Butz Peters

1977

RAF gegen Bundesrepublik

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Inhaltsübersicht

Über Butz Peters

Butz Peters, 1958 geb., ist Jurist und Publizist. Als Nachfolger von Eduard Zimmermann moderierte er die ZDF-Sendereihe »Aktenzeichen xy…ungelöst« und war Autor der ZDF-Sendereihe »Verbrechen in Deutschland – Butz Peters ermittelt«. Zuvor war er Leiter des Ressorts Rechtspolitik beim NDR. Butz Peters ist heute Rechtsanwalt in Berlin.

Impressum

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ISBN 978-3-426-43824-4

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Endnoten

Anderer Ansicht ist Ridder (Verfassung ohne Schutz, Seite 108) – unter Hinweis auf die »Haag-Mayer-Papiere« schreibt er: »Tatsache ist: Die Sicherheitsbehörden wussten spätestens seit Ende 1976, mit welchen Angriffen sie zu rechnen hatten und gegen wen sich die terroristischen Aktionen richten würden.« Welche Angriffsziele welche Sicherheitsbehörde kannte, sagt Ridder nicht.

KW: Kürzel für Konspirative Wohnung.

Waltraud Boock, Jahrgang 1951, war die Ehefrau von Peter-Jürgen Boock. Der Oberste Gerichtshof in Wien verurteilte sie am 10. Oktober 1977 zu einer Freiheitsstrafe von zwölfeinhalb Jahren. 1987 wurde sie aus der Haft in Österreich entlassen.

Klaus irrte: Tatsächlich war »Anton« Rolf Clemens Wagner; Sonnenberg verbarg sich hinter dem Tarnnamen »Bodo«.

Nach anderer Ansicht (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, Seite 78) fuhr der »mit einem Automatikgetriebe ausgerüstete Wagen im Standgas an«, weil »der Fuß des Fahrers vom Bremspedal rutscht«. Gegen diese Ansicht spricht, dass nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Stuttgart (6 – 2 StE – Urteil vom 6. Juli 2012, Seite 218) »der Dienstwagen mit einem Schaltgetriebe ausgerüstet war« und auch Bubacks damaliger Cheffahrer Jakobi bestätigte, dass es sich bei dem Wagen um einen »Mercedes 230 E mit Schaltgetriebe« handelte (Buback, Der zweite Tod meines Vaters, Seite 384). Die Art des Getriebes hatte Bedeutung für die Feststellungen, wann die Attentäter das Feuer eröffnet hatten und wie es kommen konnte, dass Bubacks Fahrer mitten auf der Kreuzung lag (eingehend: OLG Stuttgart, a.a.O., Seite 217 ff).

Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 224, 58 (Strafsache gegen Becker).

Zu den Besetzern gehörten auch Karl-Heinz Dellwo, Bernd Rößner und Lutz Taufer, die dem »RAF-Kommando Holger Meins« angehörten, das im April 1975 die deutsche Botschaft in Stockholm überfiel und zwei Diplomaten ermordete.

In der Rückschau beschreibt Christian Klars Lehrer Nikolaus Cybinski – Jahrgang 1936 – die Atmosphäre in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre an der Schule als eine Art Aufbruchstimmung: »Es waren tolle Jahre, wir schwärmten von einem neuen Lernen, einer anderen Schule, rauchten ›Reval‹ und ›Rothändle‹ wie die Irren, tranken mit Alfred (Klar) ganz schöne Mengen badischen Weins und diskutierten bis tief in die Nacht.«

Urteil vom 2. April 1985 – 5 – 1 StE 1/83, Seite 4 f (Strafsache gegen Mohnhaupt und Klar).

»Der genaue Zeitpunkt, zu dem sich Christian Klar der ›RAF‹ zuwandte, ließ sich nicht mehr feststellen«, urteilte neun Jahre später das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 2. April 1985 – 5 - 1 StE 1/83, Seite 18; Strafsache gegen Mohnhaupt und Klar).

Ironie der Geschichte: Genau an diesem Abend verübte Christian Klar seinen ersten Mordversuch in Riehen/Schweiz, als er an der deutsch-schweizerischen Grenze das Feuer auf einen Zöllner eröffnete, der seinen Ausweis überprüfen wollte (Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 2. April 1985 – 5 – 1 StE 1/83, Seite 20 ff) .

Anderer Ansicht ist süddeutsche.de (http://www.sueddeutsche.de/politik/klar-portraet-vom-buergersohn-zum-raf-hardliner-1.776076, zuletzt aufgerufen am 31. Dezember 2015): »Ab 1979 wurde mit einem Haftbefehl nach ihm gefahndet«, heißt es in dem Artikel »Vom Bürgersohn zum RAF-Hardliner« über ihn. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden, weil gegen Klar der erste Haftbefehl des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof bereits am 5. Januar 1977 (II BGs 21/77) erging. Bis zu seiner Festnahme im November 1982 erließ der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof fünf weitere Haftbefehle gegen ihn – jeweils entsprechend dem aktuellen Erkenntnisstand, und zwar am 10. April 1977 und 28. August 1977, 27. Januar 1978, 25. April 1979 und 11. März 1982.

Das Oberlandesgericht Stuttgart kam in seinem Urteil vom 31. Juli 1980 (2 – 1 StE 5/79, Seite 26; Strafsache gegen Knut Folkerts) zu dem Ergebnis, dass Folkerts »mindestens seit Anfang Dezember 1976 Mitglied der ›RAF‹« gewesen sei.

Nach anderer Ansicht (Winkler, Die Geschichte der RAF, Seite 293: »natürlich gilt Buback als gefährdet und wird bewacht, aber das rettet ihn nicht«) war Wurster »Polizist«. Gegen diese Ansicht sprechen unter anderem die Feststellungen des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 57 f: Strafsache gegen Verena Becker), nach denen Wurster »Leiter der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft« war und »nur ausnahmsweise im Zusammenhang mit den Startproblemen des Wagens mitfuhr«. Dieser Umstand hat Bedeutung für die Frage, ob Buback ausreichend geschützt wurde. Entgegen Winklers Ansicht hatte Buback keinen Personenschutz. Grund dafür dürfte gewesen sein, dass es den Ermittlern nicht gelungen war, das Wort »Margarine« als Decknamen für Siegfried Buback zu identifizieren.

Zwei Wochen nach dem Buback-Mord, am 20. April 1977, erscheint in der Zeitschrift Motorrad eine doppelseitige Farbanzeige des Motorradherstellers mit der Schlagzeile »Suzuki – Die Sportskanone für Scharfschützen«. Die Aufregung in der Republik ist groß. Der deutsche Werberat stellt später fest, dass die Anzeige in der Zeitschrift des Motor-Presse-Verlages zum Zeitpunkt des Attentates bereits gedruckt war, sodass »eine absichtliche Verknüpfung mit dem Mord … auszuschließen« sei. Nach Angaben des Verlages war die Anzeige am 3. März 1977 zur Gravur geschickt worden – also fünf Wochen vor dem Anschlag. Gleichwohl beanstandet der Werberat die Anzeige, weil die »Verwendung eines derart aggressiven und militärischen Vokabulars in der Motorradwerbung … zu missbilligen« sei. Die Anzeige erscheint nie wieder. »Marktliche« Auswirkungen hat der Buback-Mord für Hein Gericke, Eigentümer des Zweiradladens, in dem sich die Attentäter die Maschine ausgeliehen hatten: Einen Monat nach dem Attentat berichtet Gericke, dass er – seitdem bekannt wurde, wo die Täter die Maschine herhatten – erstmals »auf Wochen hinaus ausgebucht« sei.

Ob, wie vielfach geschrieben wurde, Horst Herold am Grab von Siegfried Buback ihm versprach »Ich bringe sie dir alle!«, erscheint mittlerweile zweifelhaft: Horst Herold erklärte dreißig Jahre später, er wisse nicht mehr genau, was er damals gesagt habe, weil er zur freien Rede übergegangen sei. Er glaube gesagt zu haben: »Wir werden jeden Stein aufheben und umdrehen, um deine Mörder zu finden« (Wolfgang Kraushaar/Jan Philipp Reemtsma, »Die entscheidende Triebkraft …«, Interview mit dem ehemaligen Präsidenten des Bundeskriminalamtes Dr. Horst Herold, in: Kraushaar, RAF und der linke Terrorismus, Seite 1370 [1386]). Michael Buback (Der zweite Tod meines Vaters, Seite 278), der Sohn des Generalbundesanwalts, berichtet am »offenen Grab« hätte es diesen Ausspruch nicht geben können, da es »kein offenes Grab meines Vaters« gegeben hätte. Aber »die wesentliche Aussage«, schreibt Buback weiter, »dass Horst Herold mit aller Entschlossenheit dazu beitragen wollte, die Karlsruher Mörder zu fassen, konnte sehr wohl zutreffen«.

Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 50, 152 f (Strafsache gegen Becker).

Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 50, 152 f, 200 (Strafsache gegen Becker).

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20. Juli 1977 – VI – 15/75, Seite 137 f (Strafsache gegen Taufer, Dellwo, Rößner und Krabbe).

Teilweise wird geschrieben, Hausner sei am 5. Mai 1975 gestorben. Die Darstellung hier folgt den Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 20. Juli 1977 – IV – 15/75, Seite 84, Strafsache gegen Taufer, Dellwo, Rößner und Krabbe), nach denen Hausner am 4. Mai 1975 verstarb.

Gemeint ist offensichtlich Mai 1972, also die Zeit der Mai-Offensive der ersten RAF-Generation mit sechs Anschlägen. Im März 1972 gab es keine »Kommandomeldungen« der RAF. Vgl. Rote Armee Fraktion, Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, Seite 49 ff.

Diese Erklärung erreichte – soweit ersichtlich – kein Medienunternehmen; jedenfalls wurde sie seinerzeit in den Medien nicht veröffentlicht. Gefunden wurde das Original der Erklärung in einer Reisetasche im Heuchelbach in Bad Homburg (vgl. Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 28. April 1977 – 2 StE 1/74, Strafsache gegen Baader, Enßlin und Raspe, Seite 17). Hektographiert vervielfältigt lag die Erklärung den Mitteilungsblättern der »Roten Hilfe« in Berlin und Hamburg bei.

Abgedruckt in: Rote Armee Fraktion, Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, Seite 49 ff (77).

»tupas« – Kurzform von Tupamaros: eine Guerillabewegung in Uruguay, die von 1963 bis in die 70er-Jahre Menschen entführte und ermordete sowie Anschläge in Großstädten verübte in der Vorstellung, eine revolutionäre Situation herbeiführen zu können. Das gelang den Tupamaros nicht. 1985 entstand aus der Gruppe eine Partei, die Bewegung für Volksbeteiligung, die bei Wahlen in Uruguay kandidierte.

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 67, 240, 244 (Strafsache gegen Becker).

Nach anderer Ansicht (Stuberger, Die Akte RAF, Seite 290, Fußnote 15) »schoss« Becker bei ihrer Verhaftung »aus einer schweren Maschinenwaffe um sich«. Gegen diese Ansicht sprechen die Feststellungen des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 28. Dezember 1977 – 5 - 1 StE 1/77), das über diesen Sachverhalt und die Nutzung des »Schnellladegewehrs« urteilte: »Mit der Waffe konnte sie jedoch nicht schießen, weil sie nicht durchgeladen war, und ein Durchladen wegen der Enge im Wagen und/oder des dazu erforderlichen Kraftaufwandes ihr nicht ohne weiteres möglich war. Sie warf deswegen die Langwaffe auf den Rücksitz.«

Der Polizei gelang es nicht, Juliane Plambeck zu fassen. Ihr Leben verlor sie bei einem Verkehrsunfall am 25. Juli 1980 auf der Landstraße zwischen Bietigheim-Bissingen und Vaihingen, rund dreißig Kilometer nördlich von Stuttgart. Am Steuer eines braunen Golf mit gefälschten französischen Kennzeichen geriet sie in einer Kurve auf die Gegenfahrbahn und fuhr frontal gegen einen Lkw, der Kies geladen hatte. Im Wrack fanden die Ermittler neben ihrer Leiche die von Wolfgang Beer, einem RAF-Mitglied. Offensichtlich hatte sich Plambeck, aus der »Bewegung 2. Juni« kommend, der RAF angeschlossen. Beer und Plambeck trugen Eheringe. In dem Fahrzeug entdeckten Polizeibeamte die Maschinenpistole PM 63, mit der Willy Peter Stoll am 5. September 1977 die Schleyer-Begleiter in Köln erschossen hatte, mehrere gefälschte Ausweise sowie RAF-Papiere.

Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 68, 248 f (Strafsache gegen Becker).

Dass der Verdacht zutreffend war, bestätigte fünfunddreißig Jahre später Verena Becker. In ihrer Einlassung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart erklärte sie am 14. Mai 2012 zu dem Gewehr HK 43, der Buback-Mordwaffe, »dass wir sie ins nahegelegene Ausland in ein Depot bringen wollten«.

Zu Spekulationen führten mögliche Begleiter von Sonnenberg und Becker auf dieser Zugfahrt: Kraushaar (Verena Becker und der Verfassungsschutz, Seite 83 f) schreibt, in dieser Nacht müsse es »auf jeden Fall Beobachter gegeben haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit solche, die im Auftrag einer staatlichen Behörde unterwegs gewesen sind«, weil »die Meldung von den drei Begleitern bereits im September 1977 Verbreitung« gefunden habe. Kraushaar verweist auf eine Darstellung von Udo Schulze bei Kopp online im August 2010 (»Becker-Prozess«), nach der »ein Beobachtungskommando des Bundesnachrichtendienstes Sonnenberg und Becker auf ihrer Zugreise in Richtung Bodensee unter Kontrolle gehalten« habe; Schulze berufe sich, schreibt Kraushaar weiter, »auf den Angehörigen eines Sicherheitsapparates«, von dem er »die Information erhalten haben will«.

Bemerkenswert ist in der Rückschau: Im September 1977 schrieb Der Spiegel (38/1977, Seite 22 [25] – in dem Artikel ist von drei Personen die Rede), bei den Mitreisenden von Becker und Sonnenberg handle es sich um »drei ihrer Genossen«, und die Polizei rätsle nun, ob es Personen »aus Haags kodierter Besetzungsliste« seien.

In der Gesamtschau ist aber kein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass ein »Beobachtungskommando« des Bundesnachrichtendienstes oder einer anderen Behörde mit im Zug saß, weil die Beobachtungen über die »Begleitpersonen« vom Zugpersonal stammen:

Denn dass Becker und Sonnenberg in Begleitung reisten, ergibt sich aus Aussagen des Zugpersonals gegenüber BKA-Ermittlern in späteren Vernehmungen (Bundeskriminalamt, TE 11 – 110031/77, Seite 60). Das Zugpersonal hatte erklärt, »SONNENBERG und BECKER hätten sich in Begleitung mehrerer Personen befunden, bevor sie das Schlafwagenabteil aufsuchten«. Von diesen Personen seien ein Mann in Köln und ein Pärchen in Bonn ausgestiegen, ein weiterer Mann habe »eine Fahrkarte Essen–Karlsruhe vorgezeigt«.

Ob die »Begleitpersonen« von Sonnenberg und Becker »Mitglieder der ›RAF‹ waren«, konnte das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 - 2 StE 2/10, Seite 68, 251, Strafsache gegen Becker) »nicht sicher feststellen«.

Das Ergebnis des Oberlandesgerichts Stuttgart leuchtet ein. Denn der Informationsfluss zum Spiegel im Jahr 1977 lässt sich auch ohne »Beobachtungskommando« einer Behörde im Zug erklären: Die Quelle für den Hinweis auf die Begleiter war das Zugpersonal im »D 209«, das von BKA-Beamten vernommen wurde. So lag die Information über die Mitreisenden schon im April 1977 im Bundeskriminalamt vor. Die umfangreiche Berichterstattung des Spiegel im Jahr 1977 zur RAF speiste sich zu einem erheblichen Teil durch Informationen aus dem BKA.

1 BJs 26/77.

Zum Zeitpunkt der Festnahme Beckers in Singen bestand gegen sie ein Haftbefehl aufgrund ihrer Verurteilung durch das Landgericht Berlin am 12. Dezember 1974 ([500] 2 P Ks 1/74 [41/74]): Bei ihrer Freilassung im Zuge der Lorenz-Entführung hatte der Senator für Justiz in Berlin die Freilassung Beckers verfügt, der Haftbefehl bestand fort.

Wie der Ermittlungsrichter gingen seinerzeit auch die Ermittler davon aus, dass der Schraubenzieher – mit auswechselbarem Aufsatz für Schlitz- und Kreuzschlitzschrauben – aus dem Bordwerkzeug der von Sonnenberg angemieteten Suzuki stammt (vgl. Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, Seite 22 ff, 89). Diesen Umstand werteten sie als Indiz dafür, dass Sonnenberg und Becker in den Buback-Mord involviert waren.

Aber 35 Jahre später konnte das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 259; Strafsache gegen Becker) nicht feststellen, dass der in Singen sichergestellte Schraubenzieher tatsächlich aus dem Bordwerkzeug des Tatmotorrades stammt, weil der Geschäftsführer des Motorradladens in Düsseldorf, in dem die Maschine gemietet worden war, dies nicht zu bestätigen vermochte. Seine Angaben waren widersprüchlich. Unter anderem hatte er erklärt – unter Hinweis darauf, dass bei dem in Singen sichergestellten Schraubenzieher keine Gebrauchsspuren zu erkennen waren: Weil er selbst mehrfach den Schraubenzieher aus dem Bordwerkzeug der Maschine für Reparaturen verwendet hätte, halte er es für ausgeschlossen, dass der in Singen sichergestellte Schraubenzieher aus dem in Düsseldorf vermieteten Motorrad stamme.

Bei dem für Baumann – Jahrgang 1948, gestorben: 19. Juli 2016, Aktivist der »Bewegung 2. Juni« – in der Berliner Szene gängigen Vornamen »Bommi« handelt es sich nicht, wie von vielen vermutet, um eine Ableitung von »Bombe« oder »Bombenbauer«, sondern um eine Ableitung von der Schnapsmarke Bommerlunder – seine Mitschüler hatten ihn nach ihr schon 1960 benannt. »Und das bin ich später nicht mehr losgeworden«, erklärte Baumann als Zeuge in der Strafsache gegen Verena Becker vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (Kraushaar, Eine Farce in Stammheim, taz.de, 8. Juni 2011).

Urteil vom 12. Dezember 1974 – (500) 2 P Ks 1/74 (41/74), Seite 11, Strafsache gegen Räther und Becker.

Urteil vom 12. Dezember 1974 – (500) 2 P Ks 1/74 (41/74), Seite 25 ff, Strafsache gegen Räther und Becker.

Beschluss vom 2. September 1975 – 5 StR 369/75.

Verurteilt worden waren Kröcher-Tiedemann (23) zu acht Jahren Freiheitsstrafe, Pohle (32) zu sechs Jahren und fünf Monaten, Siepmann (30) zu 12 Jahren und Heißler (26) zu acht Jahren.

Urteil vom 29. November 1974 – (500) 2 P KS 1/71 (2/73), Seite 3 (Strafsache gegen Meinhof, Bäcker und Mahler): unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Kammergerichts vom 26. Februar 1973 – (1) 1 StE 1/72 (10/72) in der Strafsache gegen Horst Mahler.

Was die südjemenitische Regierung bewogen hat, Verena Becker und die anderen Häftlinge einreisen zu lassen, ist nach Ansicht von Thomas Skelton-Robinson »unklar« (in: Wolfgang Kraushaar, Die RAF und der linke Terrorismus, Seite 828 [870]): War maßgeblich ein Kontakt, den die »Bewegung 2. Juni« vorher geknüpft hatte? Oder war es eine diplomatische Intervention der Bundesregierung? Vieles spricht dafür, dass die Bundesregierung für das »Exil« sorgte. So berichtet Hans-Jürgen Wischnewski (Mit Leidenschaft und Augenmaß, Seite 210) von einem Gespräch, das er zwei Jahre später mit dem Außenminister der Volksrepublik Jemen führte – im September 1977, als er als Kanzleramtsminister während der Schleyer-Entführung nach einem Aufnahmeland für Baader & Co. suchte: »Er erinnerte mich daran, dass sein Land auf ausdrückliche Bitte der Bundesregierung die Terroristen aufgenommen hatte, die mit Pastor Albertz ausgeflogen waren und deren Freilassung die Voraussetzung für die Befreiung von Peter Lorenz aus Berlin gewesen war. Nachdem man die Terroristen auf unsere eindringliche Bitte aufgenommen habe, sei der Jemen in übelster Weise als Terroristennest beschimpft worden.« Dies hätte der »Troubleshooter« der Bundesregierung wohl kaum unkommentiert geschrieben, wenn die Schilderung seines Gesprächspartners unzutreffend gewesen wäre.

Gleiches ergibt sich aus der Schilderung des Stern-Reporters Peter-Hannes Lehmann, der in Aden über den Verbleib des Quintetts recherchierte und in seinem Bericht einen Beamten aus dem Außenministerium in Aden mit den Worten zitiert: »Wenn ihr Deutschen uns nicht mehrfach um die Aufnahme dieser fünf Personen gebeten hättet, dann hätten wir sie nie genommen.« 2016 erklärte Lehmann dem Autor, dass er seither keine neuen Erkenntnisse zu dem Komplex erlangt hätte. 1969 hatte die Bundesrepublik die diplomatischen Beziehungen zu dem Land eingefroren, in Aden hoffte man 1975 auf 25 Millionen Mark Entwicklungshilfe.

Verena Becker erklärte in ihrer Einlassung in dem Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart am 14. Mai 2012 im Hinblick darauf, dass sie 1975 »nach Aden ausgeflogen« wurde: »Es war danach lange Zeit ungewiss, wann ich nach Europa würde zurückkehren können.«

Urteil vom 19. Dezember 1979 – 5 – 1 StE 3/77, Seite 156 f, Strafsache gegen Haag (zweite Entscheidung).

Für Schmidt stand durch den RAF-Überfall in Stockholm »unser Bundesstaat vor der schwerwiegendsten Herausforderung seiner bisherigen 26-jährigen Geschichte«, sagte er in seiner Regierungserklärung am 25. April 1975. Entschieden hätte er aufgrund einer Abwägung – maßgeblich sei für ihn gewesen: »Der Rechtsstaat kann seine Funktion nur dann erfüllen, wenn die Bürger darauf vertrauen können, dass er seine Gesetze auch durchsetzt.« Allein dem Staat weise das Grundgesetz die Verpflichtung und das Recht zu, über Strafe und über Freiheit zu entscheiden. Dies habe nach »festen gesetzlichen Regeln, nach einem gesetzlich geordneten Verfahren zu geschehen. Terroristen dürfen Entscheidungen über Leben und Freiheit anderer nicht an sich reißen …«

Stefan Wisniewski (Wir waren so unheimlich konsequent, Seite 35), der damals zur Heidelberger Gruppe zählte, formulierte in der Rückschau: »Es waren … zunächst verschiedene Gruppen, die erst mal nicht im RAF-Zusammenhang standen.«

Die Darstellung folgt den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2012 (6 – 2 StE 2/10, Seite 38 – Strafsache gegen Becker). Die Feststellungen stimmen mit den Erkenntnissen der Ermittler überein.

Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 40 ff (Strafsache gegen Becker): Verena Becker schilderte in ihrer Einlassung in dem Verfahren den Stand des Diskussionsprozesses in dem Camp anders, sie erklärte: »Dort wurden unter den anwesenden Gruppenmitgliedern ergebnisoffen Möglichkeiten für militante Aktionen in der Bundesrepublik Deutschland diskutiert. Definitive Entscheidungen sind nicht gefällt worden, erst recht hat niemand konkrete Anschlagsaufgaben übernommen.« Ihrer Darstellung folgte das Gericht (a.a.O.) nicht.

Als »Toten Trakt« bezeichnete Ulrike Meinhof einen Flügel in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf, in dem sie vom 16. Juni 1972 bis zum 9. Februar 1973 inhaftiert war: Dort saß sie isoliert von anderen Häftlingen in einer Zelle, andere Zellen waren nicht belegt. Der Trakt war für psychisch gestörte Häftlinge hergerichtet worden und weiß getüncht. Die »strenge« Einzelhaft hatte der Ermittlungsrichter bei Meinhof angeordnet, weil sie extrem aggressiv gegenüber Vollzugsbeamten auftrat und auch das Risiko ihrer gewaltsamen Befreiung möglichst klein gehalten werden sollte – 1970 hatte sie mit Waffengewalt den Strafhäftling Andreas Baader befreit. »der politische begriff für toten trakt, köln, sage ich ganz klar ist das gas«, schrieb Ulrike Meinhof am 20. Mai 1973 an Horst Mahler. »meine auschwitzphantasien darin waren, kann ich nur sagen, realistisch.« (Bakker Shut, das info, Seite 19 [21]). Die von ihr gezogene Parallele zu den KZ im Dritten Reich verwendete auch das RAF-Umfeld bei seiner Agitation.

Die Darstellung folgt den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2012 (6 – 2 StE 2/10, Seite 42 – Strafsache gegen Becker). Die Feststellungen stimmen mit den Erkenntnissen der Ermittler überein. Nicht auszuschließen ist, dass es weitere Teilnehmer bei dieser Besprechung gab.

Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilt Siegfried Haag am 19. Dezember 1979 (5 – 1 StE 3/77, Seite 4 – Strafsache gegen Haag [zweite Entscheidung]) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren, und zwar wegen »eines Verbrechens der fortgesetzten Beihilfe zum Mord in zwei rechtlich selbstständigen Fällen, zur Geiselnahme und zur versuchten Nötigung eines Verfassungsorgans in Tateinheit mit einem Vergehen der fortgesetzten Unterstützung einer kriminellen Vereinigung«.

Außerdem schreibt Mayer in seinen Aufzeichnungen von »Käthe«, und zwar unter der Überschrift »2. Aufarbeiten von Ereignissen«. »Käthe« war der Deckname von Friederike Krabbe, die – spätestens – 1977 Mitglied der RAF wurde. Bis heute ist sie verschollen.

Oben, 2. Kapitel. Bei den Angaben in den »Haag-Mayer-Papieren« zu beiden anderen »Bündnispartnern« – »P’s« und »ML« – handelt es sich um die Palästinenser und, so Alfred Klaus in seinem Auswertungsbericht vom 12. Dezember 1976 (Seite 93), um die »KPD/ML«. Nach Aussage von Volker Speitel waren mit »ML« die Revolutionären Zellen gemeint.

Die Darstellung folgt den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2012 (6 – 2 StE 2/10, Seite 47 – Strafsache gegen Becker). Die Feststellungen stimmen mit den Erkenntnissen der Ermittler überein.

Die Darstellung folgt den – rechtskräftigen – Feststellungen des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 47 ff, 126 ff) in der Strafsache gegen Becker. Vor Gericht hatte Verena Becker den Sachverhalt anders geschildert, und zwar erklärt, bei diesem »zweiten Treffen der Gruppe Anfang des Jahres 1977 in Holland … nur anfangs dabei« gewesen zu sein: »Während meiner Anwesenheit ging es in der Diskussion um unsere Verbindung in den Nahen Osten. Ich musste dieses Treffen damals vorzeitig verlassen, weil ich Verabredungen hatte, die sich nicht verschieben ließen.« Diese Darstellung hielt der Senat (a. a. O., Seite 126) aufgrund seiner Beweiswürdigung für »widerlegt«.

Bundesgerichtshof, NJW 1980, 2423, 2424; ähnlich: BGH, NJW 1967, 359, 360. Im Laufe der Zeit hat der BGH diese Formel etwas modifiziert, nun erfordert eine Verurteilung »ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht aufkommen lässt« (BGH, NStZ 2010, 102, 103).

Verfügung vom 22. Juni 1977 in dem Ermittlungsverfahren 1 BJs 26/77. Das von Lampe abgetrennte – neue – Ermittlungsverfahren richtete sich »gegen Günter Sonnenberg und Verena Becker wegen Mordversuchs, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u. a.«.

Anders noch die ursprüngliche Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gegen Sonnenberg und Becker vom 28. Juni 1977 (1 BJs 53/77, Seite 31 ff): Angeklagt wurden darin auch der »Raub des Opel Ascona« und die anschließenden Schüsse auf die Polizeibeamten.

5 – 1 StE 1/77, Seite 1a.

§ 170 Strafprozessordnung – Entscheidung über eine Anklageerhebung: »(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein …«

§ 170 Strafprozessordnung – Teileinstellung bei mehreren Taten:
»(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2. darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.«

Urteil vom 31. Juli 1980 – 2 – 1 StE 5/79, Seite 5, 8 (Strafsache gegen Folkerts).

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 31. Juli 1980 – 2 – 1 StE 5/79, Seite 81 f (Strafsache gegen Folkerts).

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 2. April 1985 – 5 – 1 StE 1/83, Seite 44, 49 (Strafsache gegen Mohnhaupt und Klar).

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 2. April 1985 – 5 – 1 StE 1/83, Seite 4, 353 f, 368 (Strafsache gegen Mohnhaupt und Klar).

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 31. Juli 1980 – 2 – 1 StE 5/79, Seite 49 (Strafsache gegen Folkerts). Eingehend zu Mohnhaupt: Unten, 39. Kapitel.

Helmut Kerscher, Süddeutsche Zeitung vom 20. April 2010, Zweifelsfrei dabei. Breloer, Seite 302, schreibt: »Folkerts soll der Mann gewesen sein, der … die tödlichen Schüsse abgefeuert hat.«

Dieter Schenk, Seite 247.

Statt vieler: Knobbe/Schmitz, Terrorjahr 1977, Seite 43; Thomas Moser, Anklageschrift und Gegengutachten, Deutschlandfunk, 24. November 2008; Stern/Herrmann, Andreas Baader, Seite 259; Schmitz, Die »Offensive 77« beginnt, in: Der Stern, 14/2007, Seite 173 (180); Buback, Der zweite Tod meines Vaters, Seite 356.

Ausgabe vom 18. April 2007 (Seite 2), Michael Buback: Gnade für Christian Klar. In dem Artikel in der Rubrik »Außenansicht« schreibt Buback: »Was ich nicht erwartet hatte, ist nun geschehen: Nach drei Jahrzehnten habe ich Informationen aus dem Bereich der RAF erhalten, und ich bin dankbar dafür. Es erscheint mir fast wie ein Wunder, dass die Not der Angehörigen aufgrund der unklaren Tatumstände auch dort erkannt worden ist.«

Für Boocks Behauptung, Sonnenberg und Wisniewski hätten auf dem Motorrad gesessen, führten mehrere Medien als weitere Quelle das damalige RAF-Mitglied Silke Maier-Witt an. So schreibt die Frankfurter Rundschau am 28. September 2010 (Egmont R. Koch, Ein ungeklärter Mord), Boocks Behauptung in dem Telefonat mit Michael Buback »wird später auch von der ehemaligen RAF-Frau Silke Maier-Witt bestätigt«. Maier-Witt dementiert die Behauptung, sie hätte Wisniewski als Todesschützen genannt, und erklärt: »Zu dieser Frage kann ich überhaupt nichts sagen« (Miriam Hollstein, Mordfall Buback: Zweifel an Geheimdokumenten, in: Die Welt, 28. September 2010). Diese Erklärung passt zu dem, was Silke Maier-Witt 20 Jahre zuvor in den Vernehmungen bald nach ihrer Verhaftung in Neubrandenburg/DDR erklärte. So antwortete sie am 6. September 1990 in der Justizvollzugsanstalt Bühl zwei BKA-Beamten auf die Frage, was sie über den Buback-Anschlag wisse: »Es entspricht dem, wie es in der Gruppe war, dass die Vorbereitung und die Täter bei den Diskussionen innerhalb der Gruppe nicht die Rolle spielten … Ich hätte auch damals nie danach gefragt, wer beteiligt war oder wie das gelaufen ist. Die Tat hatte halt die Gruppe gemacht … Ich weiß also nicht, wer die Täter waren und ich habe auch im Nachhinein nicht versucht herauszubringen, wer das war. Auch von der Gruppe hat mir keiner näheres darüber erzählt.«

Folkerts hatte in dem Interview (Der Spiegel vom 14. Mai 2007, 20/2007, Seite 58 [60]) gesagt: »Alle, die im April 1977 in der RAF waren, sind für das Attentat verantwortlich. Und alle sind – wenn auch nicht ausdrücklich für das Attentat – zu Lebenslang verurteilt worden.« Unstreitig ist, dass Folkerts 1977 in der RAF »war«, bis zu seiner Festnahme im September.

§ 55 Strafprozessordnung – Auskunftsverweigerungsrecht: »(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.«

Das »Verbot der Doppelbestrafung« (»ne bis in idem«) folgt aus dem »Grundsatz der Einmaligkeit der Strafverfolgung«. Deshalb macht die Rechtskraft einer strafrechtlichen Verurteilung eine neue Strafverfolgung gegen denselben Täter wegen derselben Tat unzulässig: Diese rechtskräftige Entscheidung führt verfahrensrechtlich zu einer »Sperrwirkung« und einem Verfahrenshindernis für weitere Verfahren in derselben Sache (Fischer, in: Karlsruher Kommentar, Strafprozessordnung, Einl. 483 f).

Vgl. Senge, in: Karlsruher Kommentar, Strafprozessordnung, § 55, Randnummer 1.

Beschlüsse vom 28. Dezember 2007 – 1 BGs 547/01, 1 BGs 548/07, 1 BGs 550/07. Einen entsprechenden Antrag der Bundesanwaltschaft gegen Günter Sonnenberg lehnte der Ermittlungsrichter ab (vgl. Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle 157/2008) – Sonnenberg war im Unterschied zu den drei anderen, wie geschildert, nicht wegen des Buback-Anschlags verurteilt worden.

Bundesgerichtshof, StB 9 bis 11/08.

Seite 2, »Seit 30 Jahren nichts gehört – Zeugenaussagen nach dem Mord an Siegfried Buback sprechen für eine Frau als Täterin – die Hinweise wurden ignoriert«.

Oben, 3. Kapitel.

§ 160a Strafprozessordnung enthält für derartige Gespräche ein absolutes Beweiserhebungs- und verwertungsverbot (Griesbaum, in: Karlsruher Kommentar, § 160a, StPO, Randnummer 3 ff).

Nach Beckers Festnahme im Mai 1977 in Singen verbüßte sie bis zum 8. Oktober 1980 den verbleibenden Rest der vom Landgericht Berlin 1974 ([500] 2 P Ks 1/74 [41/74]) verhängten sechsjährigen Jugendstrafe. Ab dem 9. Oktober 1980 wurde die vom Oberlandesgericht Stuttgart (5 – 1 StE 1/77) 1977 wegen der Singen-Schießerei verhängte Strafe vollstreckt.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker begnadigte Angelika Speitel 1989 nach elf Jahren Haft und Bernd Rößner 1994 nach 19 Jahren Haft. Helmut Pohl wurde 1998 von Bundespräsident Roman Herzog nach 19 Jahren Haft begnadigt. Bundespräsident Johannes Rau begnadigte 2002 Adelheid Schulz nach 16 Jahren Haft und 2003 Rolf Clemens Wagner nach 24 Jahren Haft.

So die Charakterisierung der Rolle Beckers innerhalb der Gruppe durch das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 63); ähnlich der dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Haftbeschwerdebeschluss vom 23. Dezember 2009 (1 BJs 26/77-5, Seite 17): »Führungsperson der Kerngruppe der ›RAF‹«.

Das Auskunftsverweigerungsrecht in § 55 der Strafprozessordnung beruht auf dem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, gegen sich selbst auszusagen – »nemo tenetur se ipsum accussare«. Die Vorschrift soll dem Zeugen, der eine Straftat begangen hat, die seelische Zwangslage ersparen, unter dem Druck der Aussagepflicht die Tat zu offenbaren und sich der Strafverfolgung auszusetzen (Senge, in: Karlsruher Kommentar, Strafprozessordnung, § 55, Randnummer 1 mwN).

Erwähnt hatte Der Spiegel Bubacks NSDAP-Mitgliedschaft neun Jahre zuvor. In der Ausgabe vom 21. Oktober 2002 (43/2002, Seite 62 [64]) steht in dem Artikel »Dummheiten des Staates« – es geht um 40 Jahre »Spiegel-Affäre« und den »Ersten Staatsanwalt«, der 1962 den Polizeieinsatz in Hamburg leitete: »Staatsanwalt Buback … war seit 1940 NSDAP-Mitglied …« In der Sache ähnlich schrieb er 2007 (Heft 42, Seite 106 [107]) in einem Artikel über die Rolle der Frauen bei der »Offensive 77«: »Die Ermordung des einstigen NSDAP-Mitglieds Buback war der Auftakt für die ›Offensive 77‹.«

Für ihre Rolle bei den Planungen der RAF-Taten verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 11. Juli 1979 – 5 – StE 3/77) Haag und Mayer wegen eines »Verbrechens der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer«. Deswegen und auch wegen anderer Straftaten erkannten die Richter bei Haag auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vierzehn Jahren und bei Mayer auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren.

Beschluss vom 30. Juni 2011 – StB 8/11.

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 31. Juli 1980 – 2 – 1 StE 5/79, Seite 14 (Strafsache gegen Folkerts).

Auch im Fall Christa Eckes erließ das Oberlandesgericht Stuttgart eine Beugehaftanordnung, die der Bundesgerichtshof aufhob: Eckes – Ex-RAF-Mitglied, 1974 und abermals 1984 verhaftet, zweimal verurteilt, insgesamt 15 Jahre im Gefängnis – hatte der Senat geladen, um Auskunft über ein Gespräch zwischen ihr und Verena Becker im Jahr 2008 zu erlangen. Weil Eckes, an Leukämie erkrankt, im Krankenhaus lag, vernahm sie dort ein beauftragter Richter. Ihm gegenüber verweigerte sie die Aussage und berief sich auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 der Strafprozessordnung. Das Oberlandesgericht ordnete daraufhin am 1. Dezember 2011 »Haft zur Erzwingung des Zeugnisses bis zur Dauer von sechs Monaten« an. Diese Entscheidung hob der dritte Senat des Bundesgerichtshofs auf (Beschluss vom 10. Januar 2012 – StB 20/11). In seiner Begründung ließ er »dahinstehen«, ob Eckes ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht; er entschied, dass die Anordnung der Beugehaft »jedenfalls unverhältnismäßig« ist: Es gelte »– auch in Fällen terroristisch motivierter Tötungsdelikte – der Grundsatz, dass die Wahrheit nicht um jeden Preis – hier um den Preis der hohen Gefährdung des Lebens einer schwer erkrankten Zeugin – erforscht werden darf« (a. a. O., Umdruck, Seite 10). Christa Eckes starb am 23. Mai 2012 im Alter von 62 Jahren in Karlsruhe.

Urteil vom 7. Mai 1984 (2 – 1 StE 5/81): »dreimal lebenslange Freiheitsstrafe« und »15 Jahre Freiheitsstrafe«; Urteil vom 28. November 1986 (5 [2} – 1 StE 5/81): »lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe« – diese Entscheidung erging, nachdem der Bundesgerichtshof die OLG-Entscheidung vom 7. Mai 1984 nach Boocks Revision im Strafausspruch am 8. Juli 1985 aufgehoben hatte. Der BGH hatte einen Verfahrensfehler darin gesehen, dass das OLG »eine möglicherweise durch Drogenabhängigkeit bewirkte verminderte Schuldfähigkeit« ohne ausreichende sachverständige Beratung ausgeschlossen hätte; Urteil vom 3. November 1992 (2 – 2 StE 5/91): »lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe« (»unter Einbeziehung der Strafen« aus dem Urteil vom 28. November 1986) – in dieser Entscheidung ging es um Boocks Beteiligung an dem Überfall auf die Schweizerische Volksbank in Zürich 1979, die in dem ersten Verfahren noch nicht bekannt war.

Bis zu seinem 50. Lebensjahr hatte CSU-Mitglied Pfahls, Jahrgang 1942, eine Spitzenbeamten-Bilderbuchkarriere hingelegt: Rechtswissenschaften studiert er an den Universitäten Heidelberg, Freiburg, Würzburg und München; 1971 promoviert er über »Staat, Kirche und Volksschule in Bayern«. Seine berufliche Laufbahn startet Pfahls im bayerischen Justizdienst. 1976 wird er Landtagsreferent in der Bayerischen Staatskanzlei. Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß macht ihn zu seinem persönlichen Referenten und später zum Leiter der Grundsatzabteilung in der Staatskanzlei. Nach fünf Jahren als Rüstungsstaatssekretär scheidet er 1992 aus dem Amt – »freiwillig«, wird Anwalt und Daimler-Benz-Bevollmächtigter. Wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung als Rüstungsstaatssekretär erwirkt die Staatsanwaltschaft Augsburg im April 1999 einen Haftbefehl gegen ihn. Im Mai setzt sich Pfahls ab: Seine Flucht führt über Asien nach Paris. Dort wird er im Juli 2004 festgenommen. Nachdem ihn das Landgericht Augsburg 2005 verurteilt hatte, erklärt er sich mittellos und zahlt weder die Prozesskosten noch die Steuernachforderungen. Die Ermittler kommen ihm auf die Schliche, dass er sein Millionenvermögen verschoben und sich »künstlich arm gemacht« hat. Deshalb erfolgt die zweite Anklage. Das Landgericht Augsburg verurteilt ihn im November 2011 wegen »Bankrotts« und Betruges zu viereinhalb Jahren Gefängnis. Der Vorsitzende Rudolf Weigell erklärt ihm bei der mündlichen Urteilsbegründung: »Geiz ist eben nicht nur geil, sondern auch strafbar.« Wegen Beihilfe verurteilt das Gericht Pfahls’ Ehefrau und den Lobbyisten Dieter Holzer zu unbedingten Haftstrafen.

Im Jahr 2000 schloss die CSU ihr langjähriges Mitglied aus. Aber nicht wegen der Schmiergeldzahlungen. Sondern weil Pfahls seine CSU-Mitgliedsbeiträge nicht gezahlt hatte.

Das Papier erschien im Mai 2010 unter der Überschrift »Etwas zur aktuellen Situation – von einigen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der RAF waren« und ist abgedruckt in: junge Welt, 7. Mai 2010, Seite 3.

Vgl. Landgericht Berlin, Urteil vom 29. November 1974 – (500) 2 P KS 1/71 (2/73), Seite 51 ff (Strafsache gegen Meinhof, Becker, Mahler); Landgericht Berlin, Urteil vom 28. Juni 1974 – (502) 1 P KLs 5/72 (25/72), Seite 94 ff (Strafsache gegen Asdonk, Becker, Berberich, Goergens, Grusdat, Schubert); Kammergericht Berlin, Urteil vom 26. Februar 1973 – (1) 1 StE 1/72 (10/72), Seite 28 ff (Strafsache gegen Mahler); Landgericht Berlin, Urteil vom 21. Mai 1971 – (500) 2 P Ks 1/71 (50/70), Seite 72 (Strafsache gegen Schubert, Goergens und Mahler).

Von der Kronzeugenregelung, die ihr die Bundesanwaltschaft angeboten hatte, wollte sie nichts wissen: Für sie bestehe, erklärte sie vor Gericht, »nur die Alternative zwischen dem Lebenslänglich-Urteil und dem Verrat – dazwischen gibt es nichts«. Sie entschied sich gegen den »Verrat«. Vgl. auch Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 29. Juni 1998 – 4 – 2 StE 2/94-1/98, Seite 10 ff (Strafsache gegen Hogefeld, zweite Entscheidung); Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 5. November 1996 – 5 – 2 StE 2/94-7/94, Seite 110 ff (Strafsache gegen Hogefeld, erste Entscheidung).

29. Oktober 1996, Schlusswort in dem Verfahren 5–2 StE 2/94-7/94.

Rundbrief von Rechtsanwalt Kurt Groenewold vom 11. Juli 1973: Das Schreiben erfolgte auf Groenewolds Kanzleipapier – angesichts Baaders dominierender Rolle innerhalb der Gruppe erscheint es ausgeschlossen, dass der grundlegende Schweige-»Befehl« an die RAF-Häftlinge ohne Weisung Baaders erfolgte. Mit dem grundsätzlichen Sprechverbot gegenüber Journalisten wollte Baader Äußerungen einzelner Mitglieder verhindern, die zuvor nicht den Segen der Gruppe erhalten hatten, sprich der Führungsriege. In dem »Befehl« heißt es: »Wenn ein interview, läuft das so: wir suchen über das info einen aus, es wird ein vertrag über die anwälte gemacht, die fragen sind schriftlich zu stellen und werden schriftlich beantwortet. Das manuskript fragen/antworten, läuft über das info. Wenn nur einer was dagegen hat, wird es nicht veröffentlicht.«

Zur Durchsetzung des Schweigegebots als Zeuge vor Gericht, heißt es in Baaders »Befehl«, genüge »ein Satz vor dem Tisch« – mit »Satz« ist der Hinweis auf das Auskunftsverweigerungsrecht gemeint, mit »Tisch« der Richtertisch: »Zieht das unbeteiligt ab, es ist scheisse, denen das tier zu zeigen, das sie vorführen wollen.« Genauso – im Duktus »unbeteiligt« – erklärten Mohnhaupt und andere RAF-Mitglieder in dem Becker-Verfahren 2011, dass sie sich auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht der Strafprozessordnung berufen.

Eine Ausnahme bestand bei dem Kommando, das Schleyer und seine Begleiter überfiel: Nach dem Überfall verabredeten die vier, mit niemandem darüber zu reden. Eine Art »Schwur«, berichtete Peter-Jürgen Boock, einer von ihnen, der bei ihm »Assoziationen an Treueschwüre der Mafia oder anderer Gangsterkreise« geweckt hätte.

Ausnahmen von der Schweigefront gab es bei ehemaligen RAF-Mitgliedern in der ersten und zweiten Generation, jeweils mehrere, aber nicht in der dritten. Diese Personen erwiesen sich in den Strafverfahren als Achillesferse der Angeklagten aus der RAF, weil die Richter mit offenen Ohren zuhörten, was diese »Kronzeugen« aus der gemeinsamen Zeit im Untergrund berichteten, und entscheidende Passagen ihrer Urteile auf diese Aussagen stützten. So stellt das im April 1977 ergangene Strafurteil gegen Baader, Ensslin und Raspe ganz entscheidend auf die Aussagen der »Kronzeugen« Dierk Hoff und des Meinhof-Begleiters Gerhard Müller ab (Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 28. April 1977 – 2 StE 1/74, Seite 140, 204 ff, 220 ff). Ebenso basieren beispielsweise die Feststellungen über den Aufbau einer Struktur zwischen »Illegalen« und »Legalen« der RAF im Frühjahr 1977 in der Mohnhaupt-Klar-Entscheidung auf Aussagen der »Kronzeugen« Volker Speitel und Hans-Joachim Dellwo (Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 2. April 1985 – 5 – 1 StE 1/83, Seite 176 ff). Nach ihren Aussagen tauchten Müller, Speitel und Dellwo mit neuen Identitäten vom Staat in ein komplett neues Leben ab.

OLG Stuttgart, Urteil vom 6. Juli 2012 – 6 – 2 StE 2/10, Seite 82 (Strafsache gegen Becker).

Empfangsbestätigungen sprechen dafür, dass drei Exemplare des Auswertungsberichts, den der Verfassungsschutz als »nicht gerichtsverwertbar« klassifiziert hatte, Generalbundesanwalt Rebmann und zwei seiner Mitarbeiter erhielten. Als die Rolle Beckers beim Verfassungsschutz durch die Spiegel-Veröffentlichung im April 2007 bekannt wurde, führten Recherchen in der Bundesanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass sich kein Exemplar mehr bei der Behörde befand. Rebmann war zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren tot.

Als Indiz dafür sehen Buback (Der zweite Tod meines Vaters, Seite 222) und andere (Kraushaar, Verena Becker und der Verfassungsschutz, Seite 11 f; Stuberger, Die Akte RAF, Seite 15, 270, Fußnote 13) einen Stasi-Vermerk vom 2. Februar 1978. In ihm hatte Major Siegfried Jonas aus der Hauptabteilung II/2 – zuständig für die »Spionageabwehr im Operationsgebiet – festgehalten:

»Es liegen zuverlässige Informationen vor, wonach die B. seit 1972 von westdeutschen Abwehrorganen wegen der Zugehörigkeit zu terroristischen Gruppierungen bearbeitet bzw. unter Kontrolle gehalten wird. Diese Informationen wurden durch Mitteilungen der HVA von 1973 und 1976 bestätigt.«