen.
Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen – fraglos eine monströse, furchterregende Tat eines psychisch Kranken – kreiste die Diskussion über Monate allein um die Frage, wie eine Wiederholung der Katastrophe ein für alle Mal auszuschließen sei. Hanebüchene Vorschläge machten die Runde, Krankenakten zu öffnen, die ärztliche Schweigepflicht zu durchlöchern, Depressive von Schalthebeln in Flugzeugen zu entfernen, am besten auch gleich in Bussen, Bahnen, Atomkraftwerken. Besonnenere Stimmen wiesen indes darauf hin, dass die Panzertür, die das Germanwings-Cockpit zur uneinnehmbaren Festung gemacht hatte, ohne das 9/11-Trauma nicht existiert hätte und dass der noch immer hochgradig unwahrscheinliche Fall eines mutwilligen Absturzes niemals zu verhindern sein werde – es sei denn, man verböte das Fliegen. Aber kaum jemand hörte hin. Zu groß war der Schock, um schlicht nichts zu tun und einfach zu trauern.
Unsere Sicherheit ist uns heilig. Weshalb wir alles dransetzen, Un-Wörter aus unserem Alltag zu entfernen: Unsicherheit, Unglück, ungewiss, unvorhersehbar. Selbst den Unfall nehmen wir nicht mehr einfach so hin. Das British Medical Journal etwa kündigte bereits vor einigen Jahren an, den Begriff nicht mehr benutzen zu wollen, schließlich seien die meisten Tragödien vorhersagbar und damit vermeidbar. »Die Verletzungen, die bei einem Hurrikan durch herumfliegende Gegenstände verursacht werden, sind demnach kein Unfall, sondern Folge des Fehlers, nicht rechtzeitig Vorsichtsmaßnahmen getroffen zu haben.«[13] So kann man es natürlich auch sehen.
Wie sind wir eigentlich so geworden? Kann es sein, dass zu viel Sicherheit Angst macht? »Erstaunlicherweise wächst das Sicherheitsbedürfnis mit wachsendem Wohlstand«, sagt der CDU-Politiker Norbert Blüm, der uns einst, lange ist’s her, sichere Renten versprach.[14] Aber wieso erstaunlich? Wer viel hat, hat viel zu verlieren. Deshalb ist die Angst auch ein treuer Begleiter derer, die einen gewissen Wohlstand zu verteidigen haben. Wie Bergsteiger, die bei strahlendem Sonnenschein losgezogen sind, hängen sie plötzlich ermattet am Hang, versuchen, ihr einmal erreichtes Niveau mit immer mehr Sicherungshaken zu festigen, und verfolgen zunehmend nervös die Wettervorhersagen, die eher wolkig sind als heiter. Es geht eben nicht mehr automatisch bergauf.
Und dann gibt es diejenigen, die unten zurückgelassen wurden und nun selbst sehen müssen, wo sie bleiben. Menschen, ihre Zahl wächst, die Sicherheit so ganz anders definieren als die dafür zuständigen Behörden: Für sie ist es in erster Linie die Sicherheit, nächsten Monat noch die Miete zahlen, ihre Familie ernähren, ein würdiges Leben führen zu können. Die kommt langsam, aber sicher abhanden. Sie hören vom stetigen Wachstum und erleben persönlich doch nur, dass alles schrumpft, nicht zuletzt die Zuversicht. Und gehen am Ende großen Vereinfachern und Verführern wie Pegida oder der selbsternannten »Alternative für Deutschland« auf den Leim, die sich von den Ängsten der Menschen nähren und sie deshalb immer weiter schüren.
Wobei die deutschtümelnden Populisten längst nicht die Einzigen sind, die hohes Interesse daran haben, uns bange zu machen. Angst ist Big Business. Sie verkauft sich glänzend. Das gilt für den Horrorfilm wie für die Horrorschlagzeile. Und wenn es um unsere Kinder geht, dann gilt es eigentlich immer. Angst lässt uns, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, auch Pillen schlucken, die wir sonst niemals anrühren würden. Sie ist ein wunderbares Ruhigstellungs- und Manipulationsinstrument. Nehmen wir allein das Thema Überwachung und erinnern uns an das Jahr 1987: Damals drohte beinahe ein Volksaufstand, als in der Volkszählung ein paar lächerliche Daten über uns erhoben werden sollten. Heute begegnen wir den Überwachungsorgien privater Konzerne und staatlicher Dienste mit fröhlichem Gleichmut – solange sie unserer Sicherheit dienen. Und die ist, da kann man sicher sein, fast immer bedroht. Wir sind von Angstmachern umgeben. Was sie tun und was sie bezwecken, das ist eine der Fragen, denen sich dieses Buch widmet. Welche Rolle spielen die Medien, die in Zeiten ihrer eigenen Krise immer rigider dem Motto »If it bleeds it leads« folgen und uns deshalb pausenlos mit Katastrophen- und Schreckensbildern aus aller Welt bombardieren? Welchen Anteil an unserem Bedrohungsempfinden hat die Wirtschaft, die mit Sicherheits- und Überwachungstechnik von Geschäftsjahr zu Geschäftsjahr so überaus erfreuliche Wachstumsraten erzielt? Welchen die Sicherheitsbehörden, die, wenn es um die Ausweitung ihrer Befugnisse geht, regelmäßig zu Verunsicherungsbehörden mutieren? Welchen die Politik, die vermeintliche und tatsächliche Gefahren so virtuos in Wählerstimmen umzumünzen versteht? Wer spielt sonst noch sein Spiel mit unserer Angst? Und weshalb ist es so dringend nötig, dass wir aufgebauschte Risiken und wirkliche Gefahren besser voneinander zu unterscheiden lernen?
»Angst zeigt uns, was mit uns los ist.«[15] Sie ist ein ziemlich zuverlässiger Seismograph für tektonische Verschiebungen in Gesellschaften. Angst gab es immer, sie hat das Überleben unserer Spezies gesichert. Manchmal hat sie uns vor Schlimmerem bewahrt, manchmal Schlimmeres vorweggenommen.
Vermutlich lohnt auch deshalb ein Blick auf unsere heutigen Ängste. Vielleicht hilft uns das zu verstehen, warum wir uns so unheimlich geworden sind.