Nie wieder Fressattacken!

Glenn Livingston

Der ultimative Guide
für selbstbestimmtes Essen

Aus dem amerikanischen Englisch
von Brigitte Rüßmann und Wolfgang Beuchelt

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Glenn Livingston

Glenn Livingston, Ph.D. ist Buchautor, ein erfahrener Psychologe. Er war langjähriger CEO eines millionenschweren Beratungsunternehmens für die Lebensmittelbranche. Dr. Livingston war desillusioniert von dem, was die traditionelle Psychologie übergewichtigen und von Esssucht betroffenen Menschen zu bieten hatte, und entwickelte sein eigenes selbstfinanziertes Programm zur Erforschung von 'Binge Eating' und Fressattacken mit mehr als 40.000 Teilnehmern. Sein selbstverlegter Ratgeber wurde zum Kultbuch für Menschen auf dem Weg zu einem normalen, gesunden Gewicht und einer viel unbeschwerteren Beziehung zum Essen. www.neverbingeagain.com

Impressum

Dieses Buch dient der Information. Dieses Buch bietet keinerlei medizinische, psychologische und/oder Ernährungsratschläge. Sie sind für Ihre Ernährung und Ihre geistigen und körperlichen Bedürfnisse selbst verantwortlich. Wenn Sie bei diesen Aufgaben Hilfe benötigen, wenden Sie sich bitte an einen Arzt, Ernährungsberater, Psychologen und/oder anderen Spezialisten.

Vor allem, wenn bei Ihnen jemals eine Essstörung diagnostiziert wurde, sollten Sie ohne Rücksprache mit Ihrem Psychiater, Psychotherapeuten oder Ernährungsberater keinen eigenen Ernährungsplan aufstellen.

 

Deutsche Erstausgabe Oktober 2020

© 2020 Knaur Verlag

© 2020 der eBook-Ausgabe Knaur eBook

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Covergestaltung: total italic, Thierry Wijnberg

Coverabbildung: Pelonmaker/Shutterstock.com

Abbildung im Innenteil: Pelonmaker/Shutterstock.com

ISBN 978-3-426-45929-4

Anmerkungen

Achtung: Ihr Ernährungsplan ist eine sehr persönliche und private Angelegenheit. Andersherum gehen Sie auch die Pläne anderer nichts an, es sei denn, sie möchten darüber sprechen. Der Vorwurf, Schweinefraß zu essen, beendet zuverlässig jede Freundschaft. Jeder muss für sich entscheiden, was er essen will und was nicht. Jeder kann auch entscheiden, ob er überhaupt sein Dick-Denkendes-Ich (den Vielfraß) vom Dünn-Denkenden-Ich trennen will. Sie können den Schweinefraß also nur für sich selbst definieren! Mehr dazu finden Sie im Kapitel über die Vielfraße anderer.

Diese Philosophie wurde erstmals von John Derek im Film Vor verschlossenen Türen (1949) formuliert: »Lebe schnell, stirb jung und hinterlasse eine gut aussehende Leiche.«

Ich habe den wirklichen Namen meines Freundes und die Details zu seiner Firma zum Schutz der Unschuldigen geändert.

Ich sollte es wissen, weil ich leider einer von ihnen war! Meine Firmen haben zweistellige Millionenbeträge mit der Beratung von Fortune-500-Unternehmen verdient.

»Die Hölle, das sind die anderen« stammt aus Jean-Paul Sartres Drama Geschlossene Gesellschaft, in dem sich die in einem Raum eingeschlossenen Figuren ohne Hoffnung auf Freiheit gegenseitig ausgeliefert sind.

Tatsächlich verbessert es Ihre Fähigkeit zum klaren Denken sogar, wenn Sie Ihren Vielfraß beherrschen!

Anmerkung: Sie müssen nicht erst »ganz unten« angekommen sein, aber Sie müssen hinreichend motiviert sein.

(Das Warten, bis man »ganz unten« ist, ist in Wahrheit ein Vielfraßschrei: »Ich nehme mal an, dass du noch nicht ganz abgestürzt bist. Lass uns bis dahin reinhauen. Lecker!!!«)

Kann man zum Beispiel »rotlichtkrank« sein? Kann man ein zwanghafter Bowlingspieler sein?

Mein Vielfraß nennt mich immer »Alter«. Ich weiß auch nicht, warum.

Ich habe zwar mein Buch Eat With Your Head vom Markt genommen, nachdem ich erkannt habe, wie falsch ich ursprünglich über Psychologie und Esssucht gedacht habe, aber mit der Website EmotionalEatingSecrets.com konnte ich das nicht machen, weil sie eng mit anderen Projekten und Partnern verwoben war, denen gegenüber ich vertragliche Verpflichtungen habe.

1 Das unerhörte
Versprechen

»Das kann auf gar keinen Fall stimmen!«

Liebe Grüße, dein Dick-Denkendes-Ich

Ich gebe Ihnen ein unerhörtes, Ihr Leben veränderndes Versprechen: Geben Sie mir etwas Zeit, bevor Sie urteilen, und Sie können einen (vielleicht etwas verrückten) mentalen Trick erlernen, um Ihre Ernährung vollständig und ein für alle Mal in den Griff zu bekommen.

Nicht das Zähnezusammenbeißen und Durchhalten, das Sie von Diäten kennen, sondern echte, dauerhafte Kontrolle, die Sie 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr mühelos ausüben können, ohne ständig darüber nachdenken zu müssen. Sie schließen endlich Frieden mit der eigenen Ernährung. Sie können den Körper erlangen, den Sie sich erträumen; die Gesundheit, die Sie verdienen, und die innere Sicherheit und das Selbstwertgefühl, das Sie erfahren, wenn Sie sich einer Sache ganz verschreiben.

Wenn Sie den mentalen Trick erst einmal erlernt haben, schützt er Sie nicht nur vor all den Gedanken, die Sie heute zu Fressattacken verleiten, sondern auch gegen alles, was sich Ihr Dick-Denkendes-Ich noch so ausdenken mag.

Aber seien Sie gewarnt: Dieser mentale Trick ist recht ungewöhnlich, und vermutlich lehnen Sie ihn erst einmal ab. Manche legen das Buch sofort weg. Andere halten mich für verrückt.

Das ist in Ordnung.

Die Kritik stört mich nicht, da ich weiß, dass mein »seltsamer« Ansatz, auch wenn er einige stört, schon unzähligen anderen geholfen hat …

Denn das, was Sie bisher als Ihr Gewichtsproblem betrachten – oder das Problem, sich an Ihre Ernährungsvorsätze zu halten –, ist eigentlich ein fehlgeleiteter Selbsterhaltungstrieb. Deshalb schlagen Ihre Versuche fehl, sich an Ihre eigenen guten Vorsätze zu halten. Deshalb kommen Sie beim Versuch, Ihren Ernährungsplan oder Ihre Diät einzuhalten, immer wieder vom Kurs ab.

Das ist auch der Grund, warum Sie bei allem Bemühen immer wieder so essen, wie Sie es eigentlich nie wieder tun wollten. Es ist der Grund dafür, dass Sie sich entmutigt, deprimiert und hoffnungslos fühlen.

Wenn Sie diesen Amok laufenden Überlebenstrieb in seine Schranken weisen, wird er um sein Leben fürchten. Aber glücklicherweise gibt es eine Einsicht, auf die dieser scheinbar unbesiegbare Instinkt reagiert und mit deren Hilfe Sie Ihr Essverhalten ab jetzt kontrollieren können.

Sie können sich also auf ganz viele kritische Stimmen in Ihrem Kopf gefasst machen. Sich seiner inneren Abwehr bewusst zu werden ist aber Teil dieses Prozesses. Dieses Buch ist sogar darauf angelegt, Sie zu provozieren.

Ich bitte Sie nur darum, mir zuzuhören.

Lesen Sie das Buch bitte erst zu Ende, und urteilen Sie dann. Testen Sie meine Methode eine Zeit lang, auch wenn sie verrückt erscheint oder für Sie anfangs nicht wirklich zu funktionieren scheint. Wenn Sie dann beschließen, dass sie nichts für Sie ist, dann ist das okay. Aber Sie treffen die Entscheidung zumindest bewusst, denn wie Sie bald feststellen werden, geht es um viel mehr als nur darum, ein paar Pfunde zu verlieren, und auch um mehr als Ihre Gesundheit.

Es geht darum, die eigenen Ziele und Träume mit mehr Selbstvertrauen und Selbstsicherheit anzugehen, als Sie es je für möglich gehalten hätten.

Es geht um alles, was Ihnen wichtig ist, so wie bei jedem, der wirklich mit seiner Ernährung ringt. Und wenn Sie einen Moment innehalten, stimmen Sie mir sicherlich zu. Zumindest aber werden Sie zugeben, wie wichtig es ist, dieses Essensproblem endlich ein für alle Mal in den Griff zu bekommen.

Lesen Sie also bitte so vorbehaltlos wie nur eben möglich weiter. Denn was wäre, wenn ich recht hätte?

Wer bin ich?

Ich bin ein ehemals übergewichtiger Mann mit familiärer kardiovaskulärer Vorbelastung.

Jemand, der sich trotz Dutzender ärztlicher und anderer Warnungen fast zu Tode gefressen hätte.

Jemand, der Jahre seines Lebens aufgrund des Glaubens verschwendet hat, eine mysteriöse Krankheit sei für seine Fressattacken verantwortlich.

Jemand, der glaubte, er sei unfähig, großen Mengen von Bagels, Pizza, Schokolade, Donuts, Nudeln, Chips und allem anderen, was gut schmeckt, zu widerstehen.

Meine Fixierung aufs Essen und mein zwanghaftes Essverhalten hielten mich nicht davon ab, einen Doktortitel in klinischer Psychologie zu erwerben, eine große, erfolgreiche Praxis aufzubauen und eine große Studie zum Essverhalten mit über 40000 Teilnehmern durchzuführen.

Ich habe mehr als 25 Jahre lang Firmen geführt, die diverse Fortune-500-Unternehmen mit Forschungs- und Beratungsleistungen im Wert von Abermillionen Dollar versorgten, darunter große Lebensmittelkonzerne wie Liptorn, Kraft, Nabisco usw.

Ich war also jemand, der noch nicht einmal bei der Arbeit mit Patienten oder bei der Beratung seiner Kunden damit aufhörte, ans Essen zu denken …

Ich bin jemand, der die meiste Zeit seines Lebens verzweifelt nach einer Lösung seiner Essstörungen suchte, bis ich einen fast kindischen Trick fand, der mir half, wie ein dauerhaft schlanker Mensch zu denken.

Ich hatte diese verrückte Idee, die sich in meinem Kopf festsetzte, wuchs und immer stärker wurde, egal wie sehr mein Dick-Denkendes-Ich sie zerstören wollte!

Achtung:
Ihr Dick-Denkendes-Alter-Ego will nicht,
dass Sie dieses Buch lesen!

Ihr Dick-Denkendes-Ich wird alles tun, um Sie von diesem Buch fernzuhalten. Vermutlich sagt es bereits Dinge wie:

»Das kannst du nicht ernst meinen! Noch eine Diät? Das schaffen wir nie. Du bist zu schwach. Du hältst dich nie an einen strikten Ernährungsplan. Willst du wirklich, dass wir den Rest unseres Lebens nur Kaninchenfutter fressen? Echt? Leg das Buch einfach weg und lass uns eine kleine Fressparty veranstalten. Na, wie wär’s? Na komm!«

Daher gebe ich Ihnen hier und jetzt ein Versprechen: Dieses Buch will Ihre Fähigkeit stärken, sich an den Ernährungsplan Ihrer Wahl zu halten. Es geht nicht darum, eine bestimmte Diät einzuhalten (oder nicht einzuhalten). Was Sie essen, wann Sie essen und wo Sie essen, liegt ganz bei Ihnen.

Ihr Dick-Denkendes-Ich wird sich auch gegen die klaren Grenzen sträuben, die diese Technik erfordert.

»Meinst du wirklich, dass du die Linie nie mehr überschreitest? Dann fühlst du dich bei der nächsten Fressattacke umso schuldiger, das weißt du. Willst du dich wirklich noch schuldiger fühlen? Jetzt geh einfach und hol was ›zum Wohlfühlen‹ … das wird so lecker! – Dein Dick-Denkendes-Ich«

Diese Drohung mit Schuldgefühlen darf Sie weder beängstigen noch beherrschen. Denn mit diesem Buch entwickeln wir eine effektive Methode, mit den eigenen Fehlern gutherzig und ohne Schuldgefühle und Scham umzugehen. Wenn Sie rückfällig werden, rappeln Sie sich einfach wieder auf und machen genau da weiter, wo Sie aufgehört haben. Es gibt keinen Grund für ständige Selbstvorwürfe! (Ist Ihnen aufgefallen, wie sehr sich Ihr Dick-Denkendes-Ich über die Möglichkeit freut, dass Sie rückfällig werden könnten?)

Da schon die Angst vor dem Versagen und vor Schuldgefühlen viele davon abhält, meine Methode auszuprobieren, lassen Sie uns kurz darüber sprechen, wie wir beim Denkansatz von Nie wieder Fressattacken mit Fehlern umgehen. Kurz gesagt, wir gehen mit uns um, wie wir mit einem Kind umgehen würden, das versucht, etwas ganz Wichtiges zu erreichen bzw. zu erlernen.

Nehmen wir an, Ihre fünfjährige Tochter will unbedingt den steilen Hügel mit dem Fahrrad hinauffahren, ohne anzuhalten. Würden Sie ihr sagen: »Das schaffst du nie, Sarah. Der Hügel ist viel zu steil. Ich will nicht, dass du dich hinterher schämst oder Schuldgefühle hast, weil es nicht geklappt hat, also versuch es lieber gar nicht erst, okay?«

Natürlich nicht! Sie bestärken sie, ihr Ziel selbstsicher und mit Begeisterung anzugehen. Und wenn es beim ersten Mal nicht klappt, sind Sie an ihrer Seite, helfen ihr zu verstehen, was schiefgegangen ist und was sie beim nächsten Mal besser machen kann. Sie würden ihr auf gar keinen Fall Schuldgefühle machen oder sie von vornherein von ihrem Vorhaben abhalten.

In diesem Szenario wüsste Sarah im Grunde ihres Herzens, dass Sie da sind, wenn sie beim ersten Versuch scheitert, dass Sie sie auffangen und ihr helfen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Aber – und das ist das Wichtige – mit Ihrer Hilfe fährt sie beim nächsten Mal wieder begeistert und voller Zuversicht los. Und irgendwann – vielleicht nicht beim zweiten oder dritten Mal – klappt es. Und das liegt zu keinem geringen Teil auch daran, dass Sie verhindert haben, dass sie sich auf die Möglichkeit des Scheiterns konzentriert.

Sie haben Sarah sozusagen dazu ermutigt, etwas vor sich selbst »geheim zu halten«, damit Zweifel und Unsicherheit ihrer Energie und ihrem Willen, ihr Ziel zu erreichen, nicht im Weg stehen.

Meiner Erfahrung nach ist genau das die Einstellung von Menschen, die ihre Fressattacken überwinden.

Wie Sarah, die immer wieder begeistert den Hügel hochfährt, werden Sie lernen, auch den geringsten Zweifel an Ihrem Erfolg aus Ihrem Denken zu verbannen … auch wenn Sie immer mal wieder im Kleinen scheitern. Selbst wenn Sie mal aus dem Tritt geraten, rappeln Sie sich auf und radeln begeistert in die richtige Richtung weiter und reden sich selbst die ganze Zeit gut zu.

Wenn Sie sich nicht dauernd selbst verurteilen, sind Fressattacken fast unmöglich. Und wenn Sie beschließen, sich immer wieder aufzurappeln und »weiterzuradeln«, kommen Sie auch irgendwann oben an.

Unsicherheit, Zweifel und geringes Selbstwertgefühl sind ein psychologisches Krebsgeschwür, das übermäßiges Essen fördert. Aber statt mit traditionellen psychologischen Methoden Jahre zu verschwenden, diese Probleme auszuräumen, kommen wir gleich zum Punkt, streichen die Möglichkeit des Scheiterns aus unseren Gedanken, wenn wir »den Hügel hinaufstrampeln«, und starren Schuldgefühle ganz schnell nieder, wenn wir mal vom Weg abkommen.

So können Sie Ihrem Dick-Denkenden-Ich selbstsicher sagen, dass es nicht mehr die Macht hat, Ihren Weg mit Versagensängsten oder Schuldgefühlen zu untergraben.

Mit der Kraft dieses Ansatzes können Sie sich realistische Ziele setzen und sie so lange verfolgen, bis Sie sie erreichen, egal wie viele Versuche Sie dafür benötigen. (Ihr Dick-Denkendes-Ich freut sich vermutlich gerade hämisch auf all die gescheiterten Versuche, Ihre Fressattacken zu überwinden. Ignorieren Sie diese Gedanken einfach.)

Wie man mit Versagensängsten, Schuldgefühlen etc. umgeht, besprechen wir später noch genauer, aber da Sie nun das grundlegende Prinzip verstanden haben, sollte es einfacher sein weiterzulesen.

Es gibt einen letzten Einwand, den Ihr Dick-Denkendes-Ich vorbringen wird, um Sie von der weiteren Lektüre abzuhalten: Es wird vehement vorbringen, dass Sie grausam gegen sich selbst sind, wenn Sie es zurückweisen. Es hätte viel lieber, dass Sie bei der Methode »Dünn werden durch Selbstliebe« blieben.

Ich verspreche, wenn wir fertig sind, werden Sie sich selbst mehr lieben und weniger kasteien.

 

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, Folgendes zu verstehen:

Es ist praktisch unmöglich,
durch Selbstliebe dünn zu werden!

Indem Sie Ihr Dick-Denkendes-Ich erkennen und »einsperren«, übernehmen endlich Sie die Kontrolle über Ihre Essensentscheidungen und können sich dauerhaft darauf programmieren, wie ein dünner Mensch zu denken. So entmachten Sie Ihre destruktive Denkweise, die Ihnen bisher so viele Probleme mit der Ernährung beschert hat.

Wie bereits gesagt lehnen viele Menschen diesen Gedankentrick ab, weil sie alle Facetten ihres Selbst lieben möchten – um jeden Preis.

Das Problem damit ist, dass manche Impulse einfach viel zu schwer zu bändigen sind, wenn man ihnen auch nur den geringsten Spielraum lässt. Die körperlichen und biochemischen Gegebenheiten machen es den meisten Menschen beim Essen und anderen Überlebensinstinkten praktisch unmöglich, sich selbst »dünnzulieben«. Nach meiner Erfahrung haben fast alle Menschen, die mit Fressattacken oder Phasen des Überessens zu kämpfen haben, die gleiche Schwierigkeit.

Meine mitfühlende Seele wünschte sich, das wäre nicht so …

Aber unsere »Völlereigedanken« sind nun mal ein Teil von uns. Deshalb verstehe ich, dass manchen Menschen diese Methode zunächst als zu harsch erscheint. Aber wenn Sie einmal ehrlich darüber nachdenken, werden Sie zugeben, dass diese Gedanken für den rücksichtslosesten und kindischsten Teil unseres Selbst stehen.

Das ist der Teil, der uns immer wieder dazu verleitet hat, gegen besseres Wissen zu handeln, und uns von unseren noch so ernst gemeinten Ernährungszielen abgebracht hat.

Solche negativen Gedanken darf man ruhigen Gewissens dauerhaft ablehnen.

Meiner Erfahrung nach hat das Genesen von Fressattacken, starkem Überessen und/oder das Einhalten einer bestimmten Ernährungsweise nichts mit der Pflege eines verwundeten Tieres gemein, sondern erinnert an das Einfangen eines aggressiven Dobermanns. Dieser Hund muss Sie respektieren und Ihnen gehorchen – oder er wird ewig seinen Kopf durchsetzen!

Mit Barmherzigkeit werden Sie diese Gedanken, die Sie immer wieder zu Fressattacken oder zur Völlerei verleiten, nicht stoppen und entmachten. Es ist eine Frage unumstößlicher Kontrolle und Dominanz.

 

Der eigentliche Grund, warum Menschen immer wieder von ihren guten Vorsätzen bezogen auf das Essen abkommen, ist, dass sie unwissentlich ihr Dick-Denkendes-Ich hegen und pflegen.

Aus den hier bereits angeführten Gründen werden wir diesen Teil unserer Gedanken, der all unsere fetten Gedanken beheimatet, ab hier den »Vielfraß« nennen.

Was ist der »Vielfraß«?

Das Erste, was Sie wissen müssen, ist: Sie sind nicht der Vielfraß!

Ihr Vielfraß ist nicht mit Ihnen identisch!

Das Zweite ist, Sie müssen ihn nicht Vielfraß nennen, Sie können ihm auch einen anderen Namen geben, wie etwa »Fressmonster«, »Nimmersatt«, »Dämon« oder wie immer Sie möchten, Hauptsache, es klingt nicht wie ein niedliches Haustier. Wir wollen uns ja davon distanzieren und es nicht hegen und pflegen.

Ich nenne mein Dick-Denkendes-Ich »Vielfraß«, und deshalb werde ich im Rahmen dieses Buches auch vom »Vielfraß« sprechen, wenn es um diesen scheinbar unkontrollierbaren Essdrang geht.

 

Und das unterscheidet Sie vom Vielfraß:

 

Wenn Sie das begreifen, haben Sie die Hälfte des Weges zur Gewichtskontrolle schon hinter sich. Die andere Hälfte besteht darin, das Kreischen des Vielfraßes kaltherzig ignorieren zu lernen.

Denn schlussendlich wird einer leiden, entweder Sie oder der Vielfraß – und ich verspreche, Sie werden es nicht sein.

Ihr innerer Vielfraß ist für so viel Kummer und Leid in Ihrem Leben verantwortlich.

Er hat Sie all diese schlechten Dinge essen lassen, all diese riesigen Portionen zur falschen Tageszeit, er hat Ihre Gesundheit beschädigt, Ihre Selbstsicherheit, Ihre Lebensqualität – und das wahrscheinlich schon über Jahrzehnte.

Der Vielfraß hat Ihnen vermutlich jeden vernünftigen Ernährungsplan ausgeredet, den Sie je hatten.

Er hat verhindert, dass Sie Ihrem Körper, Ihrem Geist und Ihrer Seele wirklich Gutes tun.

Er hat Sie nicht nur Ihres Traumkörpers beraubt, sondern auch der Energie, um Ihre Traumziele im Leben zu erreichen.

Der Vielfraß ist schuld, dass Sie mit einem unnötigen Übergewicht leben. Er hat Ihre Erfolge, Ihre Gesundheit, Ihr Glück geschmälert.

Und es ist der Vielfraß, der Ihnen die Hoffnung nimmt, jemals dauerhaft Gewicht zu verlieren.

Aber dem Vielfraß ist das alles schnurzegal.

Ihn interessiert nur sein eigenes Vergnügen und er wird alles, was Sie lieben, ohne mit der Wimper zu zucken zerstören, nur um einen weiteren köstlichen Bissen zu bekommen.

Der Vielfraß hat keine Liebe und kein Mitleid verdient.

Er ist nicht das Kind in Ihnen, kein niedliches Kuscheltier, er ist nichts, was Ihre Wertschätzung in irgendeiner Form wert wäre.

Also verwechseln Sie niemals Ihren Vielfraß mit dem gleichnamigen pelzigen Mardertier.

Der Vielfraß (das echte Tier) ist intelligent, fürsorglich in der Aufzucht und kann sogar als Lawinenhelfer dienen. In der realen Welt brauchen diese Tiere unseren Schutz.

Der innere Vielfraß hingegen ist eine außer Kontrolle geratene Fressmaschine, die alles zerstören wird, was Sie lieben – wenn Sie es zulassen.

Leider können wir den Vielfraß nicht ganz aus unserem Leben verbannen, denn er ist eng mit einer anatomischen Struktur verbunden (dem Mittelhirn), die wir zum Überleben benötigen. Aber Sie können ihn dauerhaft beherrschen, solange Sie seine Schreie nicht mit Ihren eigenen Bedürfnissen verwechseln und ansonsten alles Notwendige tun, um Ihr Überleben zu sichern.

Sie sind nicht der Vielfraß!

So verrückt das klingen mag, aber Sie müssen lernen, dem Vielfraß genau so viel Verachtung entgegenzubringen wie einem Rüpel. Denn jedes Mal, wenn Sie »die Linie überschreiten« und sich trotz aller guten Vorsätze den Magen vollhauen, redet diese kleine Stimme in Ihrem Kopf (der Vielfraß) Ihnen ein, das sei schon »in Ordnung«. Der Vielfraß (der Rüpel) schert sich einen Dreck darum, wie krank es Sie macht, wie viel Schmerz es bereitet und/oder wie sehr es Sie von Ihren Plänen und Zielen abbringt.

Der Vielfraß will Sie nur davon überzeugen, dass es okay ist, jede Menge Müll zu essen.

Aber das ist es nicht! Der Trick ist, dass Sie nun endgültig genug haben von diesen Gedanken, die – bis jetzt – Ihr Leben so stark bestimmt haben. Und das alles nur für ein paar Augenblicke schädlichen Vergnügens.