Daniel Goleman
Soziale Intelligenz
Wer auf andere zugehen kann, hat mehr vom Leben
Aus dem Englischen von Reinhard Kreissl
Knaur e-books
Daniel Goleman wurde als Psychologe an der Harvard University promoviert und arbeitete als Journalist bei der New York Times und Psychology Today, bis er 1995 mit Emotionale Intelligenz den internationalen Durchbruch schaffte. Bei Knaur erschien von ihm Ökologische Intelligenz und bei O. W. Barth Die Macht des Guten.
Die englische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Social Intelligence«
bei Bantam Dell, New York.
© 2017 der eBook-Ausgabe Droemer eBook
© 2006 der Originalausgabe by Daniel Goleman
© 2006 der deutschsprachigen Ausgabe by Droemer Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Redaktion: Bernhard Kleinschmidt
Covergestaltung: Kathrin Keienburg-Rees, München
Illustrationen im Text: Robert Bull
ISBN 978-3-426-45116-8
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Über den Vorfall berichtete das National Public Radio am 4. April 2003 unter dem Titel »All Things Considered«.
Zum minimalen Gewalteinsatz siehe z.B. die Kompetenzentwicklungsmodelle für Polizeibeamte in: MOSAIC Competencies: Professional & Administrative Occupations, U. S. Office of Personnel Management 1996; und in: Elizabeth Brondolo u.a., »Correlates of Risk for Conflict among New York City Traffic Agents«, in: Gary VandenBos u. Elizabeth Bulatao (Hrsg.), Violence on the Job, Washington, D. C., American Psychological Association Press 1996.
Das erweitert unser Interesse, wenn man etwa an Empathie denkt, die Empfindung, die enge Beziehungen ermöglicht. Empathie ist eine individuelle Fähigkeit, etwas, das sich innerhalb der Person befindet. Beziehungen aber entstehen zwischen einzelnen Menschen, sie sind etwas Neues, das aus der Interaktion erwächst.
Wie in meinem Buch über emotionale Intelligenz möchte ich hier ein neues Paradigma der Psychologie und ihrer logischen Partnerin, der Neurowissenschaft, vorstellen. Der Begriff »emotionale Intelligenz« ist bei manchen Psychologen auf Widerspruch gestoßen, andere haben sich seiner bedient; vor allem Psychologiestudenten haben ihn aufgegriffen und zum Thema ihrer eigenen Forschungen gemacht. Die Wissenschaft schreitet durch fruchtbare und provokative neue Ideen voran, nicht durch das sterile Festhalten an Dogmen. Ich hoffe, dass ich durch das hier entwickelte neue Verständnis sozialer Beziehungen und das Konzept des sozialen Gehirns eine ähnliche Vielfalt von Studien auslösen kann. Die Verlagerung der Aufmerksamkeit von Prozessen innerhalb des Individuums auf Interaktionsprozesse als grundlegende Untersuchungseinheit ist in der Psychologie zwar mehrfach gefordert, aber weitgehend vernachlässigt worden. Hierzu z.B. Frank Bernieri u.a., »Synchrony, Pseudosynchronie and Dissynchrony: Measuring the Entrainment Prosody in Mother-Infant Interactions«, Journal of Personality and Social Psychology 2, 1988, S. 243–253.
Cynthia Garza, »Young Students Seen as Increasingly Hostile« Fort Worth Star-Telegram, 15. August 2004, S. 1A.
Die amerikanische Vereinigung der Kinderärzte empfiehlt, dass Kinder unter zwei Jahren überhaupt nicht fernsehen sollten und dass der Fernsehkonsum bei älteren Kindern auf zwei Stunden am Tag begrenzt werden sollte. Der Bericht über Kleinkinder und Fernsehen wurde von Laura Certain beim Jahreskongress der Pediatric Academic Societies in Baltimore (30. April 2003) vorgestellt.
Robert Putnam, Bowling Alone, New York: Simon and Schuster 2000.
Zitiert nach: »The Glue of Society«, The Economist, 16. Juli 2005, S. 13–17.
Warren St. John, »The World at Ear’s Length«, The New York Times, 15. Februar 2004, Sect. 9, S. 1.
Anne Fisher, »Does Your Employer Help You Stay Healthy?«, Fortune, 12. Juli 2005, S. 60.
Eurodata TV Worldwide, One Television Year in the World: 2004 Issue, Paris: Médiamétrie 2004.
Norman H. Nie, »What Do Americans Do on the Internet?«, Stanford Institute for the Quantitative Study of Society. Im Internet zu finden unter www.stanford.edu/group/siqss, zitiert in John Markoff, »Internet Use Said to Cut into TV Viewing and Socializing«, New York Times, 30. Dezember 2004.
Die früheste Erwähnung des Begriffs, die ich bisher gefunden habe, findet sich in einem Aufsatz von John Cacioppo und Gary Berntson, »Social Psychological Contributions to the Decade of the Brain: Doctrine of Multilevel Analysis«, American Psychologist 47, 1992, S. 1019–1028. Im Jahr 2001 wurde dann ein Aufsatz veröffentlicht, der den Aufstieg der neuen Wissenschaft unter dem alternativen Titel »Social Cognitive Neuroscience« verkündete. Die Autoren waren Matthew Lieberman, jetzt an der UCLA, und Kevin Ochsner, jetzt an der Columbia University. Siehe Matthew Lieberman u. Kevin Ochsner, »The Emergence of Social Cognitive Neuroscience«, American Psychologist 56, 2001, S. 717–734.
Es dauerte ein Jahrzehnt, bis die soziale Neurowissenschaft als Disziplin die ausreichende kritische Masse erreichte. Heute gibt es Dutzende von Forschungseinrichtungen, die in diesem Bereich arbeiten. Die erste Konferenz zum Thema Soziale kognitive Neurowissenschaft fand vom 28. bis 30. April 2001 an der Universität von Kalifornien in Los Angeles statt. Vor über 300 Teilnehmern aus mehreren Ländern wurden 30 Vorträge gehalten. Im Jahr 2004 erklärte Thomas Insel, Direktor des National Institute for Mental Health, ein Jahrzehnt der Forschung habe gezeigt, dass die Soziale Neurowissenschaft als Disziplin Bestand habe (siehe Thomas Insel u. Russell Fernald, »How the Brain Processes Social Information: Searching for the Social Brain«, Annual Review of Neuroscience 27, 2004, S. 697–722). Die Forschungen zum Thema des sozialen Gehirns werden laut Insel Ergebnisse zutage fördern, die auch für das Allgemeinwohl von Bedeutung sind. Ab 2007 wird bei der Oxford University Press unter dem Titel Social Neuroscience das erste wissenschaftliche Publikationsorgan der Disziplin erscheinen.
Der Ausdruck »soziales Gehirn« hat sich in den letzten Jahren in den Neurowissenschaften eingebürgert. So fand beispielsweise im schwedischen Göteborg vom 25. bis 27. März 2003 eine internationale wissenschaftliche Konferenz mit dem Titel »The Social Brain« statt. Im gleichen Jahr erschien eine wissenschaftliche Aufsatzsammlung zum Thema: Martin Brüne u.a., The Social Brain: Evolution and Pathology, Sussex: John Wiley 2003. Die erste internationale Konferenz zum Thema hat übrigens in Deutschland stattgefunden, im November 2000 an der Universität Bochum.
Edward Thorndike, »Intelligence and its Use«, Harper’s Magazine 140, 1920, S. 227–235 (Zitat auf S. 228).
Ein kleiner Hinweis: Wer die Standardliteratur zum Thema »soziale Intelligenz« konsultiert, wird diese Definition dort nicht finden. Ich empfehle daher die ausgezeichnete Zusammenfassung des Diskussionsstandes von John Kihlstrom und Nancy Cantor, »Social Intelligence«, in: Robert Sternberg (Hrsg.) Handbook of Intelligence, 2. Ausg., Cambridge: Cambridge University Press 2000, S. 359–379. Mir geht es hier vor allen Dingen darum, eine heranwachsende Generation von Psychologen zu ermuntern, ihre Forschungen über den Horizont der bisherigen Begrifflichkeit hinaus zu erweitern und die Befunde der Neurowissenschaften dabei zu berücksichtigen, statt sich auf die Standardkategorien zu beschränken, die in der Psychologie unter »sozialer Intelligenz« gefasst werden. Letzteres führt zu wenig anregenden Forschungen und eröffnet keine neuen Horizonte.
Thorndike, »Intelligence«, S. 228.
Wenn ich hier von der Amygdala oder anderen spezifischen neurologischen Strukturen spreche, dann meine ich damit nicht nur die jeweilige Region des Gehirns, sondern auch ihre neuronalen Verbindungen zu anderen Regionen. Nur ausnahmsweise beziehe ich mich auf die jeweilige Region als solche, wenn ich mich mit ihrer spezifischen Beschaffenheit beschäftige.
Brooks Gump u. James Kulik, »Stress, Affiliation, and Emotional Contagion«, Journal of Personality and Social Psychology 72, Nr. 2, 1997, S. 305–319.
Diese nachforschende Funktion der Amygdala wird durch ihre Verbindung zum Kortex ausgelöst, der unsere Aufmerksamkeit für Ungewissheiten steuert. Wenn die Amygdala im Angesicht einer möglichen Gefahr »feuert«, richtet sie über die kortikalen Zentren unsere Aufmerksamkeit auf die mögliche Quelle der Gefahr; dabei empfinden wir Sorge und Unbehagen oder sind sogar ein bisschen ängstlich. Personen, deren Amygdala ständig stark aktiviert ist, erscheint die Welt als ein undurchsichtiger und dauernd bedrohlicher Ort. Ein schweres Trauma, wie etwa durch einen Raubüberfall, kann die Wachsamkeit der Amygdala steigern. Dabei erhöht sich der Pegel der Neurotransmitter, die uns dazu veranlassen, die Welt um uns herum genau im Blick zu halten. Die meisten Symptome posttraumatischer Störungen, wie etwa Überreaktion auf neutrale Stimuli, die nur vage an das eigentliche Trauma erinnern, sind Hinweise auf eine derartige Überaktivität der Amygdala. Siehe Dennis Charney u.a., »Psychobiologic Mechanisms of Posttraumatic Stress Disorder«, Archives of General Psychiatry 50, 1993, S. 294–305.
Siehe beispielsweise Beatrice de Gelder u.a., »Fear Fosters Flight: A Mechanism for Fear Contagion When Perceiving Emotion Expressed by a Whole Body«, Proceedings of the National Academy of Sciences 101, Nr. 47, 2004, S. 16 u. 701–706.
Es handelt sich hier um eine der Möglichkeiten, Gefühle zu empfinden. Es gibt andere neuronale Pfade, bei denen wir nicht selbst fröhlich sein müssen, um zu erkennen, dass es jemand anderer ist.
Affektives Blindsehen, bei dem eine funktionell blinde Person mit bestimmten Gehirnverletzungen die über den Gesichtsausdruck einer anderen Person vermittelten Gefühle durch die Amygdala registrieren kann, wurde auch bei anderen Patienten festgestellt. Siehe z.B. J. S. Morris u.a., »Differential Extrageniculostriate and Amygdala Responses to Presentation of Emotional Faces in a Cortically Blind Field«, Brain 124, Nr. 6, 2001, S. 1241–1252.
Die klassische Arbeit hierzu ist: Elaine Hatfield u.a., Emotional Contagion, Cambridge: Cambridge University Press 1994.
Allerdings kann man sich des oberen Pfads bedienen, um gezielt Emotionen hervorzurufen, wie es etwa Schauspieler tun. Ein weiteres Beispiel ist das systematische Erzeugen von Mitgefühl bei der religiösen Praxis; diese gezielte Erzeugung von positiven Emotionen bedient sich des oberen Pfads zur Steuerung des unteren.
Kognition und Emotion sind normalerweise nicht in Widerstreit. Die meiste Zeit über handeln der obere und der untere Pfad synergetisch oder verfolgen zumindest parallele Wege zum selben Ziel. Ebenso arbeiten Gefühl und Verstand normalerweise nahtlos zusammen, wenn es darum geht, unser Verhalten zu motivieren, um ein Ziel zu erreichen. Manchmal entsteht jedoch ein Widerspruch, und es kommt zu scheinbar irrationalen Verhaltensweisen, bezüglich derer Verhaltenwissenschaftler, darunter Psychologen und Ökonomen, bisher vor einem Rätsel standen. Aus solchen Fällen können wir lernen, welche Eigenschaften diese beiden Systeme in unserem Gehirn haben; wenn hingegen beide eng zusammenarbeiten, ist es schwierig, den jeweiligen Anteil zu bestimmen. Wenn sie in Konkurrenz treten, lässt sich der systemspezifische Beitrag besser bestimmen.
Die Amygdala, im Mittelhirn unterhalb des Kortex angesiedelt, verarbeitet automatische emotionale Prozesse. Der präfrontale Kortex, Sitz der sogenannten exekutiven Funktionen, erhält seine Informationen aus vielen anderen Regionen des Gehirns und integriert sie in eine entsprechende Planung. Siehe hierzu Timothy Shallice u. Paul Burgess, »The Domain of Supervisory Processes and Temporal Organization of Behavior«, Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences 351, 1996, S. 1405–1412.
Allerdings ist auch der obere Pfad nicht gegen Fehler und verzerrte Wahrnehmung gefeit. Zum Verhältnis von oberem und unterem Pfad siehe Mark Williams u.a., »Amygdala Responses to Fearful and Happy Facial Expressions under Conditions of Binocular Suppression«, Journal of Neuroscience 24, Nr. 12, 2004, S. 2898–2904.
John Dewey, Experience and Nature, LaSalle: Illinois 1925, S. 256.
Roland Neumann u. Fritz Strack, »›Mood Contagion‹: The Automatic Transfer of Mood Between Persons«, Journal of Personality and Social Psychology 79, Nr. 2, 2000, S. 3022–3514.
Siehe Ulf Dimberg u. Monika Thunberg, »Rapid Facial Reactions to Emotional Facial Expression,« Scandinavian Journal of Psychology 39, 2000, S. 39–46; Ulf Dimberg, »Facial EMG and Emotional Reactions«, Psychophysiology 27, 1990, S. 481–494.
Ulf Dimberg, Monika Thunberg u. Kurt Elmehed, »Unconscious Facial Reactions to Emotional Facial Expressions,« Psychological Science 11, 2000, S. 86–89.
Edgar Allen Poe, zitiert nach Robert Levenson u.a., »Voluntary Facial Action Generates Emotion-Specific Nervous System Activity«, Psychophysiology 27, 1990, S. 363–384.
David Denby, »The Quick and the Dead«, New Yorker 80, 29. März 2004, S. 103–105.
Zum Einfluss von Filmen aufs Gehirn siehe Uri Hasson u.a., »Intersubject Synchronization of Cortical Activity During Natural Vision«, Science 303, Nr. 5664, 2004, S. 1634–1640.
Siehe z.B. Stephanie D. Preston u. Frans B. M. de Waal, »Empathy: Its Ultimate and Proximate Bases«, Behavioral and Brain Sciences 25, 2002, S. 1–20.
Unser Gehirn ist darauf programmiert, hervorstechende Merkmale besonders zu registrieren, was möglicherweise darauf zurückgeht, dass in der Wildnis emotionale und perzeptive Intensität immer auch ein Ausdruck drohender Gefahr sein kann. Heute registrieren wir damit meist nur mehr das abendliche Fernsehprogramm.
Emily Butler u.a., »The Social Consequences of Expressive Suppression«, Emotion 3, Nr. 1, 2003, S. 48–67.
Schon der Versuch der Unterdrückung lässt immer wieder Gedanken an das Unterdrückte aufsteigen. Das gilt auch, wenn wir versuchen, an etwas anderes zu denken oder uns zu entspannen. Trotz unseres Bedürfnisses nach einer bewussten Kontrolle natürlicher Impulse gelingt uns das nicht immer hundertprozentig. Wenn wir bewusst unsere tiefempfundenen Emotionen unterdrücken – etwa ein ruhiges Gesicht aufsetzen, obwohl wir eigentlich besorgt sind –, dringt immer etwas von unserem Gefühl an die Oberfläche. Die Nähe zu anderen nimmt zu, je offener wir ihnen unsere Gefühle zeigen. Je stärker wir hingegen versuchen, Gefühle zu unterdrücken, und je stärker diese unterdrückten Gefühle sind, desto mehr steigern wir unabsichtlich die Spannung, die in der Luft liegt; ein Gefühl, das jeder kennt, dessen Partner starke Gefühle »versteckt«. Zu den Folgen unterdrückter Emotionen siehe E. Kennedy-Moore u.J. C. Watson, »How and When Does Emotional Expression Help?«, Review of General Psychology 5, 2001, S. 187–212.
Das neuronale Radar konvergierte im ventromedialen Bereich des präfrontalen Kortex. Siehe Jean Decety u. Thierry Chaminade, »Neural Correlates of Feeling Sympathy«, Neuropsychologia 41, 2003, S. 127–138.
Zum Thema Vertrauenswürdigkeit siehe Ralph Adolfs u.a., »The Human Amygdala in Social Judgment«, Nature 393, 1998, S. 410–474.
Siehe J. S. Winston u.a., »Automatic and Intentional Brain Responses During Evaluation of Trustworthiness of Faces«, Nature Neuroscience 5, Nr. 3, 2002, S. 277–283. Kurz gesagt, überprüft die Amygdala jeden Menschen, der uns begegnet, auf seine Vertrauenswürdigkeit. Lautet das Urteil auf nicht vertrauenswürdig, wird die rechte Insula aktiviert und überträgt das Signal an das viszerale System, und die Region des spindelförmigen Gyrus, die auf Gesichter reagiert, zeigt Aktivität. Hingegen reagiert der orbitofrontale Kortex stärker, wenn das Urteil der Amygdala auf vertrauenswürdig lautet. Der rechte obere temporale Sulcus fungiert als assoziativer Kortex, um das Urteil zu verarbeiten, das dann im emotionalen System unter Beteiligung von Amygdala und orbifrontalem Kortex etikettiert wird.
Zum Thema Blickrichtung und Lügen siehe Paul Ekman, Weshalb Lügen kurze Beine haben, Berlin: De Gruyter 1985.
Ebenda.
Zu kognitiver Kontrolle und Lügen siehe Sean Spence, »The Deceptive Brain«, Journal of the Royal Society of Medicine 97, 2004, S. 6–9. Dass Lügen eine zusätzliche kognitive und emotionale Anstrengung in den neuronalen Schaltkreisen erfordert, hat Hoffnungen geschürt, die fMRT eines Tages als Lügendetektor einsetzen zu können. Das wird jedoch noch einige Zeit dauern, denn zunächst muss eine Reihe logistischer Probleme beim Einsatz dieser Technik gelöst werden, etwa die Kontrolle der Artefakte in den Signalen, die entstehen, wenn man während der Aufnahme spricht.
Cameron Anderson, Dacher Keltner u. Oliver P. John, »Emotional Convergence Between People Over Times«, Journal of Personality and Social Psychology 84, Nr. 5, 2003, S. 1054–1068.
Frances La Barre, On Moving and Being Moved: Nonverbal Behavior in Clinical Practice, Hillsdale, NJ: Analytic Press 2001.
Zwar gab es eine Konjunktur psychophysiologischer Studien von Zweipersonensituationen in den 1950er und 1960er Jahren, aber die damals verwendeten Methoden reichten nicht aus oder waren nicht präzise genug und so verschwand diese Forschungsrichtung wieder. Erst in den 1990er Jahren wurde sie wiederbelebt.
Robert Levinson u. Anna Ruef, »Empathy: A Physiological Substrate«, Journal of Personality and Social Psychology 63, 1992, S. 234–246.
Stuart Ablon u. Carl Marci, »Psychotherapy Process: The Missing Link«, Psychological Bulletin 130, 2004, S. 664–668, Carl Marci u.a., »Physiologic Evidence for the Interpersonal Role of Laughter During Psychotherapy«, Journal of Nervous and Mental Disease 192, 2004, S. 689–695.
Linda Tickle-Degnan u. Robert Rosenthal, »The Nature of Rapport and Its Nonverbal Correlates«, Psychological Inquiry 1, Nr. 4, 1990, S. 285–293.
Frank J. Bernieri u. John S. Gillis, »Judging Rapport,« in: Judith A. Hall u. Frank J. Bernieri, Interpersonal Sensitivity: Theory and Measurement, Mahwah, N. J.: Erlbaum 2001.
Damit eine solche Beziehung aufblühen kann, müssen positive Empfindungen, gegenseitige Aufmerksamkeit und eine gewisse physiologische Synchronie zur gleichen Zeit präsent sein. Bei einem Boxkampf hingegen findet eine enge körperliche Koordination ohne positive Gefühle statt. Auch bei einem Ehestreit sind gegenseitige Aufmerksamkeit und ein gewisses Maß an Koordination vorhanden, aber bar jeglicher Zuneigung. Die Kombination von gegenseitiger Aufmerksamkeit und Koordination ohne positive Gefühle tritt ferner auf, wenn zwei Fremde sich auf einem überfüllten Gehsteig begegnen – sie können sich aneinander vorbeidrängen, ohne das geringste Interesse aneinander zu entwickeln.
J. B. Bavelas u.a., »I Show How You Feel: Motor Mimicry as a Communicative Act,« Journal of Social and Personality Psychology 50, 1986, S. 322–329. Auch zeigt sich, dass bei einer intensiven Unterhaltung das Auftreten einer dritten Person die gegenseitige Fokussierung der Gesprächspartner aufbricht.
Michael J. Newcombe u. Neal M. Ashkanasy, »The Code of Affect and Affective Congruence in Perceptions of Leaders: An Experimental Study«, Leadership Quarterly 13, 2002, S. 601–604.
Systematische Untersuchungen von Trinkgeldeinnahmen zeigen, dass Gäste für guten Service meist gegen Abend mehr Trinkgeld geben. In einer Studie bekam die beste Kellnerin durchschnittlich siebzehn Prozent des Rechnungsbetrags als Trinkgeld, die schlechteste nur zwölf Prozent. Übers Jahr gesehen macht das einen nennenswerten Unterschied im Einkommen aus. Siehe hierzu: Michael Lynn u. Tony Simons, »Predictors of Male and Female Servers’ Average Tip Earnings«, Journal of Applied Social Psychology 30, 2000, S. 241–252.
Tanya Chartrand u. John Bargh, »The Chameleon Effect: The Perception-Behavior Link and Social Behavior«, Journal of Personality and Social Psychology 76, 1999, S. 893–910.
Diese Studie wurde von einem von Frank Bernieris Studenten durchgeführt und wird referiert in: Mark Greer, »The Science of Savoir Faire«, Monitor on Psychology, Januar 2005.
Frank J. Bernieri u. Robert Rosenthal, »Interpersonal Coordination: Behavior Matching an Interactional Synchrony«, in: Robert S. Feldman u. Bernard Rimé, Fundamentals of Nonverbal Behavior, New York: Cambridge University Press 1991.
Zwar können auch Fremde bei ihrer ersten Begegnung eine halbwegs funktionierende nonverbale Kommunikation aufbauen, aber die Synchronie nimmt mit zunehmender Vertrautheit zu. Alte Freunde verfallen sofort in ein locker dahinfließendes Duett, möglicherweise auch deswegen, weil sie durch die lange Vertrautheit mit dem anderen bestimmte Besonderheiten des anderen akzeptieren können, auf die ein Fremder vielleicht konsterniert reagieren würde.
David McFarland, »Respiratory Markers of Conversational Interaction«, Journal of Speech, Language and Hearing Research 44, 2001, S. 128–145.
M. LaFrance, »Nonverbal Synchrony and Rapport: Analysis by Cross-lag Panel Technique«, Social Psychology Quarterly 42, 1979, S. 66–70; M. LaFrance u.M. Broadbent, »Group Rapport: Posture Sharing as a Nonverbal Behavior«, in: Martha Davies, (Hrsg.) Interaction Rhythms, New York: Human Sciences Press 1982. Die Wirkungsweise dieser Choreographie ist gelegentlich unerwartet. In einer Situation, in der sich zwei Menschen gegenüberstehen, wird die Harmonie stärker empfunden, wenn die Nachahmung spiegelbildlich verläuft, das heißt, wenn der eine den rechten Arm hebt und der andere als Reaktion den linken.
E. Roy John, persönliche Mitteilung.
R. Port und T. Van Gelder, Mind as Motion: Explorations in the Dynamics of Cognition, Cambridge, Mass.: MIT Press 1995.
D. N. Lee, »Guiding Movements by Coupling Taus«, Ecological Psychology 10, 1998, S. 221–250.
Einen Überblick über die Forschung gibt der in Anmerkung zehn erwähnte Aufsatz von Bernieri und Rosenthal.
Die Synchronisation zwischen Bewegungen und Sprache kann außerordentlich subtil sein. Zum Beispiel tritt sie mit höherer Wahrscheinlichkeit am Anfang einer Intonationsphrase auf, einer zusammenhängend und einheitlich artikulierten Reihe von Silben. Wir gruppieren unsere Rede in solche Phrasen, wobei jeweils am Ende vor Beginn der nächsten Einheit ein kaum merklicher Abfall der Sprechgeschwindigkeit stattfindet. Siehe Bernieri und Rosenthal (Anm. 10).
Richard Schmidt, »Effects of Visual and Verbal Interaction on Unintended Interpersonal Coordination«, Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance 31, 2005, S. 62–79.
Joseph Jaffe u.a., »Rhythms of Dialogue in Early Infancy«, Monographs of the Society for Research in Child Development 66, Nr. 264, 2001. Im Alter von etwa vier Monaten verschiebt sich die Aufmerksamkeit des Kindes von Handlungen, die zeitlich perfekt zu seinen eigenen passen, auf Handlungen, die zwar koordiniert, aber nicht genau synchronisiert sind. Dies ist ein Hinweis auf die Entwicklung der inneren Oszillatoren, die jetzt imstande sind, auch komplexere zeitliche Koordinationsleistungen zu erbringen. Siehe hierzu G. Gergely und J. S. Watson, »Early Social-Emotional Development: Contingency Perception and the Social Feedback Model«, in: Philippe Rochat (Hrsg.), Early Social Cognition, Hillsdale, NJ: Erlbaum 1999.
Beatrice Beebe u. Frank M. Lachman, »Representation and Internalisation in Infancy: Three Principles of Salience«, Psychoanalytic Psychology 11, 1994, S. 127–166.
Colwyn Trevarthen, »The Self Born in Intersubjectivity: The Psychology of Infant Communicating«, in: Ulric Neisser (Hrsg.), The Perceived Self: Ecological and Interpersonal Sources of Self-Knowledge, New York: Cambridge University Press 1993, S. 121–173.
Brooks Gump u. James Kulik, »Stress, Affiliation, and Emotional Contagion«, Journal of Personality and Social Psychology 72, 1997, S. 305–319.
Siehe z.B. Paul J. Whalen u.a., »A Functional MRI Study of Human Amygdala Responses to Facial Expressions of Fear Versus Anger«, Emotion 1, 2001, S. 70–83; J. S. Morris u.a., »Conscious and Unconscious Emotional Learning in the Human Amygdala«, Nature 393, 1998, S. 467–470.
Wenn man das Gesicht eines Menschen sieht, der sich ängstigt, dann entwickelt man selbst die gleiche Erregung, wenn auch nicht in vollem Ausmaß. Der Hauptunterschied liegt in der Stärke der Reaktion des vegetativen Nervensystems, die bei real verängstigten Menschen maximal, beim Beobachter jedoch wesentlich schwächer ist. Je stärker die Reaktion der Insula beim Beobachter, desto größer seine emotionale Reaktion.
J. A. Bargh, M. Chen u. L. Burrows, »Automaticity of Social Behavior: Direct Effects of Trait Construct and Stereotype Activation on Action«, Journal of Personality and Social Psychology 17, 1996, S. 230–244.
Luiz Pessoa u.a., »Visual Awareness and the Detection of Fearful Faces«, Emotion 5, 2005, S. 243–247.
G. di Pelligrino u.a., »Understanding Motor Events: A Neurophysiological Study«, Experimental Brain Research 91, 1992, S. 176–180.
W. D. Hutchinson u.a., »Pain-related Neurons in the Human Cingulate Cortex«, Nature Neuroscience, 2, 1999, S. 403–405. Andere fMRT-Studien zeigten, dass identische Gehirnregionen aktiv sind, wenn eine Testperson die Bewegung eines Fingers beobachtet und wenn sie selbst diese Bewegung ausführt; in einer dieser Studien fand man heraus, dass die entsprechende Aktivität dann am höchsten war, wenn die Testperson die Bewegung in Reaktion auf dieselbe Bewegung einer anderen Person vollzog, wenn sie diese also nachahmte (hierzu: Marco Iacoboni u.a., »Cortical Mechanisms of Human Imitation«, Science 286, 1999, S. 2526–2538). Andere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass unterschiedliche Regionen des Gehirns aktiv sind, wenn man sich eine Bewegung vorstellt bzw. sie beobachtet. Das wurde dahingehend interpretiert, dass es unterschiedliche Regionen für die Erkennung und die Ausführung von Bewegungen gibt, in diesem Fall für Ergreifen eines Gegenstands. Siehe hierzu T. Grafton u.a., »Localization of Grasp Representations in Humans by PET: Observations Compared with Imagination«, Experimental Brain Research 112, 1996, S. 103–111.
Siehe hierzu L. Fadiga u.a., »Motor Facilitation During Action Observation: A Magnetic Stimulation Study«, Journal of Neurophysiology 73, 1995, S. 2608–2626.
Diese Blockade geschieht durch inhibitorische Neuronen im präfrontalen Kortex. Patienten mit Schäden in dieser Region lassen entsprechende inhibitorische Reaktionen vermissen, sie tun und sagen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Dafür gibt es zwei Erklärungsmodelle: Entweder haben die präfrontalen Regionen direkte inhibitorische Verbindungen, oder es werden posteriore kortikale Regionen aktiviert, die über lokale inhibitorische Verbindungen verfügen.
Bis jetzt hat man Spiegelneuronen in verschiedenen Gehirnregionen auch außerhalb des prämotorischen Kortex gefunden, zum Beispiel im posterioren parietalen Lappen, dem superioren temporalen Sulcus und in der Insula.
M. Iacoboni u.a., »Cortical Mechanisms of Human Imitation«, Science 286, 1999, S. 2526–2538.
Kiyoshi Nakahara und Yashushi Miyashita, »Understanding Intentions: Through the Looking Glass«, Science 308, 2005, S. 644–645; Leonardo Fogassi, »Parietal Lobe: From Action Organization to Intention Understanding«, Science 308, 2005, S. 662–666.
Siehe Stephanie D. Preston und Frans de Waal, »The Communication of Emotions and the Possibility of Empathy in Animals«, in: Stephen G. Post u.a. (Hrsg.), Altruism and Altruistic Love: Science, Philosophy, and Religion in Dialogue, New York: Oxford University Press 2002.
Wenn die Handlungen einer anderen Person für uns von hoher emotionaler Bedeutung sind, bringen wir das automatisch durch unsere Gestik und Mimik zum Ausdruck. Wir zeigen damit, dass wir ebenso empfinden. Diese »Vorschau« auf ein Gefühl oder eine Bewegung ist nach der Meinung einiger Neurowissenschaftler eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung von menschlicher Sprache und Kommunikation. Eine dieser Theorien geht davon aus, dass Sprache auf die Aktivität von Spiegelneuronen zurückgeführt werden kann und dass es sich bei den Vorläufern der Sprache ursprünglich um ein Repertoire von Gesten handelte, aus dem sich vokale Formen der Kommunikation entwickelt haben. Siehe Giacomo Rizzolatti und M. A. Arbib, »Language Within Our Grasp«, Trends in Neuroscience 98, 21, 1998, S. 188–194.
Giacomo Rizzolatti laut Sandra Blakeslee, »Cells That Read Minds«, New York Times vom 10. Januar 2006, S. C3.
Daniel Stern, The Present Moment in Psychotherapy and Everyday Life, New York: W. W. Norton Co. 2004, S. 76.
Paul Ekman, Telling Lies: Clues to Deceit in the Marketplace, Politics, and Marriage, New York: W. W. Norton 1985.
Robert Provine, Laughter: A Scientific Investigation, New York: Viking Press 2000.
Jukka Leppanen und Jari Hietanan, »Affect and Face Perception«, Emotion 3, 2003, S. 315–326.
Barbara Fraley und Arthur Aron, »The Effect of a Shared Humorous Experience on Closeness in Initial Encounters«, Personal Relationships 11, 2004, S. 61–78.
Die für das Lachen zuständigen neuronalen Schaltkreise sitzen in den primitivsten Teilen des Gehirns, dem Hirnstamm. Siehe Stephen Sivvy und Jaak Panksepp, »Juvenile Play in the Rat«, Physiology and Behavior 41, 1987, S. 103–114.
Brenda Lundy u.a., »Same-sex and Opposite-sex Best Friend Interaction Among High School Juniors and Seniors«, Adolescence 3, 1998, S. 279–288.
Darryl McDaniels, zitiert in Josh Tyrangiel, »Why You Can’t Ignore Kanye«, Time vom 21. August 2005.
Das Zitat von Legend stammt aus dem Artikel »Bling Is Not Their Thing: Hip-hop Takes a Relentlessly Positive Turn«, Daily News of Los Angeles vom 24. Februar 2005.
Susan Blakemore, The Meme Machine, Oxford: Oxford University Press 1999.
Für eine gründlichere Behandlung des Themas siehe E. T. Higgins, »Knowledge Activation: Accessibility, Applicability, and Salience«, Social Psychology: Handbook of Basic Principles, New York: Guilford Press 1996.
Siehe Bargh, Chen u. Burrows, »Automaticity of Social Behavior«, Anm. 4 dieses Kapitels.
John A. Bargh, »The Automaticity of Everyday Life«, in: R. S. Wyer (Hrsg.) Advances in Social Cognition, Bd. 10, Hillsdale, NJ: Erlbaum 1997.
Thomas Geoff u. Garth Fletcher, »Mind-reading Accuracy in Intimate Relationships: Assessing the Role of Relationship, the Target, and the Judge«, Journal of Personality and Social Psychology 85, 2003, S. 1079–1094.
Colwyn Trevarthen, »The Self Born in Intersubjectivity: The Psychology of Infant Communicating«, in: Ulric Neisser (Hrsg.), The Perceived Self: Ecological and Interpersonal Sources of Self-knowledge, New York: Cambridge University Press 1993, S. 121–173.
Die emotionale Überlappung stellte sich unabhängig davon ein, ob das Duo der Meinung war, es habe sich angefreundet. Siehe Cameron Anderson, Dacher Keltner und Oliver P. John, »Emotional Convergence Between People over Time«, Journal of Personality and Social Psychology 84, Nr. 5, 2003, S. 1054–1068.
Bei dem berüchtigten Desaster im Heysel-Stadion im Jahr 1985 provozierten britische Hooligans belgische Fans. Eine Mauer brach ein, und es gab neununddreißig Tote. In den folgenden Jahren gab es immer wieder tödliche oder zumindest lebensgefährliche Tumulte in europäischen Fußballstadien.
Elias Canetti, Masse und Macht, München: Hanser 1994.
Robert Levenson u. Anna Ruef, »Emotional Knowledge and Rapport«, in: William Ickes (Hrsg.) Empathic Accuracy, New York: Guilford Press 1997, S. 44–72.
Elaine Hatfield u.a., Emotional Contagion, Cambridge: Cambridge University Press 1994.
Sigal Barsede, »The Ripple Effect: Emotional Contagion and Its Influence on Group Behavior«, Administrative Science Quarterly 47, 2002, S. 644–675.
Die emotionale Verknüpfung in einer Gruppe hält alle Mitglieder auf der gleichen Wellenlänge. In Gruppen, die Entscheidungen treffen müssen, kann diese Art der Verbundenheit dazu beitragen, dass Differenzen offen und ohne Angst vor Streit ausgesprochen werden. Gruppenharmonie bedeutet, dass ein sehr breites Spektrum von Meinungen berücksichtigt werden kann, um die beste Entscheidung zu treffen, immer vorausgesetzt, es herrscht eine Atmosphäre, in der abweichende Ansichten geäußert werden können. Während einer hitzigen Auseinandersetzung ist es immer schwer, das aufzunehmen, was andere sagen, geschweige denn, sich darauf einzulassen.
Das Experiment vom guten Samariter ist ein sozialpsychologischer Klassiker. Siehe J. M. Darley u. C. D. Batson, »From Jerusalem to Jericho«, Journal of Personality and Social Psychology 27, 1973, S. 100–108. Ich habe diese Untersuchung in meinem 1987 erschienenen Buch Lebenslügen zitiert.
Wie sich an den eiligen Studenten zeigt, hat die soziale Situation einen wesentlichen Einfluss darauf, ob uns ein Zugehen auf den anderen angemessen erscheint oder nicht, bzw. ob wir überhaupt reagieren. Es bestünde beispielsweise überhaupt keine Notwendigkeit einzugreifen, wenn man in dieser Situation Sanitäter herbeieilen sähe. Zudem lassen wir uns eher mit Personen ein, die uns nahe stehen. Je fremder uns der andere ist, desto weniger sind wir bereit, Hilfe zu leisten.
Siehe z.B. C. Daniel Bateson u.a., »Five Studies Testing Two New Egoistic Alternatives to the Empathy-Altruism Hypothesis«, Journal of Personality and Social Psychology 40, 1988, S. 52–57.
Es gibt keine wirklich adäquate Übersetzung für das japanische Wort kando. Im Sanskrit findet man einen ähnlichen Ausdruck, das Wort mudita. Es bezeichnet die Freude, die sich einstellt, wenn andere etwas Gutes tun oder empfangen. Das Englische hat hingegen das deutsche Wort »Schadenfreude« übernommen, das genaue Gegenteil von mudita. Siehe auch Tania Singer u.a., »Empathy for Pain Involves the Affective but Not Sensory Components of Pain«, Science 303, 2004, S. 1157–1162.
Siehe Jonathan D. Haidt und Corey L. M. Keyes, Flourishing: Positive Psychology and the Life Well Lived, Washington, DC: American Psychological Association Press 2003.
Joseph Sisneros u.a., »Steroid-Dependent Auditory Plasticity Leads to Adaptive Coupling of Sender and Receiver«, Science 305, 2004, S. 404–407.
Wenn das Baby müde oder ärgerlich ist, tut es genau das Gegenteil, es agiert auf einer Art und Weise, die seine Aufmerksamkeit reduziert, und wartet darauf, gestreichelt, beruhigt und aufgehoben zu werden. Siehe hierzu: Colwyn Trevarthen, »The Self Born in Intersubjectivity: The Psychology of Infant Communicating«, in: Ulric Neisser (Hrsg.), The Perceived Self: Ecological and Interpersonal Sources of Self-Knowledge, New York: Cambridge University Press 1993, S. 121–173.
Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen, u. a. Frankfurt a. M.: Fischer 2005.
S.E. Shelton u.a., »Aggression, Fear and Cortisol in Young Rhesus Monkeys«, Psychoneuroendocrinology 22, Suppl. 2, 1997, S. 198.
J. B. Silk u.a., »Social Bonds of Female Baboons Enhance Infant Survival«, Science 302, 2003, S. 1231–1234.
Früher ging man davon aus, dass die Entwicklung eines großen und zur Intelligenz fähigen Gehirns beim Menschen die Folge der menschlichen Fähigkeit zur Verwendung und Herstellung von Werkzeugen war. In letzter Zeit setzt sich allerdings allmählich die Meinung durch, dass das soziale Leben für das Überleben und für die Aufzucht eines reproduktionsfähigen Nachwuchses eine eminente Bedeutung hat.
Stephen Hill, »Storyteller, Recovering from Head-on Crash, Cites ›Miracle of Mother’s Day‹«, Daily Hampshire Gazette, 11. Mai 2005, S. B1.
Die Vorstellung, dass Empathie gemeinsame Gefühle umfasst, hat in der Psychologie eine lange Geschichte. Einer der ersten Theoretiker, William McDougall, schlug bereits 1908 vor, dass im Modus der »Sympathie« der physiologische Zustand einer Person auch in deren Gegenüber hervorgerufen wird. Achtzig Jahre später vermutete Leslie Brothers, dass es für ein Verständnis der Empfindungen anderer Menschen erforderlich sei, diese Empfindungen bis zu einem gewissen Grad selbst zu erfahren. 1992 stellten Robert Levenson und Anna Ruef fest, dass sich der Herzschlag von zwei Menschen, die in ein emotional aufgeladenes Gespräch verwickelt sind, synchronisiert; daraus entwickelten sie die Hypothese, dass diese physiologische Ähnlichkeit eine der Grundlagen der Empathie sei.
Christian Keysers von der Universität Groningen, zitiert in: Greg Miller, »New Neurons Strive to Fit In«, Science 311, 2005, S. 938–940.
Konstantin Stanislawski, zitiert in: Jonathan Cott, On a Sea of Memory, New York: Random House 2005, S. 138.
Kevin Ochsner u.a., »Reflecting upon Feelings: An fMRI Study of Neural Systems Supporting the Attribution of Emotions to Self and Other«, Journal of Cognitive Neuroscience 16, 2004, S. 1746–1772.
Laurie Carr u.a., »Neural Mechanisms of Empathy in Humans: A Relay from Neural Systems for Imitation to Limbic Areas«, Proceedings of the National Academy of Sciences 100, Nr. 9, 2003, S. 5497–5502. Die dabei aktivierten Regionen sind der prämotorische Kortex, der inferiore frontale Kortex und die anteriore Insula sowie die Amygdala. Bei letzterer war eine deutliche Zunahme der Aktivität in mehreren Stufen von der Beobachtung bis zur Nachahmung zu beobachten.
Theodore Lipps, zitiert in: Vittorio Gallese, »The ›Shared Manifold‹ Hypothesis: From Mirror Neurons to Empathy«, Journal of Consciousness Studies 8, Nr. 5–7, 2001, S. 33–50.
Stephanie D. Preston und Frans B. M. de Waal, »Empathy: Ist Ultimate and Proximate Bases«, Behavioral and Brain Sciences 25, 2002, S. 1–20.
Diese Ähnlichkeit ist jedoch keineswegs ein direkter Hinweis auf Empathie. Es könnte auch sein, dass beim derzeitigen Entwicklungsstand der Messtechnik ein Gefühl aus zwei unterschiedlichen neuronalen Quellen ähnlich erscheint.
Stephanie D. Preston u.a., »Functional Neuroanatomy of Emotional Imagery: PET of Personal and Hypothetical Experiences«, Journal of Cognitive Neuroscience, April Supplement, 126, 2002.
Technisch gesehen ist diese neuronale Kurzschrift »verarbeitungseffizient«, was die Menge der verarbeiteten Informationen wie auch das dafür benötigte Speichervolumen betrifft. Siehe Preston und de Waal, »Empathy« (Anm. 19 dieses Kapitels).
Antonio Damasio, The Feeling of What Happens, New York: Harcourt 2000.
Über Hobbs siehe J. Aubrey, Brief Lives, Chiefly of Contemporaries, set down by John Aubrey, Between the years 1669 and 1696, Bd. 1, hrsg. von A. Clark, London: Clarendon Press 1898.
Eine abgeschwächte Variante der Maxime »Jeder für sich selbst« vertrat im achtzehnten Jahrhundert der britische Philosoph Adam Smith, der für die Schaffung von Reichtum im Rahmen eines auf dem Prinzip des Laissez-faire basierenden Wirtschaftssystems eintrat. Smith ging davon aus, dass durch die Verfolgung von Eigeninteresse sich ein System gerechter Märkte herausbilden würde. Diese Sicht liegt den heutigen ökonomischen Ideen des freien Marktes zugrunde. Sowohl Hobbes als auch Smith werden heute immer wieder zitiert, wenn es um die grundlegenden Triebkräfte und Motive menschlichen Handelns geht und zwar mit Vorliebe von jenen, die sich dabei auf das reine Selbstinteresse als Handlungsantrieb berufen – in der brutalen Form bei Hobbes, in der rationalen bei Smith.
Stephanie D. Preston und Frans de Waal »The Communication of Emotions and the Possibility of Empathy in Animals«, in: S. Post u.a. (Hrsg.), Altruism and Altruistic Love: Science, Philosophy, and Religion in Dialogue, New York: Oxford University Press 2000. Die beiden Autoren argumentieren, dass aus evolutionärer Perspektive die Differenz zwischen egoistisch und altruistisch irrelevant ist, da hier eine Vielzahl von Verhaltensweisen in einem technischen Sinne als »egoistisch« bezeichnet werden kann.
Mengzi, zitiert in: Frans de Waal, The Ape and the Sushi Master: Cultural Reflections by a Primatologist, New York: Basic Books-Perseus 2001, S. 256. Mengzi bringt das Beispiel, dass jeder, der ein Kind sieht, das in den Brunnen zu fallen droht, den Impuls empfindet, zu Hilfe zu eilen.
Jean Decety und Thierry Chaminade, »Neural Correlates of Feeling Sympathy«, Neuropsychologia 41, 2003, S. 127–138.
Ap Dijksterhuis u. John A. Bargh, »The Perception-Behavior Expressway: Automatic Effects of Social Perception on Social Behavior«, Advances in Experimental Social Psychology 33, 2001, S. 1–40.
Charles Darwin, Der Ausdruck von Gemütsbewegungen bei den Menschen und den Tieren, u.a. Frankfurt a. M.: Eichborn 2000.
Beatrice de Gelder u.a., »Fear Fosters Flight: A Mechanism for Fear Contagion When Perceiving Emotion Expressed by a Whole Body«, Proceedings of the National Academy of Sciences 101, 2004, S. 16701–16706. Der Schaltkreis des medialen präfrontalen-anterioren cingulären Systems, der auf soziale Stimuli wie Bilder von verzweifelten Menschen reagieren, steuert wiederum je nach Art der wahrgenommenen Herausforderung andere Zentren des Gehirns an.
Siehe zum Beispiel Dennis Krebs, »Empathy and Altruism, An Examination of the Concept and a Review of Literature«; Psychological Bulletin 73, 1970, S. 258–302; C. D. Batson, The Altruism Question: Toward a Scientific Answer, Mahwah, N. J.: Erlbaum 1991. In konventionellen sozialpsychologischen Experimenten wird die menschliche Not möglicherweise nicht stark genug repräsentiert, um die Verbindung von Empathie und Handlung auszulösen. Die Frage, ob man bereit wäre, für einen wohltätigen Zweck zu spenden, richtet sich an das kognitive wie an das emotionale System. Aber etwas von der Stärke des von Mengzi verwendeten Bildes – der Anblick eines Kindes, das in den Brunnen zu fallen droht – sollte andere neuronale Bereiche aktivieren und damit zu neuen Befunden führen.