Val McDermid
Der Whisky-Pfarrer
Drei Storys
Aus dem Englischen von
Doris Styron
Knaur e-books
Val McDermid, geboren 1955, arbeitete lange als Dozentin für Englische Literatur und als Journalistin bei namhaften britischen Tageszeitungen. Heute ist sie eine der erfolgreichsten britischen Autorinnen von Thrillern und Kriminalromanen. Ihre Bücher erscheinen weltweit in mehr als vierzig Sprachen. 2010 erhielt sie für ihr Lebenswerk den Diamond Dagger der britischen Crime Writers’ Association, die höchste Auszeichnung für britische Kriminalliteratur.
Mehr über die Autorin unter www.val-mcdermid.de
Erstveröffentlichung von »The Ministry of Whisky« im Rahmen des Aye Write Literary Festival (2009)
und von »Darkling« für Radio 3 (2011).
eBook-Ausgabe 2014
Knaur eBook
Copyright © 2009, 2011, 2012 by Val McDermid
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe
2014 by Knaur eBook
Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
Genehmigung des Verlags
wiedergegeben werden.
Redaktion: Kirsten Reimers
Cover: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: FinePic®, München
ISBN 978-3-426-43309-6
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Über John French, unseren Pfarrer, sind zwei Dinge allgemein bekannt: Er trinkt gern ein Gläschen, und seine Frau lässt nicht zu, dass auch nur ein Tropfen Alkohol im Haus ist. Deshalb verbringt er möglichst viel Zeit außerhalb und lässt es sich bei seinen Gemeindemitgliedern gutgehen. Selbst die strengsten Abstinenzler, trockenen Alkoholiker und die drei englischen Familien haben begriffen, dass sie für den Pfarrer Whisky im Haus haben müssen. Neue Gemeindemitglieder, die sich noch nicht auskennen, bekommen bei seinem ersten Besuch eine handfeste Version der Hochzeit zu Kana zu hören, begleitet von Mr. Frenchs vielsagendem Augenzwinkern und ausdrucksstarker Gestik. Wenn sie diesen Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstehen, erwähnt er gegenüber einem der Kirchenältesten nebenbei, der Soundso verstehe doch recht wenig von Gastfreundschaft. Vor dem nächsten Besuch des Pfarrers nimmt ihn sich der Kirchenälteste dann zur Brust. Glauben Sie mir, die meisten Leute brauchen keine zweite Ermahnung.
Aber damit wir uns nicht missverstehen. Mr. French ist kein Säufer. Ich bin in Inverbiggin geboren und aufgewachsen und habe nie erlebt, dass der Alkohol ihm geschadet hätte. Ich kenne die Trinker bei uns im Dorf, und der Pfarrer gehört nicht zu ihnen. Na gut, vielleicht geht er mit einem etwas verschwommenen Blick durchs Leben, aber das kann man ihm kaum vorwerfen. Wir brauchen doch alle etwas, das uns bei der Bewältigung unserer Enttäuschungen hilft. Und dem Pfarrer wird das nun weiß Gott rund um die Uhr abverlangt. Denn ich glaube auf keinen Fall, dass er in seiner Lebensplanung vorgesehen hatte, seine letzten Tage in Inverbiggin zu verbringen.
Auf Hochzeitsfotos habe ich Mr. French in seiner frühen Zeit hier gesehen. Mein Gott, der sah so was von gut aus! Selbst jetzt ist ihm das noch anzumerken, auch wenn er inzwischen eindeutig seine beste Zeit hinter sich hat. Aber damals wirkte er wie eine Kreuzung aus Robert Redford und dem Typ Popstar, der auch Ihrer Oma gefallen würde. Eine dichte Mähne rotblonder Haare, ein kantiges Kinn, breite Schultern und blendend weiße Zähne, die perfekter waren als die meisten Gebisse, die man in der hintersten Provinz von Stirlingshire damals zu sehen bekam. Sein Äußeres hat zwangsläufig nachgelassen, auch wenn er mit den meisten Männern hier noch gut mithalten kann. Wichtiger ist, dass er immer noch blendend predigt. Mindestens die Hälfte seiner Gemeinde besteht aus Nichtgläubigen – wenn nicht gar regelrechten Atheisten –, aber sonntags kommen sie trotzdem - ausschließlich wegen des Vergnügens, ihn zu hören. Wenn er spricht, ist das besser als alles, was es im Fernsehen gibt, weil es mit unserer Gemeinde zu tun hat. Stellen Sie sich also vor, welch guter Fang er war, als er damals hier antrat: Er sah blendend aus und war ein guter Prediger. Sein natürlicher Wirkungsort wäre selbstverständlich eine Vorzeigegemeinde in Glasgow oder Edinburgh gewesen. Der Mann hatte das Potenzial, der zukünftige Ex-Repräsentant der Generalversammlung der Kirche Schottlands zu werden.
Offensichtlich ging etwas in seiner Laufbahn ziemlich schief, dass er hier endete. Selbst Inverbiggins wohlwollendste Fürsprecher müssten zugeben, dass der Ort fast schon am Arsch der Welt liegt. Ich weiß nicht, was er in grauer Vorzeit einmal verbrochen hat, das seinen Ruf ruinierte, aber es kann nichts Triviales gewesen sein, da es ihn so weit weg ins Exil beförderte. Allerdings war die Kirche von Schottland vor ungefähr dreißig Jahren, als er hierherkam, der strengen kleinen Freikirche noch viel näher, als das heutzutage der Fall ist. Möglicherweise hat er sich also nur sonntags mal kurz auf eine der Schaukeln im Park gesetzt, die eigentlich hätten festgebunden sein müssen. Wie auch immer. Irgendwie muss er jemanden wirklich verärgert haben.