Luise Rinser
Gratwanderung
Briefe der Freundschaft an Karl Rahner 1962–1984
FISCHER Digital
Herausgegeben von Bogdan Snela
Luise Rinser, 1911 in Pitzling in Oberbayern geboren, war eine der meistgelesenen und bedeutendsten deutschen Autorinnen nicht nur der Nachkriegszeit. Ihr erstes Buch, ›Die gläsernen Ringe‹, erschien 1941 bei S. Fischer. 1946 folgte ›Gefängnistagebuch‹, 1948 die Erzählung ›Jan Lobel aus Warschau‹. Danach die beiden Nina-Romane ›Mitte des Lebens‹ und ›Abenteuer der Tugend‹. Waches und aktives Interesse an menschlichen Schicksalen wie an politischen Ereignissen prägen vor allem ihre Tagebuchaufzeichnungen. 1981 erschien der erste Band der Autobiographie, ›Den Wolf umarmen‹. Spätere Romane: ›Der schwarze Esel‹ (1974), ›Mirjam‹ (1983), ›Silberschuld‹ (1987) und ›Abaelards Liebe‹ (1991). Der zweite Band der Autobiographie, ›Saturn auf der Sonne‹, erschien 1994. Luise Rinser erhielt zahlreiche Preise. Sie ist 2002 in München gestorben.
Luise Rinser und Karl Rahner haben 22 Jahre lang Briefe ausgetauscht, die ein Zeugnis ihrer innigen Freundschaft sind, ihres intensiven Gedankenaustausches und ihrer Treue zum einmal gewählten Lebensweg.
Ein intimes Tagebuch in Briefen.
Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.
Erschienen bei FISCHER Digital
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
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Impressum der Reprint Vorlage
ISBN dieser E-Book-Ausgabe: 978-3-10-561212-5
Der im Archiv von Luise Rinser aufbewahrte Briefwechsel mit Karl Rahner umfaßt insgesamt 2203 Briefe bzw. Postkarten sowie einige Telegramme im Umfang von über 4000 Seiten. Sie sind zur Hälfte hand- und zur Hälfte maschinenschriftlich (Rahner) geschrieben.
Die Spuren dieser Gespräche sind in den Rinser-Briefen vom 28. Juli 1962 und vom 13. November 1964 (nach einem Telefonat mit Rahner) zu finden. Rahner selbst hat zunächst laut seinem Brief vom 13.11.64 konkret ein Buchprojekt anhand seiner »theologischen Briefe«, bzw. »theologischen Fragmente« innerhalb des Briefwechsels in der Herder-Bücherei geplant, aber dann wegen der Schwierigkeit mit der Trennung des »persönlichen Kontextes« vom »theologischen Gehalt« diesen konkreten Plan vorläufig aufgegeben. Wegen dieser Verflechtung hat er auch noch einmal später während einer gesundheitlichen Krise in den Jahren 1970 und 1971 um Absehen von der Veröffentlichung seiner Briefe gebeten. Er äußerte seine Sorge, daß die Veröffentlichung seiner Briefe andere mit ihm verbundene Personen irritieren könnte. Rinser hat diese Bedenken entschieden entkräftigt (z.B. in zwei momentan unauffindbaren Briefen vom August 1970 und 14. November 1971, die Rahner in seinen Briefen vom 28. August 1970 und 22. November 1971 inhaltlich wiedergab). Sie hatte Auslassungen in bezug auf diese Personen vorgeschlagen und ihre Meinung geäußert, daß dieser Briefwechsel wesentlich zur Biographie beider gehört. Später war diese Frage in den Briefen nicht mehr debattiert. Im Brief vom 5.12.1981 hat K. Rahner bemerkt, daß er, ähnlich wie früher nach München von Münster, so auch nun beim Umzug von München nach Innsbruck alle Rinser-Briefe mitgenommen und in einem verschlosse nen Kasten aufbewahrt hat. Er hat dabei die Bemerkung gemacht, sie sollten nach seinem Tode ungeöffnet und ungelesen an Luise Rinser zurückgegeben werden. Wenn dies kein direktes Einverständnis mit der Veröffentlichung aller Briefe sein sollte, dann ist damit sicherlich eine Entscheidungsbefugnis Luise Rinser gegeben, da auch alle seine Briefe nach seinem Willen sowieso in ihrer Hand blieben.
Rahner hat insgesamt 1847 Briefe und Postkarten (sowie ein Tagebuch von seiner USA-Reise zwischen 20. März und 5. April 1966) in den Jahren 1962 bis 1984 an Rinser geschickt. Sie sind auf die einzelnen Jahre wie folgt verteilt: 1962 - 110, 1963 - 123, 1964 - 276, 1965 - 249, 1966 - 222 + Tagebuch, 1967 - 252, 1968 - 119, 1969 - 126, 1970 - 142, 1971 - 75, 1972 - 50, 1973 - 26, 1974 - 8, 1975 - 15, 1976 - 11, 1977 - 9, 1978 - 3, 1979 - 3, 1980 - 4, 1981 - 10, 1982 - 3, 1983 - 7 und 1984 - 3.
Seit 1971 wird der gesamte Briefwechsel knapper aber beständig, wobei der telefonische Kontakt intensiver gepflegt wird, wie aus den Rahner-Briefen zu entnehmen ist.
Der unvollständige Rinser-Briefkorpus beträgt insgesamt 366 Briefe, Postkarten und Telegramme. Sie verteilen sich auf einzelne Jahre folgendermaßen: 1962 - 93, 1963 - 56, 1964 - 77, 1965 - 64, 1966 - 64, 1967 (ein Teil zwischen 4. Februar und 13. März) - 11, 1968 (ein Teil zwischen 29. Mai und 2. Juni) - 4, … 1984 (vom 23. u. 24. März) - 2. Die fehlenden Briefe aus den Jahren 1967 bis 1984, auf die Rahner in seinen Briefen öfters eingeht, befinden sich wahrscheinlich im Karl-Rahner-Archiv in Innsbruck oder im Zentral-Archiv der Jesuiten in Rom (laut unbestimmter mündlicher Auskunft der Oberdeutschen Jesuitenprovinz in München).
Das Gespräch fand im Juli 1992 in Rinsers Münchner Wohnung statt.
Aus den hier veröffentlichten Rinser-Briefen sind diese drei Schichten des Briefwechsels, die noch stärker in den Rahner-Briefen verdeutlicht sind, ersichtlich:
– Dies ist die ungewöhnlich intensive und sich gleichzeitig mit der Umwälzung des 2. Vaticanum abspielende Beziehung Priester und Frau, in allen möglichen Facetten von beiden Autoren menschlich, spirituell und theologisch tiefgreifend und offen reflektiert; so z.B. im Rinser-Brief vom 8.4.63, PS.
– Das theologische, spirituelle und »mystische« Zwiegespräch zeigt in diesem geschützten Raum der Freundschaft die persönlichen, tiefsten Hintergründe der schriftstellerischen Tätigkeit beider Briefpartner und ihre gegenseitige Bereicherung und in manchen Fällen konkrete Beeinflus sung, was die Themen und Grundorientierung betrifft, kontroverse Dispute nicht ausgeschlossen; so z.B. im Rinser-Brief vom 28.6.62.
– Stellungnahmen zum Zeitgeschehen – eine Art Chronik der Konzils- und der Nachkonzilszeit, die persönliche Positionen mit dem allgemeinen kirchlich-politisch-kulturellen Umfeld verbindet; so z.B. im Rinser-Brief vom 11.5.1965.
Der Kösel-Verlag bat mit der Beteiligung von Luise Rinser im Gespräch vom 3. November 1992 und erneut am 3. März 1993 schriftlich um Abdruckgenehmigung mit Probetexten des Briefwechsels. Der Provinzial der Oberdeutschen Provinz SJ in München lehnte am 1. Juli 1993 nach internen (im Orden) und externen kirchlichen Konsultationen die Veröffentlichung der Rahner-Briefe ab.
Auch die Verwendung kleiner Zitate aus den Briefen Rahners in diesen »Editorischen Notizen« als Belege zum Verständnis der Aussagen in den Briefen Rinsers wurde im Brief des Provinzials SJ vom 2. Mai 1994 untersagt.
Einen gewissen Eindruck, wie Rahner seine Begegnung mit Rinser als Schriftstellerin öffentlich bekennt und verarbeitet, verleiht sein Essay Von der Größe und dem Elend des christlichen Schriftstellers in: Luise Rinser. Zu ihrem 60. Geburtstag am 30. April 1971, S. 35–46, weiter zitiert: Von der Größe, den Rahner ausdrücklich für das Werkheft des S. Fischer Verlags geschrieben hat (siehe dazu z.B. Briefe Rinsers vom 7.10., 12.10., 22.10., 23.10. und 30.11.66). Abgedruckt wurde dieser Text noch in: Luise Rinser. Materialien zu Leben und Werk. Hrsg. von H.-R.Schwab, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1986, S. 89–102.
Andere Tatsachen-Aussagen aus Briefen Rahners werden im folgenden nur erwähnt, wenn sie aus den Briefen Rinsers oder aus anderen Quellen bekannt sind, z.B. aus Rahners 2bändigem Werk Im Gespräch, Hrsg. von P. Imhof und H. Biallowons, Bd. 1:1964–1977, Kösel-Verlag, München 1982, weiter zitiert: Im Gespräch 1, Bd. 2:1978–1982, weiter zitiert: Im Gespräch 2.
Dies bestätigte derselbe Provinzial im Brief vom 24. Juli 1993.
Vgl. M. Viller–K. Rahner, Aszese und Mystik in der Väterzeit, Freiburg i.Br. 1939.
Im Brief vom 20.2.62 begründet Rahner den Vorteil einer persönlichen Aussprache damit, daß schriftliche Antworten zu langen Abhandlungen werden, während mündlich sich vieles leichter besprechen läßt.
Vgl. dazu die neueste Anthologie: Luise Rinser, Fließendes Licht. Ein Lesebuch, Hrsg. v.B. Snela und U. Zydek, Kösel München 21993.
Der erste Brief von Luise Rinser, den Karl Rahner im Brief vom 20.2.62 beantwortet und in dem er sie nach Innsbruck einlädt, fehlt.
Es handelt sich um den Aufsatz Felix Tristitia. Ein Versuch, in: Erbe und Auftrag 37 (1961) 9–21; danach als Buch erschienen unter dem Titel: Vom Sinn der Traurigkeit (Felix Tristitia), Zürich 1962.
Rahner schreibt dazwischen 2 Briefe: vom 8.3.62, in dem er sich zu Rinsers Roman Nina. Mitte des Lebens – Abenteuer der Tugend, Frankfurt/M 1961, sehr lobend äußert (Bestseller!); sowie vom 11.3.62, in dem er sich für die Übersendung von Der Schwerpunkt, Frankfurt/M 1960, bedankt und die Felix Tristitia lobt.
Dieser erste tiefe Eindruck zieht sich auch durch in Von der Größe, S. 40f.: Es ist Sache des Theologen, nicht des Dichters, das »scheinbar« bloß »Humane«, das in Freiheit und tapferer Verantwortung getan wird, als christlich zu erkennen. Der Dichter sagt es als Humanes und hat nicht mehr zu tun. Er beläßt es in seiner anonymen Christlichkeit (wie etwa in den Nina-Romanen oder in den »Gläsernen Ringen«). Der Christ, dem es vorgestellt wird, weiß, daß auch dies Gnade ist, und der Nichtchrist soll es als Humanes annehmen; es ist dann auch ungesagt mehr. Denn es ist ein Teil jener Menschheit und Menschlichkeit, die Gott sich selbst in seinem WORT zu eigen gemacht und als ewig gültig erklärt hat. Aber schon dieses Humane, das der Anfang (und das Ende) des explizit Christlichen ist, ist schwer so aussagbar und gestaltbar, daß es jeden überzeugt. Auch der Dichter schafft nicht den ersten Anfang des Humanen, der schlechthin und für alle unbezweifelbar ist. Das ist schon darum unmöglich, weil es unzählig viele solcher Anfänge gibt, jeder Mensch seinen eigenen hat, sein Selbstverständliches, das immer als gegeben hinter ihm liegt und anderen vielleicht als höchst fragwürdig und bedenklich vorkommt.
Zur Theologie des Konzils, in: Schriften zur Theologie, Zürich 1954ff. (weiter zitiert: Schriften) V, 278–302; vgl. in: Stimmen der Zeit 169 (1962) 321–339.
Es handelt sich um Felix Tristitia a.a.O.
Dieses Gedicht Die Stimme wurde 1935 geschrieben und in: Neue Rundschau, im Januar 1939 veröffentlicht.
Der von Rinser angesagte Besuch im Mai wird auch im Brief Rahners vom 13.3.62 angesprochen, ebenso wie Rinsers Befürchtung, daß es eine Anordnung Roms gibt, theologische Bücher in Latein zu verfassen. Rinser schreibt einen kurzen, hier nicht abgedruckten Brief vom 14.3.62.
Rahner antwortet im Brief vom 24.3.62 auf Rinsers Nachtbrief und nennt sie zum ersten Mal Wuschel – ein Kosename, mit dem Rahner Luise Rinser bis zu seinem Tod anspricht. Den Aufsatz Über das Latein als Kirchensprache, in: Schriften V, 411- 467, früher in: ZkTh 84 (1962) 257–299, hat er eindeutig aufgrund der Anfrage von Rinser geschrieben.
Paul Overhage/Karl Rahner, Zum Problem der Hominisation (Questiones disputatae 12/13), Freiburg i.Br. 1961.
In: Schriften V, 222–245.
Aus Freiburg berichtet Rahner im Brief vom 4.4.62 u.a. über seine Arbeit am Lexikon zur Theologie und Kirche (weiter zitiert: LThK) und von der Einladung der Kardinäle Döpfner und König sowie vom Bischof Volk, zum Konzil als Berater zu gehen. Er bedankt sich für die Zuschickung von Rinsers neuem Roman Die vollkommene Freude Frankfurt/M 1962.
Inzwischen schreibt Rahner 3 Briefe nach Israel: Vom 17.4.62 u.a. mit der Nachricht, daß er offiziell als Berater von Kardinal König aus Wien nach Rom geht, vom 19.4.62 mit der Information, daß er die Vollkommene Freude als eine Art Brief an ihn zu lesen anfängt, und vom 20.4.1962 mit den Karfreitagsgedanken – ähnlich wie Rinser im Brief vom gleichen Tag – und der Erinnerung, daß er vor 40 Jahren am 20.4.1922 in Feldkirch ins Jesuiten-Noviziat eingetreten ist.
Zur Vollkommenen Freude, die Rahner mehrmals gelesen hat, äußert er sich inhaltsvoll in Von der Größe, S. 40: Wer die Marie-Catherine in der »Vollkommenen Freude« nicht ganz überzeugend für die Gestalt einer »Heiligenlegende« hält, der muß genau zusehen: es ist ihr ja gar nicht gelungen, Clemens von ihrer echten Liebe – anstatt Mitleid – zu überzeugen und so zu erlösen. Sie scheitert vielmehr an ihren Aufgaben. Sie findet die »vollkommene Freude« in der stummen Annahme des Geschicks, das auch sie überfordert hat. Es ist immer nur Christentum im Fragment, im Ansatz, im Aufbruch zum ungekannten gelobten Land der Freiheit und des Friedens da. Christen, die theologisch »exemplarisch« sind, kommen, Gott sei Dank, nicht vor. Und so sind sie – exemplarisch.
Einen Tag darauf, am 26.4.62, berichtet Rahner vom Konzils-Gutachten, das er für Kardinal König schreiben muß.
Am 27.4.62 bestätigt Rahner die Ankunft des Briefes von Rinser aus Israel und den Erhalt von den Gläsernen Ringen, Berlin 1941; Frankfurt/M (Fischer-Bücherei 393) 1961.
Kleines Kirchenjahr, München 1954.
Nach der Lektüre der Vollkommenen Freude schreibt Rahner im Brief vom 11.5.62 das, was Rinser in ihrem Brief vom selben Tag anspricht, nämlich: daß er wegen dieses Buches geweint hat. Die Spuren dieser Erschütterung findet man noch in Von der Größe, S. 39f.: Nun kann es auch für den, der sich so in den Abgrund fallen läßt, ohne die in eigener Vollmacht manipulierbare »Aufklärung« der Daseinsunheimlichkeit zu besitzen, gewiß die gelöste Heiterkeit dessen geben, der überwunden hat, die »vollkommene Freude«, die »Harmonie«. Das kann es geben, wenn es die Gnade gibt, die sich zwar so nicht geben muß, aber kann, freilich aber auch noch hinabsteigen kann in die finstere Unterwelt der ausweglos sich erfahrenden Verzweiflung. Aber diese gelöste Heiterkeit des Hoffenden wider alle Hoffnung ist etwas ganz anderes als das Pseudochristentum jener Literatur, die so tut, als sei der Christ der, der mit allen zu Rand gekommen, fertig geworden sei, der alles wisse und durchschaue, während er in Wahrheit der ist, der das kommende Undurchschaute in Hoffnung festhält und immer aufs neue die Illusion zerstört, die den Tod im Leben verstecken will (dabei aber die Desillusioniertheit nicht nochmals zum Götzen macht und darum sogar auch ein Stück des Schleiers für eine Zeitlang liegen zu lassen bereit ist, der das Schreckliche gnädig bedeckt).
Über das Buch Vollkommene Freude haben Rahner und Rinser sicherlich auch telefonisch gesprochen; vgl. dazu Anmerkung 16.
In Erwiderung auf Rinsers Aussagen zum Verhältnis: Schmerz und Liebe schreibt Rahner im Brief vom 13.5.62 z.T. ähnlich, wie er sich zu ihrer Lebenserfahrung in Von der Größe, S. 36, äußert: Was ist ihr [Luise Rinser] sonst fremd geblieben, von dem allem, was zum Leben des Menschen gehört, an Hunger und Krankheit, an tragischer Liebe, Einsamkeit, Ferne von kirchlich gefaßtem Christentum, an Nähe zu großen Geistern der Menschheit und zu den vielen »Allzuvielen« (die sie jedoch nie so empfindet) und an all dem, was darin und darüber hinaus den Menschen trifft? Freilich, all das ist (wie die Werke bezeugen) immer gelebt und erlitten worden auf einem »Niveau«, mit Unterscheidungen, es war nie einfach verschlungen im Chaos des gleich gültigen Gleichgültigen, das einfach durch den Menschengestaltlos hindurchfließt, in allem gleich gewichtig und gewichtlos zumal, registriert, aber nicht gemessen und gewogen; es wurde immer schon entgegengenommen mit einem geheimen Anspruch der Hoffnung, die auch die Verzweiflung und die Ratlosigkeit mißt, als solche erfährt und darum weiß, daß sie nur das Vorläufige sind.
Am 14.5.62 um 6 Uhr morgens, schreibt Rahner einen Brief mit den Anspielungen auf Rinsers Buch Geh fort, wenn du kannst, Frankfurt/M 1959 – seine aktuelle Lektüre.
Darauf folgt ein Brief vom 16.5.62.
Im Brief vom 20.5.62 werden die Berge von Konzilsmaterial für ein neues Gutachten für Kardinal König, einen Tag darauf, am 21.5.62 um 21 Uhr – im Einklang mit Äußerungen Rinsers aus den letzten Briefen – u.a. die Verankerung der zwischenmenschlichen Beziehung in der abgründigen Tiefe Gottes von Rahner angesprochen.
Rahner schreibt einen Brief am 26.5.62.
Meßopfer und Aszese: Eucharistie und Frömmigkeit (Pastoral-Katechetische Hefte 14), Leipzig 1962, 61–77.
Am 7.6.62 schreibt Rahner einen wichtigen Brief zur Begegnung mit Rinser, in dem er seine Treue der Zölibatsverpflichtung gegenüber betont.
Im Brief vom 8.6.62 berichtet Rahner über die von anderswo bekannte Tatsache des Schreibverbots aus Rom, vgl. dazu: Im Gespräch 2, S. 158: Ich mußte ermahnt werden, daß ich meine Vorlesungen in Innsbruck in Lateinisch halten soll; ich habe einmal Redeverbot erteilt bekommen, das mir (wahrscheinlich) der spätere Kardinal Bea eingebrockt hat; ich bekam dann kurz vor dem Konzil vom Heiligen Offizium die Verfügung, ich dürfe nur noch etwas Theologisches schreiben, wenn es durch eine römische Vorzensur gegangen ist. Daraufhin habe ich erklärt, daß ich dann eben nichts mehr schreibe. Aus dieser ganzen Sache ist deswegen nichts geworden, weil dann das Konzil kam, und ich während des Konzils mit Kardinal Ottaviani, dem Chef des Heiligen Offiziums, ganz gut ausgekommen bin. Und wie das dann in Rom so geht, werden diese Sachen nicht feierlich zurückgenommen, sondern nicht mehr beachtet. Und so habe ich tatsächlich immer geschrieben und nie an einer römischen Vorzensur zu leiden gehabt.
Dieses Thema wird viel Platz in der weiteren Korrespondenz von Rinser und Rahner einnehmen.
Im Brief vom 9.6.62 antwortet Rahner auf Rinsers Brief vom 7.6.62, in dem er auf das Heilig-Sein zu Lebzeiten in etwa ähnlich antwortet wie in Von der Größe, S. 39: Ein verläßliches Kriterium dafür, ob eine Gestalt in christlicher Dichtung echte Wirklichkeit oder »allegorische« Einkleidung abstrakter christlicher Lehrsätze ist, ist wohl damit gegeben, daß gefragt wird, ob eine Gestalt mehr oder weniger das ganze, vollentfaltete »System« des Christentums (in Anschauung und Leben) repräsentiert oder als anfangender, unfertiger, suchender Christ (bis zum »anonymen«, sich selbst als solchen noch nicht reflex kennenden Christen) dargestellt wird. Der wahre Mensch ist eben meist nur ein Christ im Fragment, im Ansatz, in einer (vielleicht sehr undeutlich bewußten) geheimen Führung. Nur das, das aber eigentlich immer, weil das Geheimnis, das wir Gott und seine überall wirkende Gnade nennen, nirgendwo radikal ausgemerzt werden kann und selbst im Widerspruch zu ihm noch da ist. Eine undichterische, aber im Grunde auch religiös unechte Literatur übersieht oder leugnet, daß der Christ ein homo viator ist, unfertig, mit sich selbst im Widerspruch, das, was das Christentum meint, höchstens in irgendeinem kleinen Ansatz ergreifend.
Darauf folgt noch ein Brief Rahners vom 11.6.62.
Rahner schreibt am 17.6.62 einen langen und am 19.6.62 sowie am 20.6.62 2 kürzere Briefe, in denen u.a. die Frage einer gemeinsamen Erholung in Brixen besprochen wird. Auf einen, hier nicht abgedruckten Rinser-Brief vom 17.6.62 folgen nun 3 Briefe Rahners: vom 18.6., 19.6. und 20.6.62.
Im Brief vom 25.6.62 bezieht sich Rahner auf seinen Besuch bei Rinser in Rom und ihre Äußerungen dazu.
Einen Tag davor, am 27.6.62, an dem Rinser noch einen anderen, hier nicht abgedruckten Brief an Rahner schickt, schreibt auch Rahner 2 Briefe. Im ersten berichtet er über einen kleinen lobenden Aufsatz über die Nina Rinsers und freut sich darüber – ebenso über die Tatsache, daß zwei Bücher Rinsers auf dem 4. und 7. Platz der Spiegel-Bestseller-Liste plaziert worden sind –.
Erschienen zum ersten Mal in Berlin 1941.
Erschienen Frankfurt/M 1962.
Dazwischen schreibt Rahner einen Brief am 28.6.62 und einen am nächsten Tag, dem 29.6.62 – Rinser schreibt einen hier nicht abgedruckten Brief am 30.6.62.
Im Brief vom 2.7.62 antwortet Rahner auf Rinsers Bedenken vom 27.6.62. Es geht dabei um zwei Artikel Weihe des Laien zur Seelsorge in: ZAM 11 (1936) 21–34, und Die ignatianische Mystik der Weltfreudigkeit, in: ZAM 12 (1937) 121–137, beide in: Schriften III, 313–328, 329–348. Ausdrücklich geht es um folgende Sätze aus Schriften III, S. 327: Im Sakrament der Ehe wird diese Liebe aber mächtig auch zur letzten Liebestat in der Liebe Gottes. Der eheliche Liebeswille, in dem im Angesichte der Kirche zwei Getaufte sich einander schenken, ist ein sakramentales, gnadenwirkendes Zeichen, schafft heiligmachende Gnade, göttliche Liebe. Das heißt aber: Wenn zwei Menschen im Jawort des Trautages ihr Sein gegenseitig ineinander hinein verströmen lassen, wird ihr Sein gleichzeitig in noch größere Liebesnähe Gottes hineingezogen. Durch Gottes Gnade wird der Weg zum geliebten Menschen ein Weg zu Gott, die Nähe zum Menschen größere Nähe bei Gott. Der Weg in Gott hinein aber – das war der letzte Sinn des ersten Teiles unserer Erwägungen – ist wiederum der nächste, ja einzige Weg in die letzte Tiefe des geliebten Menschen, dorthin, wo er selbst sein Heil besorgt, wohin man vorgedrungen sein muß, will man sein Letztes liebend mitumsorgen …
Und ebd. S. 335: Er [der Mönch] nimmt die Entsagung des Herrn auf sich,er ist angetan mit seinem Kleid, Tor um Christi willen, der Mensch, dem der Genuß der Welt durch Armut, irdische Liebe durch Jungfräulichkeit, die geheime Seligkeit der Selbstbehauptung durch die Entsagung seines Wollens in fremden Willen hinein untergegangen ist […] Der Mönch flieht aus dem Licht dieser Welt in die Nacht der Sinne und des Geistes, wenn wir dieses mystische Wort so anwenden dürfen, damit ihm komme die Gnade und die Barmherzigkeit des ewigen Gottes.
Gleichzeitig schreibt Rinser 2 hier nicht abgedruckte Briefe am 1.7. und am 2.7.62.
Rahner berichtet im zweiten Brief vom 2.7.62 über das baldige Erscheinen des 5. Bandes der Schriften zur Theologie. Und schreibt im Konzert mit Rinsers Hochstimmung annähernd ähnlich wie in Von der Größe, S. 45f.: Und darum soll es Schriftsteller geben, die das Unsägliche sagen. Auch wenn sie so das Elend durchwandern, das ihre letzte Größe ist. Wenn sie dann sogar dieses Unsagbare sagen ohne Prophetenmantel und -gestik, ohne wild die Abgründe der Hölle des Menschen beschwörend aufzureißen, wenn sie vom Unsagbaren fast heiter sagen, wie ein anderer von den Blumen des Feldes und der Seligkeit der Liebe zweier Menschen, wie von den anderen vertrauten Dingen des Lebens, dann ist solche Rede vielleicht erst recht vielen unverständlich, darum aber noch lange nicht dem unangemessen, von dem sie reden. Im Gegenteil.
Am 10.7.62 schreibt Rahner einen Brief während des Examens mit drei anderen Professoren und der Prüfung der lateinischen Thesen, worauf Rinser in ihrem Brief vom 13.7.62 witzig eingehen wird. Davor schreibt sie noch einen hier nicht abgedruckten Brief vom 10.7.62.
Rahner schenkte Rinser tatsächlich ein kleines goldenes Herz, in dem das Wappen eingraviert war – später wurde dasselbe Wappen auf einem runden Anhänger eingraviert, auf dessen Rückseite zwei Fische dargestellt sind; siehe beides auf der Abbildung, Seite 80: Beide Anhänger sind hier etwa dreifach vergrößert.
Rahner schreibt inzwischen einen Brief am 12.7.62 abends, in dem er sich u.a. zum Thema Brevier-Beten äußert – das Beten gehört in dieser Zeit zu einem der wichtigsten Themen in Rinsers Briefen ähnlich wie in vielen ihrer Werke, worauf Rahner in Von der Größe, S. 42f. eingeht: Aber diese Unmöglichkeit der Fixierung des christlichen Anfangs in einem ganz bestimmten, allen selbstverständlichen Humanen ist auch erst – der Anfang des Elends des christlichen Schriftstellers. Er hat es noch schwerer. Er soll auch vom eigentlich und ausdrücklich Christlichen reden. Oder nicht? Warum nicht? Wer darf es a priori verbieten, wenn der Dichter überzeugt ist, daß solches ist, wenn ihm dieses Christliche das wahrhaft Wirkliche und der abgründige Grund seines Daseins ist? Warum sollte er also nicht über Gott, das Gebet, den Tod in Hoffnung, über Berufung durch Gott, der nicht gehen läßt, über die vollkommene Freude, über den Gehorsam, der freimacht, über Jesus, der der Christus ist, schreiben, wenn er kann, wenn es ihm damit wahrhaft ernst ist? Natürlich reden, wie es dem Dichter geziemt, nicht dozierend, sondern seine Gestalten bildend, aber eben Gestalten, die Christen sind, nicht nur in der Anonymität des redlichen Humanen, sondern in der simplen, unerschrockenen Deutlichkeit dessen, der im Alltag Christ genannt wird.
Am 13.7.62 schreibt Rahner 3 Briefe, einen am Morgen, einen um 12.20 Uhr, in dem er die Ankunft von zwei Romanen Rinsers bestätigt: Daniela, Frankfurt/M 1953 und Der Sündenbock Frankfurt/M 1955; im dritten Brief dieses Tages um 21 Uhr abends geht er erneut auf das auch von Rinser angesprochene Schreibverbot, im Brief vom 14.7.62 auf sein dreißigjähriges Priesterjubiläum am 26.7. ein.
Rahner berichtet am 16.7.62 über die Aktivitäten der ihm befreundeten Persönlichkeiten in der Sache des Schreibverbots – und schickt einen anderen Brief am 17.7.62.
Neben den 3 erwähnten Karten schrieb Rahner Briefe am 23.7., dreimal am 24.7. und je einen Brief an folgenden Tagen: 25.7., 26.7. und 27.7.62, in denen über Aktuelles berichtet wird.
Aus Freiburg werden Briefe am 28.7.62 (2) und aus Innsbruck am 29.7.62 geschickt.
Am gleichen Tag, dem 30.7.62, schreibt Rahner einen Brief aus Innsbruck, in dem er Aktuelles erzählt.
Unter dem Eindruck der gemeinsamen Zeit in Brixen schreibt Rahner je einen Brief am 11.8. und am 12.8.62. Am 25.8.62 schreibt Rinser 2 hier nicht abgedruckte Karten an Rahner im Zug von Hannover nach München, nach dem Katholikentag. Im Brief vom 2.9.62 geht Rahner auf Rinsers Leiden wegen M.A. ein. Aus Bad Horn schreibt Rinser eine kurze Karte an Rahner – am selben Tag um 22.45 Uhr schreibt Rahner einen Brief und am 6.9.62, 21 Uhr einen anderen Brief aus Innsbruck. Es folgen noch Briefe von Rinser an Rahner aus Zürich vom 7.9.62 (hier nicht abgedruckt), von Rahner an Rinser am selben Tag und am nächsten Tag, 8.9.62 aus Innsbruck, ein Brief von Rinser an Rahner vom 9.9.62 (hier nicht abgedruckt) und ein Brief Rahners an Rinser vom 9.9.62 um 15.45 Uhr – aus Mainz, wo er beim Bischof Volk zu Gast ist. – Von dort aus folgen 2 Rahner-Briefe vom 10.9. und 11.9.62. Wieder in Rom schreibt Rinser am 11.9.62 einen hier nicht abgedruckten Brief an Rahner.
Am 13.9.62 schreibt Rahner 2 Briefe: Einen um 10.35 Uhr und einen um 18.30 Uhr – im zweiten Brief klagt Rahner u.a. über die Unzulänglichkeit der Sprache, die es unmöglich macht, die in die Tiefe der zwischenmenschlichen Beziehung gehenden Fragen adäquat zu beantworten, ähnlich etwa wie in Von der Größe, S. 43f.: Und wovon denn sollen die Dichter reden, wenn nicht von diesem Unsagbaren? Von dem, wovon man reden kann, reden andere besser und deutlicher. Dafür braucht es keine Dichter. Seitdem aber der Abgrund Gottes und der Abgrund unseres Todes in dem Gekreuzigten einer und der Abgrund unserer Hoffnung geworden ist, müssen die Christen von dem reden, worüber man nicht reden kann. Denn diese Rede ist die eigentliche Rede und der Ursprung aller Sprache, die mehr ist als die Signale findiger Tiere, die sich selbst verborgen bleiben, die Sprache, die das Unsagbare beschwört und jenes Schweigen erst schafft, von dem Wittgenstein schließlich doch auch sagt, daß es sein müsse. Aber das ist die Größe und das Elend des christlichen Schriftstellers (wie des Theologen; aber dem nimmt man es nicht so übel, weil solche Rede, von allen zugestanden, nun einmal eindeutig sein Handwerk ausmacht): Der Christ im Schriftsteller muß reden, wovon man nicht reden kann.
Am 15.9.62 um 13.30 Uhr, berichtet Rahner u.a., daß er schon den fünften Tag nicht mehr raucht.
In Briefen vom 16.9.62 um 11 Uhr, vom selben Tag um 18.45 Uhr, vom 17.9.62 um 9.05 Uhr und vom selben Tag um 14.15 Uhr berichtet Rahner u.a. von seinem Besuch bei Kardinal Döpfner und freut sich, daß Bertelsmann Die vollkommene Freude in sein Club-Programm aufnimmt.
Im Brief vom 18.9.62 um 8.45 Uhr aus Feldafing tröstet Rahner Rinser in der Frage nach der ersehnten Ewigkeit und realen Zeitlichkeit; wie etwa Im Gespräch 2, S. 134: Aber irgendwo innerhalb des Lebens geschieht eben doch – oder kann sich mindestens doch ereignen – ein absolutes Loslassen, ein absolutes Sich-alles-nehmen-Lassen, kann also der Tod in einem theologischen Sinne passieren, und dieser kann dann doch im Grunde genommen sehr unbedingt die schweigende und doch hoffende Kapitulation vor der Unbegreiflichkeit des eigenen Daseins und darin der Unbegreiflichkeit Gottes sein. Ich meine also, daß der Mensch sehr pessimistisch, sehr skeptisch und sehr relativistisch in seinem Leben sein kann; er braucht sich nichts vorzumachen, er braucht nicht so zu tun, als ob man sich nur ein bißchen anstrengen müßte und dann das Leben nach allen Seiten hin als besonders herrlich empfinden könne. Solche romantisch-amerikanischen Rezepte der Bewältigung des Lebens stoßen bei mir wenigstens auf einen massiven Skeptizismus, und ich glaube nicht, daß man das gewöhnliche Leben in seinem Beruf, in seinem Verhältnis zu anderen Menschen so wunderbar herrlich finden muß; aber ich glaube, daß letztlich eben doch in der Gesamtheit des Lebens und in ganz bestimmten, besonders gesegneten Augenblicken eine Entscheidung über das eigene Leben fällt, in der man, wenn ich einmal so sagen kann, auf der einen Seite alles läßt und alles sich nehmen läßt, und gerade in dieser scheinbar stummen, schrecklichen oder erschreckenden Leere geschieht die Ankunft des unendlichen Gottes und seines ewigen Lebens.
Nach seiner Rückkehr schreibt Rahner aus Innsbruck einen Brief – datiert am 18.9.62 um 20 Uhr und beendet am 19.9.62 um 5 Uhr morgens.
Am 20.9.62 schreibt Rahner 3 Briefe: um 6 Uhr morgens, um 12.35 Uhr und um 18.37 Uhr abends, am nächsten Tag, dem 21.9.62 schreibt er wieder 2 Briefe um 6.50 Uhr und um 22 Uhr – in dem letzten freut er sich wegen Rinsers Telefonanrufes und auf ein baldiges Treffen in Rom.
Es handelt sich hier um Rahners Beiträge: Auferstehung des Fleisches, in: Schriften II, 211–225 und Über das Problem des Stufenweges zur christlichen Vollendung, in: Schriften III, 11–34.
Im Brief vom 23.9.62 bezieht Rahner sich auf Rinsers »mystische« Fragen annähernd zu seinen Aussagen in Von der Größe, S. 41: In jedem Dasein, auch dem skeptischsten und zerstörtesten, ist ein Heil immer noch gegeben, weil keine noch so abgründige Bosheit oder Zerfallenheit Gottes Gnadeganz aus einem Dasein ausmerzen kann. Aber eben dieser immer noch durch Gottes freie Gnade gegebene heile Anfang, den der Dichter nur anzurufen, nicht selber zu schaffen vermag, ist in jedem Menschen anders. Der heilige Anfang, in dem jeder eingesetzt ist, damit er Christ aus Gnade sei und werde, ist das je einmalige Geheimnis eines jeden einzelnen. Was so eine christliche Dichtung als Anfang und Selbstverständlichkeit anruft, kann daher immer unglaubwürdig sein. Das Fraglose des einen ist das Fragwürdigste des anderen. Das ist auch dort noch so, wo es sich in gar keiner Weise um christliche Dichtung handelt.
Am 24.9.62 um 7.50 Uhr schreibt Rahner ebenfalls einen Brief.
Rahner schreibt inzwischen mehrere Briefe: Am 25.9.62 um 9.30 Uhr, am selben Tag um 16 Uhr, am 26.9.62 um 8.35 Uhr und um 11.15 Uhr, am 27.9.62 um 8 Uhr und um 20.30 Uhr, am 28.9.62 um 10.15 Uhr und um 17 Uhr – im letzten u.a. darüber, daß er als offizieller Konzilstheologe ernannt worden sei.
Es geht um den Beitrag Zur Theologie des Konzils, in: Stimmen der Zeit 169 (1962) 321–339; in: Schriften V, 268–302, und um Kleines Theologisches Wörterbuch (zus. mit H. Vorgrimler) (Herder-Bücherei Bd. 108–109), Freiburg i.Br. 1961.
Inzwischen schreibt Rahner aus München mehrere Briefe: Am 29.9.62 um 9.30 Uhr, am selben Tag um 17 Uhr, am 30.9.62 um 11.15 Uhr und am selben Tag um 16 Uhr – in die alltäglichen Berichte mischt sich die Sehnsucht nach dem Treffen am 9. Oktober in Rom.
Die 12 Briefe Rahners in diesen Tagen zwischen 2.10.62 und 7.10.62 stehen, ähnlich wie Rinsers Briefe aus dieser Zeit unter dem Vorzeichen der baldigen Begegnung in Rom.
Am 16.12.62 um 14.14 Uhr schreibt Rahner nach längerer gemeinsamer Zeit in Rom und nach dem Besuch Rinsers bei ihm über seine Freude auf ein baldiges Wiedersehen zu Weihnachten in Rom. Zu Rinsers Traum äußert er sich im Brief vom 19.12.62.
Rahner freut sich im Brief vom 6.1.63 auf die gemeinsame Zeit in Köln – Rinser schreibt in Köln am 11.1.63 morgens einen hier nicht abgedruckten Brief zur persönlichen Übergabe an Rahner vor Ort.
Ich weiß Deinen Namen. 73 Fotografien gedeutet, Würzburg 1962.
Im Brief vom 13.1.63 freut sich Rahner über ein evtl. Treffen in Frankfurt und präzisiert Pläne für die gemeinsame Zeit in Freiburg im August 63.
Aus Frankfurt schreibt Rahner nach seiner Ankunft am 18.1.63 einen Brief, um Einzelheiten des Treffens mit Rinser in Frankfurt zu präzisieren.
Am 25.1.63 fängt Rahner an, eine Art Brief-Tagebuch bis zum 27.1. zu schreiben, in dem er den Verlauf einer Sitzung in Mainz kritisch referiert. Dabei schreibt er – im Einklang mit Rinsers Bitten um Rahners Gebet – für sie Wichtiges, wovon man einen Eindruck in Von der Größe, S. 45 gewinnen kann: Aber bevor die Frage der unechten Objektivation echter religiöser Erfahrung gestellt wird und gestellt werden kann, ist die Unmöglichkeit zu sehen, überhaupt eine religiöse Objektivation in einer Gestalt und ihrer Aussage zu vollziehen, die nicht unvermeidlich zweideutig ist. Das WORT Gottes erscheint wie ein bloßer Mensch (omnis homo mendax: Röm. 3,4) und in der Gestalt des am Kreuz gescheiterten Sklaven der Mächte und Gewalten dieser Welt: darin liegt das unentrinnbare Elend des christlichen Schriftstellers, gerade wenn er bildet und nicht abstrakt redet. Er kann gar nichts zeigen, was nicht zweideutig wäre, er kann gar nicht eindeutig überzeugende Gestalten christlichen Daseinsvollzugs vorstellen, die von dem, der dieser Vorstellung nicht mit der willigen eigenen religiösen Erfahrung entgegenkommt (Ohren hat, zu hören, Augen, zu sehen), nicht als ärgerliches, unvollziehbares ideologisches Gemächte gedeutet werden könnte oder, wo es sich um unbestreitbare »Realitäten« handelt, nicht tiefenpsychologisch, soziologisch usw. auf ihre »wahren« Ursachen zurückgeführt werden könnte. Muß man nicht dem sogar noch hinzufügen, daß auch das Unechte zum echten Menschen gehört, daß wir immer auch Geschwätz sind (selbst wo wir die Wahrheit sagen und sie sind), daß der Paroxysmus unbedingter radikaler Echtheit, anstatt gelassen unbefangener Geduld mit unserer Mischung aus Echtem und Unechtem, selbst wieder – höchst unechte Verkrampfung bedeutet und erst recht literarischen Krampf erzeugt?
Nina. Mitte des Lebens – Abenteuer der Tugend, Frankfurt/M 1961.
Geh fort, wenn Du kannst, Frankfurt/M 1959.
Rahner schreibt am selben Tag, dem 30.1.63 2 Briefe: um 5.45 Uhr morgens und um 17.15 Uhr – in dem letzteren berichtet er u.a. über seine Arbeiten zu einem Konzilsschema.
Rahner schreibt inzwischen 2 kurze Briefe am 1.2.63 und am 12.2.63, in dem er seine Ankunft in Rom am 18. Februar ankündigt und sich auf die Begegnung mit Rinser freut. Rinser schreibt einen hier nicht abgedruckten Brief am 13.2.63.
Dazwischen liegt ein reger Briefwechsel: Rahner schickt 7 Briefe zwischen dem 17.3.63 und dem 8.4.63; Rinser schickt eine kurze Karte am 26.3.63 und hier nicht abgedruckte Briefe vom 1.4.63, vom 4.4.63 und einen zweiten Brief vom 8.4.63.
Rahner schreibt inzwischen täglich mehrere Briefe: Am 9.4.63, am 10.4.63 – 3 Briefe und am 11.4.63 um 7.15 Uhr, in dem er das Ergebnis seiner Krankenhaus-Untersuchungen mitteilt und gute Wünsche zu Ostern anschließt.
Erschienen zunächst in München 1946 – hier handelt es sich um die Neuausgabe in Frankfurt/M 1963.
Rahner schrieb inzwischen mehrere Briefe: vom 17.4.63, vom 18.4.63, vom 19.4.63, vom 20.4.63 und vom 21.4.63 um 21 Uhr, in denen er Alltägliches und Aktuelles aus seiner Arbeit berichtet.
Rahner versorgt Rinser täglich mit seinen Briefen: am 22.4.63, am 23.4.63, am 24.4.63 um 6.30 Uhr morgens und am 26.4.63 – mit 3 Briefen auf einmal – darunter über seine Fahrten nach Wien, über ein Münchner Gespräch am 26.4. mit Kardinal Döpfner zur Entwicklung in der Sache des Schreibverbots für Rahner, wobei eine positive Lösung in Sicht sei.
Dazwischen liegen 8 Briefe (mehrfach täglich) von Rahner aus Salzburg zwischen dem 27.4.63 und 1.5.63; Rinser schickt aus Rom einen hier nicht abgedruckten Brief vom 1.5.63.
In 2 Briefen vom 6.5.63 kündigt Rahner seine Ankunft in Rom am 15. Mai abends an. Es folgen dann 6 Rahner-Briefe zwischen 7.5.63 und 29.5.63 – dazu noch 4 nicht abgedruckte Briefe von Rinser aus dem Urlaubsort Camaiore vom 7.5.63, vom 9.5.63, vom 28.5.63, vom 29.5.63 um 14.30 Uhr.
In Briefen vom 30.5.63, vom 31.5.63 und vom 1.6.63 gibt Rahner Ratschläge zu Rinsers Nachforschungen für ihr Jugendbuch und bezeugt eine gewisse Ähnlichkeit mit Rinsers Befindlichkeit in Camaiore (z.B. in ihrem Brief vom 5.5.63) im Brief vom 31.5.63; hier äußert er sich u.a. zur Perspektive seines Lehrstuhls in München.
Am 4.6.63 schreibt Rahner 2 Briefe, u.a. mit der freudigen Entdeckung, daß Die Welt von Rinsers mehrwöchigen Reisen nach Polen berichtet.
Rinsers Ehe mit Carl Orff dauerte fünf Jahre, von 1954 bis 1959, wonach Rinser nach Rom übersiedelte.
Dieses Projekt wie auch das in den Briefen viel besprochene Jugendbuch-Projekt, kamen in dieser Form doch nicht zustande.
Rahner schickt inzwischen 5 »alltägliche« Briefe nach Rom zwischen 10.6.63 und 15.6.63 – alles Berichte zu den Arbeiten am LThK und an Konzilsvorbereitungen; dazwischen liegen auch Rinsers hier nicht abgedruckte Briefe vom 10.6.63 und vom 11.6.63.
Im Brief vom selben Tag, dem 16.6.63, gibt Rahner in Erinnerung an die Zeit vor einem Jahr in Innsbruck, auf die auch Rinser in ihrem Brief vom 15.6.63 hinweist, eine kurze Charakteristik seines Wuschels und somit Rinsers Werkes –. Ein Echo dieser Charakteristik kann man annähernd in Von der Größe, S. 35, finden: Zweifellos will das Werk Luise Rinsers dem Menschen dienen, will ihm helfen heil zu werden, und – das ist für sie schließlich dasselbe – ein Christ zu sein. Ich sage nicht: Die Dichterin hat bei ihrer Arbeit diese Absicht. Das hat sie schon ausdrücklich bestritten, und es ist bei dem Rang ihrer Werke eigentlich selbstverständlich. Solche Werke entstehen nicht aus einer erbaulichen oder pädagogischen Absicht heraus. Der Dichter schafft lebendige Gestalten, nicht Puppen, die Theorien vortragen oder spielen. Doch diese Absichtslosigkeit des Dichters hebt die dem Werk nun einmal immanente Dynamik des Ausgesagten selbst nicht auf. Diese Aussage ist aber eine christliche. Und in diesem Sinn spreche ich von einer christlichen Absicht des Werkes selbst. Diese »Absicht« des Werkes selbst mag in den Werken fortschreitend deutlicher werden und so auch für ihr Werk als dichterische Aussage gefährlicher. Aber sie ist im Grunde vom Anfang des Schaffens Luise Rinsers an da, auch wenn zuerst diese Absicht sich selber noch sucht, das heißt langsam erst das Wissen selbst deutlicher und voller wird, wie der Mensch sein müsse und könne, der heil ist, oder genauer: wenigstens entschlossen sich zu diesem seinem Heilsein hin auf den Weg macht. Welch eine Absicht!
Es geht hier um den Beitrag Geistliches Abendgespräch über den Schlaf, das Gebet und andere Dinge in: Wort und Wahrheit II (1947) 449–462; in: Schriften III, 263–281.
Dazwischen liegt ein reger Briefwechsel zwischen Rahner und Rinser, der hier nicht abgedruckt ist: Rahner schreibt 13 Briefe zwischen 17.6.63 und 5.7.63, darunter am 20.6.63 über das sich schleppende Konklave; Rinser schrieb über die abgedruckten Briefe hinaus noch Briefe am 3.7.63 um 22 Uhr, am 4.7.63, morgens um 7.15 Uhr aus Innsbruck mit Bedauern, daß sie Rahner dort nicht getroffen hat, am 4.7.63 und am 5.7.63 einen zweiten Brief.
Neben 2 hier nicht abgedruckten Karten Rinsers von unterwegs nach Rom folgen inzwischen Rahners Briefe aus Saarbrücken vom 7.7.63 um 6.17 Uhr morgens, vom 8.7.63 um 6.08 Uhr morgens, in denen er u.a. am 7.7.63 über die Entwicklung bezüglich seiner Münchner Professur berichtet.
Im Brief vom 9.7.63 um 6.15 morgens beschreibt sich Rahner selbst – im Gegenpart zu Rinsers Charakteristik aus den Handlinien in ihrem Brief vom 5.7.63; ein späteres Echo dieses Austausches kann man Im Gespräch 2, S. 277 finden: Ich kenne eine deutsche Dichterin, die mir erzählt hat, daß sie einmal in Irland gewesen sei und da erkannt habe, daß sie in einem früheren Leben dort einmal existiert habe. So gibt es natürlich sehr viele Beispiele, die für eine solche Seelenwanderung, Reinkarnation, oder wie man das nennen will, zu sprechen scheinen. Ich meine, daß man einmal grob und genauere Differenzierungen weglassend sagen muß, daß man von einem katholischen, christlichen Standpunkt aus daran nicht festhalten kann.
Die Frage natürlich, wie dann solche wahren oder vermeintlichen Phänomene einer Wiedererinnerung an vergangene Leben genauer erklärt werden können, das ist natürlich noch einmal eine andere und dunkle Frage, obwohl es da durchaus Möglichkeiten einer Erklärung gibt, auf die ich jetzt nicht näher eingehen kann, für die aber die Annahme einer eigentlichen Seelenwanderung nicht notwendig zu sein scheint. Ich für mich muß als freies Subjekt jedenfalls meine jetzige Lebenszeit, die mir gewährt ist, als die entscheidende Geschichte auffassen, die ich in Endgültigkeit hinein vollende, und kann mich nicht mit dem Gedanken trösten und so mein Leben billiger machen, daß ich ja, wenn es jetzt schiefgeht, noch einmal eine weitere Gelegenheit finde, die Sache besser zu machen. Auch ein Buddhist müßte doch im letzten den Willen haben, aus dem ewigen Rad von Geburt und Tod herauszukommen, und ich behaupte: als Christ hoffe ich zu Recht, daß es mir auf Wegen, die letztlich natürlich nur Gott weiß, in diesem meinem konkreten jetzigen Leben auch wirklich gelingt, aus dem ewigen Auf und Ab, der ewigen Wiederkehr aller Dinge usw. herauszukommen und die unendliche Seligkeit Gottes, sein ewiges Licht, seine ewige Gnade, sein ewige Liebe von Angesicht zu Angesicht zu finden.
Rahner schreibt am selben Tag noch 2 Briefe um 15.30 Uhr und um 20.30 Uhr – im ersten präzisiert Rahner – parallel zu Rinsers Aussagen – eine tiefgehende Selbstcharakteristik, die man aus seiner Äußerung in Im Gespräch 1, S. 71f. erahnen kann: Es gibt Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen. Zweitens ist doch ein wirklich um der Liebe Gottes in einem persönlichen Verhältnis zu Jesus Christus gelebter, durchgehaltender Verzicht auf einen solchen hohen Wert wie die Ehe ein konkreter, real werdender Vollzug des Glaubens an das ewige Leben. Denn entweder macht man das deshalb – oder es ist von vornherein ein menschlicher Unsinn, eine menschliche Selbstzerstörung. Und umgekehrt würde ich sagen: Wenn eine solche Lebensweise in der Kirche schlechterdings aussterben würde, – ich sage in der Kirche als Ganzes, – dann wäre die Kirche als Ganzes eine gesellschaftliche Institution, die eigentlich mit dem Glauben an das ewige Leben, an den lebendigen Gott, an die Ungeheuerlichkeit der Gnade (die mit menschlichen Maßen nicht gemessen werden kann) nichts mehr zu tun hat.
Ebenfalls aus Saarbrücken schreibt Rahner 4 Briefe zwischen 10.7.63 und 12.7.63, u.a. Berichte über die laufenden Vorträge, Arbeiten z.B. zum ersten Band des Pastoraltheologischen Handbuches.
Der Roman Abenteuer der Tugend ist erschienen in Frankfurt/M 1957. Rahner nimmt Rinsers Zweifel sehr ernst und artikuliert später seine Meinung zu diesem Fragenkomplex in Von der Größe, S. 93: Wer a priori der Überzeugung ist, daß es solche Christen [im Alltag] in Wahrheit nicht geben kann, daß sie notwendig im Menschlichen geschädigte, mit ideologisch Unechtem und Angequältem verdorbene, unfreie Menschen seien, der kann solches dichterische Wagnis nur als Katastrophe werten. Aber hat er recht? Ist seine Erfahrung die immer und allein gültige? Wittgenstein hat zwar gesagt: »Worüber man nicht reden kann, darüber muß man schweigen«, und dieses Wort scheint vielen heute der wahrste, in sich evidenteste Satz. Und einer für die Dichtung vor allem. Aber derselbe Wittgenstein hat streng rational die Existenz des »Irrationalen« bewiesen. Und also muß von ihm geredet werden, obwohl davon nicht geredet werden kann.
Rahner schreibt ebenfalls aus Saarbrücken Briefe am 14.7.63 um 9.30 Uhr morgens und am selben Tag noch einen anderen Brief, dazu noch am 16.7.63 um 6.45 Uhr morgens, sowie am selben Tag um 17.15 Uhr.
Es geht um den Aufsatz: Das Christentum und die nichtchristlichen Religionen, zunächst in: Polarismus, Toleranz und Christenheit, Nürnberg 1961, 55–74; in: Schriften V, 136–158.
Es geht hier um die Einladung im Dezember 1964 zum 175jährigen Jubiläum der Georgetown-Universität in den USA und ein Ehrendoktorat von dieser Universität für Rahner; darüber auch in Rahners Brief vom 12.7.63 um 17.15 Uhr.