Markus Heitz
Judassohn
Knaur e-books
Markus Heitz, geboren 1971, studierte Germanistik und Geschichte. Kein anderer Autor wurde so oft wie er mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet, weshalb er zu Recht als Großmeister der deutschen Fantasy gilt. Mit der Bestsellerserie um »Die Zwerge« drückte er der klassischen Fantasy seinen Stempel auf und eroberte mit seinen Werwolf- und Vampirthrillern auch die Urban Fantasy. Markus Heitz lebt in Homburg.
eBook-Ausgabe 2011
Knaur eBook
© 2010 Knaur Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Ein Projekt der AVA International GmbH Autoren- und Verlagsagentur www.ava-international.de
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Redaktion: Angela Kuepper
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: N. Reitze de la Maza
ISBN 978-3-426-40503-1
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Noch mehr eBook-Programmhighlights & Aktionen finden Sie auf
www.droemer-knaur.de/ebooks.
Sie wollen über spannende Neuerscheinungen aus Ihrem Lieblingsgenre auf dem Laufenden gehalten werden? Abonnieren Sie hier unseren Newsletter.
Sie wollen selbst Autor werden? Publizieren Sie Ihre eBooks auf unserer Akquise-Plattform www.neobooks.com und werden Sie von Droemer Knaur oder Rowohlt als Verlagsautor entdeckt. Auf eBook-Leser warten viele neue Autorentalente.
Wir freuen uns auf Sie!
Theresia »Sia« Sarkowitz
Emma und Elena Karkow
Harm Byrne: Großkrimineller
Jeoffray Charles Wilson: sein Butler
Kevin O’Malley: Antiquarienhändler
Eugeen Cardeerie: stellvertretender Museumsdirektor King John’s Castle
Jonathan Smyle: Museumswächter
Louis Comte de Morangiès
Tanguy Guivarch: Schilfbauer in der Brière
Mariette Guivarch: seine Mutter
Gurvan und Pierrick Guivarch: seine Brüder
Gwenn Martin: Tanguys Verlobte
Albert Pirot: Tanguys Großvater
Charlotte Pirot: seine Frau
Malo: Räuber
Frèraud: Räuber
Arnot: Räuber
Szomor: Bewohner der Brière
Sandrine Carnasse: Sennerin
Natalie Darnot: Bäuerin
Claude: Hirte
Anjanka: Vampirin
Claude Penchenat: Medikus
Dominic de Marat: Räuber
Frèderic: Räuber
Santo: Räuber
de Launay: Befehlshaber der Bastille
Charlene de Launay: seine Tochter
Marquis de Sade: Lebemann
Marie de Flesselles: Bourgoise
Isabeaux und Isabelle de Flesselles: ihre Töchter
Comtesse de Winter, Marquis de Savoy und Marquis de Raton: Adlige und Royalisten
Pierre-Charles Comte de Morangiès, Marquis von Saint-Alban, Chevalier de Saint-Louis und einst Lieutenant Général: Adliger
Jean-François-Charles der Zweite: sein Enkel
Louis & Alphonse: Handlanger des Comte
Lydia Metunova: Vampirin (Judastochter), ehemalige Baronin in der Cognatio
Marek Illicz: Vampir (Judassohn), Baron in der Cognatio
Rubin: Vampir (Judassohn), Baron in der Cognatio
Octavius: Vampir (Murony)
Ignaz: Vampir (Nex)
Vanja: Vampirin (Murony)
Jussep und Hossein: Vampire
Gregorius: Vampir (Nachzehrer)
Estelle: Magd
Vignon: Krämer
Charles Brieux: Bootsbauer
Abgesehen von den einfachen Vampiren existieren besondere Spezies, die sich durch ungewöhnliche Eigenschaften, Stärken und Schwächen auszeichnen.
Die Kinder des Judas haben immer rote Haare und töten ihre Opfer mit einem einzigen Biss. Sie können kein sichtbares fließendes Wasser überqueren. Spitze, scharfe Gegenstände über den Eingängen oder den Fenstern eines Hauses hindern sie am Eintreten.
Dafür sind sie schneller, stärker, reflexhafter und beweglicher als normale Menschen. Der Unterkiefer lässt sich aushängen wie bei einer Schlange, und die Reißzähne werden etwa so lang und dick wie der kleine Finger.
Im Allgemeinen kümmern sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten und lassen Menschen weitestgehend in Ruhe – es sei denn, sie brauchen Forschungsobjekte, oder die Gier nach Blut wird zu stark. Üblicherweise töten sie alle anderen Vampire – den Abschaum –, die ihnen unter die Augen kommen.
Die Viesczy sind die Kinder einer Hexe und eines Werwolfs mit einem Teufel oder Dämon.
Sie vermögen sich in eine Schlange oder einen Luchs zu verwandeln, zu fliegen, sich unsichtbar zu machen und persönliche Krankheiten zu erschaffen, die an einen Menschen gebunden sind.
Allerdings reagieren sie auf christliche Symbole, sind aber damit nicht zu töten und können durch Zauberer und Dhampire (Kinder von Vampiren) gefangen werden.
Sie sind recht aggressiv und bevorzugen Männer als Opfer, mit denen sie sich auch gerne vergnügen.
Die Tenjac entstehen durch die Gabe eines verfluchten Blutstropfens nachts auf das Grab des Opfers oder durch Nekrophilie: Die Person, die sich vergangen hat, wird zum Vampir.
Sie bringen Alp- und Lustträume. Innerhalb dieser Träume können sie den Opfern Befehle erteilen, die sie nach dem Erwachen unbewusst ausführen.
Sie erscheinen auch in der Gestalt von Faltern und Spinnen und sind in ihrer menschlichen Form nur für das Opfer sichtbar. Oder wenn sie es wollen.
Sie hassen Kirchenglocken, reagieren auf stark riechende Gewürze und den Geruch grüner zerriebener Nussschalen. Und sie sind nicht sehr stark.
Die Nex hauchen ihren faulen Atem in den Mund des Menschen und bringen den Pesttod. Sie haben zerfetzte Lippen, bedingt durch die langen, nadelspitzen Zähne in ihrem Mund. Verwandeln können sie sich in dunkle Schmetterlinge, hässliche Hunde oder Katzen. Ihr Atem bringt neben der Pest auch andere verheerende Flächenkrankheiten. Allerdings können sie von Wölfen und schwarzen Hunden vernichtet werden.
Ein Nex mag es, eigenes Gebiet zu besitzen und Menschen zu erpressen. Kommen die Menschen den Wünschen nicht nach, bringt der Nex eine Krankheit über sie.
Die Murony sind hexende Vampire, die in Zirkeln zusammengeschlossen leben. Die Frauen haben trockene Haut und eine sehr lebendige Färbung, die Männer haben Glatzen und stechende Augen.
Sie können den Regen kontrollieren, Schönheit von den Hübschen rauben und sie in Amuletten verkaufen sowie die Lebenskraft stehlen und sie auf andere Lebewesen übertragen. Allerdings kann ein Murony von einer Hexe vergiftet werden.
Sie sind zurückhaltend, doch geschäftstüchtig und machen mit ihren Fertigkeiten viel Geld.
Ein Umbra ist der Schatten eines toten Mannes, der zu Lebzeiten viel Böses getan hat und vom Teufel seine Fertigkeiten als Belohnung erhielt.
Die Umbra haben eine enorme Stärke, vermögen Feuer zu speien und sich in Werwölfe zu verwandeln. Man erkennt von ihnen nicht mehr als einen schwarzen Umriss. Sie können sich nicht durch Biss vermehren, sondern werden vom Bösen ausgesucht. Außerdem leben sie nicht sehr lange. Sie sind extrem aggressiv, ziehen durch die Gegend und wüten blindlings.
Nachzehrer sind eine besondere Variante und keine echten Vampire im klassischen Sinn. Sie liegen im Grab und fressen sich selbst das Fleisch von den Knochen. Solange sie dies tun, müssen zuerst die Verwandten, dann die Freunde, dann der Rest des Dorfs sterben. Auf die Jagd nach Blut müssen sie nicht gehen.
Ich habe mir alles genommen, mich selbst darum gebracht.
Kein Raubtier vermag solche Wunden zu schlagen und so zu verstümmeln wie ich. Mein Glück ist unwiederbringlich verloren. Zerfetzt.
Das Schöne, Gute und Klare in meinem Unleben existiert nicht mehr.
Doch bin ich schuldlos an dem, was ich tat.
Denn mein Handeln unterlag nicht meiner Kontrolle. Mein Wesen veränderte sich zweifach, mit jedem meiner Tode.
Aber ich kenne die Frau, die Verantwortliche, die wahre Täterin, die mich zum Opfer dieser Mächte werden ließ, anstatt mich davor zu bewahren.
Jetzt habe ich sie gefunden.
Endlich gefunden!
Und ich werde ihr rauben, was ihr am Herzen liegt, damit sie mein Leid nachempfindet!
Bevor ich auch sie auslösche …
8. 1. 2008, Deutschland, Sachsen, Leipzig, 1.45
Ein ostdeutscher Winter konnte kalt sein.
Sehr kalt.
Der Himmel zeigte sich sternenklar, ein eisiger Wind schoss durch die Straßen und wirbelte den frisch gefallenen Schnee umher.
Bis vor ein paar Tagen hätte kein Leipziger wirklich daran geglaubt, dass die Temperaturen derart fallen würden.
Von wegen Klimaerwärmung. Da wünscht man sie sich ja sogar. Sia schob den Handschuh einen Fingerbreit nach unten und blickte auf die Armbanduhr. »Noch fünfzehn Minuten«, sagte sie zu Jochen, ihrem Kollegen.
Sie standen an der Treppe, die hinunter in den Innenhof der Moritzbastei führte, und passten gemeinsam auf, dass nur halbwegs nüchterne und friedlich wirkende Besucher in das unterirdische Backsteingemäuer gelangten.
Die alten Gewölbe waren als Einziges von der Festung übrig geblieben. Die Gastronomie hatte Einzug gehalten und die verwinkelten Räume mit ihren urigen Verbindungsgängen zu einem äußerst beliebten Platz gemacht. Alle möglichen Veranstaltungen fanden darin statt. Dass die Anlage einst der Verteidigung hatte dienen sollen, war in Vergessenheit geraten. Niemand, der sich auf den Tanzflächen dem Takt der Musik hingab oder biertrinkend in einer Nische saß, dachte an Belagerungen, an Krieg und Tod.
So ändern sich die Zeiten.Sia hatte sowohl den Zeiten als auch den Menschen beim Ändern zugeschaut.
Der heftige Wind rüttelte an den Verkehrsschildern, die einige Meter entfernt standen. Plastikplanen an den Gerüsten der nahen Baustelle flatterten laut, krachend fiel eine Signalbarke um.
Muss es so kalt sein? Der Heizpilz, unter dem sie standen, spendete zischelnd und fauchend ein Quentchen Wärme. Sia schaute nach oben. Das Metall um die unzähligen Gasflämmchen glühte. Man könnte meinen, dass sie aufgeben wollen.
»Du kannst gehen«, bot Jochen ihr an. »Da kommt heute niemand mehr, der Stress macht.« Er nickte wie zum Beweis die leer gefegte Straße hinab, in der nur zwei einsame Taxen auf Gäste lauerten.
Sia fröstelte bei der Vorstellung, mit dem Motorrad nach Hause fahren zu müssen. Am besten so langsam wie möglich. Die hohe Geschwindigkeit, die ihre ungedrosselte Hayabusa erreichen konnte, brachte gegen Kälte rein gar nichts. Schleichen ist angesagt. »Ich bleibe, Jochen. Man weiß nie.« Sie steckte die Hände in die Taschen ihres schwarzen Ledermantels. »Vielleicht wird es noch wärmer.«
»Du und dein Motorrad. Nimm bei dem Wetter doch die Tram.« Jochen steckte sich eine Zigarette an und warf ihr einen schnellen Blick zu. »Ja, ich weiß. Rauchen kann tödlich sein«, sagte er paffend.
»Rauchen ist tödlich«, gab sie zurück und pflückte ihm die Kippe von den Lippen. »Wenn du schon Nikotin brauchst, dann besorg dir ein paar Pflaster. Oder kau einen Kaugummi.«
»Ist nicht das Gleiche«, grummelte er und verfolgte leidend, wie sie die Zigarette unter dem Absatz ihrer Boots zertrat. Zischend starb der letzte Rest Glut im pudrigen Schnee.
»Wegen des Mundgeruchs?«, meinte sie spöttisch.
»Sehr witzig, Frau Sarkowitz.« Er grinste ertappt. »Hast ja recht.«
»Ich weiß, dass du dir eine anstecken wirst, sobald ich gegangen bin. Deswegen wolltest du mich doch loswerden, oder?« Sie lachte auf. »Solange wir beide Dienst schieben, lass ich dich nicht rauchen.« Sie rempelte ihn in die Seite. »Außerdem bist du so herrlich aggressiv, wenn du kein Nikotin bekommst. Genau richtig für hier.« Sia rückte die dunkle Militaryschirmmütze aus Wolle auf dem roten Schopf zurecht; die Sonnenbrille im Schweißer-Look hatte sie mit dem Bügel an den Kragen des Pullis geklemmt.
Ein letztes Fauchen, und der Heizpilz erlosch. Das heiße Metall tickte leise, kühlte ab.
»Super scheiße«, kommentierte Jochen. »Ich hol eine neue Gasflasche.« Er eilte die Stufen hinab.
Der Wind verlor seine Wucht, als sähe er sich als Sieger im Kampf gegen den Heizpilz. Die Schlacht war geschlagen.
Wenigstens etwas.Sias Blick wanderte zum Gebäude des MDR, das sich gleich neben der Bastei in den Himmel reckte. Kleine Lämpchen blinkten hoch oben und schienen mit den Sternen wetteifern zu wollen.
Gestirne. Ihre Gedanken schweiften ab.
Früher hatte sie wie viele andere Menschen geglaubt, dass die Seele nach dem Tod hinauf in den Himmel und zu den Engeln fliegen würde.
Gerade heute hatte sie das Gleiche wieder einem kleinen Jungen erzählt. Kalle, elf Jahre und ein aufgewecktes Kerlchen. Voller Ideen, was er später mal alles erfinden und machen wollte, und voller Krebszellen. Leukämie.
Dem Himmel und den Engeln waren Kalle und seine Ideen von der Zukunft gleichgültig. Das war die bisher härteste Lektion in ihrem Leben gewesen: Nicht alles, was geschah, konnte sie beeinflussen, weder allein noch mit der Hilfe anderer. Noch mit den außergewöhnlichen Kräften, die ihr gegeben waren.
Sie wusste, dass Kalles Leben sich dem Ende zuneigte, auch wenn die Prognosen gut waren. In drei Tagen stand seine Entlassung an, und sie hatte es noch immer nicht übers Herz gebracht, dem behandelnden Arzt einen Hinweis zu geben. Es machte in diesem Fall auch keinen Sinn, wenn er mit Kalle und dessen Angehörigen über den kommenden Tod sprechen würde. Sie würden es nicht verstehen angesichts der guten Laborwerte. Und der Arzt würde es nicht rational erklären können, obwohl er genau wusste, dass der Junge verloren war. Sia galt als ultimative Todesbotin. Hatte sie das Ableben einer Person laut ausgesprochen, dann war es so. Das medizinische Personal hatte es akzeptiert und ihre Kunst nicht weiter hinterfragt.
Denn Sia fühlte den Tod.
Es war keine berauschende, glücklich machende Gabe. Bei aller Faszination schmerzte sie ihr Wissen gelegentlich, gerade bei Kindern. Dabei verschuldete sie weder deren Ableben, noch vermochte sie es aufzuhalten. Für ein Wesen, das mit Unsterblichkeit geschlagen und zugleich gesegnet war, bedeutete der Tod etwas Besonderes.
Gewöhnen werde ich mich dennoch nie daran.Sie blies warme Luft gegen ihre Handschuhe, um die kriechende Kälte aufzuhalten.
Zudem hatte sie den Tod in den letzten Jahrhunderten allzu oft selbst gebracht: mit Zähnen und Händen, mit ihren Dolchen, mit anderen Waffen. Den Unschuldigen ebenso wie den Schuldigen.
Das Leben nach ihrem eigenen Ableben war einst rasant, dramatisch, opulent und tragisch verlaufen, bis es für viele Dekaden in ruhigere Fahrwasser geraten war.
Dann war Marek vor einigen Wochen aufgetaucht. Marek, ihr Halbbruder und ärgster Feind, war aus seinem zerfallenden Reich im Osten gekrochen. Die Vergangenheit hatte sie eingeholt. Die Kinder des Judas hatten sie eingeholt.
Es hatte deswegen Tote in der Stadt gegeben, die Polizei hatte sich für sie interessiert. Ihr Leben war plötzlich schrecklich kompliziert geworden. Mit genauso schrecklich komplizierten Lügen und Bestechung hatte sie die Aufmerksamkeit der Beamten von sich ablenken können. Korruption gab es selbst im ordnungsliebenden Deutschland. Sie wollte keinen Haftbefehl mit ihrem Gesicht darauf sehen.
Sia schauderte. Vorbei. Alles ist geregelt und erledigt.
Dennoch beabsichtigte sie, ihr übliches Leben als Sitzwache im Krankenhaus bei den Todkranken und mit Türsteherjobs aufzugeben, so wie sie es sich geschworen hatte. Bald. Die notwendigen Vorbereitungen liefen schon.
Die gelegentlichen illegalen Cage-Fights hatte Sia bereits sein lassen müssen, auch wenn das Geld geflossen war. Dort hatte sie Dampf abgelassen, sich ihren Schuss Adrenalin geholt. Eine wichtige Einkunftsquelle weniger.
Wenn die Euros knapp werden, muss ich doch noch eine Bank überfallen. Sie grinste. Verlockend. Wer sollte mich aufhalten?
Die Uhren am Rathaus und an den Kirchen schlugen viermal, gleich darauf dreimal.
Zeit zu gehen. Sie brauchte noch ein paar Geschenke für ihre besonderen Freunde, ein Mädchen und deren junge Mutter. Wobei »Freunde« der falsche Ausdruck war. Es gab ein verwandtschaftliches Verhältnis zwischen ihnen, von dem nur Sia etwas wusste. Seit Jahren beobachtete sie die beiden und wachte über sie.
Unter Verwandten half man einander. Und so hatte Sia dafür gesorgt, dass der nervende, gewalttätige Ex-Mann der jungen Mutter auf ungewöhnliche Weise für immer verschwand: Sie hatte Blitze befohlen, ihn auf offener Straße in ein rauchendes Bündel zu verwandeln.
Ein starker Blitz kochte einen Menschen, brachte das Wasser in ihm zum Verdampfen und verbrannte die Haut, überlastete die empfindlichen Synapsen durch Tausende Volt. Manchmal fingen die Haare und die Kleidung Feuer.
Weil ein Mensch aber einen Blitz durchaus überleben konnte, hatte es Sia nicht bei einem Einschlag belassen. Lightning never strikes twice, sagte ein britisches Sprichwort. Wenn sie in der Nähe war, schlug er ein, sooft sie wollte. Dieser Teil der Natur gehorchte ihr. Als Judastochter vermochte sie mehr aus- und anzurichten als ein herkömmlicher Vampir.
Der Typ war ein Arschloch. Den spektakulären Abgang hatte er nicht mal verdient.
»Ich gehe«, sagte sie zu Jochen, der eben die Stufen hinaufeilte und eine Gasflasche schleppte. »Warte mit der Zigarette wenigstens, bis ich weggefahren bin. Und pass mit dem Gas auf. Sonst ist Rauchen tödlicher, als es der Slogan auf deiner Packung gemeint haben kann.«
»Dann würde er wenigstens unbestreitbar passen«, erwiderte er grinsend. »Schönen Abend.«
Sia ging an ihm vorbei, die Treppe hinab und in das Gewölbe, das ihr tropisch heiß erschien. Neben der Garderobe für die Gäste gab es den kleinen Lagerraum fürs Personal. Sie holte ihren Rucksack, verließ die Moritzbastei durch den Nebenausgang und gelangte in die Querstraße, wo die Hayabusa auf sie wartete.
Was bringe ich ihnen mit?Sie wischte den Schnee vom Sitz und zog die Mütze tiefer über die Ohren, setzte die Schweißerbrille gegen den Fahrtwind vor die Augen. Auf einen Helm verzichtete sie. Sie wusste, dass sie nicht bei einem Motorradunfall ums Leben kommen würde. Mal sehen, was die Tankstellen zu bieten haben. Oder ich kaufe erst morgen ein.
Während Sia aufsaß und den Schlüssel ins Schloss steckte, mahnte sie sich, den neuen Ausweis bald zu besorgen.
Durch Mareks Erscheinen hatte sich nicht nur ihr Leben verändert, sondern auch ihre Einstellung zur Vergangenheit.
Sie akzeptierte, dass sie eine Judastochter war, und wollte ihre Herkunft nicht länger verleugnen. Ihre Haare schimmerten dunkelrot, sie färbte sie nicht mehr schwarz. Ihre Arbeitskollegen dachten genau das Gegenteil: Eine derartig intensives Rot hielt keiner für echt.
Blieb die Sache mit dem Blut. Als Vampirin musste und wollte sie trinken, aber bitte ohne zu großes Aufsehen.
Wozu arbeite ich im Krankenhaus? Schrankweise lagerte dort Nahrung, gut gekühlt und nach Blutgruppen geordnet. Nicht originell, sich auf dem Weg sein Essen zu besorgen. Aber effizient. Und leicht.
Zwar gab es im Internet verschiedene Plattformen von Menschen, die sich als Blutspender für Vampire anboten. Es war ganz einfach, die Seiten im Netz zu finden. Black Swans, schwarze Schwäne – der gebräuchlichste Ausdruck für solche Leute. Doch das war ihr zu gefährlich. Dennoch staunte sie über diese Offerten. Der Glaube an ihre Art war nicht verschwunden.
Sias Gedanken kehrten zu ihren Vorbereitungen auf das neue Leben zurück. Ganz oben auf der Liste stand der Ausweis, auch wenn sie dem Stress mit der Polizei bisher aus dem Weg gegangen war. Eine neue Identität musste her. Damit würde sie sich wohler fühlen.
Jitka.
Sie startete die Hayabusa. So hatte sie ihre Mutter im Jahr 1670 genannt, und so wollte sie möglichst bald wieder heißen.
Jitka von Schwarzhagen.
Den Nachnamen würde sie in Gedenken an den Mann tragen, den sie aufrichtig und aus tiefstem Herzen geliebt hatte. Als Einzigen in ihrer langen Existenz.
Sia fuhr vorsichtig los.
Das Wetter erinnerte sie an ihre alte Heimat, wo die Winter noch eisiger gewesen waren. Das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert hatten Minusgrade auf Lager gehabt, die moderne Menschen gar nicht mehr gewohnt waren.
Die Kälte hatte Vampire nicht daran gehindert, auf Beutezug zu gehen. Die Menschen hatten sich vor ihnen in die Häuser geflüchtet wie Vieh in den Stall. Nie war es einfacher gewesen, an Blut zu kommen.
Vieh. Sia dachte an die Experimente der Kinder des Judas, die sie angestellt hatten. Mit Menschen und mit anderen Vampiren, die sie als Abschaum betrachtet hatten. Eine elitäre, arrogante Versammlung von Blutsaugern mit ersponnener Ahnentafel, die sich als etwas Besseres angesehen hatten.
Sicher hatten sie mehr Fähigkeiten als herkömmliche Vampire. Jede Judastochter und jeder Judassohn waren diesen in Schnelligkeit und Geschwindigkeit überlegen, töteten ihr Opfer mit einem einzigen Biss. Sia konnte Unwetter erschaffen und Blitze kontrollieren und viele andere Dinge.
Aber letztlich war sie nicht besser.
Nur anders.
Mit vorgeschriebenen fünfzig Stundenkilometern, oftmals auch weniger, steuerte Sia die Maschine durch die schlafende, verschneite Stadt, in der sie bereits so lange lebte. Ihre Stadt.
Die Kälte schockfrostete jegliche aufkeimende Sentimentalität, die sich beim Anblick der weiß gepuderten Gebäude gewiss eingestellt hätte. Motive für Maler, Fotografen und Träumer, aber nicht für Motorradfahrer, denen der Fahrtwind harsch entgegenblies.
Der Untergrund war tückisch. Der bessere Grip der Winterreifen befreite sie nicht von ihrer eigenen Umsicht. Gerade die Tramschienen, auf denen sich schnell eine Eisschicht bildete, bedeuteten eine ganz besondere Gefahr für sie und die Hayabusa. Reparaturen waren kostspielig, neue Klamotten nicht gerade günstig.
Sie rollte vorwärts, ihrer neuen Wohnung entgegen. Dank Marek hatte sie ihre alte Behausung verlassen müssen: Eine Leiche, literweise Blut im Zimmer und ein Großaufgebot der Mordkommission hatten dafür gesorgt, dass ihr der Vermieter nach Abschluss der vorläufigen Untersuchungen gekündigt hatte. In weiser Voraussicht hatte Sia sich schon lange ein zweites Schlupfloch angelegt. Die Vorsicht hatte sich bezahlt gemacht.
Was hat mir mein Halbbruder nur alles eingebrockt.
An einer Kreuzung verringerte sie die Geschwindigkeit.
Gleich geschafft. Sia setzte den Blinker und bog ab – als zwei starke Lichtkegel sie von hinten erfassten und ein weißer VW Tuareg Sekunden später an ihr vorbeizog. Zu schnell für die Innenstadt und vor allem zu schnell für diese Witterung.
Der Sog riss an ihren Mantelschößen, sie zog den Kopf in einem Reflex ein. Idiot! Wie kann man …
Im nächsten Moment donnerte ein schwarzer Porsche Cayenne ohne Licht dicht an ihr vorüber.
Der linke Außenspiegel verfehlte ihre Schläfe um wenige Zentimeter, der hintere Kotflügel touchierte ihr Vorderrad und versetzte der Hayabusa einen unerwarteten Schlag, den Sia mit Mühe abfing. Eine normale Frau hätte die Maschine nicht festhalten können. Gleich darauf wurde sie von einer weißen Wolke eingehüllt. Der Fahrtwind ließ sie in den wirbelnden Kristallen verschwinden. Undeutlich sah sie ein M auf dem Nummernschild.
Verdammter … »Wichser!«, schrie sie ihm nach. Sie war sich sicher, dass der Fahrer das Schlaggeräusch gehört haben musste, aber er hielt nicht an. Die Polizei würde sich bei einer Verfolgungsfahrt anders benehmen … Demnach war sie unfreiwillig Zeugin geworden – aber Zeugin wovon? Hatte sie den schwarzen Cayenne mit dem Münchner Kennzeichen nicht schon einmal gesehen?
Das finde ich heraus!Sia gab Gas und ließ die Maschine vorwärtsschnellen, bewahrte sie mit Kraft und Geschick vorm Ausbrechen.
Sie folgte dem breiten Heck des Cayenne. Der Fahrer wusste, wie man unbeleuchtet bei Eis und Schnee durch eine Stadt bretterte.
Ein Wettrennen zwischen zwei Vollidioten ist es nicht. Der Cayenne hält den Abstand absichtlich.Sia passte sich der Geschwindigkeit an und schaltete ebenfalls den Scheinwerfer aus. Vampiraugen kamen mit wenig Licht aus. Auf zwei Rädern ohne Spikes mit über zweihundert PS unterwegs, das verlangte nach außergewöhnlichen Balancefertigkeiten. In jeder Kurve gab sie eine Probe ihres Könnens.
Sia schielte kurz auf die Geschwindigkeitsanzeige. 87 Stundenkilometer. Noch hatte sie keine Angst, aber es war nicht ohne, wie der Porsche über Kreuzungen driftete, sich absichtlich drehte und wieder gekonnt aufs Gas trat. Der Tuaregfahrer beherrschte seinen Wagen genauso gut. Sia musste ähnliche Manöver absolvieren, um dranzubleiben.
Das weiße Auto fuhr auf das Völkerschlachtdenkmal zu, bog ab und hielt auf das Eingangstor des Südfriedhofs zu.
Der Porsche zog sofort an die Seite und bremste.
Sia lenkte die Hayabusa auf den Bürgersteig hinter den Schutz eines parkenden Kleintransporters. Friedhöfe sind normalerweise mein Spezialgebiet. Vor allem um diese Uhrzeit.Nun wollte sie erst recht wissen, was hier vor sich ging.
Das Gitter öffnete sich für den Tuareg, er fuhr hinein und verschwand vorerst aus ihrem Blick.
Sia bockte das Motorrad auf, schob die Brille auf die Stirn und schwang sich mit einem kräftigen Satz aus dem Stand über die hohe Friedhofsmauer.
Ob sie einschreiten würde, wusste sie noch nicht. Vielleicht überlasse ich dem Fahrer oder der Fahrerin des Cayenne diese Aufgabe.
Das weiße Auto rollte die breite Straße hinab auf den Gebäudekomplex mit der Aussegnungshalle und der Urnenübergabestätte zu und bog nach links, dann wieder scharf nach rechts ab.
Soso. Zum Krematorium also. Sia blickte sich um, ob irgendwelche Menschen um kurz nach drei Uhr morgens auf dem Gelände unterwegs waren.
In dem kleinen Häuschen neben dem Tor brannte eine schwache Lampe mit kaltem Licht. Sie tippte auf eine gedämpfte LED-Leuchte. Eine Gestalt bewegte sich darin und schien mit dem Handy zu telefonieren. Ab und zu wurden die Züge des Mannes vom Display schwach beleuchtet.
Da huschte ein weißer Schemen über das Tor, rannte unglaublich schnell an dem Wärter vorbei, ohne bemerkt zu werden, und hetzte die Straße zum Krematorium hinab.
Sieh an. Da hat jemand aber ordentlich trainiert.Sie folgte ihm mit einigem Abstand, um ihn nicht auf sich aufmerksam zu machen.
Es war ein großer Mann, der vor ihr lief. Sehr athletisch gebaut, komplett in verschleierndes Weiß gekleidet, der offenkundig auf eine Jacke oder einen Mantel verzichtet hatte. Über dem breiten Kreuz spannte sich ein Doppelhalfter, zwei Pistolen steckten darin. Auf dem Rücken wippte die Halterung eines Kurzschwerts; Gesicht und Haare wurden durch eine hellgraue Sturmhaube verborgen.
Schwert, Handfeuerwaffen, Tarnklamotten – entweder ein Profikiller oder ein Wahnsinniger.Der schwache Geruch, den er in der kalten Luft als eine feine Spur hinterließ, machte Sia stutzig. So riecht kein normaler Mensch.
Die Reifenspuren des Tuareg, die im frischen Schnee leicht zu verfolgen waren, wiesen ihm den Weg. Zutritt nur für städtische Bedienstete stand auf dem Schild neben dem Tor zu lesen. Sia folgte dem Mann und schaute kurz nach den vielen Abdrücken. Ihrer Einschätzung nach war der Geländewagen die Strecke bereits mehrmals gefahren.
Sie lief weiter, und nach ein paar Metern sah sie den Wagen mit geöffneter Klappe in einer Art Hof stehen. Hinter dem Steuer saß jemand und kramte im Handschuhfach.
Sie sind zu den Verbrennungsöfen unterwegs. Sia sah den Weißgekleideten sich durch die Schatten zum Fahrzeug schleichen. Er verursachte kaum ein Geräusch, bewegte sich trotz seiner muskulösen Statur äußerst geschmeidig. Das macht er nicht zum ersten Mal. Passt zu seiner Montur. Ihre Neugierde wuchs zusammen mit ihrem Ärger. Was treibt ihr in meiner Stadt? Und wer seid ihr?
Der Maskierte duckte sich neben die Fahrertür und klopfte sachte gegen die Scheibe.
Sia sah, wie sich ein kantiges Gesicht durch das Glas abzeichnete. Der Mann versuchte, etwas in der Umgebung zu erkennen, und wandte schließlich den Blick nach unten, neben den Tuareg.
Der Maskierte erhob sich blitzartig aus seiner Deckung. Er schlug mit beiden Fäusten die Scheibe ein und drosch den Fahrer auf Mund und Nase; geborstenes Sicherheitsglas überschüttete den Mann. Bevor er durch die Wucht nach hinten flog, packte der Maskierte ihn an den Haaren und zerrte ihn brutal durch das Loch heraus. Dort schleuderte er ihn auf den Boden und versetzte ihm einen brutalen Stampfschritt gegen den Hals, der dem Mann den Kehlkopf zerschmetterte. Ohne innezuhalten, lief er um den Tuareg herum, schaute kurz in das geöffnete Heck und machte sich auf den Weg ins Krematorium. Dabei zog er das Kurzschwert und eine Pistole.
Das war … effizient. Der Junge würde den Machern der CageFights gefallen.
Sia kam aus ihrer Deckung. Sie lief an dem Getöteten vorbei, der mit gebrochenen Augen in den Sternenhimmel starrte. Blut war ihm aus dem Mund gespritzt und hatte sich um Lippen und Kinn verteilt, Knochensplitter standen aus dem Nasenrücken. Die zermalmte Kehle erinnerte sie an eine geplättete Pappröhre. Rings um den Kopf der Leiche herum war der Schnee rot gesprenkelt.
Anscheinend ist der Junge ziemlich wütend auf die Typen.
Sia verzichtete darauf, die Taschen des Toten zu filzen. Sie wollte mitbekommen, was passierte, wenn ihr weißer Ritter auf die Tuareg-Insassen traf.
Oder bist du der Böse, und die anderen sind die Netten?
Wahrscheinlicher war, dass es sich um Schurken handelte, die sich gegenseitig nachstellten. Aber es waren Schurken mit einem stattlichen Portemonnaie. Tuareg und Cayenne konnte sich nicht jedermann leisten.
Sia nahm zweierlei Sorten Blut wahr: frischen und alten Lebenssaft. Der frische Geruch stammte vom Fahrer. Der ältere war ihr im Vorbeigehen aufgefallen, aus dem Innenraum des Geländewagens, und das bedeutete: Etwas Blutiges war darin transportiert worden.
Unvermittelt roch sie Rauch und hob den Kopf. Aus dem rechten Schlot auf dem Dach des Krematoriums stieg Dampf. Einer der Öfen war angeheizt worden.
Es geht los!Sia betrat das Gebäude, immer dem schwachen Lichtschein und dem Geruch von frischem Blut folgend, das am Stiefel des Maskierten haftete.
Zu Neugier und Ärger mischte sich Erregung: Der Geruch des Blutes weckte ihren Durst, ihre Begierde.
Sie grollte, zog die Lippen auseinander und fühlte, wie die Reißzähne ausfuhren. Ruhig, mahnte sie sich selbst. Du wirst dich gedulden müssen.
Die gierige Seite in ihr drängelte, dass die Gelegenheit günstig sei. Sie konnte sich die Typen schnappen, sie leer trinken und die Leichen anschließend im angefeuerten Krematorium in Asche verwandeln. Ohne großen Aufwand, ohne Beweise. Mit ein bisschen Glück würden sie nicht mal als vermisst gemeldet werden.
Geduld!
Der Lichtschein einer entfernten, leicht geöffneten Tür lotste sie durch einen Korridor. Störender Duft von Blumen – Lilien – mengte sich unter den des Blutes, verfälschte den süßen, lockenden Geruch – und plötzlich stank es nach …
Tier? Hund? Sie inhalierte tief, atmete leicht durch den Mund aus, um die Nuancen mit Hilfe der Zunge zu schmecken. Wolf!
Sias Neugier, Ärger und Erregung wurden Opfer des Gestanks und blitzschnell von höchster Alarmbereitschaft unterdrückt. Sie wusste von der Vampirrasse der Umbra, dass sie sich in schwarzpelzige Halbwölfe verwandeln konnten. Menschen nannten sie aus Unwissenheit Werwölfe.
Der Volksglaube sagte über den Umbra, dass er der Schatten eines toten Mannes war, der zu Lebzeiten viel Böses getan hatte und seine Fertigkeiten vom Teufel persönlich als Belohnung für sein Tun erhalten hatte. Sia war gewillt, sich der allgemeinen Ansicht anzuschließen. Zumindest wurde der Umbra von einem besonders fürchterlichen Dämon erschaffen.
Schreckliche Gegner. Die Erinnerung an frühere Begegnungen mit diesen Bestien ließ ihr einen Schauder den Rücken hinunterlaufen. Einer ihrer Kämpfe, damals in ihren Jugendjahren, wäre beinahe schiefgegangen …
Sie hatte zuerst gar nicht gewusst, wem sie gegenüberstand, weil ein Umbra nicht wie ein herkömmlicher Blutsauger daherkam, weder in seiner Gestalt noch in seiner Kampfweise. Er zeichnete sich durch enorme Stärke aus, obwohl er nur als ein schwarzer Umriss erschien, und konnte sogar Flammen speien. Eine außergewöhnliche Vampirspezies, hoch aggressiv und blindlings wütend. Das einzig Gute an ihnen war: Sie vermehrten sich nicht durch eine Infizierung. Nur ein Dämon vermochte einen Umbra zu erschaffen.
Wie konnten diese Viecher von mir unbemerkt nach Leipzig eindringen?Sie langte hinter sich, zog ihren Dolch, den sie unter dem Mantel in einer Hülle am Gürtel trug; einen zweiten bewahrte sie in der Unterarmhalterung auf.
Ihr Ärger über diese Nachlässigkeit wuchs. Jetzt kommen schon Porsche-Cayenne-Fahrer, um meinen Job zu machen. Und das alles nur, weil sie die Verwandtschaft hegte und pflegte, anstatt mit allen Sinnen achtzugeben und zu wachen. Früher wäre mir das nicht passiert.
Kehliges Lachen erklang, eine schwere Klappe wurde mit Schwung geschlossen.
Der Maskierte war nicht weit entfernt von ihr, sie sah seine Silhouette. Die helle Kleidung bedeutete in der dunklen Umgebung einen Nachteil. Er stand am Eingang zum Einäscherungsraum und zwängte sich durch den Türspalt hinein.
Wie viel Platz ist in einem Tuareg?Sia schätzte, dass es nicht mehr als sechs bis sieben Leute sein konnten, wenn man ihn illegal belud. Eine mäßige Überzahl – aber wenn es sich wirklich um Umbra handelte, dann waren schon drei zu viel. Selbst für sie.
Sie pirschte voran und lugte in den Raum, aus dem ein überwältigend intensives Geruchskonglomerat aus Blut, Wolf und rohem Fleisch quoll. Speichel lief ihr im Mund zusammen. Ihr Durst steigerte sich.
Der Blick zeigte ihr: Ein modernes Krematorium hatte weder Geheimnisvolles noch Gruseliges an sich, so wie in den Zeiten, in denen sie in solchen Stätten ein und aus gegangen war. Es erinnerte eher an ein Krankenhaus. Der Raum war gefliest, und die Geräte auf dem kleinen Schreibtisch sprachen von einer vollelektronischen Steuerung der Verbrennungskammer.
Ein Mann, dessen kurze schwarze Haare über die Monitore ragten, saß dort und tippte auf die Tastatur ein. Gleitschienen im Boden führten zu zwei Ofenklappen, auf denen die Särge in die Flammen geschoben wurden, wie Sia annahm.
Vor der Klappe des linken Ofens stapelten sich gut gefüllte Abfallsäcke, die krumm und schief zusammengesunken waren. Den Formen, die sich unter der Folie abzeichneten, und dem Blutgeruch nach befanden sich Leichenreste darin; der Duft deckte sich mit dem aus dem Tuareg.
Sondermüll.
Einer der Säcke wies einen Riss auf, durch den ein rötlich glitzernder, gesplitterter Knochen stach.
Zwei weitere Männer standen neben der geschlossenen, blau lackierten Luke und redeten gut gelaunt miteinander, rauchten Zigarillos. Ihre Kleidung und Frisur waren nicht besonders auffällig, am Hals des Blonden erkannte Sia jedoch ein tätowiertes Zeichen in sperriger, altdeutscher Schrift:
Wehrwolf
Sie verzog den Mund. Mangelnde Rechtschreibkenntnisse besoffener Tätowierer oder ein schlechtes Wortspiel? Sie wusste es nicht.
Ihr Blick fiel auf die Thermometer, die neben den Luken angebracht waren. Die Zeiger befanden sich noch unten im blau eingezeichneten Bereich der Skala.
Aus einer Ecke, die sie nicht einsehen konnte, kamen zwei weitere Männer und eine Frau und gesellten sich zu dem Grüppchen. Zigarillos wurden geschnorrt.
Sia glaubte, eine Tätowierung am Handgelenk der Frau zu erkennen: eine rote Wolfsangel mit einer silbernen Querstrebe.
Meine Güte. Die Ewiggestrigen werden immer jünger. Jetzt ergibt Wehrwolf einen Sinn.
Sie erinnerte sich, dass es gegen Ende des Zweiten Weltkriegs eine deutsche Einheit namens Wehrwolf gegeben hatte. Saboteure, Terroristen, Freischärler im Dienst der Nazis. Anscheinend hatten diese Nachwuchsnazis hier sie sich zum Vorbild genommen. Keiner von ihnen war über dreißig Jahre alt. Jung, dynamisch, rechtsradikal.
Sia grinste böse. Und bald tot? Aber noch wurde sie nicht schlau aus dem, was sie sah und roch.
Sie suchte mit Blicken nach dem Maskierten und lauschte. Es stellte ein kleines Wunder dar, dass sie ihn nicht ausmachen konnte. Das erklärte auch, warum er nicht von den vermeintlichen Nazis bemerkt worden war. Er ist wirklich gut.
Das Gespräch der Gruppe drehte sich um Jagd. Menschenjagd.
»Ich habe letzte Woche vier indische Rosenverkäufer plattgemacht«, protzte der Blonde und erhielt anerkennende Blicke. »Ich esse ab und zu gern auswärts.« Die Gruppe lachte rauh, bösartig.
»Und was sagt ihr zu meinen ausgemerzten Punkerinnen?«, wollte die Frau wissen und griente. »Sieben Stück. Eine nach der anderen hab ich mir vorm Hauptbahnhof geschnappt. Die Frischgewaschene roch einfach zu lecker, da habe ich sie gefressen.« Die Männer grinsten.
»Und die anderen, Jenny?«, wollte der Mann am Computer wissen, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
»Weggemacht. Wie den anderen Abschaum.« Sie deutete auf die Säcke. »Das asoziale Pack hat hier nichts verloren.«
»Ausgezeichnet! Das ist doch sehr gut«, lobte der Blonde und klopfte ihr auf die Schulter. Im Gegensatz zu den anderen sprach er reines Hochdeutsch. »Euer Jagdtrupp lernt ja verdammt schnell.«
Sia schüttelte den Kopf. Aufbau Ost. Anscheinend bringen die Wessis den Ossis mal wieder Unsinn bei.
»Bald wird Leipzig seinen eigenen Jagdzug erhalten«, fuhr der Blonde fort. »Der andere Jagdtrupp, den ich betreue, macht ebenso gute Fortschritte. Die zweite Stufe für Leipzig ist bald erklommen. Danach knöpfen wir uns die Russen vor. Die Geschäfte gehören in deutsche Hand.«
Die Männer und Frauen lachten zufrieden.
Sia hatte aufmerksam zugehört. Sie war sich nicht schlüssig, was sie tun sollte, wenn der Maskierte nicht handelte. Sie konnte sich nicht um jeden Verbrecher in Leipzig kümmern, schließlich war sie nicht Batgirl. Aber wenn sie die Gruppe gewähren ließ, hatte sie auch kein gutes Gewissen. Mitwissen und Nichtstun machte sie zur Mitschuldigen.
Ich könnte einen von denen schnappen, verhören und den Bullen einen Tipp geben. Die sollten sich um die guten Deutschen kümmern.
Der Blonde nahm sein Handy aus der Jackentasche. »Ich habe einen besonderen Auftrag. Sozusagen eine Fingerübung und für mich der Beweis, wie gut euer Trupp sein kann.« Er drückte ein paar Tasten. Sekunden darauf schwebten unterschiedliche Piepsignale durch den Raum. »Jeder von euch hat soeben eine SMS weitergeleitet bekommen. Wir suchen diesen Mann für einen Bekannten von mir. Jeder von euch erhält eintausend Euro, sobald ihr ihn in Leipzig aufgespürt habt.«
»Nicht schlecht«, warf Jenny ein. »Sollen wir ihn fertigmachen?«
»Nein. Nur aufspüren. Louis will ihn selbst erledigen. Wir sind uns aber nicht sicher, ob er wirklich in der Stadt ist. Gebt dennoch alles.«
Wer du auch bist, den sie suchen: Viel Glück!
Es stank noch immer nach Wolf. Der tierhafte Geruch schien von den Menschen auszugehen.
Sie riechen definitiv anders.
Unvermittelt sah der Computermann auf die einen Spaltbreit geöffnete Tür. Genau auf sie. Zuerst dachte sie, sie sei entdeckt worden. »Wo bleibt Sven?«
Glück gehabt.
»Ich dachte, er soll Wache halten?«, gab Jenny zurück.
Das Klackern wurde kurz unterbrochen, er zeigte ihr den Vogel. »Wozu haben wir denn Kamerad Fandow am Eingang? Er ruft mich an, wenn jemand auftaucht.«
Sie nickte. »Okay. Ich gehe ihn holen.«
»Aber nicht zu lange brauchen, ja, Jenny?«, rief ihr der Blonde nach. Sie zeigte ihm den Mittelfinger und verließ den Raum durch eine andere Tür.
»Ich leg jetzt was rein«, verkündete der Dritte und nahm einen der Säcke. »Mach mal auf«, rief er zum Computermann.
»Ist aber noch nicht heiß genug«, gab dieser zur Antwort.
»Egal. Wird noch werden.« Es klickte mehrmals kurz hintereinander, und die Klappe schwang scheinbar von selbst vor dem Blonden zurück.
Plötzlich erschien der Maskierte wie aus dem Nichts. Er packte den Mann vor der Klappe einhändig und beförderte ihn samt dem Sack kopfüber in den Verbrennungsofen; die andere Hand hielt die schallgedämpfte Pistole und richtete die Mündung auf die Gruppe, damit sie stehen blieb. Aus der Kammer drang lautes Schreien. »Zumachen.« Er sprach mit kräftiger männlicher Stimme.
Als der Befehl nicht sofort befolgt wurde, schoss der Maskierte dicht neben dem Computermann in die Wand. Dessen Finger flogen daraufhin über das Keyboard, und die Klappe schwang zu. Der Protest des Eingesperrten wurde leiser.
»Meine Güte«, sagte der Maskierte kalt. »Nazis, die sich Wehrwölfe nennen. Das ist doch mal innovativ.«
Die vier Männer wechselten schnelle Blicke.
Ein Handy klingelte.
Der Maskierte zog die zweite Pistole bedächtig aus dem Achselholster. »Nicht rangehen«, mahnte er. »Ich wette, es ist die Kleine, Jenny, die eben nach eurem Freund schauen wollte. Viel wird er ihr nicht mehr erzählt haben. Und mitkommen kann er schon gar nicht.«
»Du hast Sven kaltgemacht?«, fragte der Blonde ruhig.
»Nicht schwer. Bei dem Wetter«, gab der Maskierte zurück.
Auch noch schlagfertig, der Junge. Sia grinste in ihrem Versteck und lauschte, aber noch erklangen keine Schritte im Korridor.
Das Klingeln endete; keiner der Männer rührte sich.
»Du bist so ein Depp von der Antifa, dem sie ein bisschen Mut in die Eier gefüllt haben, was?«, schnarrte der Blonde und nahm einen tiefen Zug von seinem fast abgebrannten Zigarillo. »Denk noch mal drüber nach: Wenn du jetzt gehst, kommst du zumindest lebend hier raus. Wie weit du kommst, das entscheiden wir noch.«
Kennen sie sich? Sia schien es nicht so, doch sie musste zugestehen, dass der Blonde extrem gelassen blieb. Er schien sicher zu sein, nicht als Verlierer zu enden, obwohl alles danach aussah: vier Männer gegen zwei Pistolen, die augenscheinlich von einem Profi geführt wurden.
Der Lärm aus dem Verbrennungsofen war inzwischen verstummt. Der Eingesperrte hatte anscheinend aufgegeben oder war ohnmächtig geworden. Sie sah zum Thermometer. Der Zeiger näherte sich dem grünen Bereich. Lange würde der Nazi es nicht mehr darin unbeschadet aushalten.
Der Blonde formte grinsend einen Rauchkringel. »Ich habe dich gewarnt. Du hast keine Ahnung, mit wem du dich anl…«
Der Maskierte schoss ansatzlos. Die Kugel fuhr dem Sprecher durchs rechte Auge und trat aus dem Hinterkopf aus, ließ Blut, Knochensplitter und Hirnmasse gegen die Luke spritzen.
Der Getroffene fiel nieder, der Zigarillo prallte auf den weißen Boden und verlor die Glut. Ausgelöscht.Sia starrte auf den Toten: Die Einschussstelle rauchte leicht, kleine graue Qualmschlieren stiegen aus dem zerstörten Schädel auf. Was hat denn das zu bedeuten?
»Doch. Ich habe Ahnung«, sagte der Maskierte. »Nur, damit ihr versteht, dass ich Silber benutze. Jeder Schuss ein Treffer.«
»Silber?« Einer der Sachsen sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Er war noch sehr jung, vermutlich der Frischling unter ihnen. »Was bist’n du für eener? Hält’ste dich für …«, er wedelte mit den Armen, als könnte er damit das fehlende Wort einfangen, »… keene Ahnung. Irgendeenen … Geisterjäger?«
»Wenn überhaupt, ginge es mehr in Richtung Blade«, erwiderte der Maskierte. »Allerdings für eine andere Spezies.« Seine braunen Augen musterten den Sachsen, als wollten sie bis unter die Haut dringen und die Wahrheit erkennen. »Ich denke, du bist falsch hier.« Er nickte zur zweiten Tür, die nach hinten hinausführte. »Du kannst gehen, wenn du willst. Aber lass in Zukunft die Leute in Ruhe.«
Der Sachse starrte ihn fassungslos an. Und blieb.
Ich an seiner Stelle wäre gegangen.
Wieder geschah nichts – bis das Handy in der Tasche des Toten läutete. Dieses Mal jedoch war das Signal ein anderes.
Alle verharrten an ihren Plätzen.
Fünf Sekunden, zehn Sekunden, zwanzig Sekunden. Das Klingeln hörte wieder auf.
Ein dumpfes Scheppern erklang überraschend von hinter der Ofenluke. »Hey! Hey, Kameraden! Habt ihr den Typen erledigt?«, hörten sie den darin Gefangenen leise durch die dicke Tür. »Holt mich raus! Hier drinnen ist es heiß wie in der Hölle. Mir schmelzen die Sohlen weg!«
»Gutes Stichwort.« Der Maskierte bewegte sich nach links, ging zum Bedienelement. Mit dem Lauf der rechten Pistole betätigte er den Schalter und aktivierte die tödlichen Gasflammen. Hitze flutete die Kammer, der Zeiger des Thermometers tat einen Sprung in den roten Bereich. Die Temperaturen wurden auf mehrere hundert Grad gejagt.
Sie hörten den Mann darin kreischen und lauter hämmern. Anfangs …
Nach wenigen Atemzügen verebbten die Geräusche.
Okay, der Junge ist nicht nur gut, sondern auch reichlich gründlich.
»Jetzt weiß er wenigstens, was die Nazis früher mit ihren Opfern gemacht haben«, lautete der trockene Kommentar des Maskierten. »Learning by doing.« Sia glaubte zu erkennen, dass er unter der Sturmhaube grinste. Böse grinste. »Ich hätte noch ein paar Fragen, bevor die Kleine …«
Der junge Sachse warf seinen Kameraden einen Blick zu und schrie: »Was willst’n du, du Antifa-Arsch? Knall uns doch gleich ab!« Er breitete theatralisch die Arme aus und wies auf seine Brust. »Mach hinne!« Schritt für Schritt ging er auf ihn zu und verkürzte den Winkel des Schützen. Ein Trick. »Nu? Haste Schiss?«
»Bleib, wo du bist. Du gehörst nicht zu ihnen!« Der Maskierte wich ihm aus und schoss ihm ins Bein – dann überschlugen sich die Ereignisse.
Der Getroffene brüllte auf und stürzte auf die Fliesen; dieses Mal trat kein Rauch aus dem Einschussloch.
Gleichzeitig verwandelten sich die beiden, die hinter ihm standen, und sprangen auseinander, um schwerere Ziele zu bieten. Innerhalb von wenigen Sekunden spross braungraues Fell aus ihrer Haut, die Köpfe verformten sich. Mischwesen entstanden, halb Mensch, halb Bestie. Der Geruch nach Tier wurde nahezu übermächtig. Teils wurde ihre Kleidung von der veränderten Körperform gesprengt, teils rissen sie sich den störenden Stoff hastig herab, um nicht davon behindert zu werden.
Werwölfe! Sia stieß die Luft aus. Keine Umbra. Das ist schon mal nicht schlecht.
Auch der Mann an den Kontrollen veränderte seine Gestalt und wurde zum Werwolf. Er schleuderte den Schreibtisch samt Monitor nach dem Maskierten, der auswich und ihm zwei Kugeln in die Brust jagte.
Ächzend fiel er auf den Rücken. Er drehte sich jaulend hin und her und schlug mit den Armen um sich, während sich Qualm aus den blutenden Löchern in der Brust kräuselte.
Ein lauter Warnton erklang. Die Klappe zum Ofen schwang unvermittelt auf, Hitze und Rauch fluteten den Raum. Sia konnte in die Kammer sehen, auf deren Boden die kokelnden Reste von Mann und Plastiksack lagen.
»Allvater! Odin, beschütze mich! Was geht’n hier ab?« Der junge Sachse mit der Oberschenkelwunde wühlte panisch in seiner Jackentasche und zog eine halbautomatische Pistole. »Weg von mir, ihr Viecher!« Er schoss abwechselnd auf die Werwölfe und den Maskierten und traf ihn zweimal ins rechte Bein. Keine Reaktion. Weder Schreien noch Wanken. Es war, als hätten die Kugeln gar nicht getroffen. »Verpisst euch!«
Sias Augenbrauen hoben sich. Harter Bursche – oder eine Prothese.
»Chance verpasst.« Der Maskierte streckte den Schützen mit einem Schnellschuss in den Hals vollends nieder.
Einer der Werwölfe nutzte die Gelegenheit und sprang ihn an, packte seine Arme und bog sie mit den Waffen zur Seite, schnappte knurrend nach dem Hals und setzte sofort nach, als der Mann auswich.
Bevor der Maskierte zur Gegenattacke ausholen konnte, warf sich das zweite Wandelwesen gegen die beiden Kämpfenden und trieb sie in den Ofen; sie taumelten überrumpelt hinein.
Der Werwolf schloss die Luke mit seinen gewaltigen Kräften manuell und verkeilte sie mit einer hastig herausgerissenen Bodenschiene. Die klauenartigen Finger mit den langen, scharfen Nägeln pressten die Funktionsknöpfe an der seitlichen Wand des Ofens.
Sia hörte das leise Fauchen, mit dem die Gasflammen im Innern wieder zum Leben erwachten. Oh, schade, schade. Das ist Pech für den weißen Ritter.
Gleichzeitig heulte die darin eingesperrte Bestie los. Mehrfache Detonationen erklangen. Die Munition der Pistolen ging vermutlich durch die Hitze von selbst los, oder der Mann erlegte den Werwolf noch eiskalt, bevor er selbst verbrannte.
Bedauerlich. Sia empfand Enttäuschung über den Ausgang. Erstens, weil sie dem Maskierten mehr zugetraut hätte, zweitens, weil sie seine Arbeit zu Ende führen musste. Werwölfe in Leipzig, das ging überhaupt nicht – woher auch immer sie kamen.