Simon Brett
Der dreizehnte Killer
Aus dem Englischen von Wulf Teichmann
FISCHER Digital
Kriminalgeschichten
Simon Brett, 1945 geboren, leitete zehn Jahre lang als Programmchef die Abteilung Unterhaltung bei Radio BBC und produzierte nebenbei Sendungen für London Weekend Television. Er lebt heute als freiberuflicher Autor in London.
Lieferbare Titel im Fischer Taschenbuch Verlag: ›Mord stand nicht im Textbuch‹, ›Dunkelmänner haben keine Schatten‹, ›Spekulanten spaßen nicht‹, ›Komödianten lachen laut und sterben leise‹, ›Eine Mordskarriere‹, ›Liebende leben gefährlich‹.
Unverhofft werden in diesen Geschichten Täter zu Opfern und Opfer zu Tätern, laufen sorgfältig ausgetüftelte Pläne schief und überschreiten ganz normale Leute die Grenzen zwischen Normalität, Wahnsinn und Mord. Der englische Autor Simon Brett ist bekannt geworden mit seinen Romanen um den Schauspieler-Detektiv Charles Paris. In dieser Sammlung von Kurzgeschichten zeigt sich, daß er auch ein Meister der kleinen Form ist. Zwölf Stories bezeugen die Vielseitigkeit dieses Autors, seinen Witz, seinen Einfallsreichtum und seinen ironisch unterlegten Stil.
Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.
Erschienen bei FISCHER Digital
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: buxdesign, München
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Impressum der Reprint Vorlage
ISBN dieser E-Book-Ausgabe: 978-3-10-561249-1
Nach dem 7. Earl of Elgin; eine Sammlung altgriech. Marmorskulpturen, vor allem aus dem Parthenon, seit 1816 im Britischen Museum. (A.d. Ü.)
In England Titel einer Ordensträgerin. (A.d. Ü.)
Unter normalen Umständen hätte er den Brief gleich weggeworfen, als er die steife Handschrift wiedererkannte, aber da er innerlich damit beschäftigt war, seine Frau zu ermorden, hatte er das Bedürfnis, seine Gedanken auf etwas anderes zu richten. Und so las Larry Renshaw ihn.
Mario hatte ihm den Brief über die Theke gereicht. Mehrere Postanschriften in Pubs und Bars in ganz London zu haben, war eine Gewohnheit, die Larry in weniger opulenten Tagen entwickelt und auch nach seiner Eheschließung mit Lydia nicht aufgegeben hatte. Die Art der Briefe, die er bekam, hatte sich allerdings geändert. Es kamen weniger Instruktionen von »Geschäftspartnern«, weniger Bündel schuldbeladener Scheine, mit denen andere Leute die Wahrung ihrer außerehelichen Geheimnisse erkauften; statt dessen empfing er nun Bestätigungen seiner eigenen sexuellen Stelldicheins, Mitteilungen, die man bei sehr großherziger Auslegung gerade noch als Liebesbriefe bezeichnen konnte. Seine Eheschließung hatte nicht bedeutet, daß nun Schluß war mit den Geheimnissen.
Was sich allerdings durch seine Ehe geändert hatte, war die Klasse einiger dieser »postes restantes«. Gaston’s Bar in der Albemarle Street war gegenüber dem Stag’s Head in Kilburn ein entschiedener Aufstieg. Und der Savile-Row-Anzug, von dem er sich das Salz von Marios Erdnüssen wegschnippte, war eleganter als die Uniform eines Hotelportiers. Das goldene Identitätsarmband, das beruhigend an seinem Handgelenk klimperte, war bequemer als eine Handschelle und entsprach, wie Larry Renshaw aufrichtig glaubte, weitaus mehr seinem natürlichen Stil.
Was der Grund dafür war, daß er sicherstellen wollte, auch weiterhin in diesem Stil leben zu können. Er ging auf die Fünfzig zu. Die Ungerechtigkeiten einer Welt, die ihm so lange den Zugang zu seinem natürlichen Milieu versperrt hatten, beleidigten ihn. Und nun, da er endlich am Ziel angekommen war, dachte er nicht daran, freiwillig wieder zu weichen.
Und ebensowenig dachte er daran, seinen Lebensstil dadurch einzuschränken, daß er auf jene Elemente (andere Frauen) verzichtete, die Lydia mißbilligte.
Was der Grund dafür war, daß er, während er in Gaston’s Bar Campari mit Wodka schlürfte, seine Frau ermordete.
Und warum er Peter Mostyns Brief las, um sich abzulenken.
… und diese Gefühle für Dich haben sich nicht geändert. Ich weiß, es sind mehr als dreißig Jahre vergangen, aber jene Nächte, die wir zusammen verbrachten, sind noch immer meine schönsten Erinnerungen. Ich habe nie andere Freunde gehabt. Kein Ereignis und kein Mensch, dem ich seither begegnet bin, haben mir so viel bedeutet wie die Wonne, die ich daraus zog, bei Dir zu sein, als der Deine bekannt zu sein und auf der Schule als Dein Kleiner gehänselt zu werden.
Ich weiß, Dir hat es nicht soviel bedeutet, aber ich schmeichele mir, daß Du damals etwas für mich empfunden hast. Ich weiß noch, wie wir einmal die Schlafanzüge getauscht haben, die ganze Nacht durfte ich in Deinem schlafen und in Deinem Bett. Nie habe ich mich Dir näher gefühlt als in jener Nacht, so als hätte ich nicht nur Deine Kleidung angezogen, sondern auch ein Stück von Dir, als wäre ich ein Weilchen Du geworden. Ich war noch nie so glücklich gewesen. Denn obwohl wir uns immer ein wenig ähnlich sahen, obwohl wir gleich groß waren, derselbe Haut- und Haartyp, hatte ich nie Deine Charakterstärke. Und damals, in jener Nacht, habe ich einen Moment lang gewußt, wie es ist, Larry Renshaw zu sein.
Ich fand es wunderbar letzte Woche, daß wir uns wiedergesehen haben. Schade nur, daß es so kurz war. Vergiß nicht, wenn es irgend etwas gibt, was ich für Dich tun kann, brauchst Du es nur zu sagen. Wenn Du möchtest, daß wir uns noch einmal treffen, ruf an. Ich bin lediglich hier, um ein Problem zu klären, das mit dem Testament meines Onkels zu tun hat, und da ich ziemlich knapp bei Kasse bin, hocke ich die meiste Zeit in meinem Hotel zimmer. Und sollte ich ausgegangen sein, wenn Du anrufst, wird man mir eine Nachricht hinterlassen. Ende der Woche fahre ich zurück nach Frankreich, doch ich würde Dich wirklich gern vorher noch einmal sehen. Manchmal denke ich, ich sollte mir ein Herz fassen und Dich bei Dir zu Hause besuchen, aber ich weiß, das wäre Dir nicht recht, schon gar nicht jetzt, wo Du mit dieser Frau verheiratet bist. Es war ein ziemlicher Schock, als Du mir erzähltest, Du seist verheiratet. Insgeheim hatte ich immer gehofft, daß Du nie geheiratet hast, weil …
Larry hörte auf zu lesen. Einmal hatte die Erwähnung seiner Ehe ihn wieder an Lydias Ermordung denken lassen, und zum anderen fand er den Brief ekelerregend.
Was ihn beunruhigte, war nicht, Objekt einer homosexuellen Leidenschaft zu sein; dazu war er sich seiner Geschmacksrichtung zu sicher. Er fand nicht einmal, daß er als Jugendlicher eine homosexuelle Phase durchgemacht hatte, er hatte eben immer eine starke Libido gehabt, und was für ein Ventil gab es sonst in einem Internat für Knaben? Alle anderen großen Jungen hatten kleine Freunde gehabt, und so hatte er die traditionellen Spiele mitgespielt. Aber sobald er aus diesem besonderen Gefängnis entlassen worden war, hatte er sich instinktiv auf die Freuden der Heterosexualität konzentriert.
Peter Mostyn jedoch hatte sich nicht verändert. Alle paar Jahre hatte er wieder Kontakt aufgenommen, ein gemeinsames Essen vorgeschlagen, und Larry, für den ein Essen umsonst eine Mahlzeit bedeutete, die er nicht zu zahlen hatte, war stets einverstanden gewesen. Ihr Gespräch verlief dann ziemlich gestelzt, drehte sich um längst erkaltete Themen, und sobald die Rechnung kam, leerte Larry sein Brandyglas und verschwand. Nach knapp einer Woche wurde ihm dann stets von einem der »poste restante«-Barkeeper ein engbeschriebener Brief überreicht, in dem Mostyn ihn unterwürfig seiner Dankbarkeit und immerwährenden Ergebenheit versicherte.
Für Mostyn hatte die Schlafsaalrangelei offensichtlich mehr bedeutet, und wie ein Insekt war er im Bernstein der Pubertät erstarrt. Das war es, was Larry bedrückte. Er haßte die Vergangenheit und mochte nicht über sie nachdenken. Für ihn gab es stets die Hoffnung auf den großen Gewinn gleich an der nächsten Ecke, und darauf konzentrierte er sich lieber als auf das Unheil, das hinter ihm lag.
Es fiel ihm nicht schwer, die Vergangenheit zu vergessen; instinktiv streifte er nach einer schiefgelaufenen Sache einfach die Haut ab, um in einer glänzenden neuen Identität daraus hervorzuschlüpfen, bereit für das nächste unfehlbare Vorhaben. Diese proteische Fähigkeit hatte es ihm ermöglicht, sich vom Angestellten eines Börsenmaklers (nach einigen geplatzten Schecks) in einen Armeerekruten zu verwandeln; von einem Armee-Entlassenen (nach einigen fehlenden Munitionskisten) in einen Versandunternehmer; von einem Versandunternehmer (nach einigen vorausbezahlten, aber nicht gelieferten Waren) in einen Zuhälter; und von einem Zuhälter (nach einer Razzia) in einen Hotelportier. Und sie hatte ihm auch die letzte Metamorphose erleichtert: vom Hotelportier (kurz vor dem unvermeidlichen Verhör wegen Diebstahls) zu dem Savile-Row-gekleideten Ehemann der reichen, neurotischen und trunksüchtigen Lydia. Für Larry gingen Verwandlung und Hoffnung Hand in Hand.
Peter Mostyns Anhänglichkeit mußte ihm also höchst unwillkommen sein, denn sie ließ vermuten, daß – ganz gleich, welche Identität Larry zur Zeit hatte – ein unveränderlicher Kern in ihm verblieben war, der noch immer geliebt werden konnte. Das bedrohte seine Unabhängigkeit in einer Weise, wie es die Liebe von Frauen nie getan hatte. Seine heterosexuellen Affären waren alle heftig und körperlich und rasch beendet. Bei den Frauen hinterließen sie tiefen Groll, er jedoch krankte nie an irgendwelchen feindseligen Gefühlen, die nicht durch eine weitere Eroberung abgeschüttelt werden konnten.
Aber Peter Mostyns freimütig gestandene Liebe war etwas anderes, eine unangenehme Mahnung an seine unabänderliche Identität, fast ein memento mori. Und mehr noch war Peter Mostyn selber ein memento mori.
Sie hatten sich die Woche zuvor getroffen, zum erstenmal seit sechs Jahren. Wieder einmal hatte sich gezeigt, daß alte Gewohnheiten schwer abzulegen sind, und trotz seines neuen Wohlstands hatte Larry instinktiv den Köder einer freien Mahlzeit angenommen.
Kaum hatte er Peter Mostyn erblickt, wußte er, daß es eine schlechte Idee gewesen war. Er kam sich vor wie Dorian Gray im Angesicht seines Bildnisses. Der Kleine war so unattraktiv gealtert, daß Larry mit seiner Vitalität und Eleganz sich herausgefordert fühlte. Sie waren schließlich etwa gleichaltrig – nein, verdammt, Mostyn war ja jünger. Im Internat war er für Larry, den Großen, der Kleine gewesen; zwei Klassen unter ihm, also zwei Jahre jünger.
Und trotzdem, wenn man ihn so sah, konnte man meinen, er stehe am Rande des Grabes. Offenbar war er krank gewesen; Larry erinnerte sich vage, daß Mostyn beim Essen von seiner Krankheit gesprochen hatte. Vielleicht erklärte das die langen Krückstöcke und den allgemeinen Eindruck von Schwäche. Aber das war keine Entschuldigung für den Zustand seiner Zähne und Haare; den zu verbessern, hätte durchaus in seiner Macht gelegen. Schön, die meisten von uns verlieren ein paar Zähne, aber das heißt doch noch lange nicht, daß wir mit einem Mund herumlaufen müssen, in dem die Zähne stehen wie abgebrochene, bemooste Grabsteine. Larry war stolz auf seine eigenen falschen Zähne. Gleich nach der Hochzeit mit Lydia hatte er sich als Privatpatient in mehreren Sitzungen den besten Zahnersatz einbauen lassen, der für Geld zu haben war.
Und das Haar … Bei Larry lichtete es sich langsam und wäre grau gewesen, wenn er nicht das diskrete Präparat anwenden würde, das er bei seinem Friseur in der Jermyn Street kaufte. Aber selbst wenn er das Pech gehabt hätte, alle Haare zu verlieren, würde er nicht unter einem Toupet Zuflucht gesucht haben, das, so fand er, aussah wie ein auf der M1 überfahrenes kleines braunes Pelztier.
Und doch hatte Peter Mostyn genau so ausgesehen, eine lahmende Kreatur mit eingefallenen Lippen und Haar, das jeder Beschreibung spottete. Und passend zu seinem physischen Zustand hatte er seine emotionale Verkrüppelung zur Schau gestellt: Pubertäres Vernarrtsein und Selbstmitleid, ständige Beteuerungen, daß er für seinen Freund alles tun wolle, daß sein Leben wert- und sinnlos sei, solange er nicht im Dienst von Larry Renshaw aufgehe.
Larry gefiel das alles nicht. Vor allem mißfiel ihm der ständige Gebrauch der Vergangenheitsform, als ob das Leben von jetzt an eine zunehmend trübe Erfahrung sein würde. Er dachte in der Zukunftsform, in Form einer Zukunft, die, nun er Lydias Geld hatte, unendlich war.
Nun er Lydias Geld hatte … Er sah auf seine Uhr. Viertel vor acht. Sie müßte jetzt gut fünf Stunden tot sein. Zeit, sich diese müde alte Tunte Mostyn aus dem Kopf zu schlagen und zum Hauptpunkt der Tagesordnung überzugehen. Zeit für einen pflichtbewußten Ehemann, nach Hause zu gehen und die Leiche seiner Frau zu entdecken. Oder, falls er wirklich Glück hatte, zu entdecken, daß seine Schwägerin gerade die Leiche seiner Frau entdeckt hatte.
Er verabschiedete sich unüberhörbar von Mario, nicht ohne eine anzügliche Bemerkung über des Barkeepers neue Schürze zu machen. Außerdem fragte er, ob die Uhr in der Bar richtig gehe, und verglich seine Uhr mit dieser.
Nachdem er ein Leben lang präzise zeitliche Zusammenhänge verdunkelt und vergessenen Minuten Alibis abgequetscht hatte, war es nun eine erfreuliche Abwechslung, die Aufmerksamkeit einmal auf die Zeit zu lenken; und auf sich selbst.
Aus demselben Grund lieferte er sich mit dem Fahrer des Taxis, in das er am noch hellen Picadilly stieg, eine denkwürdige Frotzelei, bevor er sich für die Reise zur Abbey Road bequem zurücklehnte.
Er fühlte sich jetzt überaus selbstsicher. Er folgte seinem unfehlbaren Instinkt. Der Plan war das Werk eines Superhirns. Er bedauerte es sogar ein wenig, daß dieses Gehirn, wenn er Lydias gesamtes Geld an sich gebracht hatte, für weitere Verbrechen nicht mehr benötigt werden würde. Doch nein, er hatte nicht die Absicht, sein nagelneues Vermögen dadurch aufs Spiel zu setzen, daß er etwas tat, was auch nur leicht nach Risiko roch. Er brauchte Freiheit, um in sein restliches reiches Leben hineinzustopfen, was er in ärmeren Tagen entbehrt hatte.
Deswegen war der Mordplan so gut; er barg keinerlei Risiko.
Im Grund war ihm der Mordplan, obwohl es ihm zu dem Zeitpunkt nicht bewußt war, zu derselben Zeit gekommen, in der er zu Lydia gekommen war. Sie hatte ihren eigenen selbstzerstörerischen Mechanismus mitgebracht, fertig verpackt; mit kompletter Werkzeugtasche.
Lydia hatte sich in Larry verliebt, als er ihr das Leben rettete, und ihn aus Dankbarkeit geheiratet.
Das war vor zwei Jahren gewesen. Larry Renshaw hatte sich im Niedrigwasser einer Karriere befunden, die bereits viele verrückte Gezeiten gesehen hatte. Er arbeitete damals als Portier in einem Hotel in der Park Lane, und die Geschäftsführung begann zu argwöhnen, daß er sich aus den Brieftaschen, Handtaschen und Schmuckkästen der Gäste bediente. Eines Nachmittags hatte er den Tip bekommen, daß man ihn auf dem Kieker habe, und so hatte er beschlossen, noch ein letztes Mal in vernünftigem Ausmaß abzusahnen, vor einem weiteren plötzlichen Abgang mit Identitätswechsel.
Beobachtung und Personalgetuschel veranlaßten ihn, seinen Hauptschlüssel für die Tür einer Mrs. Lydia Phythian zu benutzen, einer Dame, die stets wie ein Weihnachtsbaum behängt in der Bar erschien und keinen Zweifel daran ließ, daß sie im Besitz eines ansehnlichen Vorrats von Juwelen war, und deren Ginkonsum in derselben Bar den Gedanken nahelegte, daß sie beim Wegschließen ihres Schmucks vielleicht ein bißchen sorglos war.
Was sich dann auch bestätigte. Halsketten, Broschen, Armbänder und Ringe waren so achtlos zwischen den Pillenfläschchen auf dem Toilettentisch abgelegt, daß man meinen konnte, es wäre an Land geworfener Seetang. Aber im Zimmer befand sich außerdem etwas, was eine weitaus reichere Beute versprach als die Preise, die man bei einem mürrischen Hehler für die Klunker erzielen konnte. Und überdies war weniger Risiko damit verbunden.
Mrs. Lydia Phythian befand sich im Zimmer; und sie war dabei, Selbstmord zu begehen.
Die Szene war dermaßen klassisch, daß es schon fast kitschig wirkte. Eine leere Ginflasche in der Hand der auf dem Bett schnarchenden Gestalt. Auf dem Nachttisch ein leeres Pillenfläschchen, dramatisch umgekippt, und, an die Lampe gestellt, ein gefaltetes Blatt Briefpapier, hellblau und mit Monogrammprägung.
Zunächst einmal las Larry den Brief.
Dies war der einzige Ausweg. Es kümmert niemanden, ob ich lebe oder sterbe, und ich will nicht mehr so weitermachen und allen nur zur Last fallen. Ich hab’s versucht, aber ich kann nicht mehr.
Er war undatiert. Instinktiv steckte Larry ihn in die Tasche, bevor er seine Aufmerksamkeit der Gestalt auf dem Bett zuwandte. Sie schlief tief, aber der Puls war noch kräftig. Da er sich an einen Film mit dieser Szene erinnerte, klatschte er sie auf die Backen.
Ihre Augen öffneten sich besoffen. »Ich will sterben. Warum soll ich denn nich’ sterben?«
»Weil es so viel gibt, wofür zu leben sich lohnt«, antwortete er, möglicherweise in Erinnerung an den Dialog aus demselben Film.
Ihre Augen drehten sich wieder unter die Lider. Er ging zum Telefon, das in einer Sofaecke stand, und rief einen Rettungswagen. Instinktiv wählte er direkt den Notruf nach draußen. Er wollte nicht, daß der Manager ihm seinen Auftritt verpfuschte.
Dann, wieder nach dem Vorbild des Films, ging er mit ihrem schlaffen Körper im Zimmer auf und ab und hielt sie auf diese Weise halb bei Bewußtsein, bis Hilfe eintraf.
Danach folgte er einfach seinem Instinkt. Sein Instinkt sagte ihm, daß er sie im Rettungswagen zum Krankenhaus zu begleiten habe; sein Instinkt sagte ihm, daß er bei ihr zu sein habe (nicht in seiner Hoteluniform), wenn sie mit ausgepumptem Magen zu sich kommen würde; sein Instinkt sagte ihm, seine Besuche fortzusetzen, nachdem sie zur Genesung in die luxuriöse Avenue Clinic verlegt worden war. Und sein Instinkt gab ihm die Worte ein, mit denen er ihr versicherte, daß es wirklich eine Menge gebe, wofür zu leben sich lohne, und daß es Unsinn sei, wenn eine so attraktive Frau wie sie sich ungeliebt fühle, er zumindest erkenne ihren wahren Wert und schätze sie.
Ihre Heirat, drei Monate nach ihrer Entlassung aus der Klinik, war also ein echter Triumph des Instinkts.
Zwei Tage vor der standesamtlichen Trauung hatte Larry sich bei ihrem Arzt angesagt. »Ich hatte das Gefühl, wissen Sie, ich sollte Ihre Krankengeschichte kennen, wo wir doch jetzt den Bund fürs Leben schließen«, sagte er in verantwortungsbewußtem Ton. »Das heißt nicht, Sie sollten Ihre Schweigepflicht verletzen, aber Sie werden verstehn, daß ich sichergehn möchte, daß dieser scheußliche Zwischenfall, der uns zusammengeführt hat, sich nicht wiederholt.«
»Natürlich.« Der Arzt war kahlköpfig, dünn und unverhohlen skeptisch. Larrys Rolle als besorgter künftiger Ehemann schien ihn nicht zu überzeugen. »Nun, sie ist eine sehr neurotische Frau, sie liebt es, im Mittelpunkt zu stehen, Aufsehen zu erregen … an ihrem Grundcharakter wird sich wohl nichts ändern.«
»Ich dachte, wenn sie verheiratet ist …«
»Sie war schon ein paarmal verheiratet, das müssen Sie doch wissen.«
»Ja, natürlich, aber sie scheint ziemliches Pech gehabt zu haben mit ihren Männern. Es müssen alles Schweinehunde gewesen sein. Ich dachte, wenn jemand da ist, der sie wirklich um ihrer selbst willen liebt …«
»O ja, wenn es so einen gibt, würde sie das sicherlich stabilisieren.« Der Skeptizismus war jetzt so offenkundig, daß es schon beleidigend war, aber Larry riskierte keinen rechtschaffenen Zorn, als der Arzt fortfuhr: »Das Problem, Mr. Renshaw, ist, daß Frauen, die so reich sind wie Mrs. Phythian, immer wieder bei Schweinehunden landen.«
Larry ignorierte auch die zweite Beleidigung. »Was ich eigentlich wissen wollte, war …«
»Was Sie eigentlich wissen wollten«, unterbrach ihn der Arzt, »ist, ob sie weiterhin suizidgefährdet ist.«
Larry nickte ernst.
»Nun, das kann ich Ihnen nicht sagen. Jemand, der so viel Pillen schluckt und so viel trinkt wie sie, handelt selten vernünftig. Und dies war nicht ihr erster Versuch, wenn er auch anders war als die andern.«
»Inwiefern?«
»Bei den früheren war offensichtlicher, daß sie bloß auf sich aufmerksam machen wollte. Sie hatte ganz gut dafür gesorgt, daß sie gefunden werden würde, bevor es ihr ernsthaft an den Kragen ginge. Diesmal … nun ja, wären Sie nicht hereinspaziert gekommen, dann hätte sie die Distanz wohl geschafft. Übrigens …«
Aber Larry unterbrach ihn, bevor die unvermeidliche Frage, warum er bei ihr im Zimmer war, kam. »Und gab es noch andere Unterschiede diesmal?«
»Kleine. Daß sie all die Pillen im Gin zerdrückt hat, bevor sie anfing, läßt darauf schließen, daß es ihr ernst war. Und die Tatsache, daß sich kein Abschiedsbrief fand …«
Larry reagierte nicht auf den fragenden Blick. Als er ging, schüttelte der Arzt ihm die Hand und sagte beißend ironisch: »Ich würde mir keine Sorgen machen. Es wird schon noch alles gut werden – für Sie.«
Es war klar, daß mit dieser Endbetonung nicht Lydia gemeint war, doch in dem unverschämten Argwohn in der Stimme des Arztes schwang noch ein anderer Ton mit, der der Erleichterung. Ein neuer Ehemann würde Mrs. Lydia Phythian wenigstens ein Weilchen von seiner Praxis fernhalten. Immer wieder mal Rezepte für Beruhigungs- und Schlaftabletten, das würde vorerst ausreichen. Und dafür konnte er ihr auch noch Rechnungen schreiben.
Unbewußt begriff Larry, daß der Arzt bestätigt hatte, wie leicht es war, Lydia zu ermorden, aber er verbot sich, daran zu denken. Denn schließlich war es ja gar nicht nötig.
Anfangs jedenfalls nicht. Mrs. Lydia Phythian änderte wieder einmal ihren Namen (in der Anzahl der von ihr angenommenen Identitäten konnte sie mit ihrem Mann fast Schritt halten) und wurde Mrs. Lydia Renshaw. Anfangs funktionierte die Ehe recht gut. Sie genoß es, ihren neuen Mann einzukleiden, und er genoß es, sich von ihr in teure Geschäfte und Restaurants führen zu lassen. Er fand eine überraschend gierige Sexualpartnerin in ihr, und da er von dieser Diät nicht hätte satt werden können, holte er sich insgeheim Appetithäppchen bei anderen Frauen. Er fing an zu glauben, daß es ihm gut bekomme, verheiratet zu sein.
Jedenfalls verhalf die Ehe ihm zu einem völlig neuen Lebensstil. Aufgewachsen bei Eltern, die, wie so oft in der Mittelschicht, darauf bestanden hatten, ihn auf ein exklusives Internat zu schicken (was zur Folge hatte, daß ihr Lebensstandard unter den der Arbeiterklasse sank, so daß sie selten länger als vierzehn Tage ein sicheres Auskommen hatten), war er durchaus in der Lage, die große Wohnung in der Abbey Road, das Landhaus in Uckfield und die Wahl, einen Bentley oder einen kleinen Mercedes zu fahren, würdigen zu können.
Eigentlich gab es nur zwei Dinge, die ihn an seiner Frau ärgerten – erstens, daß sie ihm keine anderen Frauen gönnte, und zweitens, daß sie ihm nur ein begrenztes Taschengeld bewilligte.
Er hatte Wege gefunden, das zweite Problem zu umgehen; zur Lösung des zweiten Problems hatte er einfach auf alte Gewohnheiten zurückgegriffen: Er hatte, schon sehr früh in ihrer Ehe, angefangen, seine Frau zu bestehlen.
Zuerst hatte er sie indirekt bestohlen. Sie hatte ihm vertrauensvoll die Verantwortung für ihren Wertpapierbestand übertragen, was es ihm sehr leicht machte, seinen tagtäglichen Bedarf abzusahnen. Nach einer stürmischen Sitzung mit Lydias Makler und Buchführer, der damit drohte, alles ihrer gemeinsamen Arbeitgeberin zu enthüllen, hielt er es für angezeigt, auf diese Verantwortung zu verzichten.
Er fing also an, seine Frau direkt zu berauben. Der alkoholische Dämmerzustand, in dem sie sich gewohnheitsmäßig bewegte, machte ihm das ziemlich leicht. Einen Ring zu verlegen oder ein Halskettchen, oder gar wenige Stunden, nachdem sie auf der Bank gewesen war, ihre Geldscheintasche leer vorzufinden, waren keine besonderen Vorkommnisse; und schon gar keine, auf die sie gerne aufmerksam machte, denn sie warfen die Frage auf, wieweit ihr Gedächtnis durch das Trinken beeinträchtigt wurde.
Larry gab einen bestimmten Betrag seiner Beute für andere Frauen aus, den größten Teil vertraute er aber einem kleinen Koffer an, der alle drei bis vier Wochen diskret bei einer anderen Gepäckaufbewahrung deponiert wurde (wiederum voreheliche Gewohnheiten, die sich schwer ablegen ließen). Im Verlaufe von zwanzig Monaten Ehe hatte er zwischen zwölf- und dreizehntausend Pfund angesammelt, ein beruhigendes Polster für schlechtere Zeiten.
Doch mit denen rechnete er nicht; oder wenigstens erst, als er entdeckte, daß seine Frau einen Privatdetektiv auf ihn angesetzt und einen Ordner angelegt hatte, der für einen Zeitraum von vierzehn Tagen seine sämtlichen Treuebrüche belegte.
In dem Augenblick war ihm klar, daß er sie ermorden mußte, und zwar sehr bald, jedenfalls bevor sie sich mit ihrem Anwalt träfe, was sie angedeutet hatte, als sie ihn mit dem Bericht des Detektivs konfrontierte. Larry Renshaw hatte nicht die Absicht, sich vom Geld seiner Frau scheiden zu lassen.
Sobald die Entscheidung getroffen war, kam der im Schließfach seines Unterbewußtseins aufbewahrte Mordplan ans Licht; nur einer Schlüsseldrehung hatte es bedurft. Und so einfach war der Plan, geradezu genial.
Im Taxi, auf der Heimfahrt zur Abbey Road, ging er ihn noch einmal durch. Das Timing war perfekt; es konnte nichts schiefgehen.
Alle drei Monate verbrachte Lydia vier Tage auf einer Gesundheitsfarm. Primäres Ziel dabei war nicht, trocken zu werden, sondern die Verflüchtigung ihrer körperlichen Reize wenigstens zeitweilig zu bremsen. Die strenge Hausordnung dieser hochmodernen Institution, die auserkoren war, diese hoffnungslose Aufgabe zu übernehmen, brachte es jedoch mit sich, daß sie für die Dauer ihres Aufenthaltes dem Alkohol entzogen war; was natürlich zur Folge hatte, daß sie am Nachmittag ihrer Rückkehr mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks ihrem ausgedörrten Organismus mindestens eine halbe Flasche Gin gönnte.
Und mehr war nicht nötig für den Plan. Sein Instinkt sagte ihm, daß er todsicher war.
Die Vorbereitungen hatte er an diesem Vormittag getroffen, fast fröhlich. Er hatte leise vor sich hin gepfiffen bei der Arbeit. Es waren nur wenige Handgriffe gewesen: die Pillen zerdrücken, sie in die Ginflasche tun, den Abschiedsbrief in die Schreibtischschublade legen, dann losziehen, um den Tag in Gesellschaft zu verbringen. Jeder Teil dieses Tages mußte nachweisbar sein. Gaston’s Bar war nur das letzte Glied in einer langen Kette von Alibis.
Im Verlaufe des Tages hatte er den Plan auf schwache Stellen abgeklopft und keine gefunden.
Angenommen, Lydia fände, der Gin schmecke komisch …? Sie würde nichts merken bei ihrer Hast. Im übrigen hatte sie, als sie ihren letzten Selbstmordversuch beschrieb, gesagt, man schmecke die Pillen nicht. Es sei genauso gewesen, wie ihn pur zu trinken, hatte sie gesagt; man werde langsam müde und gleite sanft in den Schlaf. Ein ruhiges Ende. Kein unschönes.
Angenommen, die Polizei fände das mit dem Privatdetektiv heraus; und daß sie einen Termin bei ihrem Anwalt hatte …? Würde dann nicht ein Verdacht auf den Ehemann der Toten fallen …? Nein, das würde eher noch zu seinen Gunsten sprechen. Erneut desillusioniert von einem Mann, niedergedrückt durch eine weitere bevorstehende Scheidung, hatte sie den schnellsten Ausweg gewählt. Gewiß, das stellte ihren Ehemann nicht gerade in ein gutes Licht, aber deswegen machte Larry sich keine Sorgen. Solange er erbte, war ihm egal, was die Leute dachten.
Angenommen, sie hatte bereits ein Testament gemacht, das ihn enterbte …? Aber nein, er wußte, daß sie das nicht getan hatte. Die Testamentsänderung war erst für den nächsten Tag bei ihrem Anwalt geplant. Und Larry war dabei gewesen, als sie ihr Testament aufgesetzt hatte, das ihn, ihren Ehemann, zum Alleinerben erklärte.
Nein, sein Instinkt sagte ihm, daß nichts schiefgehen konnte.
Er bezahlte den Taxifahrer und erzählte ihm einen irischen Witz, den er irgendwo am Tage gehört hatte. Dann betrat er das Gebäude mit ihrer Wohnung, erzählte dem Portier denselben irischen Witz und fragte ihn, ob er die genaue Zeit habe. Zwanzig Uhr siebzehn. Einen besser dokumentierten Tag hatte es noch nicht gegeben.
Als er im Lift hinauffuhr, fragte er sich, ob seinem Plan noch das letzte Glanzlicht aufgesetzt worden sei. Lydias Schwester hatte sich für den Abend angesagt. Wenn sie tatsächlich die Leiche entdeckt hätte … Doch sie war notorisch unzuverlässig, was Zeit betraf, und man kann schließlich nicht alles haben. Aber es wäre ganz schön …
Alles spielte ihm in die Hände. Im Korridor begegnete er einem Nachbarn, der seinen Chihuahua ausführen wollte. Larry begrüßte fröhlich Herrchen und Hund und verglich wieder die Zeit. Sein Selbstvertrauen war gigantisch. Er genoß es, ein kriminelles Supergehirn zu sein.
Dem sich entfernenden Nachbarn zuliebe und weil er seine Rolle bis zur Neige auskosten wollte, rief er beim Aufschließen der Wohnungstür fröhlich: »Guten Abend, Schatz!«
»Guten Abend, Schatz«, sagte Lydia.
Als er sie erblickte, sah er sofort, daß sie alles wußte. Sie saß aufrecht auf dem Sofa, und auf der Glasplatte des Kaffeetisches vor ihr stand die Ginflasche und daneben lag der Abschiedsbrief. Es fehlten nur noch die Anhängeschildchen, dann hätten es Beweisstücke in einem Gerichtssaal sein können. Auf einem kleinen Tisch neben dem Sofa stand eine zweite Flasche Gin, halbleer. Das versoffene Miststück – nicht mal warten konnte sie, bis sie zu Hause war; sie hatte sich auf der Heimfahrt von der Gesundheitsfarm mit neuen Vorräten eingedeckt.
»Na, Larry, du bist vermutlich überrascht, mich zu sehen.«
»Ein bißchen schon«, sagte er leichthin und lächelte in einer Weise, die er immer für charmant gehalten hatte.
»Ich glaube, ich werde meinem Anwalt morgen eine ganze Menge zu erzählen haben.«
Er lachte hellauf.
»Nachdem ich bei der Polizei gewesen bin«, fuhr sie fort.
Jetzt war sein Lachen schon verhaltener.
»Ja, Larry, es liegt einiges an, worüber gesprochen werden muß. Um gleich anzufangen: Ich habe gerade eine Bestandsaufnahme meines Schmucks gemacht. Und weißt du, ich glaube, mir ist plötzlich klargeworden, warum du an diesem verhängnisvollen Nachmittag in meinem Hotelzimmer aufgetaucht bist. Einmal ein Dieb, immer ein Dieb. Aber Mord … das ist ja ’n echter Aufstieg, was?«
Der Gin zeigte noch keine Wirkung: sie artikulierte kalt und klar. Larry schaltete auf bedächtig, um sich ihrer logischen Besonnenheit anzupassen. Er ging zu seinem Schreibtisch in der Ecke an der Tür. Als er sich umdrehte, hielt er in der Hand die Pistole, die er in der Schublade aufbewahrt hatte.
Lydia lachte, laut und unschön, so als machte sie sich lustig über seine Männlichkeit. »Ach, komm, Larry, das ist bestimmt kein guter Einfall. Nein, dein kleines Projekt war ganz gut durchdacht, das geb ich dir zu. Aber mich zu erschießen … damit ist nicht viel zu erben. Es ist leider verboten, aus einem Verbrechen Profit zu schlagen.«
»Ich werde dich nicht erschießen.« Er ging zu ihr hinüber und richtete die Pistole auf ihren Kopf. »Ich werde dich zwingen, den andern Gin da zu trinken.«
Wieder hörte er ihr schrilles, herausforderndes Lachen. »Ach, komm, Schatz. Was ist denn das für eine Drohung? Du kannst doch keinen dazu bringen, sich selbst zu töten, mit der Drohung, ihm das sonst abzunehmen. Wenn man abtreten muß, ist die Methode ziemlich einerlei. Und wenn du vorhast, mich umzubringen, wirst du’s unter Garantie auf die Art tun, die dir am meisten Ärger einbringt. Drück nur ab, Schatz.«
Unwillkürlich ließ er den Arm mit der Pistole sinken.
Wieder lachte sie.
»Na, egal. Mir wird das langsam zu blöd.« Sie erhob sich vom Sofa. »Ich ruf jetzt die Polizei. Ich hab genug davon, mit einem kriminellen Superhirn verheiratet zu sein.«
Diese Spitze traf so genau das Bild, das er von sich selber hatte, daß sie schmerzte wie eine Ohrfeige. Der Arm mit der Pistole hob sich wieder, und er schoß seine Frau in die Schläfe, als sie zum Telefon ging.
Es kam eine Menge Blut. Zuerst stand er da und starrte hypnotisiert auf das viele Blut, doch dann, als es aufhörte zu fließen, setzte sein Verstand wieder ein.
Dessen Überlegungen waren nicht sehr tröstlich. Er hatte es vermasselt. Es blieb ihm nur noch die Hoffnung auf Flucht.
Unnatürlich ruhig ging er zum Telefon. Er rief Heathrow an. Um zweiundzwanzig Uhr ging eine Maschine ab. Ja, es gab noch einen Platz. Er buchte den Flug.
Er nahm sich das Bargeld aus Lydias Handtasche. Knapp zehn Pfund. Sie war nicht auf der Bank gewesen seit ihrer Rückkehr von der Gesundheitsfarm. Um das Ticket zu bezahlen, konnte er immer noch eine Kreditkarte benutzen.
Er ging ins Schlafzimmer, wo in üblicher Unordnung ihr Schmuck herumlag. Er griff nach einem Diamantenkollier.
Aber nein. Angenommen, der Zoll filzte ihn. Genau den Ärger mußte er vermeiden. Aus demselben Grund konnte er auch den Schmuck in dem Koffer nicht mitnehmen, den er bei der Gepäckaufbewahrung deponiert hatte. Wo war der jetzt überhaupt? Oh, nein! In einem Schließfach in der Liverpool Street. Panik kroch ihm in die Knochen. Das war nicht mehr zu schaffen. Oder doch? Vielleicht nur das Geld aus dem Koffer holen und –
Es klingelte an der Tür.
O mein Gott! Lydias Schwester!
Er griff sich einen Koffer, warf einen Schlafanzug und ein sauberes Hemd hinein, dann rannte er in die Küche, öffnete die Hintertür und lief die Feuertreppe hinab.
Peter Mostyn bewohnte ein Häuschen im Departement Lot. Die nächste Großstadt war Cahors, die nächste Kleinstadt Montaigu-de-Quercy, aber sehr nahe war keine von beiden. Es war ein kleines und primitives Häuschen. Mostyn war kein britischer Trendy, der sich in Frankreich ein Bauernhaus schick hergerichtet hatte, er war dort hingezogen, weil er hier seine Ruhe hatte und sehr billig leben konnte, dauernd rechnete er nach, wie lange das schwindende Kapital, das ein entfernter Onkel ihm hinterlassen hatte, reichen würde, und hoffte, bis an sein Lebensende damit auszukommen. Sein Kontakt mit anderen Menschen beschränkte sich auf seine wöchentlichen Einkäufe, und beide Seiten schienen zufrieden mit dieser Regelung.
In der dritten Nacht nach Lydias Tod kam Larry Renshaw dort an. Er war unauffällig mit Bummelzügen gefahren, per Anhalter, und war weite Strecken querfeldein gegangen; die Nächte hatte er im Freien verbracht. Seinen Savile-Row-Anzug war er für ein Zehntel des Wertes in einem Pariser Secondhandladen losgeworden, wo er sich einen schmutzigen blauen Overall kaufte, was ihn als Tramper auf den glutheißen Landstraßen Frankreichs weniger auffällig machte. Seinen Paß und sein goldenes Identitätsarmband hatte er sicher in einer Innentasche verstaut.
Sollten sie wirklich hinter ihm her sein, so rechnete er sich einen guten Vorsprung aus.
Es war schon seit zwei Stunden dunkel, als er bei dem Häuschen ankam. Es war eine warme Sommernacht. Das Land war trocken und brüchig und brauchte Regen. Hin und wieder war auf den schmalen Landstraßen ein Auto an ihm vorbeigebraust, doch Fußgängern war er nicht begegnet.
Das Licht einer schmalen Mondsichel zeigte ihm, daß er eine weitere Hoffnung begraben mußte. Irgendwo in seinem Hinterkopf hatte die Möglichkeit gespukt, daß Mostyn trotz seiner ständigen Armutsbeteuerungen in heimlichem Luxus lebte und sich ebenso wie Lydia als Speck erweisen würde, von dem er als Made leben konnte. Doch die abbröckelnde Fassade des Häuschens sagte ihm, daß die langfristige Lösung seiner Probleme woanders liegen müsse. An dem Haus war seit Generationen von Bauernfamilien kaum eine Änderung vorgenommen worden.
Und als Mostyn an die Tür kam, hätte er der letzte Repräsentant dieser Bauerndynastie sein können. Er trug keine Perücke, hatte ein unförmiges Nachthemd an und in der Hand einen Kerzenhalter wie aus einer Dickens-Fernsehserie. Die Lippen seines zahnlosen Mundes bewegten sich unsicher, und sein Blick verriet das Mißtrauen eines alten Bauern gegenüber Fremden.
Dieser Ausdruck verschwand sofort, als er seinen Besucher erkannte.
»Larry. Ich habe gehofft, daß du kommen würdest. Ich hab’s in der Zeitung gelesen. Komm rein. Hier bist du sicher.«
Und er war wirklich sicher. Mostyns eingeschränkter gesellschaftlicher Umgang bedeutete, daß keine Gefahr bestand, daß der Neuankömmling erkannt werden würde. Es bestand nicht einmal die Gefahr, daß er gesehen wurde. Drei Tage lang war Peter Mostyn der einzige Mensch, den Larry Renshaw zu Gesicht bekam.
Und Peter Mostyn hatte sich noch immer kein bißchen verändert. Er war und blieb ein erbärmlicher Krüppel, der durch seine unterwürfige Anhänglichkeit noch erbärmlicher wurde. Für ihn bedeutete Renshaws Auftauchen die Erhörung seiner Gebete. Nun hatte er endlich das Ziel seiner Sehnsüchte bei sich zu Hause. Er war im siebten Himmel.
Renshaw war durch seine Anhänglichkeit keineswegs peinlich berührt. Er wußte, daß Mostyn viel zu schüchtern war, um auch nur zu versuchen, ihm unerwünschte Aufmerksamkeiten zu erweisen. Für ein Weilchen hatte er jedenfalls Zuflucht gefunden, und er war froh, ein paar Tage dasitzen, seine Lage bedenken und den Brandy seines Gastgebers trinken zu können.
Was beim Bedenken seiner Lage herauskam, war nicht ermutigend. Der Karren steckte im Dreck. Alles, was er sich für Lydias Tod ausgedacht hatte, war nach hinten losgegangen. Sein zeitlich kalkuliertes Eintreffen in der Wohnung lieferte nun kein Alibi mehr, sondern machte ihn erst recht verdächtig. Selbst nachdem er sie erschossen hatte, hätte er vielleicht noch etwas deichseln können, wenn diese blöde Schwester von ihr ihn mit ihrem Klingeln nicht in Panik versetzt hätte. Alles war schiefgelaufen.
Am dritten Abend, als er schweigend am Tisch saß und wie wild Brandy in sich hineinkippte, während Mostyn ihm zusah, schrie er plötzlich seine Empörung gegen all diese Ungerechtigkeit hinaus. »Diese blöde Kuh!«
»Lydia?« fragte Mostyn zögernd.
»Nein, du Idiot. Ihre Schwester. Wenn die nicht genau in dem Augenblick aufgetaucht wäre, hätt ich die Sache noch drehn können. Mir wär bestimmt irgendwas eingefallen.«
»In welchem Augenblick?«
»Gleich nachdem ich Lydia erschossen hatte. Da hat sie geklingelt. «
»Was – so gegen halb neun?«
»Ja.«
Mostyn erblaßte unter seinem Toupet. »Das war nicht Lydias Schwester.«
»Was? Woher willst du das wissen?«
»Das war ich.« Renshaw sah ihn an. »Das war ich. Ich wollte am nächsten Morgen zurückfliegen. Du hattest nicht angerufen. Ich wollte dich also noch mal sehn, bevor ich flog. Ich bin zu deinem Wohnblock gefahren. Ich hatte gar nicht vor, reinzugehn. Dann hab ich aber doch den Portier gefragt, ob du da wärst, und er sagte, du wärst gerade nach Hause gekommen …«
»Du bist es gewesen! Du blöder Arsch, warum hast du das nicht gesagt?«
»Ich wußte doch nicht, was passiert war. Ich wollte bloß …«
»Du Idiot! Du Vollidiot du!« Die Frustration der letzten Tage und der Brandy wirkten zusammen und entluden sich in einem Wutausbruch. Renshaw packte Mostyn am Revers und schüttelte ihn. »Wenn ich gewußt hätte, daß du das warst … Du hättest mir das Leben retten können. Du Schwachkopf! Du …«
»Ich hab’s doch nicht gewußt. Ich hab’s doch nicht gewußt«, wimmerte der Kleine. »Als keiner aufmachte, bin ich einfach wieder ins Hotel gefahren. Ehrlich, wenn ich gewußt hätte, was los war … Ich würde alles für dich tun, das weißt du doch. Alles …«
Renshaw ließ Mostyns Revers los und wandte sich wieder dem Brandy zu.
Am nächsten Tag kam er zurück auf das Angebot. Sie saßen bei den Essensresten am Mittagstisch. »Peter, du hast gesagt, du würdest alles für mich tun …«
»Selbstverständlich. Und ich steh auch dazu. In meinem Leben hat sich nicht viel abgespielt, du bist der einzige Mensch, der mir was bedeutet. Ich würd alles für dich tun. Ich kann hier für dich sorgen, solange du …«
»Ich bleibe nicht hier. Ich muß abhaun.«
Peter Mostyns Gesicht verriet, wie enttäuscht er war. Renshaw ignorierte es und fuhr fort: »Und dazu brauch ich Geld.«
»Ich hab dir doch gesagt, du kannst alles haben, was …«
»Nein, ich weiß, daß du kein Geld hast. Nichts, was der Rede wert ist. Aber ich hab es. In einem Schließfach im U-Bahnhof Liverpool Street hab ich über zwölftausend Pfund in Bargeld und Schmuck.« Renshaw blickte Mostyn mit jenem Lächeln an, das er immer für charmant gehalten hatte. »Ich möchte, daß du nach England fliegst und es mir holst.«
»Was? Aber das würd ich doch nie hier rüberkriegen.«
»Doch, würdest du. Du bist der ideale Schmuggler. Du steckst das Zeug in deine Krücken. Jemanden wie dich würden sie nie verdächtigen.«
»Aber ich …«
Renshaw machte ein gekränktes Gesicht. »Du hast gesagt, du würdes alles für mich tun …«
»Ja, würd ich ja auch, aber …«
»Du kannst morgen nach Cahors fahren und den Flug buchen.«
»Aber … aber das heißt, daß du mich wieder verläßt.«
»Für kurze Zeit, ja. Dann komm ich zurück«, log Renshaw.
»Ich …«
»Bitte tu das für mich, bitte …« Renshaw machte ein Gesicht, von dem er wußte, daß es verletzbar wirkte.
»Also gut.«
»Großartig. Du bist wunderbar! Komm, darauf trinken wir einen.«
»Ich trink nicht viel. Es macht mich nur müde. Ich vertrag nichts. Ich …«
»Komm schon, trink.«
Mostyn vertrug wirklich nichts. Mit fortschreitendem Nachmittag wurde seine Ergebenheit immer peinlicher. Dann fiel er in einen komatösen Schlaf.
Am übernächsten Tag lag das Flugticket neben Peter Mostyns Paß auf dem Wohnzimmertisch. Oben im Schlafzimmer stand fertig gepackt sein kleiner Koffer. In drei Tagen, am Mittwoch, würde er von Paris abfliegen. Bis zum Wochenende würde er wieder zurück sein; mit dem Geld und dem Schmuck – Renshaws Rettungsleine.
Renshaws Selbstvertrauen kehrte wieder zurück. Mit Geld in der Tasche würde wieder einmal alles möglich sein. Zwölftausend Pfund reichten gut, um sich eine neue Identität zu kaufen und von vorn anzufangen. Ein Talent wie er, das wußte er, war nicht unterzukriegen.
Mostyn war offensichtlich unsicher, was die vor ihm liegende Aufgabe betraf, aber er hatte genaue Instruktionen und würde es schon schaffen. Der Große betraute ihn mit einer Mission, und der Kleine würde dafür sorgen, daß sie effektiv ausgeführt wurde.
Eine neue Harmonie kam in ihre Beziehung. Da seine Flucht jetzt feststand, konnte Renshaw sich entspannen und zu seinem Beschützer sogar freundlich sein. Und Mostyn glühte vor Dankbarkeit für die ihm geschenkte Aufmerksamkeit. Es bedurfte nicht viel, um ihn glücklich zu machen, dachte Renshaw verächtlich. Als er die vorzeitig gealterte und verwachsene Gestalt ansah, dachte er wieder einmal, wie widersinnig es war, daß ihre Körper sich einst berührt hatten. Nie war Mostyn anders gewesen als mitleiderregend. Trotzdem, er war nützlich. Und obwohl es gewaltige Löcher in seinen sorgsam verwalteten Wohlstand riß, ließ er den Nachschub an Brandy nicht versiegen.
Es war Montag nachmittag, sie hatten gegessen, und Renshaw goß sich erneut nach. Da klopfte es an der Tür. Mostyn sprang nervös zum Fenster. Als er zu Renshaw zurückblickte, war sein Gesicht unter dem Haarschopf noch farbloser als sonst. »Es ist ein Gendarm.«
Mit raschen, sicheren Bewegungen schnappte Larry Renshaw sich seinen dreckigen Teller, zusammen mit Glas und Brandyflasche, und ging nach oben. Sein Schlafzimmerfenster lag über dem schräg abfallenden Dach der Veranda. Wenn jemand heraufkäme, würde er schnell verduften können.
Von unten hörte er Stimmen, aber sie waren zu undeutlich, und seine Kenntnis des Französischen war zu gering, als daß er etwas verstanden hätte. Dann hörte er, wie die Haustür zuging. Vom Fenster aus sah er den Dorfpolizisten in Richtung Montaigu-de-Quercy davonradeln.
Er wartete noch fünf Minuten und ging dann hinunter. Peter Mostyn saß am Tisch, buchstäblich schlotternd.
»Mein Gott, was hast du denn?«
»Der Gendarm … er hat gefragt, ob ich dich gesehn hätte.«
»Na, und da hast du gesagt, nein.«
»Ja, aber …«
»Aber was? Da ist nichts weiter bei, bestimmt nicht. Die haben Interpol mobil gemacht, um die Kontakte nachzuprüfen, die ich im Ausland aufgenommen haben könnte. Die haben deinen Namen aus meinem Adressenbuch, das in der Wohnung liegenblieb. Also ist der hiesige Dorfbobby angekommen, um mal nachzufragen, und jetzt erstattet er Bericht, daß du mich seit letzter Woche in London nicht mehr gesehn hast. Ende der Geschichte. Ich bin froh, daß es passiert ist, wenigstens brauch ich nun nicht mehr drauf zu warten.«
»Ja, aber Larry, guck dir an, in welcher Verfassung ich bin.«
»Du wirst dich schon wieder beruhigen. Nu komm schon. Sicher, es war ein Schock, aber da kommst du schon drüber weg.«
»Nein, das mein ich ja nicht. Ich will nur sagen, wenn ich jetzt in diesem Zustand bin, bin ich einfach nicht in der Lage durchzustehn, was ich Mittwoch tun soll.«
»Lieber Gott, nun hör mal zu, alles, was du zu tun hast, ist, in ein Flugzeug nach London zu steigen, zu dem Schließfach in der Liverpool Street zu fahren, den Koffer da rauszuholen, an irgendeinem stillen Plätzchen das Zeug in deine Krücken zu verladen und wieder zurückzukommen. Was soll denn daran gefährlich sein?«
»Ich schaff das nicht, Larry. Ich schaff’s nicht. Ich brech irgendwo zusammen. Oder ich verrate mich selber irgendwie. Wenn ich wär wie du, könnt ich’s tun. Du hast für solche Sachen immer die besseren Nerven gehabt. Ich wünschte, du würdest es tun, denn ich weiß, du könntest es. Aber ich bin einfach …«
Er verstummte. Wut überkam Renshaw. »Hör zu, du Jammerlappen, du mußt es tun! Lieber Himmel, wie oft hast du gesagt, du würdest alles für mich tun, und jetzt, wo ich dich zum erstenmal um was bitte, kneifst du den Schwanz ein.«
»Larry, ich würd alles für dich tun, wirklich. Aber ich glaube einfach nicht, daß ich das durchstehe. Ich würd’s irgendwie verpfuschen. Ehrlich, Larry, wenn ich irgendwas anderes für dich tun kann …«
»Was anderes? Wie wär’s, wenn du die Mordanklage von mir abwendest? Würdest du das vielleicht lieber tun?« fragte Renshaw mit beißendem Sarkasmus.
»Wenn ich’s könnte … Oder wenn ich genug Geld hätte, um dir zu helfen … Oder wenn …«
»Ach, hör auf, du nutzlose kleine Tunte!« Wütend stampfte Larry Renshaw mit der Brandyflasche die Treppe hinauf.
Über vierundzwanzig Stunden sprachen sie nicht miteinander.
Aber am nächsten Abend, als er Brandy trinkend auf dem Bett lag und sah, wie die sinkende Sonne die Krüppeleichen am Berghang in goldenes Licht tauchte, gewann Renshaws Instinkt wieder die Oberhand. Es war ein warmes Gefühl. Wieder einmal fühlte er sich beschützt. Sein Instinkt war wie ein allmächtiger großer Freund, der für ihn sorgte, ihn leitete, ihm den Weg nach vorn zeigte, wie er es immer getan hatte.
Nach etwa einer Stunde sah er, nachdem unten die Haustür zugegangen war, daß Mostyn sich auf der Landstraße entfernte, die nach Montaigu-de-Quercy führte. Schon wieder. Er war mehrmals fortgewesen seit ihrem Krach. Bestimmt ging er wieder Brandy kaufen; als Friedensangebot. Die arme kleine Sau. Renshaw fand diese Bezeichnung so geglückt, daß er in sich hineinkicherte.
Allein im Haus, döste er ein. Das Zuschlagen der Haustür, als Mostyn zurückkam, weckte ihn. Und es wunderte ihn nicht, daß sein Schlachtplan beim Aufwachen bis ins kleinste ausgearbeitet war.
Peter Mostyn blickte auf wie ein Straßenköter, der einen Tritt erwartet, aber Larry Renshaw lächelte ihn an und stellte amüsiert fest, wie Mostyns Gesichtszüge sich erleichtert entspannten.
»Larry, das mit gestern nachmittag tut mir schrecklich leid. Ich bin einfach ein Feigling gewesen. Hör, ich möchte wirklich was für dich tun. Du weißt, ich würde mein Leben für dich hingeben, wenn’s nötig wär. Bis jetzt hab ich mein Leben ziemlich verplempert, so daß ich endlich mal etwas Wertvolles tun möchte.«
»Doch nicht etwa nach London fliegen und meine Sachen holen?« fragte Renshaw leichthin.
»Ich glaube einfach nicht, daß ich das kann, Larry. Ich habe nicht das Zeug dazu. Aber ich fliege morgen nach London. Es gibt etwas anderes, was ich für dich tun kann. Ich kann dir helfen. Ich habe dir bereits geholfen. Ich …«
»Ist schon gut.« Renshaw machte eine großmütige Gebärde der Vergebung. »Ist schon gut. Hör zu, Peter«, fuhr er vertraulich fort, »ich hab mich gestern wie ein Schwein benommen und möchte mich entschuldigen. Es tut mir leid, diese ganze Sache ist ein fürchterlicher Streß für mich gewesen, und ich habe einfach nicht bedacht, was du schon alles für mich tust. Bitte, verzeih mir.«
»Ach, das war doch nichts. Ich …« Mostyns Gesichtsausdruck schwankte zwischen Überraschung und Freude über das gewandelte Verhalten seines Freundes.