Dr. Volker Kitz
Feierabend!
Warum man für seinen Job nicht brennen muss.
Eine Streitschrift für mehr Gelassenheit und Ehrlichkeit im Arbeitsleben
FISCHER E-Books
Volker Kitz ist promovierter Jurist, Bestsellerautor (u.a. ›Das Frustjobkillerbuch‹) und international gefragter Vortragsredner. Spannend und unterhaltsam vermittelt er nützliches Wissen über Psychologie, Recht und Arbeitswelt. Er schrieb u.a. für Spiegel Online, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Manager Magazin und Die Welt. Seine Thesen zu einer neuen Arbeitswelt-Pragmatik machten im Internet Furore, seine Bücher wurden in mehr als zehn Sprachen übersetzt. Volker Kitz lebt in Berlin. Mehr Infos zum Autor: www.volkerkitz.de
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
»Wenn Arbeit so toll ist, warum bezahlt ihr uns dafür?«
Gesellschaftlicher Konsens ist: Nur wer leidenschaftlich arbeitet, liefert gute Ergebnisse und wird glücklich. Doch Millionen Menschen fragen sich: Was läuft falsch bei mir, wenn ich bei der Arbeit keine Leidenschaft spüre? Und wo sind die »spannenden Herausforderungen«, von denen alle reden? Sie suchen, grübeln und verzweifeln, weil in ihrem Leben etwas nicht »stimmt«.
Mit messerscharfem Verstand zerlegt Volker Kitz ein Glaubensgerüst, das bisher kaum jemand anzweifelt. Er erklärt, warum wir besser und zufriedener arbeiten, wenn wir für unseren Job nicht brennen. Seine These: Nicht die Arbeit macht unglücklich, sondern die Lügen, die wir uns darüber erzählen.
Eine Streitschrift für mehr Gelassenheit und Ehrlichkeit im Arbeitsleben
Pressestimmen über Volker Kitz:
»Trifft ins Mark der Gesellschaft.« Der Tagesspiegel
»Originelle Gedanken.« Die Welt
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2017 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung und -motiv: Schiller Design, Frankfurt
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-490342-2
Sonne: Wenn Sie dieses Wort lesen, geschieht in Ihrem Körper das Gleiche, wie wenn Sie sich in die Sonne legen. Die Blutgefäße weiten sich, Wärme kriecht unter die Haut, die Stimmung steigt. Denn wir fühlen Worte. Sie erregen oder betäuben uns, lassen uns zittern oder lachen, lieben oder hassen. Ein Wort ruft eine Vorstellung hervor, und die Vorstellung löst ein Gefühl aus. Dieser Vorgang verrät viel über uns und unsere Einstellung zur Welt.
Ein Forschungsteam der Freien Universität Berlin hat knapp 3000 deutsche Worte auf ihre Wirkung untersucht. Die negativsten Gefühle lösen »Giftgas«, »Krieg« und »Mordtat« aus. Am positivsten stimmen uns »Liebe«, »Paradies«, »Freiheit«. Alles andere liegt dazwischen.
In der Liste verbirgt sich ein faszinierender Fund: Fast jedes Wort wirkt als Verb ähnlich wie als Substantiv, die Sache, das Phänomen, löst also ähnliche Gefühle aus wie das Tun. »Trennung« und »trennen« stimmen uns zum Beispiel beide negativ, »Reise« und »reisen« beide positiv. Zwei auffällige Ausnahmen von dieser Regel gibt es.
Über die eine reden wir später. Die andere betrifft das Wortpaar »Arbeit« und »arbeiten«: Der Begriff »Arbeit« ruft gute Gefühle hervor. Das Tätigkeitswort »arbeiten« stimmt die Menschen negativ.
Arbeit macht glücklich, arbeiten unglücklich.
Das ist die einfache Erkenntnis aus einem Experiment, das sich nicht mit der Arbeitswelt befasst, sondern mit der Macht der Sprache. Sie ist interessant, denn sie deckt sich mit dem, was Forscher herausgefunden haben, die gezielt klären wollten: Wie wirkt Arbeit? Fragt man Menschen, wie zufrieden sie generell mit ihrem Leben sind, siedeln sich Berufstätige auf der Glücksskala höher an als Arbeitslose. Die »Vermächtnisstudie« der Wochenzeitung Die Zeit aus dem Jahr 2016 ist nur eine von vielen, die das belegt: »Das Leben genießen« fanden 82 Prozent der befragten Bevölkerung sehr wichtig – »erwerbstätig sein« 85 Prozent. Arbeit haben ist wichtiger als das Leben genießen! Die Zeit interpretiert: »Ich arbeite gerne!«
Doch das ist falsch. Die Menschen haben nur gerne Arbeit.
Denn es gibt auch diese Daten: Fragt man Erwerbstätige zu verschiedenen Tageszeiten, wie es ihnen in diesem Moment geht, entsteht ein ebenso eindeutiges Bild. Glücklich sind sie, wenn sie gerade mit Freunden feiern, eine Katze streicheln, vor dem Fernseher sitzen – also nicht arbeiten. Unglücklich sind sie, wenn sie gerade arbeiten. Der prominente ökonomische Glücksforscher Richard Layard hat untersucht, welche Tätigkeiten am glücklichsten machen. Folgendes Ranking hat er ermittelt: Sex haben, mit anderen Menschen gesellig sein, essen, Sport treiben. Arbeiten steht auf der Liste nicht vorne, sondern hinten.
Dass wir die Arbeit mögen, doch nicht das Arbeiten, scheint paradox. Dem Rätsel wollen wir nachgehen. Meine These lautet: Nicht die Arbeit macht Menschen unglücklich, sondern die Lügen, die wir uns darüber erzählen. Arbeit existiert in unseren Köpfen als Idee, als Ideal. Die Wirklichkeit, der Arbeitsalltag, hält der Vorstellung nicht stand. Sie enttäuscht uns, wir leiden. Deshalb lieben wir die Idee und verabscheuen die Ausführung.
Der bisherige Lösungsansatz lautet: die Wirklichkeit der Vision anpassen. Doch versuchen das so viele seit so langer Zeit. Arbeitgeber jagen der Motivationsformel hinterher; eine milliardenschwere Beratungsindustrie greift ihnen unter die Arme. Geholfen hat es nichts. Der Anteil der Menschen, die von ihrer Arbeit enttäuscht sind, ist unbarmherzig konstant. Entweder stellen sich die Berater jämmerlich an – oder der Ansatz ist falsch.
Es lohnt sich daher, über den umgekehrten Weg nachzudenken: die Idee der Realität anpassen. Wir haben ein Glaubensgerüst verinnerlicht, das kaum jemand anzweifelt, das aber einstürzt, sobald man sich nüchtern mit ihm auseinandersetzt. Das werden wir in den folgenden Kapiteln tun. Es wird manchmal schmerzen und manchmal belustigen. Der Gang von der Lüge zur Wahrheit ist eine Kneippkur der Gefühle.
Diese Schrift streitet für einen modernen, pragmatischen Umgang mit Arbeit. Schreiten wir dabei auch durch Ernüchterung, der Tenor ist positiv: Die Wahrheit ist gutartig; sie desillusioniert in befreiender, hoffnungsfroher Weise. Wer den Befreiungsschlag getan hat, für den ist arbeiten nichts Negatives mehr.
Paradies ist nicht nur eines der glücklich machenden Worte. Es ist auch der Beginn der Beziehung zwischen Arbeit und Mensch.
Ein wesentliches Merkmal des biblischen Paradieses ist, dass Adam und Eva nicht arbeiteten. Die Erde, soeben erschaffen, gab ihnen, was sie brauchten. Arbeit existierte weder als Idee noch als Tätigkeit. Die Schlange kam, verführte Eva, und Eva verführte Adam; sie aßen vom verbotenen Baum. Gott bestrafte sie: Er brachte Arbeit in ihr Leben. »Unter Mühsal«, berichtet die Bibel, sollte sich der Mensch nun ernähren, den Erdboden »bearbeiten«. So kam die Arbeit über uns, als Strafe.
Diesen Ruf behielt die Arbeit lange. Die Urmenschen jagten und sammelten, um Hunger zu stillen. Dann legten sie sich zur Ruhe. Jagen und sammeln waren Notwendigkeiten.
In der Antike kam kein ehrenwerter Bürger auf die Idee, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Das Ideal bestand darin, nicht zu arbeiten. Man verbrachte die Zeit mit Lernen und Philosophieren, dachte über Staat und Gesellschaft nach. Das machte einen guten Menschen aus. Arbeit überließ man Sklaven und dem gemeinen Volk. Die Mönche des Mittelalters verbüßten mit Arbeit ihre Sünden.
Im 16. Jahrhundert kam Martin Luther. Er nannte die Arbeit »Beruf« und erklärte sie zur Bestimmung des Menschen vor Gott. Erst jetzt wurde »Arbeit« zu einem Konzept. Sie wurde ideologisch aufgeladen.
500 Jahre seit Martin Luther mögen lang erscheinen. Doch die Ursprünge der Menschheit liegen etwa sechs Millionen Jahre zurück. Sechs Millionen Jahre lang war Arbeit, sofern man sie überhaupt als Phänomen wahrnahm, Last oder Strafe. Ihre Glorifizierung schreitet erst seit 500 Jahren voran – sie nimmt 0,008 Prozent der Geschichte der Menschheit ein. Dass Arbeit reizvoll sein soll, ist alles andere als selbstverständlich.
Und doch sind wir heute keine Urmenschen mehr, leben nicht mehr in Antike oder Mittelalter, sondern in einer modernen Gesellschaft. Wir kämpfen, zumindest in unserem Land, nicht mehr jeden Tag ums Überleben. Maschinen haben uns Arbeit abgenommen und Zeit geschenkt. In dieser Zeit konnten wir uns selbst studieren und unsere Bedürfnisse betrachten. Es wäre naiv, heute als Ideal den griechischen Denker Diogenes zu predigen, der in einer Tonne kauerte und in den Tag hinein philosophierte.