Simon Sebag Montefiore
Katharina die Grosse und Fürst Potemkin
Eine kaiserliche Affäre
Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter und Sabine Baumann
FISCHER E-Books
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Erschienen bei FISCHER KJB
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2010
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ISBN 978-3-10-400799-1
»Unter diesem Stein ruht Bauer, Knall mit der Peitsche, Kutscher!«
Zum Beispiel beurteilte ein hochgeachteter Geschichtsprofessor der Cambridge University 1994 die politischen und militärischen Fähigkeiten Potemkins und stellte dabei die amüsante, doch durch nichts zu rechtfertigende Behauptung auf, dass es ihm »überall außerhalb des Schlafzimmers an Selbstbewusstsein mangelte«.
Sein Geburtsdatum ist, wie alles an ihm, geheimnisumwoben, da unklar zu sein scheint, in welchem Alter er nach Moskau übersiedelte und für die Leibgarde angemeldet wurde. Manches spricht dafür, dass er 1742, wie sein Neffe Samoilow angibt, geboren wurde. Die Daten und die militärischen Unterlagen widersprechen einander, ohne eine besonders interessante Debatte auszulösen. Das oben genannte Datum ist das wahrscheinlichste.
Nachdem Grigori Potemkin, der sich für Westler als noch schockierender erweisen sollte, in St. Petersburg in eine hohe Position aufgestiegen war, glaubte man, er benötige einen berühmten Vorfahren. Ein Porträt des übellaunigen, fremdenfeindlichen und pedantischen Gesandten aus der Ära des Sonnenkönigs und des Merry Monarch – möglicherweise ein Geschenk der englischen Botschaft – wurde gefunden und in Katharinas Eremitage aufgehängt.
Das ging bis 1917 so weiter. Als sich Rasputins Feinde bei Nikolaus II. darüber beschwerten, dass der Mönch mit seinen Verehrerinnen bade, erwiderte der letzte Zar, dies sei der Brauch des einfachen Volkes.
Heute gibt es kaum noch etwas auf der Potemkin-Seite des Dorfes außer Katharinas Brunnen und der Hütte von zwei über achtzigjährigen Bauern, die von Bienenzucht leben. Auf der Leibeigenenseite steht nur die Kirchenruine. In kommunistischen Zeiten hielten die Kommissare, wie die Dorfbewohner bezeugen, Vieh in »Potemkins Kirche«, doch sämtliche Rinder erkrankten und starben. Die Dorfbewohner graben immer noch nach einer Schatzkammer, in der sie »Potemkins Gold« vermuten. Bisher haben sie allerdings nur die Leichen von zwei Frauen aus dem achtzehnten Jahrhundert, wahrscheinlich Potemkins Schwestern, auf dem Friedhof gefunden.
Tatsächlich stiftete er Geld für die runde Kirche der Großen Auferstehung, und sie wurde von seinen Erben neu aufgebaut. Aber bei seinem Tod war das große Projekt noch im Planungsstadium. Historiker, die meinen, er habe Katharina II. in Moskau geheiratet, verweisen auf diese Kirche als Ort der Trauung.
Der junge Kaiser, der den Hof zurück nach Moskau verlegte, starb in dem vorstädtischen Palast, der heute das Archiv des Kriegskollegiums (RGWIA) beherbergt, wo die meisten von Potemkins Papieren verwahrt werden.
Günstlinge hatten sich im siebzehnten Jahrhundert zu Ministergünstlingen wie Olivares in Spanien und Richelieu und Mazarin in Frankreich entwickelt, die nicht die Liebhaber des Königs, sondern fähige Politiker waren und ausgewählt wurden, um die zunehmend verzweigte Bürokratie zu leiten. Als Ludwig XIV. 1661 nach dem Tod von Mazarin beschloss, selbst die Regierung zu übernehmen, ging dieser Brauch zu Ende. Aber die russischen Herrscherinnen, beginnend mit Katharina I. im Jahre 1725, ließen ihn wieder aufleben.
Im Smolensker Geschichtsmuseum gibt es ein derartiges Kelchglas, das Potemkin gehört haben soll. Es heißt, dass Katharina die Große bei der Durchreise durch Smolensk damit einen Trinkspruch ausbrachte.
Alkibiades war bekanntermaßen bisexuell (zu seinen Liebhabern gehörte Sokrates), doch es gab nie den geringsten Hinweis darauf, dass Potemkin seinen sexuellen Geschmack teilte. Die anderen Gestalten des achtzehnten Jahrhunderts, die man als Alkibiades bezeichnete, waren ein Günstling König Gustavs III. von Schweden und ein späterer Freund von Zar Alexander, nämlich Graf Armfeld, »l’Alcibiade du Nord«.
Auch Potemkin wurde von Ausländern als Gigant beschrieben. Die besten Vertreter der männlichen Jugend schlossen sich gewöhnlich der Garde an, und die russischen Männer schienen in dieser Zeit, nach den Kommentaren von Besuchern zu urteilen, physisch aufgeblüht zu sein: »Der russische Bauer ist ein prächtiger, stämmiger, gerader, gutaussehender Mann«, schwärmte Lady Craven während ihrer Reise durch das Reich.
Seine Stärke war keine Erfindung, wie Baroness Dimsdale 1781 erlebte, als der Wagen von Zarin Katharina in einer frühen Version der Achterbahn von der Holzschiene abkam. Orlow, »ein bemerkenswert starker Mann, stellte sich hinter den Wagen und lenkte ihn mit dem Fuß in die vorgesehene Richtung«.
Dies war das Wunder des Hauses Brandenburg, das Hitler und Goebbels 1945 im Berliner Bunker inspirierte, als sie annahmen, dass Präsident Roosevelts Tod die Alliierten spalten werde. Friedrich jubelte: »Die Messalina des Nordens ist tot«, und würdigte das »wahrhaft deutsche Herz« Peters III.
Das Vermögen der Panins gründete sich auf eine Ehe mit der Nichte des Günstlings von Peter dem Großen, nämlich des Fürsten Alexander Menschikow, der seine Laufbahn als Pastetenverkäufer begonnen hatte.
Es handelte sich um das Kind, mit dem sie bei Elisabeths Tod schwanger war: Alexej Grigorjewitsch Bobrinski, 1762–1813. Der Junge wurde nie als legitim anerkannt, doch Katharina kümmerte sich um seine Erziehung. Er führte ein ausschweifendes Leben in Paris, wo die Kaiserin seine Schulden beglich, bevor er heimkehrte und sich später wieder auf Reisen begab. Paul I. erkannte ihn schließlich als seinen Halbbruder an und ernannte ihn zum Grafen.
Das hielt einen Diplomaten nicht von der Behauptung ab, Potemkin habe »sich in Paris ein Glasauge besorgt«.
Als Bruder des Günstlings von Kaiserin Elisabeth wurde er mit Anfang zwanzig zum Hetman der Ukraine ernannt. Das bedeutete, dass er während Elisabeths gesamter Herrschaft als Gouverneur der nominell halb unabhängigen Kosaken-Grenzgebiete fungierte. Rasumowski unterstützte Katharinas Staatsstreich und bat sie dann, das Hetmanat in seiner Familie erblich zu machen. Sie weigerte sich, schaffte das Hetmanat ab, ersetzte es durch ein Kleinrussisches Kollegium und ernannte ihn stattdessen zum Feldmarschall.
Rumjanzews Mutter, 1699 geboren, wurde 89 Jahre alt. Diese höchst vornehme Hofdame hatte den Herzog von Marlborough und Ludwig XIV. gekannt, erinnerte sich an Versailles und an den Tag der Gründung von St. Petersburg. Bis zu ihrem letzten Tag prahlte sie gern, sie sei die letzte Mätresse Peters des Großen gewesen. Die Daten passten tatsächlich, und der Junge wurde nach dem Zaren benannt. Sein amtlicher Vater, ein weiterer russischer Riese, war ein Junge aus der Provinz, der zum Général en chef und einem der Vollstrecker Peters des Großen aufstieg. Er war der Rohling, der Peters flüchtigen Sohn, den Zarewitsch Alexej, aus Österreich zurückbrachte, wonach dieser von seinem Vater zu Tode gefoltert wurde.
Katharina teilt Potemkin in einem ihrer undatierten Liebesbriefe, der gewöhnlich mit dem offiziellen Beginn ihrer Affäre im Jahre 1774 in Verbindung gebracht wird, ohne Umschweife mit, dass ein ungenannter Höfling, vielleicht ein Verbündeter der Orlows, eine Warnung über ihr Verhalten ausgesprochen und um Erlaubnis gebeten habe, Potemkin zurück zur Armee zu schicken, und sie habe eingewilligt.
Peter der Große ernannte seinen Lieblingsberater Menschikow zum Fürsten, doch das war eine Ausnahme. Nach 1796 schufen Zar Paul und seine Nachfolger so wahllos Fürsten, dass sie eine inflationäre Schwemme im Hinblick auf das Prestige des Titels auslösten.
Als Zar Alexander I. 1825 starb, glaubte man weithin, er sei Mönch geworden und wandere durch die ungeheure Weite Russlands.
Im späten neunzehnten Jahrhundert hielt der Maler Konstantin Somow, einer der Intellektuellen, die das Prinzip »Kunst um der Kunst willen« vertraten, eine Teegesellschaft ab. Sein Vater war der damalige Kurator des Eremitage-Museums; zu der Gesellschaft erschienen seine überwiegend homosexuellen Freunde, darunter der Dichter Kusmin, wahrscheinlich der Ballettimpressario Sergej Diaghilew, die Dichterin Anna Achmatowa und ein paar andere. Laut K. Rotikow, dem Verfasser von Das andere Petersburg, erklärte Somow seinen Gästen, sein Vater, der Kurator des Eremitage-Museums, habe einen prächtigen lebensgroßen Abdruck von Potemkins Glied in Katharinas Sammlung entdeckt. Die anderen Männer schenkten ihm keinen Glauben, und er führte sie ins Nebenzimmer, wo sie, mit dem angehaltenen Atem wahrer Kenner, »die glorreiche Waffe Potemkins« bewunderten, die, in Porzellan gegossen und in Baumwolle und Seide gehüllt, in einem Holzkästchen lag. Danach brachte man das Kästchen zurück in die Eremitage, wo es nie wieder gesehen wurde. Als der Autor bei seinen Nachforschungen die Eremitage aufsuchte, um Potemkins Kollektion zu finden, hatte niemand davon gehört. Aber es ist ein sehr großes Museum.
Heute existieren die banja und die Gemächer der beiden nicht mehr. Sie wurden durch das Feuer von 1837 zerstört. Doch von außen kann man die Kapelle an der goldenen Kuppel mit dem Kreuz erkennen. Mittlerweile ist der Bereich der banja zur ägyptischen Abteilung des Eremitage-Museums geworden. Noch immer hat sie die kühle Feuchtigkeit eines Badehauses an sich.
Kennzeichnend für die Anarchie in der Wolgaregion war die Tatsache, dass noch ein falscher Peter III., ein entlaufener Leibeigener, einen weiteren bewaffneten Haufen zusammenstellte und Troizk, südöstlich von Moskau, eroberte, wo er ebenfalls einen grotesken Hof einrichtete.
1925 in Stalingrad umbenannt. Seit 1961 heißt die Stadt Wolgograd.
Noch ein anderer Moskauer Schauplatz kommt in Frage. Im neunzehnten Jahrhundert lud der Sammler Fürst S. Golizyn Besucher in seinen Palast an der Wolkonskaja-Straße ein. Es war einer der Orte, an denen sich Katharina während des Jahres 1775 in Moskau aufgehalten haben soll. Er zeigte den Besuchern zwei Ikonen, die Katharina angeblich für seine Kapelle gestiftet hatte, um ihre dort mit Potemkin geschlossene Ehe zu feiern.
Katharina gewährte Daria ein Haus an der Pretschistenka, das sie bis zu ihrem Tod bewohnte.
Bis 1733 waren Geburtszangen sozusagen die Geheimwaffe einer Chirurgendynastie, der Chamberlens, gewesen. Damals war sogar der Arztberuf erblich.
Man sagte Potemkin nach, er habe Natalias Tod arrangiert und heimlich die Hebamme aufgesucht. Medizinische Morde sind ein häufig wiederkehrendes Thema der politischen Paranoia Russlands: Zum Beispiel nutzte Stalin während der Ärzteverschwörung von 1952/53 das Schreckgespenst der »Mörder in weißen Kitteln«. Fürst Orlow, Großfürstin Natalia, Katharinas Liebhaber Alexander Lanskoi und Potemkin selbst sollten alle von den sie versorgenden Ärzten ermordet worden sein, und Serenissimus war angeblich an den ersten drei Todesfällen beteiligt.
Paul und Maria Fjodorowna wurden am 26. September 1776 in Petersburg getraut. Die beiden Zaren waren Alexander I. und Nikolaus I., der bis 1855 herrschte. Ihr zweiter Sohn Konstantin hätte den Thron fast bestiegen, doch seine Weigerung löste 1825 den Dekabristenaufstand aus.
Alexander I. ernannte ihn zum ersten Erziehungsminister Russlands.
Die Briefe, in denen Cagliostros Name fällt, werden wegen der dort offenkundigen sinnlichen Leidenschaft für Potemkin von W. S. Lopatin und anderen gewöhnlich auf 1774 datiert. Aber Graf Cagliostro tauchte erst 1776/77 in London auf, so dass die beiden 1774 noch nicht über ihn gesprochen haben können. Er reiste 1778 durch Europa und wurde in Mittau durch die Patronage der Herzogsfamilie und der kurländischen Aristokratie berühmt, bevor er nach Petersburg reiste, wo er Potemkin kennenlernte; ihre Beziehung wird im übernächsten Kapitel behandelt. Wenn Katharinas Wunsch, dass sie »soupe à la glace« – Wassiltschikow – hätte aufgeben sollen, weil ihre Liebe dann »vor anderthalb Jahren« begonnen hätte, als »anderthalb Jahre früher« übersetzt wird, kann der Brief aus dem Jahre 1779/80 datieren, in dem ihr neues Verhältnis mit Potemkin Katharina an jene verschwendeten anderthalb Jahre erinnerte.
Zu Katharinas eigenen Adjutanten gehörten ihr jeweiliger Günstling sowie die Söhne von bedeutenden Amtsträgern und mehrere von Potemkins Neffen. Die Situation verkomplizierte sich weiter, denn im Juni 1776 schuf Potemkin den Rang des kaiserlichen Flügeladjutanten, dessen Pflichten (von ihm selbst niedergeschrieben und von Katharina korrigiert) darauf hinausliefen, die Adjutanten zu unterstützen. Der Fürst hatte natürlich persönliche Adjutanten, die dann häufig zu Katharinas Stab überwechselten.
Georg Ludwig war zudem der Onkel ihres Gatten Peters III., der den Prinzen während seiner kurzen Herrschaft nach Petersburg holte. Ironischerweise diente ihm der junge Potemkin als Ordonnanz.
Nach ihrem Tod sangen die Feinde des Herzogs: »La pleures-tu comme mari/Comme ta fille ou ta maîtresse?« (Weinst du um sie als Gatte, um deine Tochter oder deine Geliebte?)
Potemkin stellte auf seinem Ball von 1791 (beschrieben in Kapitel 32) viele der Kingston-Kunstwerke aus. Die heutige Eremitage, die einen großen Teil von Potemkins Sammlungen enthält, ist mit den früheren Habseligkeiten der Herzogin von Kingston durchsetzt. Garnowski sollte seine Habgier büßen müssen, denn Zar Paul ließ ihn in ein Schuldgefängnis werfen, und er starb im Jahre 1810 als armer Mann.
Die Pfauen-Uhr ist eines der Prunkstücke des heutigen Eremitage-Museums und kommt noch Stunde um Stunde ihrer Aufgabe nach.
Sie steht im Menschikow-Palast, der zur Eremitage gehört, und wird an jedem Sonntagmittag gespielt. In ihrer Musik schwingen noch nach zwei Jahrhunderten die Klänge von Potemkins Salon mit.
Es gab eine besondere schottische Beziehung zu Russland. Häufig wurden die Schotten russifiziert. Bestushew, der Kanzler von Kaiserin Elisabeth, stammte von einem Schotten namens Best ab; Graf Jakow Bruce war der Nachfahre eines schottischen Glücksritters; Lermontow, ein bedeutender Dichter des neunzehnten Jahrhunderts, konnte seine Herkunft auf einen Learmond namens »Thomas the Rhymer« zurückführen.
Ein Cousin der Brownes war Feldmarschall im österreichischen Heer, während George Browne in den russischen Dienst trat, von den Türken gefangengenommen, dreimal in Istanbul verkauft und dann während des überwiegenden Teils von Katharinas Herrschaft als Gouverneur von Livland amtierte, bevor er mit über neunzig Jahren starb. Feldmarschall Graf Lacey wurde zum zuverlässigsten Militärberater und Briefpartner von Joseph II., während ein anderer, Graf Francis Antony Lacey, zum spanischen Botschafter in Petersburg und Generalhauptmann von Katalonien aufstieg.
Das britische Cabinet noir war sehr gefürchtet, weil es im Kurfürstentum Hannover von Georg III. agierte, also an einem Kreuzungspunkt, der ihm gestattete, Post aus ganz Europa abzufangen.
Mehr noch, »travailler pour le roi de Prusse« war ein verbreiteter Euphemismus für »unentgeltliche Arbeit«.
Nach seinem Aufenthalt in Petersburg reiste Cagliostro durch Europa und machte überall Furore – eher wie ein Popstar denn ein Magus –, doch in Paris wurde er durch seinen Gönner, den Kardinal de Rohan, in die Halsband-Affäre verwickelt, einen Betrug, durch den Marie Antoinettes Ruf schweren Schaden litt. Napoleon zählte die Affäre zu einer der Ursachen der Französischen Revolution. Cagliostro wurde in der Verhandlung, die Marie Antoinette so töricht forderte und die Ludwig XVI. so unbedacht zuließ, für unschuldig befunden, doch er war ruiniert. 1795 starb er als Häftling in der päpstlichen Festung San Leone.
Stormont wusste bestimmt, dass es sich um die geradezu kaiserliche Summe von zwei Millionen Francs handelte. Es war der berühmteste Bestechungsversuch des Jahrhunderts, mit dem der Gesandte Ludwigs XIV. im Mai 1709 in Den Haag an Marlborough herantrat.
Ein Sprössling, der später als Mahmud II. herrschte, war angeblich der Sohn seiner Lieblingsodaliske Aimée Dubucq de Rivery, der Cousine der künftigen Kaiserin Josephine.
Sogar Potemkins Kammerdiener Sachar Konstantinow war Grieche.
Sogar Friedrich der Große nannte ihn »eine Wolke der Langeweile und des Widerwillens«.
»Lang leben Großbritannien und Rodney. Ich bin gerade eingetroffen, mein lieber Harris. Ratet, wer Euch schreibt, und besucht mich unverzüglich!«
Ein Zeichen der Gunst, die Harris bei Katharina und Potemkin genoss, kann in London noch heute in Form eines prächtigen Geschenks betrachtet werden. Bevor Harris abreiste, überreichte sie ihm einen in Potemkins Glasfabriken hergestellten Kronleuchter. Harris’ Nachfahre, der Sechste Earl of Malmsbury, gab den Leuchter Ende des zwanzigsten Jahrhunderts weiter an die Skinners Company of the City of London, wo er heute im Äußeren Saal hängt.
Potemkin der Rechtgläubige schwelgte darin, dass er genau den Ort besaß, die alte Stadt Chersonesos auf der Krim, wo Wladimir, Großfürst von Kiew, im Jahre 988 getauft worden war, womit das Christentum das Land der Rus erreicht hatte.
Die Armenier von Berg-Karabach führten noch im letzten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts einen heftigen Krieg, um der muslimischen Kontrolle durch die Republik Aserbaidschan zu entkommen und zur Republik Armenien überzuwechseln. Seit 1994 sind sämtliche Vermittlungsversuche gescheitert.
Als der Autor Cherson besuchte, war es immer noch von Insekten verseucht. Das Bett und die Decke im größten Hotel wimmelten derart von Mücken, dass die Weiße der Laken und des Wandanstrichs geschwärzt zu sein schien.
Das Stadtzentrum sieht im Wesentlichen noch so aus, wie Potemkin es geplant hatte. Die Festung ist zerstört worden; nur die beiden Eingangstore sind erhalten geblieben. Der riesige Brunnen, möglicherweise derjenige, den Potemkin durch Oberst Gax konstruieren ließ, ist von einem Gitter bedeckt. Im Zweiten Weltkrieg warfen die Nationalsozialisten vor ihrem Rückzug hingerichtete Russen in den Schacht. Potemkins gewaltiger Palast blieb bis 1922 erhalten. Das bogenförmig gebaute Waffenlager, die Münzanstalt, die Admiralität und, vor allem, die Katharinen-Kathedrale bestehen noch. Die Kirche mit ihrem sandfarbenen Stein, ihren Säulen und ihrer noblen, von Starow gebauten Kuppel wurde einst als Atheismus-Museum benutzt, in dem die verwesenden Leichen der auf dem Friefhof begrabenen Menschen zu sehen waren, doch heute wird sie wieder in ihrer ursprünglichen Funktion verwendet. Auch der Ingenieur Korsakow ruht hier. Besonders stolz sind der Priester und die Gemeindemitglieder darauf, dass der Erbauer Potemkin unter dem Kirchenboden beigesetzt ist (siehe Epilog).
Der Autor hatte die Legende gehört, dass die Ikonen von W. L. Borowikowski geschaffen worden seien und Potemkin und Katharina als Heilige darstellten. Diese Legende war dem Priester der Kirche unbekannt. Wie sich herausstellte, wurden die Ikonen aus der Kirche ins Kunstmuseum von Cherson gebracht, wo man sie Michail Schibanow zuschreibt. Potemkin der Drachentöter ist sofort erkennbar.
Moskau hat sich den Verbleib seiner Schwarzmeerflotte in Sewastopol bis 2017 vertraglich gesichert. Keines von Potemkins ursprünglichen Gebäuden überstand die anglofranzösische Belagerung während des Krimkriegs und die nationalsozialistische im Zweiten Weltkrieg. Aber knapp unterhalb des Hafens, in dem sich graue Schlachtschiffe drängen, steht ein Denkmal mit der Inschrift: »Hier wurde die Stadt Sewastopol, die Seefestung von Südrussland, am 3. (14.) Juni 1783 gegründet.«
In der Sowjetära war Dnepropetrowsk dafür bekannt, dass es in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die Führerclique der UdSSR stellte. 1938 trat ein zweiunddreißigjähriger kommunistischer Apparatschik namens Leonid Breschnew während Stalins Großer Säuberung über die Leichen seiner ermordeten Vorgesetzten hinweg, um in Dnepropetrowsk Propagandachef zu werden. Dort versammelte er die Spießgesellen, mit denen er die Sowjetunion von 1964 bis 1980 dominieren sollte: die »Dnepropetrowsker Mafia«. Manche Einheimische erinnern sich noch heute daran, dass Breschnew es besonders genoss, im Potemkin-Palast Empfänge abzuhalten.
Heute ist die Deribassowskaja einer der elegantesten Boulevards von Odessa.
Im heutigen Cherson steht an der Stätte der ersten Docks eine grässliche sowjetische Betonskulptur eines Segelschiffes. In der Inschrift wird Potemkin natürlich nicht erwähnt, doch gleichwohl gewürdigt: »Hier lief im Jahre 1783 das erste mit 66 Geschützen bewaffnete Linienschiff der Schwarzmeerflotte, ›Katharinas Ruhm‹, vom Stapel.«
Sie gestalteten ihren Gottesdienst nach den alten Riten des orthodoxen Glaubens. Seit einem Jahrhundert von der Hauptströmung des russischen Lebens ausgeschlossen, hatten sie sich häufig in ferne sibirische Siedlungen zurückgezogen, um ihren Glauben ungehindert ausüben zu können. Potemkin, der von ihrer Haltung fasziniert war, duldete und beschützte sie.
Wer waren diese »Mohren«? Wollte Potemkin wirklich schwarze Siedler einführen – Sklaven aus Afrika? Mit »Mohren« dürften jedoch Gassenjungen von den Londoner Straßen gemeint gewesen sein, die wir heute als Vagabunden bezeichnen würden.
Stawropols berühmtester Sohn ist Michail Gorbatschow. Obwohl General Suworow für den Bau einiger Festungen an seiner Kuban-Linie verantwortlich war und in verschiedenen sowjetischen Geschichtsdarstellungen als ihr Gründer bezeichnet wurde, war es Potemkin, der die Konstruktion anordnete.
Scheich Mansur und Imam Schamil, ein Aware, der im neunzehnten Jahrhundert einen langjährigen Aufstand gegen die russische Besatzung führte, sind die beiden großen Helden der heutigen tschetschenischen Rebellen. Als der Autor Grosny vor dem ersten Tschetschenienkrieg von 1994 besuchte, zierten Porträts von Scheich Mansurs Antlitz mit feinen Zügen und üppigem Bart die Büros des Präsidenten und der Minister. Während der kurzen Unabhängigkeit Tschetscheniens in den neunziger Jahren war der Flughafen von Grosny nach ihm benannt.
Im Staatlichen Geschichtsmuseum von Cherson findet man Drucke, die ihn in seiner Glorie des neunzehnten Jahrhunderts zeigen. Aber heute steht er nicht mehr. Zur Feuerholzgewinnung ausgeplündert und wegen seiner Erhabenheit verhasst, wurde er während des Bürgerkriegs zerstört.
»Potemkins Palast« steht immer noch im Zentrum von Dnepropetrowsk. Das Ortsmuseum enthält einige der mit Gold gerahmten Spiegel, möglicherweise in seinen eigenen Fabriken hergestellt, mit denen Potemkin den Palast schmücken wollte. Bei seinem Tod war erst ein Stockwerk vollendet. Der Rest wurde in den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts nach Starows Plänen gebaut und zum Haus des Adels gemacht. 1917 verwendete man das Gebäude als Arbeitererholungsheim, und heute dient es als Studentenhaus. Im Krieg zerstört, wurde es 1951 wiederaufgebaut. Die beiden Treibhäuser des Wintergartens in Jekaterinoslaw brachen 1794 zusammen. Heute heißt Goulds Garten, mittlerweile ein Kulturpark, »Potemkin-Park« und verbreitet immer noch eine englische Atmosphäre.
Er überdauerte noch lange nach Potemkins Tod. Der Autor fand seine einstige Stätte dort, wo die Einheimischen heute baden und von der Uferpromenade ins Wasser springen. Eine zweiteilige weiße Steintreppe, die zum Haus führte, hat sich zusammen mit Starows schmuckvollem weißen Brunnen von 1792 erhalten. Auf dem Fundament des Palastes befindet sich ein Basketballplatz. Im neunzehnten Jahrhundert benutzten die Reeder das Haus als Club, doch es wurde während der Revolution zerstört (ein Foto zeigt, wie man es auf der Suche nach Feuerholz auseinandernahm). Ironischerweise sind in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Auftrag von russischen Millionären Häuser im moldauischen Stil, wie Zerrbilder von Potemkins Palast, in den Vororten von Nikolajew errichtet worden.
Potemkins zwei schöpferische Planer, Starow und Gould, verdienten gut wie alle, die für ihn arbeiteten. Das Vermögen von Falejew, Zeitling, Schemjakin, Garnowski und vielen anderen deutet darauf hin, dass er ein sehr großzügiger Auftraggeber war. Auch Iwan Starow starb 1808 als reicher Mann.
Potemkin nahm Reginald Pole Carew 1781 mit zu einer Besichtigung seiner Industriebesitzungen: beispielsweise seiner Glas- und Ziegelfabriken bei Schlüsselburg, einer weiteren Glasfabrik in der Nähe des Alexander-Newski-Klosters und seiner Eisengießerei fünfunddreißig Kilometer außerhalb von Petersburg auf seinem Gut Ossinowaja Roschtscha (Espenhain), das von einem Engländer namens Hill geleitet wurde. Pole Carew besuchte auch Kritschew und Potemkins andere Güter am Dnepr; er schlug vor, eine englische Kolonie auf einer früheren Saporoger Insel zu gründen, wo Potemkin später Einwanderer ansiedelte.
Kartenspiele orientierten sich am politischen Leben. Beispielsweise erklärt der Comte de Ségur in seinen Mémoires, wie Faro in der Pariser Hocharistokratie vom englischen Whist abgelöst wurde, das laut Montesquieu eine gemäßigte Freiheit repräsentierte. Aber als sich im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg erwies, dass man Königen die Stirn bieten konnte, wurde »Boston« zur neuen Mode.
Alupka ist der außergewöhnliche Krim-Palast, der in einer Mischung aus schottischem Baronial-, Arabesken- und gotischem Stil von Fürst Michail Woronzow und seiner Gattin Lisa, Potemkins Großnichte, erbaut wurde. Er dient heute als Museum. Siehe Epilog.
Wir können einige von Goulds Abenteuern im Archiv nachvollziehen: 1785 werden ihm 1453 Rubel für ein auf der Krim benötigtes Gerät gezahlt; im folgenden Jahr 500 Rubel für Gärtner aus England, die sich seinem Personal anschließen. Im Jahre 1786/87 fuhr Gould von Petersburg zur Krim und erhielt 200 Rubel für die Reise und 225 für seine Kutsche. Später, während des Krieges, stieß er in der Moldau zu Potemkin und begleitete ihn 1789 nach Dubossary (800 Rubel) und im Jahr darauf nach Jassy (650 Rubel).
Der boshafte Horace Walpole lachte über die Angemessenheit des Motivs, da zwei Zaren getötet worden waren, wenigstens einer durch Erdrosselung, um Katharina die Krone zu verschaffen.
Potemkins Gemälde wurden 1792 von Parkinson in der Eremitage bewundert. Keines der drei Werke von Reynolds wird dort heute noch ausgestellt, doch man zeigt sie zuweilen im Ausland. Der Autor entdeckte sie 1989 in einem verstaubten, als Abstellraum benutzten Korridor, wo sie traurig an der Wand lehnten.
Potemkin mag nie die Gelegenheit gehabt haben, Jeremy Bentham zu treffen. Aber wir können ihm begegnen, denn er ruht – ausgestopft, bleich und ausgetrocknet, doch klar erkennbar – als »Auto-Ikone« auf dem Korridor des University College, London.
Dr. Rogerson hatte gerade ein weiteres Opfer auf dem Gewissen. Feldmarschall Fürst Alexander Golizyn, der kurz zuvor Samuel Benthams Liebesgeschichte mit seiner Nichte durchkreuzt hatte, starb in Rogersons Obhut. Wahrscheinlich wurde er durch Schröpfungen und Entschlackungen zu Tode gebracht. »Ich fürchte«, witzelte Katharina mühsam gegenüber Potemkin, »dass jeder, der Rogerson in die Hände fällt, bereits tot ist.«
Nach seinem Tod ging der Palast an die Romanows über. Er diente Katharina, der geliebten Schwester von Alexander I., bis zu ihrem Tod im Jahre 1818 als Petersburger Residenz. Danach gehörte er Nikolaus I. bis zu seiner Thronbesteigung; seit 1825 hielt seine Gemahlin dort ihre Bälle ab (die häufig von Puschkin und seiner Frau besucht wurden). Später – bis 1917 – war er im Besitz von Kaiserin Maria Fjodorowna, der Mutter von Zar Nikolaus II. Im Februar 1914 vermählte sich Fürst Felix Jussupow, der künftige Mörder Rasputins, im Anitschkow-Palast mit Großfürstin Irina.
Heute steht dort ein hässliches Kino sowjetischer Machart.
Laut einer finsteren Legende wurde »Fürstin Tarakanowa«, zusammen mit dem angeblich von Alexej Orlow-Tschesmenski gezeugten Kind, eine Zeitlang hier festgehalten, doch weder für den Aufenthalt noch für die Existenz des Kindes gibt es irgendwelche Indizien. Der Ostrowski-Palast wurde von den Nationalsozialisten zerstört, aber glücklicherweise in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wenigstens vorher fotografiert.
Der Autor fand seine Ruinen im Bablowo-Park. Im Turm wartete eine Überraschung: ein rundes, rotes Granitbassin mit einem Durchmesser von etwa drei Metern. Dabei handelt es sich um einen frühen, von Alexander I. erbauten Swimmingpool, in dem er während der heißen Sommer von Zarskoje Selo ungestört baden konnte.
Jermolows Drängen auf eine Audienz bei Georg III. löste ein Jahr später, als er London besuchte, eine gewisse Verlegenheit aus. Später ließ er sich in Wien nieder.
Johann Baptist Edler von Lampi (1751–1830) war einer der begehrtesten Porträtmaler Wiens – Joseph II. und Kaunitz wurden von ihm verewigt. Potemkin scheint ihn mit den Österreichern geteilt zu haben, denn er forderte Kaunitz zuweilen auf, Lampi nach Petersburg zu schicken. Die 1791 vor seinem Tod angefertigten Gemälde wurden von Künstlern wie Roslin kopiert und als Drucke verkauft.
Die großen Günstlinge früherer Epochen, etwa Graf-Herzog Olivares und Kardinal Richelieu, erlitten mehrere Nervenzusammenbrüche.
Oliver Cromwell, der Herzog von Marlborough und Clive von Indien gehören zu den vielen begabten Führungspersönlichkeiten, denen bipolare Züge nachgesagt werden.
In unserer Zeit lässt dies an Präsident Lyndon B. Johnson denken, der, auf der Toilette sitzend, sein Kabinett demütigte.
Der Fürst genoss seine Mahlzeiten, und als sich Monsieur Ballez’ freudig erwartete Ankunft aus Frankreich durch ein Problem im dänischen Elsinor verzögerte, mobilisierte Potemkin den russischen Botschafter und verschiedene Bevollmächtigte, um den Koch rasch über Land nach Petersburg befördern zu lassen.
Es war eine frühere, aktivere Version der Aussage des britischen Premierministers Harold Macmillan, der die Politik als »Ereignisse, lieber Junge, Ereignisse« beschrieb.
»Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen.«
Die Reise der Zarin war Anlass eines weiteren Streits mit ihrem Erben. Sie wollte ihre Enkel, die Großfürsten Alexander und Konstantin, mitnehmen, doch Großfürst Paul erhob heftige Einwände. Er hätte sich ebenfalls gern auf die Reise begeben, doch Katharina war nicht bereit, ihren Ruhm durch »die schwere Bagage« beeinträchtigen zu lassen. Paul appellierte sogar verzweifelt an Potemkin, damit die Kinder zu Hause blieben – eine erniedrigende Anerkennung der Macht des Fürsten. Potemkin trug wahrscheinlich dazu bei, dass die Kinder die Reise nicht anzutreten brauchten, womit seine Freundlichkeit über politische Zweckmäßigkeit siegte, doch da Alexander erkrankte, war das Problem ohnehin gelöst.
Es handelte sich um Gräfin Mniszech, geborene Urszula Zamoyska, die Nichte des Königs von Polen. Stanislaus August behauptete, dass Potemkin ihr 1775 einen Heiratsantrag gemacht habe. Dies ist aus vielerlei Gründen unwahrscheinlich. Doch nun ließ der Fürst, der, wie wir wissen, nicht nachtragend war, sie und Alexander Branicka von Katharina mit einem Orden auszeichnen.
Nachdem Ségur diesem engen Zirkel beigetreten war, fiel ihm auf, dass Potemkin sich immer wieder in ein Hinterzimmer entfernte. Als er dem Fürsten zu folgen versuchte, hielten die Nichten ihn mit »charmanter Überredung« zurück. Schließlich entkam er ihnen und stieß auf die orientalische Szene eines Raumes, in dem sich Kaufleute und Zuschauer drängten und der mit Juwelen und verbotenen Gütern gefüllt war. Im Mittelpunkt stand Ségurs Kammerdiener Evret, der beim Schmuggeln ertappt worden war und dessen Besitztümer man nun verkaufte (wobei Potemkin sich selbst unzweifelhaft die besten der Edelsteine vorbehielt). Der beschämte Ségur entließ seinen Kammerdiener auf der Stelle, doch die Nichten, die über die neuesten Moden aus Paris offenbar sehr entzückt waren, brachten ihn von der Bestrafung ab. »Ich rate Euch, ihn freundlich zu behandeln«, meinte Potemkin, »denn wenn der Zufall es will, könntet Ihr für seinen … Komplizen gehalten werden.« Der Diener mochte mit Schmuggelware erwischt worden sein, doch der Botschafter seiner Allerchristlichsten Majestät diente nun als Zielscheibe für Potemkins Spott.
Man wird an Lord Palmerstones angeblichen Versuch erinnert, eine von Königin Viktorias Hofdamen in Windsor zu vergewaltigen – mit dem Unterschied, dass Katharina wahrscheinlich amüsiert war, die Queen hingegen nicht.
Der gesamte schwimmende Wurm war 77 Meter lang und knapp 5 Meter breit und wurde von 120 Ruderern getrieben.
»Es steht außer Zweifel«, berichtete Samuel seinem Bruder Jeremy, sich einer sympathischen Illusion hingebend, »dass der Kaiser und alle anderen die Erfindung priesen.«
Die Kutsche steht heute im Staatlichen Historischen Museum von Dnepropetrowsk.
Potemkin zog den griechischen Namen Olwiopol vor.
Potemkin ließ den Verlauf von Katharinas Krim-Reise durch Gedenksteine markieren, die, mit russischer und türkischer Inschrift, alle zehn Kilometer aufgestellt wurden. Nur drei haben sich erhalten; einer davon steht vor dem Khan-Palast in Bachtschissarai. Auch der Girai-Friedhof (obwohl ein wenig überwuchert) ist unversehrt.
Der Fürst von Ligne hielt eine allgemeine Regel im Hinblick auf Frauen für bestätigt: »Die Schmeichelei machte sie betrunken … eine Misslichkeit, wenn Frauen den Thron innehaben.«
Bei Herodot ist zu lesen, dass die Amazonen, angeführt von ihrer Königin Penthesilea, das Schwarze Meer überquerten, gegen die Skythen kämpften und sich dann unweit vom Asowschen Meer bei ihnen niederließen. Daher könnte Potemkin gewusst haben, dass die Krim gewissermaßen der natürliche Lebensraum der Amazonen war. Als Potemkin Miranda auf die Krim mitnahm, begegneten sie dort einem deutschen Oberst namens Schutz, dessen Frau, »als Mann verkleidet, ihn auf einem Feldzug begleitet hatte und zweimal verwundet worden war – sie hat ein recht männliches Aussehen«. Erteilte Frau Schutz Potemkin Ratschläge hinsichtlich seines Amazonenregiments? Es sieht nicht nach einem Zufall aus, dass es auf einer einzigen kleinen Halbinsel zwei Amazonenfamilien gab.
Dieses Geschenk erwies sich als ein Kalmückenjunge namens Nagu, der später beim Sturm auf Otschakow gefangen genommen wurde. Ségur brachte ihm Französisch bei und schaffte es dann, ihn nach seiner Rückkehr in den Norden bei der entzückten Gräfin Cobenzl abzuladen.
Die genaue Lage dieses auf dem Grundstück einer Tatarenhütte erbauten »Märchenwohnsitzes«, wo Potemkin Ende 1783 beinahe gestorben wäre, ist heute unbekannt. Als der Verfasser jedoch Beligorsk, wie Karassubasar heute heißt, besichtigte, fand er einen grünen Flecken in der Nähe eines Flusses und Obstgartens, auf den die Beschreibung der englischen Besucherin Maria Guthrie zutraf. Die von Stalin deportierten Tataren sind in das Dorf zurückgekehrt.
Westliche Monarchen erwarben trotz ihres Abscheus vor der Sklaverei des Orients häufig orientalische Sklavenmädchen. Der Handel mit diesen Mädchen muss ziemlich starke Ausmaße angenommen haben. Sie wurden entweder in Kriegen erbeutet oder von den Gesandten der Hohen Pforte gekauft. Daher konnte Potemkin Ségur ein solches Mädchen anbieten. Der schottische Jakobiner Graf Marschall Keith, der mit Friedrich dem Großen befreundet war, reiste mit einem türkischen Sklavenmädchen, das in den Russisch-Türkischen Kriegen gefangen genommen worden war; und wie wir noch genauer erfahren werden, erhielt König Stanislaus August von Polen, einer der kultiviertesten Männer jener Zeit, ebenfalls regelmäßige Lieferungen von Sklavinnen.
Anders als die englische Übersetzung des Titels als »Prince Potemkin of Taurida« klingt dies auf Deutsch und Französisch – »le Taurien« – besser. Katharina und Grimm diskutierten darüber, wie man ihn übersetzen solle, und der philosophe meinte, es müsse »Tauricus« oder »le Taurien« heißen.
Doch nicht alles war nur Show: Als Lady Craven im April 1786 die Albaner besuchte, trugen diese bereits »eine Art römische Kriegeruniform« und besaßen »orientalische und italienische Dolche«, während die Kosaken einfach aus Spaß für sie aufgetreten waren.
Es gab tatsächlich eine Hungersnot in bestimmten Gebieten, vor allem nach einer Missernte im Jahre 1786 in der Umgebung von Moskau, nicht in Potemkins reicheren südlichen Gouvernements. Deshalb eilte Katharina zurück in die Hauptstadt. In Tula, weit entfernt von Potemkins Vizekönigreich, vertuschte der Gouverneur die Armut mit falschen Fassaden und verschwieg ihr die steigenden Nahrungsmittelpreise. Doch als Lew Naryschkin sie über die Brotpreise unterrichtete, sagte sie, was man ihr zugutehalten muss, den Ball ab, der ihr zu Ehren gegeben werden sollte. Sowohl Katharina als auch Potemkin hatten Mitleid mit gewöhnlichen Menschen, wenn sie von deren Elend erfuhren, aber keiner von beiden hätte einer Hungersnot erlaubt, die glorreiche Vergrößerung des Reiches oder die Pracht ihres Lebensstils zu beeinträchtigen. Das war charakteristisch für alle Regierungen des achtzehnten Jahrhunderts, wie aufgeklärt sie auch sein mochten.
Als Hitler am 22. Juni 1941 in Russland einfiel, verschwand Stalin beinahe von der Bildfläche, wollte niemanden empfangen und schien vom Ausmaß seiner Verantwortung und einem vorübergehenden Verlust seiner Fassung überwältigt zu sein. Im Mai 1967 äußerte sich Rabin »stotternd, nervös, unzusammenhängend«. Sein Biograph zitiert einen Augenzeugen: »Es war, als habe er die Nerven verloren, sei außer sich.«
Der Abzug der 26 Infanteriebataillone, 22 Kavallerieschwadronen und 5 Kosakenregimenter, die alle auf der Krim stationiert waren, hatte nichts mit der Feigheit eines Hysterikers zu tun, sondern mit vernünftiger Militärräson. Potemkin beabsichtigte, die Türken auf der Halbinsel landen zu lassen, um sie dann in einer Landschlacht zu besiegen (das Gleiche tat Suworow in kleinerem Maßstab auf Kinburn). Wäre die Gefahr einer Landung vorüber gewesen, hätten sie abgezogen werden können, aber Katharina lehnte diese Idee aus politischen Gründen ab.
Später errang Suworow noch größeren Ruhm: Er wurde Fürst von Italien, ein europäischer Star, der gegen die französischen Revolutionäre in Italien und der Schweiz kämpfte. 1799 war er zum unerreichten russischen Idol geworden und blieb es bis 1917. Im Jahre 1941 gab ihm Stalin seinen Status als Nationalheld zurück und führte den Suworow-Orden ein. Sowjetische Historiker machten ihn zum Volkshelden. Das Ergebnis dieses Kultes ist, dass Suworow noch vieles zugeschrieben wird, was eigentlich Potemkins Verdienst war.
Dies war nur einer von vielen Fällen, in denen Lignes kritische Äußerungen, die weithin propagiert und von der Geschichtsschreibung als wahr übernommen wurden, auf seiner Parteinahme für Österreich beruhten und nicht den Tatsachen entsprachen. In seinen zu Recht berühmten Schilderungen von Potemkins Kriegführung, die er in seinen vorzüglichen Briefen an Joseph, Ségur und die Marquise de Coigny und damit gegenüber ganz Europa wiederholte, log er niemals vorsätzlich, aber sie müssen vor dem Hintergrund seiner Aufgabe gelesen werden, die darin bestand, seinen Freund auszuspionieren und den Druck auf seinen eigenen Kaiser zu mindern. Ligne war außerdem tief enttäuscht darüber, dass er kein eigenes Kommando erhielt.
Von solchen kleinlichen Fragen des Dienstgrades hängt der Verlauf der Geschichte ab. Graf Fjodor Rostoptschin, der spätere Gouverneur von Moskau, der die Stadt 1812 niederbrennen ließ, behauptet in seinem Bericht La Verité sur l’Incendie de Moscou, das Schreiben gesehen zu haben: »Ich habe den Brief mehrmals selbst in der Hand gehalten.« Er bedauerte, dass Bonaparte nicht in die russische Armee eingetreten war.
Man fragt sich, was aus diesen jüdischen Kosaken geworden ist. 1794, sechs Jahre später, stellten polnische Juden eine Streitmacht aus 500 leichten Kavalleristen auf, um gegen die Russen zu kämpfen. Ihr Oberst Berek (Berko) Josselewicz trat 1807 in Napoleons Polnische Legion ein. Berek errang den Orden der Ehrenlegion und fiel 1809 im Kampf gegen die Österreicher. Gab es unter Potemkins jüdischen Kosaken solche, die für Napoleon kämpften? Der große polnische Dichter Adam Mickiewicz bildete später, nämlich Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, ein weiteres jüdisches Kavallerieregiment, die Husaren Israels, aus den polnischen Exilanten in Istanbul. Ein gewisser Oberleutnant Michal Horenstein entwarf sogar eine elegante graue Uniform für das Regiment. Während des Krimkriegs kämpften die jüdischen Reiter zusammen mit den verbleibenden osmanischen Kosaken vor Sewastopol gegen die Russen.
Samuel war darüber so deprimiert, dass er einen Brief an Premierminister Pitt den Jüngeren schrieb und ihm anbot, sein »Bataillon von 900 Russen« gegen die Aufsicht über ein Panoptikum »britischer Missetäter« einzutauschen.
Seine Briefe enthalten nur die halbe Wahrheit; Potemkins Nachlass birgt die andere Hälfte. Lignes Behauptung, dass Potemkin seine Siege an anderen Fronten nur vortäuschte, sind von Historikern für bare Münze genommen worden, stellen aber in Wirklichkeit ihrerseits Fälschungen dar. Potemkins Spionagenetzwerk unterrichtete ihn, wie aus seinem Archiv hervorgeht, über die Ereignisse auf seinem gesamten riesigen Operationsschauplatz. Er erhielt regelmäßig Berichte von General de Witte, dem Gouverneur der polnischen Festung Kamenez-Podolski, der erklärte, wie es ihm gelungen sei, Spione mit einer Butterlieferung in das türkische Chotin einzuschmuggeln – obwohl die Tatsache, dass die Schwester von Wittes griechischer Ehefrau mit dem Pascha von Chotin verheiratet war, ebenfalls hilfreich gewesen sein könnte.
Daneben erfand er auch ein Amphibiengefährt, vielleicht das erste amphibische Landungsboot, sowie eine schwimmende Zeitbombe, einen Vorläufer des Torpedos und mit brennbarer Flüssigkeit gefüllte Flaschenbomben, die man anzünden und dann werfen musste – 160 Jahre vor den Molotowcocktails. Vielleicht sollte man sie umbenennen in »Bentham-» oder »Potemkincocktails«.
Potemkin schrieb ihm: »Mein Herr, Ihre Kaiserliche Majestät hat als Auszeichnung für Eure Tapferkeit, die Ihr auf dem Liman bei Otschakow gegen die Türken bewiesen habt, … gnädigerweise geruht, Euch ein Schwert zu überreichen, auf dem Euer Heldenmut verewigt wurde …«
Heute sind die Festungsbauten verschwunden, und man kann von dem Wall, wo die Mauern standen, die ganze Länge des Liman und die Feldlager der russischen Belagerer überblicken. Weit zur Linken befindet sich die Mündung des Bug. Auf einer eigenen schmalen Nehrung gegenüber steht die russische Festung Kinburn. Rechts in der Nähe, am Ende der Otschakow-Landzunge, vermittelt die Hassan-Pascha-Redoute immer noch den Eindruck gewaltiger Stärke. Von den Straßen sind fast nur noch die Kopfsteine geblieben. Die heutige Stadt Otschakow liegt dahinter.
Da es in der russischen Geschichtsschreibung zur Regel geworden war, Suworow als Genie zu bezeichnen, folgerte man, dass er einfach versucht habe, mit der Erstürmung von Otschakow zu beginnen, weil er über Potemkins unfähiges Zögern frustriert war. Das ist denkbar, aber unwahrscheinlich, da Suworow keine Artillerie hinter sich hatte. Die Operation war von einem beschwipsten und fehlbaren General verpfuscht worden, dem teure Irrtümer ebenso zuzutrauen waren wie brillante Siege.
Die meisten der Helden von 1812 kämpften unter Potemkin – der künftige Feldmarschall und Fürst Michail Barclay de Tolly, Kriegsminister und Oberbefehlshaber der Ersten Armee unter Kutusow bei Borodino, diente auch bei Otschakow.
Doch sogar Ligne musste gegenüber Joseph II. zugeben, dass das Feldlager sauber war, die Soldaten gut bezahlt wurden und die leichte Kavallerie sich in einem hervorragenden Zustand befand, selbst wenn sie weder Manöver noch Übungen durchführte.
Es gab auch vernünftige militärische Gründe dafür, die Erstürmung aufzuschieben, bis die Flotte die Kontrolle über den Liman errungen hatte und bis die Artillerie eingetroffen war, was erst im August geschah.
Potemkin war nicht der Einzige, der eine Verzögerungstaktik pflegte. Als Ligne zu Rumjanzew-Sadunaiski stieß, traf er auch diesen völlig untätig an, während Graf Nikolai Saltykow seinen Angriff auf Chotin ostentativ hinauszögerte. Dies war russische Politik und russische Gewohnheit – wie Kutusow 1812 sie so wirkungsvoll demonstrieren sollte.
Unterdessen war Großfürst Paul in Gattschina, dem Mikrokosmos preußischer Paradomanie des Zarewitschs, angewidert von dem Harem auf Kriegszug und fragte höhnisch, wo in Vaubans Lehrbuch über Belagerungen geschrieben stehe, dass man Nichten brauche, um Städte einzunehmen. Das war ein starkes Stück, da Paul 1787 selber darum gebeten hatte, seine Frau mit in den Krieg nehmen zu dürfen.
Oberst Bentham sollte zwei Bataillone an der chinesisch-mongolischen Grenze befehligen, eine Regimentsschule gründen, neue Landstriche entdecken, Bündnisse mit den Mongolen, Kalmücken und Kirgisen schmieden und den Handel mit Japan und Alaska eröffnen. Auch arbeitete er an einem potemkinschen Projekt, China mit 100000 Mann zu besiegen. 1790 kehrte er über Petersburg nach Bender in Potemkins Hauptquartier zurück, um dem Fürsten Bericht zu erstatten und ihn um die Erlaubnis zur Rückreise nach England zu ersuchen, was ihm schließlich gelang. Damit endete ein einzigartiges Abenteuer in den anglorussischen Beziehungen.
Doch zuerst befahl Potemkin seinen Saporogern am 7. November, die Insel Beresan einzunehmen, die Otschakow die letzte Möglichkeit bot, sich Unterstützung und Verpflegung zu verschaffen. Die Kosaken ruderten in ihren »Möwen« dorthin und besetzten die Insel, wobei sie ihre unverwechselbaren Kriegsschreie ausstießen. Sie erbeuteten 27 Kanonen und einen Zweimonatsvorrat an Verpflegung für Otschakow – was bewies, dass die Entscheidung vernünftig gewesen war.