Paige Toon
Sommer für immer
Roman
Aus dem Englischen von Alice Jakubeit
FISCHER E-Books
Paige Toon wuchs als Tochter eines Rennfahrers in Australien, England und Amerika auf. Sieben Jahre lang arbeitete sie als Redakteurin beim Magazin »Heat«. Paige Toon ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in London. Von ihr lieferbar sind folgende Romane: ›Lucy in the Sky‹, ›Du bist mein Stern‹, ›Einmal rund ums Glück‹, ›Diesmal für immer‹, ›Immer wieder du‹, ›Ohne dich fehlt mir was‹ und ›Sommer für immer‹.
Kann aus einem Sommerflirt die Liebe für immer werden? Romantisch, witzig, berührend. Der perfekte Sommerroman von Bestsellerautorin Paige Toon.
Laura ist am Boden zerstört: Ihre große Liebe Matthew, mit dem sie seit sieben Monaten verheiratet ist, hat sie auf seinem Junggesellenabschied betrogen – und diese Frau ist nun auch noch schwanger! Um Laura aufzuheitern nimmt ihre Freundin Marty sie mit in den Urlaub nach Florida. Ein sorgenfreier Urlaub unter Palmen mit viel Spaß und vielen bunten Cocktails scheint die beste Medizin. Aber auch in Key West, meilenweit von zu Hause entfernt, kann Laura Matthew und das was er ihr angetan hat, nicht einfach vergessen. Als sie beim Scuba-Diving den kubanischen Tauchlehrer Leo kennenlernt, passiert etwas mit dem sie überhaupt nicht gerechnet hat: Sie verliebt sich Hals über Kopf. Alles nur ein harmloser Sommerflirt? Als sich der Urlaub seinem Ende neigt, muss sie sich die Frage stellen: Ist Leo nur die willkommene Ablenkung von ihrer Trauer oder steckt mehr dahinter? Um das herauszufinden cancelt sie den Rückflug …
Erschienen bei FISCHER E-Books
Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel ›The Longest Holiday‹ im Verlag Simon & Schuster UK Ltd, London.
© Paige Toon, 2013
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung und -abbildung: www.buerosued.de
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403279-5
Für Pete – The Unc – und Gwennie
Ich hoffe, ihr genießt euren immerwährenden Urlaub
(auch Ruhestand genannt)
Mit Tränen in den Augen lächelt er mich an, während ich mein feierliches Gelübde spreche:
»Ich, Laura Rose Smythson, nehme dich, Matthew Christopher Perry, zu meinem rechtmäßig angetrauten Ehemann. Ich will dich lieben und ehren, von diesem Tage an …«
Ich dachte, ich würde nie wieder so für einen Mann empfinden. Nicht nachdem Will, meine erste große Liebe … Nicht nach dem Kummer und der Trauer, der nur allmählichen Erholung … Dann lernte ich Matthew kennen, und ich wusste sofort, dass mein Herz für immer ihm gehören würde: meinem perfekten, wundervollen, mich anbetenden Matthew.
Und dann wache ich auf. Und ich erinnere mich daran, dass er nicht perfekt ist. Er ist so weit davon entfernt, perfekt zu sein, dass mir eigentlich das Herz stehenbleiben müsste, so weh tut es.
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, entschuldigt sich meine Freundin Marty neben mir, während sie energisch mit einer Papierserviette über einen feuchten Fleck auf ihrer Jeans reibt. »Bridget hat mit ihrem fetten Hintern meinen blöden Cocktail umgeworfen«, murrt sie, während ich allmählich wach werde. Ich sehe zu Bridget, die, halb auf dem Sitz zusammengerollt, mit dem Gesicht zum Fenster tief und fest schläft, und deren anstößiger Hintern alles andere als fett ist. Noch immer halb in meinem Traum – oder besser gesagt, in meinem Albtraum – gefangen, bücke ich mich und ziehe meine Tasche unter dem Sitz vor mir hervor. Wenigstens an Taschentücher habe ich gedacht. Meinen Pass hätte ich vergessen, wenn Marty mich nicht daran erinnert hätte.
»Danke«, sagt Marty, als ich meine Taschentuchvorräte hervorhole, um den verschütteten Gin Tonic auf dem Klapptisch aufzuwischen. »Wie geht’s dir?« Mitfühlend sieht sie mich über den Rand ihrer rubinroten Brille an.
»Nicht«, warne ich sie, aber es ist schon passiert. Der Kloß sitzt wieder fest in meinem Hals.
»Tut mir leid, tut mir leid. Hier, trink, schnell!«, sagt sie hastig, ehe ich wieder losheulen kann. Ich nehme ihren Gin Tonic – oder das, was davon übrig ist – und stürze ihn in einem Schluck herunter. »Denk an was Schönes!«, drängt sie mich. »Denk an die Sonne! Denk ans Meer! Denk an die Cocktails am Meer und an die ganzen scharfen Typen!«
Verärgert über den Lärm, seufzt Bridget vernehmlich, noch immer mit dem Rücken zu uns.
Marty sieht mich mit geschürzten Lippen an, und ich ahme sie nach. Die Tränen sind in Schach gehalten. Fürs Erste.
»Laura? Möchtest du noch einen?«, flüstert meine Freundin vernehmlich, und ehe ich antworten kann, betätigt sie schon den Rufknopf an ihrer Armstütze.
»Klar, warum nicht?« Ich nicke.
»Ich auch«, sagt sie, wie erwartet. »Warum auch nicht, wo sie doch gratis sind und so.«
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«
Wir sehen die Stewardess an, die neben uns im Gang steht.
»Könnten wir bitte noch zwei von denen bekommen?«, fragt Marty.
»Gin Tonic?«, fragt die Stewardess frostig.
»Genau die«, erwidert Marty leutselig und fügt leise »hochnäsige Kuh« hinzu, sobald die Frau ihr den Rücken zugekehrt hat. »Also, wenn wir ankommen, holen wir nur schnell das Auto ab und fahren gleich rauf nach Key West.«
»Runter«, berichtige ich sie. Ihre Geographie-Kenntnisse sind vermutlich auf dem Niveau einer Siebenjährigen, was witzig ist, wenn man bedenkt, dass sie Reisekauffrau ist.
»Von mir aus. Du willst doch nicht heute Nachmittag noch nach Miami, oder? Ich weiß, dass Bridget unbedingt dahinwill, aber wir können ja einen Tagesausflug machen.«
»Es sind sechs Stunden hin und zurück«, rufe ich ihr in Erinnerung.
»Na ja, wir könnten einmal da übernachten oder es uns auf der Rückfahrt ansehen. Was meinst du?«
»Klar«, erwidere ich. »Ich werde froh sein, wenn wir im Hotel sind und …«
»Und die Badeklamotten anziehen und an den Strand Schrägstrich die Bar gehen«, beendet sie den Satz an meiner Stelle, obwohl ich das gar nicht sagen wollte.
»Wir könnten zuerst auspacken«, schlage ich vor.
»Nein. Nein«, sagt sie energisch. »Du packst nicht aus. Diesmal nicht. In diesem Urlaub wirfst du deine Vorsicht mal über Bord. Diesmal wird nicht erst ausgepackt, und es werden auch keine Reiseführer gewälzt oder Einkaufslisten geschrieben oder so was. Das lasse ich nicht zu.«
Ich verdrehe die Augen und bedanke mich bei der Stewardess, die uns unsere Drinks reicht.
Bridget rührt sich auf ihrem Sitz neben Marty und wirft die welligen, halblangen braunen Haare über die Schulter, während sie vergeblich versucht, eine bequeme Position zu finden. Es ist ein langer Flug, und wir sind früh aufgestanden.
»Hast du überhaupt geschlafen?«, frage ich Marty leise.
»Nein. Ich schlafe am Strand. Prost.«
Wir stoßen an. Vor meinem inneren Auge schiebt sich Matthews Gesicht in den Vordergrund. Ich zucke zusammen und trinke hastig einen Schluck.
»Hör auf, an ihn zu denken«, fährt Marty mich an.
»Wenn ich das nur könnte«, erwidere ich. Ich nehme ihr ihren Ton nicht übel. Hauptsache kein Mitgefühl.
Sie wechselt das Thema. »Wie lange noch bis zur Landung?«
Ich sehe auf die Uhr. »Zwei Stunden.«
»Das reicht gerade, um einen Film anzusehen.«
»Guter Plan«, stimme ich zu.
Sie zieht das Programm aus der Sitztasche vor sich und drückt dann erneut den Rufknopf.
»Du hast doch noch gar nicht ausgetrunken!«, rufe ich.
Sie kichert wie ein unartiges Schulmädchen. »Ich weiß. Ich habe gedacht, ich frage die hochnäsige Kuh mal, ob sie auch Popcorn hat …«
Martys großen Worten zum Trotz dauert es nicht lang, bis sie auf dem Beifahrersitz unseres gemieteten roten Chevy Equinox tief und fest schläft. Bridget fährt, und darüber bin ich froh, denn kaum haben wir den Flughafenparkplatz verlassen, da haben wir auch schon zwei Beinahe-Zusammenstöße – die Autofahrer hier scheinen alle ein bisschen zu spinnen. Gut, dass ich nicht fahren muss.
Wir entfernen uns auf einer langen, breiten, geraden Straße von Miami in Richtung Florida Keys. Ich sehe aus dem Fenster und betrachte die dicken Palmen, die man auf dem Mittelstreifen gepflanzt hat. Es ist ein heller sonniger Nachmittag, und in einem seltenen erhebenden Augenblick will ich die Sonnenbrille aufsetzen, aber dann fällt mir ein, dass ich sie in den Koffer gepackt habe, und ich kann mich nicht einmal dazu aufraffen, mich darüber zu ärgern. In letzter Zeit fällt es mir schwer, irgendetwas wichtig zu nehmen.
Im Radio läuft Jessie J, und Bridget dreht die Lautstärke auf. Seit Marty eingenickt ist, haben wir kaum zwei Worte gewechselt. Wir sind keine Freundinnen.
Das klingt falsch. Was ich meine, ist, sie ist Martys Freundin, nicht meine. Damit will ich nicht sagen, dass ich sie nicht mag. Ich mag sie. Gewissermaßen. Aber Marty und ich sind seit der Kindheit beste Freundinnen. Bridget ist erst dazugekommen, als Marty Anfang zwanzig war und die beiden in London eine Wohngemeinschaft hatten. Sie sind gute Freundinnen, aber keine alten Freundinnen. Was die Länge der Freundschaft angeht, gewinne ich. Und ja, es fühlt sich an wie ein Wettbewerb.
Bei diesem Urlaub war ich eigentlich nicht mit von der Partie. Bridget ist Reiseschriftstellerin, Marty, wie bereits erwähnt, Reisekauffrau, und die beiden hatten diesen Urlaub verabredet, lange bevor ich des Weges kam und alles ruinierte.
Das ist nicht ganz richtig. Marty hat mich eingeladen. Und Bridget konnte schlecht nein sagen, angesichts des 20. Oktobers.
Der 20. Oktober. Das Datum meines Junggesellinnenabschieds, das Datum von Matthews Junggesellenabschied, das Datum, das erst vor zwei Wochen in einer seiner Facebook-Nachrichten auftauchte:
Bist du der Matthew Perry, der am 20.10. im Elation war?
»Da ist es!«, unterbricht Bridget meine düsteren Gedanken mit einem ausgelassenen Ruf. Ehe Marty einschlief, forderte sie uns zu einem Wettbewerb heraus, wer zuerst das Meer erblicken würde. Bridget meint, sie hätte gewonnen.
»Das ist aber nicht das Meer, oder?«, melde ich mich zweifelnd vom Rücksitz, obwohl ich meine, Salzwasser zu riechen, sogar durch die geschlossenen Fenster. »Das ist eine Lagune.«
»Eine Lagune …« Im Profil betrachtet, wirkt Bridget nachdenklich. »Weißt du, ich habe dieses Wort noch nie laut ausgesprochen.«
»Ich auch nicht, wenn ich’s mir recht überlege.«
»Gibt wohl nicht viele Lagunen in London.« Da leben wir nämlich. »Oder überhaupt in England«, fügt sie hinzu. »Wahrscheinlich in ganz Europa nicht. Mangroven!«, ruft sie dann aus und reißt die blauen Augen auf, während sie mich im Rückspiegel ansieht. »Wachsen die nicht in Sümpfen?«
Ich lache. »Ich habe keine Ahnung. Aber ob Sumpf oder Lagune, das Meer ist das jedenfalls nicht.«
»Ich gewinne trotzdem«, sagt sie in einem Ton, von dem ich glaube, dass er nur gespielt ernst ist. Vielleicht ist sie ehrgeiziger, als ich dachte.
Wir fahren an einer Palmenfarm zu unserer Linken vorbei, und zu unserer Rechten liegt ein buntes Sammelsurium von Einfamilienhäusern mit Booten in den Gärten.
Ich kann kaum noch die Augen offen halten, aber es käme mir mies vor, Bridget im Stich zu lassen. Sie mag sich das Steuerrad geschnappt haben, um vorn neben Marty sitzen zu können, aber das nehme ich ihr nicht übel. Ich will bloß nicht, dass sie am Steuer einschläft und uns alle umbringt – auch wenn ich mir im Moment kaum vorstellen kann, wie ich die Demütigung überleben soll, die mein Ehemann mir antut.
»Da!«, schreit sie, als wir an einer gewaltigen Wasserfläche vorbeifahren.
»Nix da.« Ich schüttele den Kopf. »Immer noch eine Lagune. Sieh mal, da drüben kannst du Land sehen.«
»Mist«, schimpft sie.
Ich lächele in mich hinein. Das Sonnenlicht auf dem Wasser blendet, aber ich zwinge mich, hinzusehen. Ich brauche Licht in meinem Leben. Die vergangenen beiden Wochen waren düster.
»Moment mal«, braust Bridget auf. »Wir sind doch auf Key Largo! Du kannst mir nicht erzählen, dass das nicht das Meer ist.«
»Okay, du hast gewonnen«, räume ich ein. Wie gesagt, in letzter Zeit fällt es mir schwer, irgendetwas wichtig zu nehmen.
Vier weiße Segel ragen über den Mangrovensümpfen auf und steuern aufs offene Meer zu. Wir kommen an einer Reihe Häuser auf Stelzen vorüber, und dahinter kann ich das Wasser glitzern sehen. Die Wohnhäuser und Geschäftsfassaden sind blau, grün, gelb oder cremeweiß angestrichen, und vor einigen Häusern weht die amerikanische Flagge in einer sanften Brise. Styroporbojen hängen wie Girlanden an Schnüren über Zäunen und vor Bars, und manche Leute haben Briefkästen in Form von farbenprächtigen Fischen.
Es gibt viele Tauch- und Angelgeschäfte – und viele Boote. Immer wieder erhasche ich durch die üppige tropische Vegetation einen Blick auf den Ozean. Und die ganze Zeit über führt die Straße schnurgeradeaus. Wie eigenartig, dass sie in Key West endet, am südlichsten Punkt der USA. Dann bleibt uns in zwei Wochen nichts anderes übrig, als genau auf dieser Straße wieder zurückzufahren und nach Hause zu fliegen. Der Gedanke deprimiert mich. Vielleicht lasse ich mich lieber in einem Boot nach Kuba mitnehmen.
Marty entfährt ein lauter – und ich meine, ein LAUTER – Schnarcher, und Bridget und ich prusten los.
»Was? Was ist?« Marty fährt hoch.
»Du hast geschnarcht«, sagt Bridget.
»Nein, habe ich nicht«, widerspricht Marty verächtlich.
»O doch, du hast! Du hast geklungen wie ein Wal. Hat sie doch, oder, Laura?«
»Wale schnarchen nicht«, gibt Marty zurück, ehe ich antworten kann.
»Dann eben wie ein Schwein«, sagt Bridget.
»Dann schon lieber wie ein blöder Wal!«, ruft Marty.
Wir prusten alle los, und am Ende einer Lachsalve lässt Bridget ein gewaltiges Schnarchen ertönen, woraufhin wir erst recht losgackern.
»O Gott, bin ich müde«, sagt sie, als wir uns alle wieder beruhigt haben.
»Soll ich ein Stückchen fahren?«, biete ich an.
»Nein, schon gut«, lehnt sie mein Angebot ab. »Ich habe ja im Flugzeug geschlafen, ist schon gut.« Sie gähnt laut. Was für eine Märtyrerin.
»Was hab ich verpasst?«, will Marty wissen und zappelt auf ihrem Sitz.
»Bridget hat als Erste das Meer gesehen«, berichte ich, als wir gerade auf eine gewaltige Brücke fahren. Überall um uns herum ist Meer.
»Wow, wie aufregend«, kommentiert sie sarkastisch.
Deshalb heißt diese Straße vermutlich Overseas Highway, denke ich bei mir, während ich aus dem Fenster sehe. Der Atlantik zur Linken ist kabbelig und glitzert, während der Golf von Mexiko zu unserer Rechten glasklar und ruhig ist. Zwei Pelikane gleiten vor uns über die Straße, riesig und grau mit einer gewaltigen Flügelspannweite, und dann fahren wir wieder über Land.
Wir kommen an einer Delfinrettungsstation vorüber. Davor hängt ein Schild, auf dem steht: »Haben Sie heute schon einen Delfin umarmt?«
»Ich will einen Delfin umarmen!«, schreit Marty so laut, dass Bridget zusammenfährt. Marty und ich kichern. Und dann sehen wir an einer Einfahrt ein weiteres Schild, auf dem steht: »Ich wünschte, du wärst hier«, und flüchtig stelle ich mir vor, Matthew säße auf dem leeren Sitz neben mir, und ich vermisse ihn so sehr, dass es wehtut.
Unvermittelt habe ich den starken Drang, aus dem Auto herauszukommen.
»Können wir kurz anhalten?«, frage ich und versuche, mir meine Verzweiflung nicht anhören zu lassen.
»Was ist denn los?« Marty reißt den Kopf nach hinten und sieht mich an.
»Klar«, erwidert Bridget verdutzt und blinkt. Sie fährt auf einen kleinen Parkplatz an einem weißen Sandstrand. Ein Paar in mittlerem Alter sitzt an einem der Picknicktische, aber ansonsten ist der Platz verlassen.
»Weiß aber nicht, ob es hier ein Klo gibt«, fügt sie hinzu. Sie hat meinen Wunsch falsch gedeutet.
»Ich brauche bloß ein bisschen frische Luft«, erkläre ich, öffne die Tür und steige aus.
Ich höre, dass Bridget ihre Tür ebenfalls öffnet, aber Marty sagt leise etwas zu ihr, und sie bleiben beide im Auto sitzen. Meine älteste und liebste Freundin kennt mich zu gut.
Während mein Kopf und mein Herz im Einklang pochen, gehe ich ans Wasser, ziehe die Schuhe aus und wate in das kühle, klare, türkisfarbene Nass. Ich atme tief durch und schließe kurz die Augen, dann öffne ich sie wieder und starre hinaus auf den gewaltigen leeren Ozean.
Bei seinem Junggesellenabschied ließ mein zukünftiger Ehemann sich volllaufen und küsste am Ende in einem Club irgendeine Frau. Das erzählte er mir aber nicht etwa vor unserer Hochzeit eine Woche später. Er hielt es auch nicht für nötig, es mir irgendwann während der ersten sechs Monate unserer Ehe zu beichten. Wahrscheinlich hätte er es mir überhaupt nicht gebeichtet, wenn ich nicht vor zwei Wochen auf seiner Facebook-Seite eine Nachricht von einer hübschen Frau namens Tessa Blight gesehen hätte. Bald darauf stellte sich heraus, dass sie Nachrichten an jeden Matthew Perry geschickt hatte, den sie finden konnte – um meinen Matthew Perry zu finden. Meinen Matthew Perry, der zuerst in einem Club namens Elation irgendeine Frau geküsst und später mit ihr schmutzigen Sex auf der Toilette des Clubs gehabt hatte. Und jetzt bekommt diese Zufallsbekanntschaft in knapp zwei Monaten ein Kind von Matthew Perry – von meinem Matthew Perry.
Mein Ehemann wird für den Rest seines Lebens der Vater des Kindes einer anderen Frau sein. Daran führt kein Weg vorbei, ebenso wenig wie an der grausamen Demütigung für mich, denn die ganze Familie und alle unsere Freunde wissen, dass er eine Woche vor seiner Hochzeit mit mir, der sogenannten Liebe seines Lebens, Sex mit einer anderen Frau gehabt hatte. Es tut ihm leid, natürlich tut es ihm leid. Er ist kein böser Mensch, aber es war ein böser, böser Fehler. Er wollte mich nicht verletzen, er wollte das gar nicht tun – er war so betrunken, da ist es einfach passiert. Und er wird alles tun, was in seiner Macht steht, um es wiedergutzumachen.
Aber er wird es niemals wiedergutmachen können. Ich werde das niemals vergessen. Wie könnte ich auch, wenn das Baby mich stets und bis an mein Lebensende daran erinnern wird?
Es fühlt sich an, als hätte er mir das Herz aus der Brust gerissen und den Haien zum Fraß vorgeworfen. Und im Augenblick würde ich mich am liebsten selbst ins Wasser stürzen und mich dazugesellen.
Ich höre die Autotür zuknallen, und gleich darauf steht Marty neben mir im Wasser.
»Alles in Ordnung?«, fragt sie behutsam.
Ich nicke, ohne sie anzusehen.
»Du tust das Richtige«, sagt sie, aber ich habe da immer noch meine Zweifel. »Zwei Wochen Urlaub geben dir die Möglichkeit, Abstand zu gewinnen, erst mal abzuschalten und dann zu entscheiden, was du tun willst.«
Dieses Argument hat sie schon in England vorgebracht, aber da erschien es mir plausibler. Jetzt frage ich mich bloß, was ich hier mache. Wegzulaufen schiebt das Unvermeidliche nur hinaus. Zwar weiß ich noch gar nicht, was das Unvermeidliche ist, aber sollte ich nicht lieber zu Hause sein und versuchen, es herauszufinden?
»Hat er sich bei dir gemeldet?«, fragt sie.
»Ich weiß nicht. Ich habe mein Telefon nicht eingeschaltet.«
»Oh. Wahrscheinlich besser so.«
»Hmm.«
Schweigen.
»Wenn jetzt eine Flutwelle käme, wären wir am Arsch«, sinniert sie.
»Danke für diesen tröstlichen Gedanken, Marty«, sage ich so sarkastisch wie möglich.
»Ahhhh!«
Wir drehen uns um und sehen Bridget in einem lindgrünen Bikini ins Meer rennen. Wasser spritzt in unsere Richtung, und wir quietschen.
»Kommt!«, schreit sie und geht in die Knie, so dass ihr das Wasser bis zum Hals reicht und ihre Haare halb nass werden. Marty packt mich am Arm. »Komm!«
Ich zögere, aber sie hat schon für mich entschieden. Sie zerrt mich zurück zum Auto, um unsere Badesachen herauszusuchen.
Sie hat recht. Genau das brauche ich jetzt. Und selbst wenn sich herausstellt, dass ich mich irre, werde ich heute nicht mehr in ein Flugzeug zurück steigen. Mal sehen, was der morgige Tag bringt.
Ich hieve meinen Koffer aus dem Auto und öffne den Reißverschluss. Wo ist mein Bikini? Marty zieht bereits das T-Shirt über den Kopf und vergewissert sich dabei, dass der Mann am Picknicktisch nicht spannt.
»Sag nicht, du hast keinen eingepackt«, sagt sie, während ich immer hektischer meine Habseligkeiten durchwühle.
Mir rutscht das Herz in die Hose. Er ist leuchtend gelb, verdammt nochmal. Wenn er hier wäre, hätte ich ihn längst gefunden. Ich sehe ihn vor mir, zu Hause in der Schublade – eine Anschaffung für die Flitterwochen, die mich jetzt verhöhnt …
»Verdammte Scheiße!«, explodiere ich, mit einem Mal fuchsteufelswild. Ich habe zwar gesagt, es fiele mir schwer, etwas wichtig zu nehmen, aber DAS ist mir wichtig. Es ist mir immens wichtig.
»Nimm meinen«, drängt Marty und drückt ihn mir in die Hände, ehe ich widersprechen kann. Und gleich darauf stürzt sie sich ins Wasser – in ihrem roten BH und einer nicht dazu passenden gestreiften Unterhose. Falls der Mann uns bisher nicht bemerkt haben sollte, jetzt garantiert.
»Beeil dich!«, schreit sie mir zu. Sie ist ein bisschen kleiner und kurvenreicher als ich, aber ihr Bikini passt sich mir an. Und damit ihre Schamlosigkeit nicht vergebens ist, beeile ich mich und geselle mich zu ihr, diesmal mit einem Lächeln im Gesicht.
Eine Stunde später fahren wir mit noch nassen, wirren und salzigen Haaren nach Key West hinein. Die letzte Insel der Florida Keys ist nur knapp sechseinhalb Kilometer lang und gut drei Kilometer breit, daher sind wir in null Komma nichts durch die seelenlose New Town hindurch und in der Old Town, wo schöne alte Häuser, Hotels und Bed & Breakfasts die schmalen Straßen und Gassen säumen. Die Gärten vor den Häusern sind voller tropischer Bäume und Blumen, die hochwillkommenen Schatten auf die Balkone und Veranden viktorianischer Gebäude werfen. Die Schindelhäuser und deren hölzerne Fensterläden sind in kontrastierenden Farben gestrichen – Rosa und Lila, Grau und Grün, Gelb und Weiß –, und die Bäume strotzen vor Blüten in leuchtenden Farben.
»Ich glaube, hier ist es«, sagt Bridget und biegt auf einen kleinen Parkplatz ein.
Unser Hotel liegt ein paar Straßenecken östlich von der Duval Street, wo sich ein Großteil des Nachtlebens abspielt, und als wir aussteigen und die Koffer zum Eingang ziehen, regt sich ein wenig Vorfreude in mir. Das Hotel ist weiß gestrichen, hat grüne Fensterläden und ein Vordach und steht inmitten einer üppigen Gartenlandschaft. Mike, der freundliche, offensichtlich schwule Rezeptionist, führt uns kurz übers Gelände, und als wir um eine Ecke biegen und den kühlen blauen Pool erblicken, lächele ich Marty unwillkürlich an. Die Liegestühle sind noch voll besetzt. Die Leute genießen die Spätnachmittagssonne und lassen den Tag mit einem Drink ausklingen. Mein Blick fällt auf drei wohlgerundete Männer mittleren Alters in knappen bunten Badehosen. Außerdem gibt es einen Whirlpool, einen Bereich mit Hängematten unter Palmen zum Chillen, und an den Verandadecken schaukeln Hängesessel. Mike teilt uns mit, dass am Pool täglich von sechzehn bis siebzehn Uhr Happy Hour ist und wir uns in dieser Zeit so viele kostenlose Drinks genehmigen können, wie wir wollen. Die Happy Hour ist bereits in vollem Gang, und er gibt uns drei Gratisbier mit aufs Zimmer für den Fall, dass wir nicht mehr rechtzeitig wieder herunterkommen. Da kennt er Marty schlecht.
Wir wohnen im ersten Stock in einem offenen Apartment an der Vorderseite des Gebäudes. Wir haben einen Balkon für uns allein mit einem Hängesessel, zwei schmiedeeisernen Stühlen und einem kleinen Tisch. Im Inneren des Apartments gelangt man über eine Wendeltreppe zu einem Doppelbett. Marty hat eingewilligt, es Bridget zu überlassen, da ihre Reisereportage ihnen hier einen ordentlichen Rabatt verschafft. Ferner gibt es ein Sofa, das sich in ein zweites Doppelbett für Marty verwandeln lässt, und unter der Treppe liegt eine Singleluftmatratze: mein Schlafquartier.
»Mir macht es nichts aus, da zu schlafen«, bietet Marty großzügig an, als ich meine Tasche neben mein Bett stelle, das einen halben Meter hoch und ziemlich beeindruckend für eine Luftmatratze ist.
»Nein, schon gut«, erwidere ich, setze mich und rutsche beinahe wieder hinunter. Sie sieht fester aus, als sie ist. Bridget schnaubt.
»Pass bloß auf, sonst ratze ich oben bei dir«, warnt Marty sie. »Laura kann das Schlafsofa haben.«
»Ja, ja, du willst ja nur grapschen«, witzelt Bridget und versucht, ihren riesigen Koffer die Wendeltreppe hinaufzubefördern, wobei sie geräuschvoll von Stufe zu Stufe rumpelt. »Helft mir mal, ja?«, fährt sie uns schließlich an.
Hastig stehe ich auf und stoße mir den Kopf an der Treppe.
»Mist, alles okay?«, ruft Marty.
»Aua.« Ich drücke mir die Hand auf den Kopf. Das hat richtig weh getan.
»Schnell!«, japst Bridget, und Marty eilt ihr zu Hilfe, ehe der Koffer mir auch noch auf den Kopf fallen kann. Ich komme vorsichtig unter der Treppe hervor und richte mich mit pochendem Schädel auf. Am Fuß meines Bettes befindet sich ein Bad mit einer Dusche, vor dem Sofa steht ein Flachbildfernseher, und dahinter befindet sich eine kleine Kochnische mit einem winzigen Kühlschrank und einer Mikrowelle. Obendrauf steht eine Kaffeemaschine. Nach ausgiebigem Fluchen und Zetern stellen Marty und Bridget endlich Bridgets Koffer ab und kommen wieder die Treppe herab. Wundert mich nicht, dass sie zu kämpfen hatten. Beinahe die Hälfte des zulässigen Gepäckgewichts für uns drei ging allein für Bridgets Koffer drauf. Zum Glück habe ich nur leichtes Gepäck, sonst hätten wir vielleicht Übergepäck bezahlen müssen. Ich denke an den vergessenen Bikini und seufze. Ich werde erst einen neuen kaufen müssen, bevor ich in diesen verlockenden Pool tauchen kann.
»Happy Hour?«, schlägt Marty vor.
»Ich gehe vielleicht zuerst unter die Dusche«, sage ich.
»O nein, das tust du nicht.« Sie nimmt meine Hand und zieht mich durchs Zimmer zur Tür.
»Darf ich mir nicht die Haare waschen?«, bettele ich und gehe nur widerwillig mit.
»Deine goldenen Locken sehen atemberaubend aus, wie immer«, erwidert sie trocken und achtet nicht auf meinen Protest. Ich werfe Bridget über die Schulter einen flehenden Blick zu, aber sie schürzt bloß die Lippen und folgt uns aus dem Apartment.
»Hast du uns an den schwulsten Flecken der Welt geschleppt?«, beschwert Marty sich zehn Minuten später leise bei Bridget, als wir eine zweite Clique knapp bekleideter, rundlicher Herren mittleren Alters beäugen, die gerade in den Whirlpool steigen. »Glaub nicht, ich hätte die ganzen Regenbogenfähnchen unterwegs hierher nicht bemerkt.«
»Ach, halt die Klappe«, faucht Bridget.
»Super«, fährt Marty mit ausdrucksloser Miene fort. »Genau das Richtige für einen Mädelsurlaub.«
Ich versuche, mir das Kichern zu verkneifen, während Bridget sich verteidigt: »Das ist hier ein Topreiseziel für scharfe Typen …«
»Schwule«, stichelt Marty.
»HETEROS bei Junggesellenabschieden und … und …«
Marty wirft ihr einen warnenden Blick zu. Bridget bricht ab, als ihr klarwird, was sie da gesagt hat.
Beiden ist natürlich klar, dass ein Haufen besoffener Junggesellen, die Frauen anbaggern, während ihre Freundinnen und zukünftigen Ehefrauen in seligem Unwissen zu Hause sitzen, das Letzte ist, was ich in diesem Urlaub sehen will. Mir ist übel, als ich mir – nicht zum ersten Mal – Matthew bei seinem Junggesellenabschied vorstelle.
»Entschuldige«, sagt Bridget.
»Seid nicht albern«, wiegele ich ab und schüttele energisch den Kopf, um die Bilder zu verscheuchen. »Ich hole uns noch einen«, sage ich und stehe auf. »Das Gleiche noch mal?«
»So ist’s recht«, sagt Marty beifällig. »Ja, bitte.«
Ich schlendere hinüber zu dem Trolley auf der anderen Seite des Pools, wo ein paar Leute zusammenstehen, sich Drinks einschenken und appetitliche Knabbereien nehmen. Ich ziehe drei Plastikbecher vom Stapel und gieße in jeden mindestens einen doppelten Wodka. Dann strecke ich die Hand nach dem Krug mit dem Cranberrysaft aus, erstarre jedoch mitten in der Bewegung, als eine andere Hand mir zuvorkommt. »Lass mich das machen …«
Ich sehe hoch und erblicke einen Mann mit nacktem Oberkörper, Sonnenbrille und Baseballmütze, der mich angrinst und in einer Hand den Krug hält.
»Danke.« Ich halte ihm die drei Becher hin.
»Sag stopp«, murmelt er, als er beginnt, einzuschenken.
»Das reicht«, sage ich, als er den ersten Becher zu zwei Dritteln gefüllt hat. Während er sich den zweiten Becher vornimmt, fällt mein Blick auf seine Brust. Er ist muskulös und braungebrannt, ein sehr amerikanischer Typ, und ich kann erkennen, dass er gut aussieht, auch wenn sein Gesicht zum Teil verdeckt ist.
»Du magst es gern stark«, bemerkt er.
»Warum auch nicht?«
»Britin?«, fragt er.
»Ja.«
»Wie heißt du?«
»Laura.«
»Ich bin Rick.«
»Freut mich.«
»Bleibst du länger?«
»Zwei Wochen.«
»Cool.«
»Und du?«, fühle ich mich zu fragen verpflichtet.
»Ein paar Tage. Meine Kumpel und ich sind zu einem Jetski-Wettbewerb hier.«
»Wow. Das macht bestimmt Spaß.« Ich deute auf die Drinks und will mich abwenden. »Wir sehen uns bestimmt noch mal.«
»Bestimmt.« Er schenkt mir ein Grinsen, bei dem weiße Zähne aufblitzen, und ich schlendere zurück zu unseren Liegen. Erst als ich nur noch wenige Schritte entfernt bin, sehe ich hoch und stelle fest, dass Bridget und Marty mich offenen Mundes anstarren.
»Was ist?«, frage ich ein wenig defensiv.
»Schau dich doch an! Machst hier den scharfen Typen an!«, ruft Bridget ausgelassen und ein bisschen neidisch.
»Pst!« Ich ziehe eine Grimasse. »Er hat mir mit den Drinks geholfen.«
»Und wie.«
»Wer sind seine Freunde?«, fragt Marty leise. Wir sehen hinüber zu zwei ebenso gebräunten und muskulösen Jungs mit nacktem Oberkörper, Baseballmützen und Sonnenbrillen, die die Treppe von der Sonnenterrasse herablaufen.
»Sie sind zu einem Jetski-Wettbewerb hier«, erkläre ich achselzuckend, als sie sich zu Rick an den Trolley stellen und jeder eine Dose Bier öffnet. »Bestimmt schwul.«
»Garantiert nicht.« Marty trinkt einen sehr großen Schluck.
»Du meinst, es gibt auch ein paar Heteros in Key West?«, fragt Bridget spitz. »Bist du sicher, Marty?«
»Ich beweise es dir gern«, erwidert Marty und trinkt noch ein paar kräftige Schlucke.
»Liebe Güte, trink langsamer!«, ruft Bridget, doch Marty hebt keck die Augenbrauen und trinkt aus. »Oh …« Bridget hat verstanden und trinkt ihren Becher ebenfalls zur Hälfte aus. Mit finster entschlossener Miene steht Marty auf und beäugt die Jungs.
»Warte doch«, japst Bridget, trinkt noch einen Schluck und steht gleichfalls auf.
»Ich gehe dann mal duschen«, rufe ich ihnen hinterher.
Marty sieht sich zu mir um und runzelt kurz die Stirn, ehe sie nachgibt. »Klar. Bridget und ich kommen bald nach, und dann ziehen wir los und suchen uns was zu essen. Okay?«
»Okay.« Ich nicke, ignoriere ihr misstrauisch-mitfühlendes Lächeln und gehe in die entgegengesetzte Richtung davon.
Mitten in der Nacht wache ich mit einem Ruck auf und benötige einen Augenblick, um mich zurechtzufinden. Dann weiß ich wieder, wo ich bin und was ich hier tue, und mich überkommt eine unliebsame Vorahnung. Wie spät es wohl sein mag? Ich blicke mich im Dunkeln um, aber eine Digitaluhr ist nirgends zu sehen. Ich werde mein Handy einschalten müssen, denke ich seufzend, und wühle blind in meiner Tasche vor meinem Schlaflager. Ah, da ist es ja. Ich drohe, von der Luftmatratze zu rollen, und rücke hastig wieder in die Mitte. Dabei lande ich mit dem Arm auf einem Zettel, der auf meinem Bettzeug liegt. Ich schnappe ihn mir, aber im Dunkeln kann ich nichts lesen. Ich schalte das Handy ein und warte darauf, dass es zum Leben erwacht, dann richte ich das erleuchtete Display auf den Zettel.
Sind im Restaurant nebenan essen. Nachher gehen wir vielleicht auf ein, zwei Drinks in die Stadt. Du hast geschnarcht – wie ein Wal –, da wollten wir dich nicht wecken. Ruf mich an, wenn du nachkommen willst. M. XXXXXXXXXX
Ich sehe auf dem Display nach, wie spät es ist. Zwei Uhr morgens. Marty liegt auf ihrem Schlafsofa, und ihre Brust hebt und senkt sich langsam und regelmäßig. Ich bin verwirrt. Wann sind sie ausgegangen und wann zurückgekommen? Sind sie mit diesen Jetski-Typen aus gewesen? Was ist passiert? Ich bin aufs Zimmer gegangen, um zu duschen. Dann habe ich mich aufs Bett fallen lassen und auf sie gewartet … Und bin offenbar eingeschlafen. Ich bin halb erleichtert und halb verärgert, dass sie mich nicht geweckt haben.
Plötzlich summt mein Telefon, und mein Herz macht einen Satz.
LL, bitte lass mich wissen, wenn du sicher gelandet bist. Ich liebe und vermisse dich so. XXX
LL. Das ist Matthews Spitzname für mich: Lovely Laura – liebreizende Laura.
Meine Nase kribbelt, und ich setze mich auf, weil mich ein unerträglicher Drang ihn anzurufen überkommt. Nein. Tu’s nicht. Er hat es nicht verdient. Ich stehe auf, denke im letzten Moment daran, den Kopf einzuziehen, und werfe mein Handy aufs Bett, während ich unter der Treppe hervorkomme. Ich gehe ins Bad und schließe die Tür, ehe ich das Licht einschalte, um mich im Spiegel zu betrachten.
Ich sehe schrecklich aus. Meine hellblonden Haare sind zerzaust und plattgelegen, weil ich darauf geschlafen habe, als sie noch nass von der Dusche waren. Meine Augen sind gerötet, und darunter liegen dunkle Ringe. Ich spritze mir ein wenig Wasser ins Gesicht und mustere trübsinnig mein Spiegelbild. Ich bin hellwach. Ich kann garantiert nicht wieder einschlafen, nachdem ich um – wann bin ich eingepennt? Gegen halb sechs? Ich habe also – ich rechne im Kopf nach – achteinhalb Stunden geschlafen. Das kann ich vergessen. So gut habe ich seit Wochen nicht geschlafen. Nur schade, dass ich nicht die ganze Nacht durchgeschlafen habe. Was in aller Welt fange ich jetzt mit mir an? Dann fällt mir der Hängesessel auf dem Balkon ein, und ich beschließe, dass ich die Nacht ebenso gut dort verbringen kann. Ich schleiche mich durch die Apartmenttür hinaus und widerstehe dem Drang, mein Handy mitzunehmen.
Lateinamerikanische Musik schwebt von einer fernen Bar zu mir, als ich in den Hängesessel klettere, ein Bein unterschlage und das andere zum Schaukeln benutze. Ich kann das Wasser im nahen Wasserspiel über die Steine rieseln hören, und ein Windspiel klimpert, während die Deckenventilatoren surren. Ich atme tief ein und langsam wieder aus.
Ich sollte Matthew zurückschreiben, damit er weiß, dass ich sicher gelandet bin.
Nein. Soll er doch schwitzen.
Aber eine SMS kann doch nicht schaden. Das wäre nur anständig von mir. Ich will schon aufstehen, doch dann zwinge ich mich, sitzen zu bleiben. Kommt nicht in Frage.
Eine Brise trägt Gelächter zu mir, und die lateinamerikanischen Klänge werden lauter. Jetzt hört es sich an, als käme es aus nächster Nähe.
Diese hochwillkommene Ablenkung lasse ich mir nicht entgehen. Ich klettere aus dem Sessel und schlendere ans Ende des Balkons. Rechts kann ich die Sonnenterrasse sehen und dahinter einen leicht verwahrlosten Garten, der von einer langen Lichterkette erleuchtet wird. Aus dieser Entfernung kann ich Rauch sehen, der in Spiralen aufsteigt. Wieder ertönt Gelächter, hauptsächlich männliches, und plötzlich bin ich aufgeregt. Da ich ohnehin nichts Besseres zu tun habe, gebe ich dem Impuls nach und schleiche barfuß über den Balkon, um die Ecke und die Treppe hinab in den Garten am Pool. Die tropischen Pflanzen in der Umgebung des Swimmingpools und des Rezeptionsbereichs werden von unten hübsch grün und weiß angeleuchtet, und auf der Straße höre ich den Verkehr brummen.
Wachsam und vorsichtig gehe ich die Treppe zur Sonnenterrasse hinauf, aber sie ist verlassen. Ich höre leise Stimmen und schiebe mich an den Palmen vorbei, die der Terrasse Schatten spenden – die Palmwedel sind rauer und kratziger, als sie aussehen, aber ich komme mir gerade vor wie Lara Croft, also stehe ich das klaglos durch. Der Garten des benachbarten, heruntergekommenen Hauses ist klein und geht in Unkraut und Gerümpel unter. Im hohen Gras entdecke ich ein rostiges Fahrrad und ein paar zerbrochene steinerne Frauentorsi, die einen leicht antiken Charme versprühen. Lampions hängen an übergroßen Blättern, und eine Lichterkette ist um den Stamm einer der Palmen gewunden. Darunter sitzen auf einem ramponierten Sofa zwei Männer und ihnen gegenüber in zwei nicht zusammenpassenden Sesseln ein Mann und eine Frau. Einer der Männer auf dem Sofa raucht eine Zigarre, und wie gebannt beobachte ich den Rauch, der sich zwischen seinen Fingern hervorkringelt. Dann dreht er sich um, drückt die Zigarre aus, und ich kann sein Gesicht sehen.
Ich schnappe nach Luft. Er hat dunkle Augen und Augenbrauen, olivfarbene Haut und eher kurze schwarze, mit Gel nach hinten gekämmte Haare. Ein schwacher Bartschatten ziert sein wie gemeißeltes Kinn. Er ist leger bekleidet mit Surfershorts und einem T-Shirt, aber dem Aussehen nach könnte er auch ein Filmstar sein. Er ist einer der schönsten Männer, die ich je gesehen habe. Ein Gefühl von Déjà-vu überkommt mich, doch ich weiß nicht, warum. Ich merke, dass ich den Atem anhalte, und muss mich darauf konzentrieren auszuatmen.
Jetzt sagt er etwas zu seinen Freunden. Alle lachen, und die Frau beugt sich vor und klopft ihm auf den Oberschenkel. Gutmütig schlägt er ihre Hand weg, greift nach einer Bierflasche und trinkt einen Schluck. Ich reiße den Blick von ihm los, um die Frau zu mustern. Sie ist attraktiv: olivfarbene Haut wie er, dazu halblange dunkelbraune Haare. Sie trägt ein kurzes gemustertes Sommerkleid und Flipflops. Ich frage mich, ob sie seine Lebensgefährtin ist, und bei dieser Vorstellung verspüre ich seltsamerweise einen Stich. Der Mann im Sessel neben ihr hat einen rasierten Kopf und einen Ziegenbart und wirkt ein bisschen undurchsichtig, aber der zweite Mann auf dem Sofa wirkt nett, mit kurzen, dunklen, krausen Haaren und einem breiten Lächeln. Marty würde ihn mögen, denke ich, ehe ich meine Aufmerksamkeit wieder Mr Beautiful zuwende.
Er ist atemberaubend. Er sieht ganz anders aus als Matthew, der blond und blauäugig ist und den praktisch jeder, den ich kenne, geradezu irre gutaussehend findet.
»Er ist der schönste Mann, den ich je gesehen habe …«
Jetzt weiß ich, warum ich dieses Déjà-vu-Gefühl hatte, und bin ernüchtert. Genau mit diesen Worten beschrieb meine Freundin Susan nämlich bei meinem Junggesellinnenabschied meinen Zukünftigen.
Aus heiterem Himmel überkommt mich eine überwältigende Traurigkeit, und gleich darauf komme ich mir albern vor. Was tue ich hier? Bespitzele wie ein dummes kleines Mädchen fremde Leute. Ich schiebe mich rückwärts durch die kratzigen Palmblätter, die sich jetzt in meinen Haaren verfangen und alles noch schlimmer machen, und gehe zurück ins Apartment, wo meine Luftmatratze – und mein Handy – auf mich warten.
Vorsichtig setze ich mich aufs Bett und starre auf Matthews SMS …
Herrgott, denke ich verärgert, und hämmere auf die Leertaste ein, ehe ich schließlich akzeptiere, dass mein Laptop wirklich und wahrhaftig tot ist. Matthews Gerät hängt triumphierend am Ladegerät. Ich hasse das. Sein Ladegerät ist im Schlafzimmer, aber er liest seine Nachrichten gern am Küchentisch, wo das Licht besser ist. Ich ebenfalls, deshalb habe ich mein Ladegerät ja hier deponiert. Nutzt mir jetzt leider auch nicht, wenn es in seinem Notebook steckt. Ich ziehe den Stecker aus Matthews Gerät, und der Ruck lässt dessen Bildschirm zum Leben erwachen. Mein Laptop braucht immer eine Ewigkeit, um hochzufahren, und als ich ihn einstöpsele, werfe ich einen Blick auf Matthews erleuchteten Bildschirm und sehe, dass seine Facebook-Seite geöffnet ist. Vage neugierig klicke ich auf seine Nachrichten, weil ich sehen will, mit wem er in letzter Zeit Kontakt hatte. Er hat bestimmt nichts dagegen; in solchen Dingen ist er nicht empfindlich. Moment mal. Wer ist die denn? Das Bildchen ganz oben in der Auflistung zeigt eine hübsche lächelnde Brünette namens Tessa Blight. Mit gerunzelter Stirn öffne ich ihre Nachricht:
Bist du der Matthew Perry, der am 20.10.12 im Elation war?
Was soll das denn? Ich erinnere mich an das Datum, weil es genau eine Woche vor unserer Hochzeit war: Da hat er in London seinen Junggesellenabschied gefeiert, und ich weiß, dass er in einem Club namens Elation war. Wer zum Teufel ist diese Frau? Matthew arbeitet heute länger, ihn kann ich also nicht fragen. Ich betrachte das Foto genauer. Es ist klein, aber ich glaube, sie hat blaue Augen – sie sehen hell aus, nicht so dunkel, wie wenn sie braun wären. Sie hat lange glänzende Haare mit einem glatten Pony, der gleich über ihren Augenbrauen endet. Aus einem Impuls heraus antworte ich auf ihre Nachricht mit einem knappen: Ja?
Unterdessen ist mein Laptop endlich zum Leben erwacht, und ich versuche, mich auf meine eigenen Facebook-Nachrichten zu konzentrieren, aber es fällt mir schwer. Immer wieder sehe ich auf Matthews Seite nach, ob die Frau schon geantwortet hat. Ich bin eigenartig nervös und gereizt. Ich vertraue ihm, aber irgendetwas an dieser Sache kommt mir komisch vor. Da kommt eine weitere Nachricht von ihr:
Oh, Gott sei Dank, du bist es!!! Ich muss dringend mit dir reden! Können wir uns diese Woche in London treffen? Schon morgen?
Was zum …?
Verwirrt starre ich auf die Nachricht. »Gott sei Dank, du bist es!!!«? Was soll das heißen? Und warum dringend?
Ich zögere kurz, dann antworte ich:
Worum geht es?
Sie antwortet umgehend:
Das würde ich dir lieber persönlich erzählen.
Mir erzählen? Was gibt es da zu erzählen? Rasch tippe ich:
Nein, ich finde, du solltest es mir jetzt sofort erzählen.
Und sicherheitshalber füge ich hinzu:
Weißt du, dass ich verheiratet bin?
Es dauert ein paar Minuten, bis sie antwortet, und die Spannung bringt mich fast um. Aber schließlich kommt ihre Antwort:
Nein, das wusste ich nicht. Tut mir leid. Aber ich fürchte, es ändert nichts. Ich wollte das nicht per E-Mail machen, aber ich sehe schon, dass es kompliziert wird. Als ob es nicht schon kompliziert genug wäre! Tut mir leid. Ich bin schwanger. Du bist der Vater. Die Geburt ist in zwei Monaten. Ich dachte, du solltest es wissen. Um des Babys willen, nicht um meinetwillen. Du siehst also, wir müssen uns treffen. Wann passt es dir???
Ich habe das Gefühl zu fallen … den Halt zu verlieren. Und dann höre ich einen Schlüssel im Schloss. Ich drehe mich um und sehe meinen Ehemann durch die Tür kommen.
»Hey«, sagt er, lässt seine Tasche zu Boden plumpsen und zieht die Schuhe aus. Dann bemerkt er meine Miene. »Was ist passiert?«, fragt er beunruhigt. Ich bringe keinen Ton heraus. Er kommt zu mir, und ich drehe den Laptop zu ihm um. Er beugt sich über mich, und mein Kopf pocht vor lauter Adrenalin, während ich sein Gesicht beobachte. Alles Blut schwindet aus seinen sanft gebräunten Zügen, er reißt vor Schreck die Augen auf, und die Kinnlade fällt ihm herab – alles zugleich. Er reißt den Blick vom Bildschirm los und sieht mich an.
»Was geht da vor?« Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, und ich habe das Gefühl, ich muss mich gleich übergeben.
Er schüttelt den Kopf, um Worte verlegen.
»Hast du an deinem Junggesellenabschied mit ihr Sex gehabt?«, frage ich mit einer ganz zaghaften, ängstlichen Stimme, nachdem ich zwei und zwei zusammengezählt habe.
Dieser Blick: Sorge, Reue, Schuldgefühle, alle diese Emotionen huschen über seine Züge, aber ich benötige nur eine einzige Antwort. Und er schließt verzweifelt die Augen, ehe er sie mir gibt:
»Ja.« Er sinkt auf den Stuhl neben mir, und ich bin so angespannt, dass ich fürchte, meine Knochen könnten durchbrechen. »Ich wollte das nicht.«
»Und du hast sie geschwängert?«, flüstere ich.
Wieder schüttelt er den Kopf und blickt auf den Bildschirm. »Ich … ich weiß nicht«, bringt er schließlich hervor.
»Klingt so, als hättest du«, halte ich ihm entgegen und fühle mich eigenartig losgelöst von meinem Körper. »Was ist passiert?«
Plötzlich besitzt er die Frechheit, aufgebracht zu schauen. »Ach Gott, Laura, ich weiß auch nicht. Ich war voll, sternhagelvoll. Ich … ich …«
»Du hast sie gevögelt«, sage ich in eigenartig gelassenem Ton. »Wissen deine Freunde davon?«
Diese Vorstellung kränkt mich vorübergehend mehr als alles andere.
»Nein!«, ruft er, und komischerweise bin ich erleichtert. Jetzt kommt zu dem Gefühlsgemisch in seiner Miene noch Scham hinzu. »Ich … Wir … Es ist auf der Toilette im Club passiert.«
»Du hattest mit dieser Frau Sex auf der Clubtoilette?«, frage ich noch immer unnatürlich distanziert.
»Ich war wirklich total besoffen.«
Und da erst geht es mir auf. Das Ungeheuerliche dieser Situation. Matthew, den ich erst vor sieben Monaten geheiratet habe … wird Vater. Aber nicht der Vater unseres Kindes – meines Kindes – des Kindes, das wir in ein, zwei Jahren bekommen wollten, sondern Vater des Kindes dieser Frau. Des Kindes dieser Schlampe. Des Kindes dieser … Nutte.
Ich drehe durch. Ich boxe ihn mit aller Kraft an die Brust, und er schreit auf vor Schreck, während ich ihn noch einmal boxe und noch einmal, an die Brust und dann ins Gesicht. Er packt mein Handgelenk, aber meine Schreie kann er nicht unterbinden, meinen Ärger, meine Hysterie. Irgendwo, blindlings, tief in mir drin, frage ich mich, was die Nachbarn denken werden.
Die Nachbarn waren unser geringstes Problem, rufe ich mir in Erinnerung, als ich aus meiner Trance erwache und mich wieder auf Matthews Nachricht konzentriere, in der er mich bittet, ihm Bescheid zu geben, wenn ich gelandet bin. Wütend tippe ich eine Antwort:
Ich bin angekommen, und ich sollte dich nicht daran erinnern müssen, dass ich Abstand brauche. Schreib mir also nicht noch mal.
»Guten Morgen, Schlafmütze!«, sagt Marty zu mir, als ich endlich die Augen aufschlage und das Sonnenlicht zwischen den Lamellen der Jalousien hindurch hereinsickern sehe.
»Wie spät ist es?«, frage ich sie. Ich habe bis in den frühen Morgen auf meinem Handy Sudoku gespielt und bin schließlich gegen sechs doch noch eingeschlafen, nachdem ich eine ganze Packung Oreo-Kekse verschlungen hatte, die wir am Flughafen gekauft hatten. Es war eine lange Nacht.
»Halb neun«, erwidert sie.
»Erst?« Ich hätte gedacht, es wäre schon elf oder so.
»Erst?«, äfft sie mich nach. »Du bist gegen fünf gestern Nachmittag eingeschlafen!«
»Und war um zwei Uhr morgens wieder wach und putzmunter«, sage ich gequält.
»Oh. Im Ernst?«, fragt sie verwirrt.
»Ja. Ihr habt fest geschlafen. Ich war die halbe Nacht auf.«
Ich setze mich zu ihr aufs Schlafsofa und erzähle ihr von Matthews SMS und meiner Antwort.
»Hat er noch mal geantwortet?«, fragt sie.
»Klar. Und zwar sofort. Er hat sich noch mal entschuldigt, mich daran erinnert, dass er mich liebt und mir versprochen, mir ein bisschen Abstand zuzugestehen.« Ich schüttele den Kopf. »Ich habe nicht geantwortet.«
Bridget beugt sich übers Geländer und trägt schon freudestrahlend ihren grünen Bikini. »Wer kommt mit zum Pool?«
»Ich!«, ruft Marty und springt auf. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Bridget auch wach ist.
»Ähm, ich kann nicht«, sage ich. »Ich muss mir erst einen neuen Bikini kaufen.«
»Ich leihe dir einen von meinen«, sagt Bridget und verschwindet kurz.
»Im Ernst?«, frage ich hoffnungsvoll, als sie wieder auftaucht. Wir haben so ziemlich die gleiche Größe, aber ihre Großzügigkeit überrascht mich.
Sie wirft mir einen dunkelblauen Bikini mit weißen Punkten im Stil der fünfziger Jahre herunter und zuckt die Achseln. »Ich habe drei mitgenommen.«
Logisch. Ich muss an das Gewicht ihres Koffers denken. »Danke.« Lächelnd fange ich den Bikini auf.
»Dann kommt endlich«, drängelt Marty.
Den ganzen Tag lang rühren wir uns kaum von unseren Plätzen am Pool weg. Nur Marty zieht einmal los und besorgt in einer Bäckerei etwas Gebäck zum Frühstück. Das Mittagessen bestellen wir im Restaurant nebenan und lassen es uns direkt an den Pool bringen. Und jetzt zur Happy Hour sind wir noch immer hier und lümmeln auf unseren Liegen. Das sieht mir überhaupt nicht ähnlich; normalerweise muss ich den ganzen Tag unterwegs sein, Sehenswürdigkeiten besichtigen und die Zeit mit allerlei Aktivitäten füllen, aber heute … Seufz. Heute geht es nur um Sonnenschein.
überhaupt nicht