Bernhard Moestl

Das Shaolin-Buch für Eltern

Die drei Schritte zur erfolgreichen Erziehung.
Wie Eltern und Kinder selbstbewusst durchs Leben gehen

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Bernhard Moestl

Bernhard Moestl, geboren 1970 in Wien, ist Vortragsredner und Business-Coach mit den Schwerpunkten Bewusstsein und Führung. Er ist Autor erfolgreicher Sachbücher, in denen er die Erfahrungen zugänglich macht, die er bei Aufenthalten in Asien gesammelt hat, wo er u.a. im Shaolin-Kloster die Kampfkunst der Mönche erlernt hat. Diese Erkenntnisse nutzt er für seine Bücher und Seminare.

www.bernhardmoestl.com

Impressum

© 2016 der eBook-Ausgabe Knaur eBook

© 2010 Knaur Verlag

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit

Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Bei der Anwendung in Beratungsgesprächen, im Unterricht
und in Kursen ist auf dieses Buch hinzuweisen.

Redaktion: Bettina Huber

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: Fine Pic®, München

ISBN 978-3-426-40095-1

Hinweise des Verlags

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Wir freuen uns auf Sie!

Für Heidi,
ohne die es dieses Buch
nicht gegeben hätte

Liebe Leserinnen und Leser,

als ich mich vor gar nicht langer Zeit entschlossen habe, ein Buch zum Thema Erziehung zu schreiben, geschah das unter dem Eindruck einer vor allem im deutschsprachigen Raum teilweise sehr emotional geführten Diskussion. Ausgelöst durch ein Buch, das die Kinder der Zukunft als Tyrannen sah, falls die Eltern nicht umgehend ihre zu partnerschaftlichen Erziehungsmethoden änderten, standen sich bald ein »autoritäres« und ein »antiautoritäres« Lager in erstaunlicher Feindseligkeit gegenüber. Und das ist, angeheizt durch weitere Bücher, seltsamerweise bis heute so. Beide Seiten preisen die eigene Vorgehensweise als die einzig mögliche an, und in der Mitte stehen teils fassungslose Eltern, die nicht mehr wissen, was sie glauben sollen.

 

Wer meine Bücher kennt, weiß, dass ich von der Idee des allumfassenden Ratschlages ganz grundsätzlich nichts halte. Denn so gerne manche Menschen das auch hätten: Weder können wir jemandem sagen, wie er sein eigenes Leben gestalten noch in welches er die eigenen Kinder führen soll. Denn wer trägt am Ende die Verantwortung? Doch wohl der Erziehende.

 

Auch wenn nichts dagegenspricht, jemandem die persönliche Sicht auf eine Sache oder eine mögliche Vorgehensweise darzulegen, muss die Antwort am Ende jeder in sich selbst finden. Dessen bin ich mir als Autor sehr bewusst. Doch was wir als Gesellschaft und ich als Autor tatsächlich dazu beitragen können, ist, die Eltern dabei zu unterstützen, einen Schritt zurückzutreten und die tatsächlichen Motive für ihr Handeln zu verstehen. Hat der Erziehende das Wohl des Kindes im Kopf – oder seine eigenen Prinzipien, Vorstellungen und Erfahrungen? Handelt er aus der Überzeugung, das Richtige zu tun, oder aus dem Wunsch, etwas vermutlich Falsches zu vermeiden? Erziehung ist immer ein Spagat zwischen vermeintlichen gesellschaftlichen Anforderungen und den tatsächlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen eines Kindes.

 

Einige der wichtigsten Einsichten zum Thema Erziehung verdanke ich den Mönchen des Klosters Shaolin. Hatte ich am Anfang noch Zweifel daran, dass es Kampfmönchen möglich sein sollte, Kinder zu friedfertigen Wesen zu erziehen, erkannte ich bald das Gegenteil. Denn Shaolin steht für die erstaunliche Einsicht: Nur die Fähigkeit zur bedingungslosen Selbstführung befähigt zur Führung anderer Menschen – und damit sind auch die Kleinsten gemeint. Den Mönchen zufolge hat der Weg zum kampflosen Sieg und so auch zu jedem Erfolg, der nicht auf Kosten anderer geht, seine Basis im Bewusstsein des eigenen Wertes. Nur wer sich selbst als wertvollen, besonderen Menschen wahrnimmt, kann gelassen damit umgehen, dass ein anderer das vielleicht nicht so sieht. Wer als Eltern Gelassenheit ausstrahlt, der kann auch mit der Kritik durch die eigenen Kinder leben, aber auch mit den Zweifeln der Umgebung und der Gesellschaft.

 

Auch wenn die Idee hinter dem ursprünglichen Titel »Wer Grenzen zieht, kann Wege öffnen« heute aktueller ist denn je, war es mir ein Anliegen, das Wort »Shaolin« in den Titel dieser Taschenbuchausgabe zu bringen. Denn die Mönche lehren uns, dass Grenzen keine Strafe sind, sondern ein lebenswichtiges Recht, in deren Schutz erst das gelingen kann, was sich wohl alle Eltern wünschen: Kinder zu glücklichen, selbstbewussten Menschen zu erziehen, die auch als Erwachsene noch gerne auf die Kinderzeit zurückblicken. Ich lade Sie dazu ein, mit mir den Weg der Shaolin zu gehen, um Erkenntnisse zu gewinnen für Ihren Umgang mit Kindern – und für Ihr Sein als Eltern.

 

Ihr

Bernhard Moestl

 

Brasov/Kronstadt, im November 2015

 

Jeder ist berufen, etwas in der Welt zur Vollendung zu bringen.

(Bashò)

Einleitung

Wenn du das Leben begreifen willst, glaube nicht, was man sagt und was man schreibt, sondern beobachte selbst und denke nach.

(Anton Tschechow)

Wie dieses Buch funktioniert und wie Sie daraus den größten Nutzen ziehen.

Zuerst einmal: ganz herzlich willkommen. Schön, dass Sie da sind. Schön auch, dass Sie sich mit einem Thema beschäftigen, das so einfach aussieht und doch oft so schwierig ist: mit der Kunst, Menschenkinder ins Leben zu führen.

Erziehung, und das sollen Sie von Anfang an wissen, bedeutet für mich nicht, ein Kind gesellschaftskonform heranwachsen zu lassen. Es heißt nicht einmal, es nach der eigenen Vorstellung zu formen.

Für mich ist das Ziel von Erziehung, Kinder in ein glückliches, gutes Leben zu führen und ihnen alle dazu erforderlichen Mittel mit auf den Weg zu geben. Nach meinem Verständnis sind Eltern nicht Bildhauer, die einen Menschen modellieren, sondern Reiseleiter, die ihn ins Leben begleiten. Vielleicht kommt mir dieser Vergleich auch deshalb, weil ich selbst fast zwanzig Jahre in dieser Branche tätig war. Dort habe ich gelernt, Grenzen zu ziehen, ohne einzuengen, Autorität auszustrahlen, ohne autoritär zu sein, und die beim Reisen unvermeidliche Disziplin durchzusetzen.

Was ein Kind für sein Leben benötigt, muss jeder Erziehende für seinen Sprössling selbst herausfinden. Ich kann Sie dabei lediglich unterstützen. Daher ist dieses Buch auch kein Ratgeber mit konkreten Handlungsanweisungen für verschiedene Situationen, ganz nach dem Motto: »Wenn dein Kind dieses macht, dann reagiere mit jenem.«

Verstehen Sie dieses Buch als sogenanntes Mutmachbuch, als Aufforderung, sich und Ihren Fähigkeit zu vertrauen, Kinder in Liebe zu leiten und zu führen. Sie werden mit Erstaunen feststellen, wie gut Sie das können.

Viele Erziehende haben zwar ganz genaue Vorstellungen von der vermeintlich einzig richtigen Methode, können diese aber oft nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Daher suchen sie nach Rechtfertigung und Bestärkung durch einen Experten, damit dieser ihnen die Verantwortung für ihr Verhalten abnimmt. Das funktioniert nicht. Selbst wenn Ihnen eine Million Spezialisten etwas rät: Für das, was Sie tun, bleiben am Ende Sie selbst verantwortlich. Ich glaube auch gar nicht, dass man Menschen etwas über Erziehung lehren kann.

Erziehung fängt mit Bewusstmachen an

In den Jahren, die ich in Asien unter anderem als Reiseleiter verbracht habe, habe ich vor allem eines gelernt: mir meiner Verantwortung für meine Gedanken, meine Gefühle und meine Wirkung auf andere Menschen bewusst zu werden. Nicht ein anderer, sagen die Mönche im Kloster Shaolin, fordert dich zum Kampf heraus. Vielmehr bist du selbst zu schwach, dem Kampf aus dem Weg zu gehen, und lässt dich daher zur Gewalt reizen. Nicht andere haben Schuld daran, wenn du dich schlecht fühlst, es ist deine eigene Entscheidung, nur das Schlechte einer Situation zu erkennen. Nicht andere sind es schließlich, die dich als aggressiv und unbeherrscht empfinden, du selbst bist es, der so auftritt und sie zu dieser Empfindung zwingt. So verhält es sich auch mit der Erziehung.

Gute Erziehung entsteht in der Bereitschaft, sich ehrlich mit sich selbst, seinem Kind und den echten Anforderungen des Lebens auseinanderzusetzen.

Ich kann und ich möchte niemandem einen Rat geben. Alles, was Sie in Wirklichkeit benötigen, ist schon in Ihnen vorhanden. Sie müssen es sich nur bewusst machen.

Damit Sie aus dem Buch den maximalen Nutzen ziehen, brauchen Sie zusätzlich ein leeres Notizheft. Denn Sie finden innerhalb des Textes und am Ende jedes Kapitels immer wieder Übungen und Fragen, die Sie bitte in Stichworten schriftlich beantworten. Natürlich hätten wir dafür auch in dem Buch Platz einräumen können. Was aber, wenn Sie dieses Buch einmal an jemand anderen weitergeben möchten oder eine fremde Person aus Neugierde einfach hineinschaut? Dann würde diese vielleicht etwas von Ihnen erfahren, was Sie gar nicht möchten. Dieses Notizbuch soll Ihr ganz persönlicher Begleiter sein und am Ende sehr viel von Ihnen wissen, was auch nur Sie etwas angeht. Notieren Sie die Antworten möglichst nicht irgendwann, sondern genau dort, wo ich Sie dazu auffordere. Oft brauchen wir die Ergebnisse im weiteren Verlauf.

Warum Sie überhaupt etwas aufschreiben sollen? Weil Erziehung sehr viel mit dem eigenen Bewusstmachen zu tun hat. Im Grunde geht es ja um nichts Geringeres als um Ihren Einfluss und Ihre Wirkung auf Ihre Kinder, aber auch um die Frage, warum Sie in einer Situation auf eine bestimmte Art und Weise reagieren. Daher kann ein Buch zu diesem Thema kein Lese-, sondern muss ein Arbeitsbuch sein. Wenn Sie eine Fremdsprache lernen wollen, lesen Sie ja auch nicht nur den Sprachführer. Abgesehen davon sollen Sie nicht meine Meinung lesen, sondern sich Ihre eigene bilden. Das Benutzen des Notizbuchs hat aber noch einen anderen Vorteil: Sie können darin sehen, wie die Beschäftigung mit der Thematik auch Ihre Ansichten und Ihr Verständnis verändert. Und seien Sie bitte bei der Beantwortung der Fragen ehrlich zu sich selbst. Schreiben Sie alles so auf, wie es wirklich ist. Niemand außer Ihnen wird Ihre Antworten erfahren, nicht einmal ich.

Ihre Meinung zählt

Wenn Sie übrigens einmal bei etwas nicht meiner Ansicht sind, diskutieren Sie ruhig mit mir. Sagen Sie es, widersprechen Sie, formulieren Sie Ihre eigene Meinung. Sie sollen am Ende nicht denken wie ich, Sie sollen einfach einen Standpunkt haben, der Ihrer Überlegung entspringt und nicht einem Mangel an Alternativen. Oft erfordern Situationen im Elternalltag so schnelle Entscheidungen, dass keine Zeit mehr bleibt, über deren Konsequenzen nachzudenken. Da ist es dann gut, wenn man schon vorher einmal ohne Emotionen darüber nachgedacht hat, was zu tun ist. Genau dabei soll Ihnen dieses Buch helfen.

Was für mich Verantwortung heißt

Zum Schluss noch ein Wort in eigener Sache: Sie werden weder davon lesen, dass Eltern in meine Sprechstunde oder Praxis gekommen sind, noch irgendetwas über meine eigenen Kinder. Ich habe nämlich keines von beiden. Der Inhalt dieses Buches beruht auf den Beobachtungen meines eigenen Verhaltens, dem von Erwachsenen und Kindern, den dazugehörigen Überlegungen und auf vielen Jahren professionellen Umgangs mit Menschen aller Altersgruppen.

Nicht zuletzt bin ich als Spross einer Lehrerfamilie mit dem Thema Erziehung gleichsam groß geworden. Diskussionen über Sinn und Unsinn von Strafen, fleißige und faule Schüler und nicht zuletzt die Frage, wie man Letztere dazu bringen könnte, zu tun, was die Lehrer von ihnen verlangen, waren fixer Bestandteil unserer allabendlichen Gesprächskultur. Und natürlich ein guter Nährboden für meine eigene kindliche Auseinandersetzung mit diesem Thema.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Frage, wieso es in meinem Umfeld so viele Regeln gab, die aus meiner Sicht keiner anderen Quelle entsprungen waren als der Willkür eines Erwachsenen. Denn was konnte ein »Weil ich es sage!«-Verbot sonst anderes sein?

Mit der Distanz der Jahre verstehe ich heute manches vom Verhalten der damals Großen. Was aber nicht bedeutet, dass ich deren Meinung uneingeschränkt teile. Selbst wenn ich heute Menschen zum Thema Erziehung reden höre, frage ich mich oft, ob das, was sie da sagen, tatsächlich ihre Meinung ist. Ich meine, haben die sich das selbst überlegt, oder reden sie nur nach, was schon seit Jahrhunderten unüberlegt von Generation zu Generation weitergegeben wird? Erziehung an sich ist nicht greifbar und daher per se weder richtig noch falsch. Erziehung ist ein Weg, den Sie gemeinsam mit Ihrem Kind gehen. Dieser Weg, auf chinesisch »Tao«, führt vorbei an Ihnen selbst und an Ihrem Kind und hat sein Ziel in einem glücklichen Leben.

Was ich Ihnen in diesem Buch vermitteln möchte, ist ein Bewusstsein gegenüber Ihnen selbst und dem Wesen und den Bedürfnissen Ihres Kindes. Verstehen Sie es als eine Reise in das wunderbare Gebiet einer gelungenen Erziehung, vorbei an allem, was heutige Erziehende bewegt.

Kommen Sie mit? Dann lassen Sie uns gehen.

 

Teil 1

Wege zum Selbst

Bevor du dich daranmachst, die Welt zu verändern, gehe dreimal durch dein eigenes Haus.

(aus China)

Erkenne dich selbst, bevor du Kinder zu erkennen trachtest. Unter ihnen allen bist du selbst ein Kind, das du zunächst einmal erkennen, erziehen und ausbilden musst.

(Janusz Korczak)

1. Die Kunst der Selbstreflexion

Man erzieht durch das, was man sagt, mehr noch durch das, was man tut, am meisten durch das, was man ist.

(Ignatius von Antiochien)