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Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Mai 2018

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ISBN Printausgabe 978-3-498-02139-9 (1. Auflage 2018)

ISBN E-Book 978-3-644-40385-7

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-40385-7

Schlaf als Balsam für die kranke Seele heißt es bei Shakespeare. Schlaf als Balsam für den stressgeplagten Menschen, würde ich gern ergänzen. Der Schlaf ist in unserer Sprache fest verankert, sei es in Redewendungen, Aphorismen, Metaphern. Sich gesund schlafen, ein wohlfeiler Rat, aber was, wenn wir nicht mehr abschalten und in wohlige Bewusstlosigkeit abtauchen können? Über etwas schlafen, und schon sieht man am nächsten Tag klarer. Glücklich, wer das kann. In Morpheus’ Armen ruhen. Was für ein wunderbares Bild. Nur leider gelingt es immer weniger Menschen, sich von diesen Armen umfangen zu lassen. Ein Nickerchen machen: aber wie denn – in einer Leistungsgesellschaft, in der dafür keine Zeit ist? In der auf den Biorhythmus keine Rücksicht genommen wird. Schlafen wie ein Murmeltier: lang und tief schlafen wie diese putzigen Tierchen, eine wohlige Vorstellung. Andererseits hält die Sprache für Menschen, die viel Schlaf benötigen, auch Schimpfwörter wie Schlafmütze oder Langschläfer parat. Jemand, der viel und gern schläft, hat den Nimbus eines Faulenzers oder bestenfalls von jemand, der nicht besonders leistungswillig ist. Dagegen gelten Manager, die mit wenigen Stunden Schlaf auskommen, als erfolgreiche Macher. Und auch die Mächtigen der Welt brüsten sich gern damit. Die meisten

Aber wollen Sie das Schicksal unseres Landes und Europas tatsächlich in die Hände von Menschen gelegt sehen, die durch ihren Schlafmangel genauso beeinträchtigt sind, wie wenn sie ein paar Gläschen getrunken hätten? Denn wer «zehn Nächte hintereinander nur sechs Stunden schläft, befindet sich, was Leistungsvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit, Gedächtnis und Urteilskraft angeht, in einem Zustand, als hätte er ein Promille Alkohol im Blut», wie der Chronobiologe Christian Cajochen von der Universität Basel herausgefunden hat.

Aus den USA weht schon seit längerem ein umgekehrter Trend zu uns herüber, der jedoch längst noch nicht im Bewusstsein unserer Gesellschaft angekommen ist, geschweige denn in den Chefetagen: «Schlaf als neues Statussymbol», titelte die New York Times kürzlich. In gewissen elitären Kreisen scheint auch hierzulande ein Umdenken begonnen zu haben. Der nimmermüde Manager, dem ein paar wenige Stunden Schlaf genügen, taugt nicht länger als Vorbild. Guter Schlaf wird zunehmend als Maßstab für eine hohe Leistungsfähigkeit angesehen. Ein Trend, der allerdings auch seine Schattenseiten hat. Nach Essen, Sex

Fakt ist, ein Großteil der Deutschen schläft deutlich zu wenig, wie immer mehr Studien zu den gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen von Schlafmangel beweisen. Scharen von sensiblen und schlechten Schläfern plagen sich durch die Tage und Nächte. Die Anzahl der Betroffenen wird immer größer und hat bereits dramatische Dimensionen erreicht. Als Schlafforscher beobachte ich seit vielen Jahren, dass immer mehr Menschen unter Schlafstörungen leiden.

Trotz hoher medialer Aufmerksamkeit und diesbezüglicher Studien wird schlechter Schlaf als Risikofaktor für die eigene Gesundheit, den Arbeitsplatz und die Gesellschaft noch immer völlig unterschätzt. Dabei hat die Weltgesundheitsorganisation im Schlafmangel bereits eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts ausgemacht. Wenn Sie zu den Glücklichen gehören, die gut schlafen, mag Sie das alles nicht sonderlich beunruhigen. Aber schlechter Schlaf hat nicht nur für den Betroffenen, sondern die ganze Gesellschaft weitreichende Konsequenzen, und jeder Einzelne kann davon in Mitleidenschaft gezogen werden, etwa durch einen müdigkeitsbedingten Unfall. Hinter jedem einzelnen Fall steckt nicht nur das individuelle Leid, sondern Schlafprobleme mindern in der Summe die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft in einem Maße, wie wir es uns kaum vorstellen können. Sie

80 Prozent der deutschen Arbeitnehmer schlafen entweder zu kurz, nicht mehr gut oder schlecht. Das heißt, dass weit über die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung nicht nur das Risiko trägt, sich selbst zu gefährden, sondern auch andere. Bei ungefähr 20 Prozent der schweren Verkehrsunfälle spielt die Übermüdung des Fahrers eine entscheidende Rolle. Unter dem Heer von Unausgeschlafenen befinden sich Politiker, leitende Manager, Schichtarbeiter, Piloten und Fluglotsen, Berufskraftfahrer, Lehrer, Polizisten, Krankenschwestern und Ärzte etc., die tagtäglich Gefahr laufen, grobe Fehler zu begehen, falsche Entscheidungen zu treffen, Haushalts- und Arbeitsunfälle zu verursachen. Ein besorgniserregender Befund für unsere ganze Gesellschaft.

Doch niemand ist gern ein schlechter Schläfer. Die meisten Menschen, die zu wenig schlafen, würden viel darum geben, endlich wieder leicht ein- und durchschlafen zu können. Woran liegt es, dass sich der Schlaf der Deutschen verschlechtert hat? Und vor allem, was können wir dagegen tun?

Um diese Frage zu beantworten, gilt es zunächst, die Ursachen aufzuzeigen. Um ihnen, sofern sie individueller Natur sind, gegebenenfalls zu Leibe rücken zu können. Indem wir unseren ungesunden Lebensstil umstellen, etwa den übermäßigen Konsum von Alkohol, Nikotin oder Medikamenten, Schlafentzug durch Handy und Tablet & Co., Bewegungsmangel und falsche Ernährung. Diese individuellen Verhaltensmuster lassen sich unter Umständen ändern. Aber was ist mit den psychosozialen Ursachen? Leistungsdruck, Stress, Doppelbelastung durch Beruf und Familie. Lärm und Lichtverschmutzung. Soziale Probleme. Existenzsorgen. Schichtarbeit. Zunehmende Arbeitsüberlastung.

Denn: Guter Schlaf liegt nicht nur im gesundheitlichen Interesse jedes Einzelnen, sondern auch in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. Der zunehmende Schlafmangel ist eine Entwicklung, der bisher nichts oder kaum etwas entgegengesetzt wird. Mit diesem Buch möchte ich einen Beitrag dazu leisten, dass den individuellen und gesellschaftlichen Folgen von Schlafmangel und gestörtem Schlaf endlich die gebührende öffentliche Aufmerksamkeit geschenkt wird, dass die Verantwortlichen in der Politik und den Betrieben endlich gegensteuern, damit dem Schlaf der Platz in unserem Leben eingeräumt wird, den er verdient. Um zu verstehen, wie essenziell der Schlaf für die Erholung des Organismus und für das Immunsystem ist, nehme ich Sie mit auf eine Reise in das Schlafzentrum des Gehirns und versuche, die komplexen Vorgänge zu veranschaulichen, die unseren Schlaf-Wach-Rhythmus bestimmen, und welche Rolle die Hormone und andere Faktoren dabei spielen. Ferner stelle ich Ihnen den Schlaf unserer Kinder und die Auswirkungen von kurzem und/oder schlechtem Schlaf vor, und Sie erhalten einen Einblick in die verschiedenen Arten von Schlafstörungen und deren Ursachen sowie in die aktuellen schlafmedizinischen Erkenntnisse, Therapien und Trends.

Lassen Sie uns zuerst die beunruhigenden Daten über unser Schlafverhalten betrachten, die mich unter anderem dazu bewegt haben, dieses Buch zu schreiben.

Der vernachlässigte Schlaf: Alarmierende Fakten

Dem Schlaf wird kein Respekt gezollt, hat die Amerikanische Schlafstiftung festgestellt, obwohl er genauso wie Blutdruck, Atmung, Körpertemperatur und Puls ein wichtiges Zeichen für Gesundheit und Wohlbefinden ist. Dem kann ich nur zustimmen. Eine Reporterin brachte es im Herbst 2017 auf einer Pressekonferenz zum Thema Schlaf auf den Punkt. Sie meldete sich zu Wort und gab an, dass sie nachts gern acht bis neun Stunden schlafe, das tue ihr gut, mit diesem Schlafpensum sei sie leistungsfähig, fit und gesund. Nur traue sie sich normalerweise nicht, ihre Wohlfühlschlafzeit laut zu sagen. Sie befürchtet, als unproduktive Langschläferin, Faulenzerin oder wie auch immer abgestempelt zu werden. Tatsächlich bildet sie sich das nicht nur ein, sondern genießt der Schlaf in unserer Gesellschaft nach wie vor einen geringen Stellenwert. Bereits eine normale, gesunde Schlaflänge gilt als anrüchig – genauso wie der Mittagsschlaf und das Nickerchen zwischendurch. Ausgiebig zu schlafen, scheint mit der modernen Leistungsgesellschaft nicht kompatibel zu sein. Woher kommt das? Der Philosoph Arthur Schopenhauer nannte den Schlaf den «kleinen Bruder des Todes», verlieren wir im Schlaf doch größtenteils unser Bewusstsein. Die Ratio ist hingegen unweigerlich mit dem

Doch allmählich scheint das Bewusstsein dafür zu erwachen, wie wichtig ein gesunder Schlaf ist. In den letzten drei Jahren wurde eine Reihe von Umfragen zum Thema Schlaf publiziert. Schauen wir uns zunächst an, wie viel wir Deutsche im Durchschnitt schlafen. Hier ist eine Umfrage aufschlussreich, die 2016 das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag eines Bankhauses durchgeführt hat. 1003 Personen wurden in Deutschland zu ihrem Schlaf befragt. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer der Studie unter der Woche – abgesehen von Freitag – überwiegend zwischen 22 und 23 Uhr ins Bett gingen und zwischen 6 und 8 Uhr aufstanden. Das hört sich für mich als Schlafforscher erst einmal ganz gut an. Ein weiterhin interessantes Ergebnis war, dass die Männer in der Regel kürzer schliefen als die Frauen, allerdings nur kürzer, nicht schlechter. Weiterhin wurde deutlich, dass sich die Faktoren gute Gesundheit, intakte Partnerschaft und Freiheit von Geldsorgen positiv auf einen gesunden Schlaf auswirken. Hingegen führten Geldsorgen, die in dieser Umfrage im Auftrag eines Bankhauses natürlich eine Rolle spielten, bei einem Drittel der Befragten zu schlechtem Schlaf, und die Sparer schliefen besser als Nicht-Sparer. Dieses Ergebnis deckt sich mit internationalen Umfragen, die ebenfalls zeigten, dass ein guter Kontostand beziehungsweise Geldsorgenfreiheit für einen besseren Schlaf sorgen.

Im Rahmen einer anderen Umfrage von 2015, die ebenfalls die Forsa im Auftrag der Knappschaft-Krankenkasse durchführte, wurden 1516 erwachsene Versicherte zum Schlaf befragt. Mehr als ein Drittel schläft nur sechs Stunden oder weniger pro Nacht. Das hört sich schon weniger gut an. Nur 41 Prozent kommen auf sieben Stunden. Das

Doch zurück zu der Umfrage: 46 Prozent der Befragten würden gern länger schlafen. Daran kann man unter Umständen arbeiten, zum Beispiel, indem man sich einfach mehr Zeit zum Schlafen nimmt. Aber das trifft natürlich nur auf jene zu, die aus eigenem Antrieb wenig schlafen, weil sie zum Beispiel die Nacht zum Tag machen. Zahlreiche Menschen können sich schlicht nicht mehr Schlaf gönnen, zum Beispiel weil kleine Kinder sie nachts auf Trab halten oder sie ganz einfach Mühe haben, Beruf und Familienalltag unter einen Hut zu bringen. 30 Prozent der Befragten

Laut der genannten Studie kennt mehr als die Hälfte der Befragten keinen erholsamen Schlaf, leidet mehr als ein Drittel unter Schlafstörungen und klagt mehr als ein Drittel über Tagesmüdigkeit. Frauen sind mehr von Schlafstörungen betroffen als Männer, und 20 Prozent der Befragten leiden unter Albträumen. Am besten schläft es sich laut dieser Umfrage übrigens im Süden der Republik, sofern man zwischen 18 und 25 Jahre alt ist, einer beruflichen Beschäftigung nachgeht und nicht verheiratet ist.

53 Prozent der Befragten schlafen allein, vor allem im Osten und in Nordrhein-Westfalen – was dem Umstand geschuldet ist, dass es in unserer Gesellschaft immer mehr Alleinstehende und weniger Kinder gibt. Außerdem zeigt sich bei den Befragten ein Zusammenhang zwischen schlechtem Schlaf und Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes.

Die Süddeutsche Zeitung nahm den DAK-Report zum Anlass, um über den Irrsinn des Sparens am Schlaf zu schreiben. Der Artikel zitiert den Slogan auf einem Werbeplakat einer amerikanischen Zeitarbeitsfirma. Unter einer übernächtigten Schönheit ist zu lesen: «Wenn dein Mittagessen aus einem Kaffee besteht. Wenn du zu Ende bringst, was du angefangen hast. Wenn Schlafentzug die Droge deiner Wahl ist. Dann bist du vielleicht ein ‹Macher›.» Der

Eine letzte deutschlandweite Umfrage, die ich zitieren möchte, wurde 2017 vom Meinungsforschungsinstitut TNS EMNID unter 3491 Deutschen veröffentlicht. Sie deckt insbesondere noch einmal die regionalen Unterschiede in Deutschland auf. Laut dieser Umfrage beträgt die durchschnittliche Schlafzeit sechs Stunden und 54 Minuten, also im Durchschnitt unter sieben Stunden. Da hier die Wochenendtage mitberücksichtigt sind, ist dies, wie bereits erwähnt, nach den heute gültigen Richtwerten für einen gesunden Schlaf zu kurz. 7,5 Stunden Schlaf gelten als optimal. Aber entscheidend ist, wie ausgeschlafen sich jeder Einzelne mit seiner individuellen Schlafdauer fühlt. Auffällig ist jedoch, dass die durchschnittliche Schlafdauer abnimmt: Laut Umfragen von vor fünf bis zehn Jahren betrug die durchschnittliche Schlaflänge in Deutschland noch sieben Stunden und zehn Minuten. Interessant ist auch der Vergleich der Schlafdauer in den verschiedenen Bundesländern: Am schlechtesten schlafen die Berliner und generell die Städter. Mögliche Ursachen sind sicher Stress, Licht, Lärm, finanzielle Sorgen und eine höhere Außentemperatur, vor allem im Sommer. Und es gibt ein Nord-Süd-Gefälle. Im Norden wird allgemein besser geschlafen als im Süden – die bereits erwähnten beschäftigten Alleinstehenden unter 25-Jährigen sind auch hier ausgenommen.

 

Wie schlafen unsere europäischen Nachbarn?

Schlafen eigentlich nur wir Deutschen so schlecht, oder sind auch unsere europäischen Nachbarn häufig unausgeschlafen? Besonders erhellende Datenerhebungen gibt es von den Briten, lassen Sie mich daher einen Blick auf die dortige Situation werfen. Eine Befragung, die 2013 mit 5007 Teilnehmern durchgeführt wurde, lieferte ähnliche Ergebnisse wie hierzulande. Auch dort wurde die Situation

In einer neueren, vielbeachteten britischen Untersuchung der RAND Corporation wurden in den Jahren 2015 und 2016 62366 Personen befragt. Ziel war es, herauszufinden, was uns wie viel Minuten an Schlaf kostet. Nehmen Sie sich etwas Zeit für diese interessante Auflistung. Das Alter der Befragten lag überwiegend zwischen 20 und 55 Jahren. Zu einem kurzen Schlaf führten demnach persönliche Faktoren wie z.B. Stress, sozio-demographische Faktoren und die bereits erwähnten finanziellen Probleme, die in der Summe jede Nacht zehn Minuten Schlaf rauben; eine fehlende Krankenversicherung verkürzt den Schlaf um fünf Minuten, und wer Kinder unter 18 Jahren betreut, büßt nochmals durchschnittlich 4,2 Minuten Schlaf ein.

Das sind alles Faktoren, die wir im Zweifelsfall wenig beeinflussen können. Jetzt aber zu den Dingen, die wir selbst in der Hand haben. Rauchen raubt fünf Minuten Schlaf, fehlende körperliche Aktivität (weniger als 120 Minuten pro Tag) 2,6 Minuten und mehr als zwei zuckerhaltige Getränke am Tag 3,4 Minuten.

Und wie wirkt sich der jeweilige Arbeitsplatz aus? Wer keine Wahlmöglichkeit bei der Ausübung der Tätigkeit hat, schläft 2,3 Minuten weniger, 3,7 Minuten sind es bei fehlender Unterstützung durch den Vorgesetzten, 2,6 Minuten bei falscher Anleitung durch den Vorgesetzten, acht Minuten bei unrealistischem Zeitdruck, 2,7 Minuten bei irregulären Arbeitszeiten, 9,2 Minuten bei einem Arbeitsweg, der zwischen 30 und 60 Minuten dauert, und 16,5 Minuten, wenn man länger als 60 Minuten zur Arbeitsstelle braucht.

Nun mögen diese vielen Einzelminuten für sich genommen geringfügig erscheinen, doch in den meisten Fällen treffen mehrere Faktoren gleichzeitig zu. Also wenn jemand 45 Minuten zur Arbeit pendelt, in Schichten arbeitet und Zeitdruck ausgesetzt ist, dann schläft er schon eine halbe Stunde (28,5 Minuten) weniger als jemand, der regulär arbeitet, nur 15 Minuten zur Arbeitsstelle braucht und im Job keinen Stress hat. Das sind 173 Stunden Schlaf pro Jahr!

Diese Befragung zum Thema Schlaf hat viel Aufsehen

Interessante Ergebnisse förderte auch eine holländische Untersuchung zutage. Über einen Zeitraum von 20 Jahren wurde die Schlaflänge von 3695 Personen im Alter zwischen 20 und 59 untersucht, die am Schluss folglich zwischen 40 und 79 Jahre alt waren. Wie sich herausstellte, blieben 56 Prozent der Teilnehmer über die vielen Jahre hinweg gute Schläfer mit sieben bis acht Stunden Schlaf, während 40 Prozent der Teilnehmer zunehmend zu Kurzschläfern mit weniger als sechs Stunden Schlaf wurden. Diese Untersuchung bestätigt die Tatsache, dass es durchaus viele gute Schläfer gibt, bei denen sich die Schlafdauer auch mit zunehmendem Alter nicht ändert. Und sie sind in der Überzahl. Doch bei mehr als einem Drittel nimmt mit zunehmendem Alter die Schlaflänge ab, und in den meisten Fällen wird auch die Schlafqualität schlechter. Einige leiden schließlich unter Insomnie. Etwas anderes ist hingegen ein landläufig und karikierend mit «seniler Bettflucht» bezeichnetes Phänomen. Das bedeutet, dass sich das Schlafverhalten mit zunehmendem Alter ändert. Aus einem starken körperlichen Schlafbedürfnis heraus gehen ältere Menschen häufig früh ins Bett und wachen sehr früh wieder auf. Um sich dann schlaflos im Bett zu wälzen.

 

Nachdem wir das Schlafverhalten von Erwachsenen betrachtet haben, möchte ich die Gruppe der Schüler, Studenten und Auszubildenden in den Blick nehmen. Leider gibt es zu deren Schlaf-Wach-Verhalten im deutschsprachigen Raum keine Erhebungen. Die mache ich in der Praxis selbst: Wenn ich in der Universitätsklinik Seminare zum

Zu den Auswirkungen von Schlafdefiziten und Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen später noch mehr.

 

Egal, ob die diversen Studien Erwachsene oder Jugendliche in den Blick nehmen: Als Schlafmediziner kann man nur froh sein über derart fundierte Informationen. Diese Untersuchungen leisten Schützenhilfe für Gespräche mit Krankenkassen, Entscheidungsträgern, Vorständen von

Ein nächtlicher Plausch mit dem Nachbarn – die Schlafgewohnheiten unserer Vorfahren

Die aktuellen Studien und Umfragen werfen kein positives Licht auf unseren Schlaf: Wir schlafen nicht nur zu kurz, sondern auch schlecht oder kurz und schlecht. Und Langzeituntersuchungen zeigen, dass sich die Probleme ausweiten und verstärken. Doch war es früher wirklich besser? Haben unsere Vorfahren acht Stunden am Stück

Das elektrische Licht hat uns den ausschließlich monophasischen Schlaf gebracht, das heute bei uns vorherrschende Muster nur einer Schlafphase. In der damit einsetzenden industriellen Revolution wurde bald die Betonung auf eine optimale menschliche Produktivität gelegt. Thomas Edison, der Vater des elektrischen Lichts, war übrigens der Meinung, dass mehr als drei bis vier Stunden Schlaf ungesund seien und das Leben ineffektiv machen würden.

Dafür, dass einige oder gar viele Menschen vor dem Einzug des künstlichen Lichts biphasisch schliefen, zeugen

Beispiele für nächtliche Betriebsamkeit finden sich auch im Nahen Osten. So schliefen die Einwohner von Muscat,

Dass nur ein monolithischer Schlafblock von ungefähr acht Stunden gesund ist, hat sich also als Mythos erwiesen. Denn offenbar können wir auch in Etappen schlafen und uns ausgeruht fühlen. Nicht auf das Schlafmuster kommt es an, sondern auf die Gesamtschlaflänge, die wir benötigen. Sie können also gern versuchen, eines der beschriebenen Schlafmuster bei sich zu Hause einzuführen. Da unser gesellschaftliches Leben und Miteinander aber anders getaktet ist, wird es vermutlich nicht so leicht sein, ein solches Muster aufrechtzuerhalten.

Schlafdefizit als Gesundheitsrisiko

Da man als Schlafmediziner tagtäglich die Auswirkungen eines schlechten und/oder zu kurzen Schlafs vor Augen hat, habe ich mich gefragt, inwieweit sich die weitverbreiteten Schlafprobleme in weltweiten Erhebungen zu Gesundheit und Krankheit widerspiegeln. Erstaunlicherweise tun sie es bislang gar nicht. In der Global Burden of Disease Study zum Beispiel, im Rahmen derer zwischen 1990 und 2015 weltweit 1800 Forscher Daten zur Gesundheit der Weltbevölkerung ausgewertet und 79 Gesundheitsrisiken untersucht haben, wurden bedauerlicherweise keine Daten über die Auswirkungen von Schlafstörungen erhoben. Untersucht wurde die Anzahl an Lebensjahren, die bestimmte Krankheiten den Betroffenen durch frühzeitigen Tod rauben, sowie die Anzahl von Jahren, in denen Menschen

Die Studie ermittelte auch die weltweit häufigsten Gesundheitsprobleme, die 10 Prozent der Weltbevölkerung betreffen. Wenn schon nicht unter der Rubrik Krankheiten, hätten wenigstens hier Schlafstörungen und/oder Müdigkeit berücksichtigt werden müssen. Stattdessen werden hier Karies, Kopfschmerzen, Eisenmangelanämie, Haarausfall, Migräne, Genitalherpes, Speicherkrankheiten und Ascariasis (Spulwurm) genannt.