Adrian Owen

Zwischenwelten

Eine Reise in die Grauzone
zwischen Leben und Tod

Aus dem Englischen von
Harald Stadler

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Adrian Owen

Prof. Dr. Adrian Owen, 1966 geboren, ist ein international führender britischer Neuropsychologe. Seine Untersuchungen an Wachkoma-Patienten haben weltweit Aufsehen erregt und die klinisch definierte Grenze zwischen Leben und Tod infrage gestellt. Er leitet das renommierte Brain and Mind Institute an der Western University in Ontario, Kanada.

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel

»Into the Gray Zone« bei Scribner, New York.

 

© 2017 der eBook-Ausgabe Droemer eBook

© 2017 Adrian Owen

© 2017 der deutschsprachigen Ausgabe Droemer Verlag

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit

Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Der Abdruck von Auszügen aus folgenden Songtexten erfolgt

mit freundlicher Genehmigung der Rechteeigner:

Tomorrow Never Knows von John Lennon und Paul McCartney.

© 1966 Sony/ATV Music Publishers.

Man in the Long Black Coat von Bob Dylan. © 1989 Special Rider Music.

Atlantic City von Bruce Springsteen.

© 1982 Bruce Springsteen (Global Music Rights).

The Future von Leonard Cohen. © 1992 Sony/ATV Music Publishers.

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: © PixxWerk®, München unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com

ISBN 978-3-426-44044-5

Hinweise des Verlags

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.


Noch mehr eBook-Programmhighlights & Aktionen finden Sie auf
www.droemer-knaur.de/ebooks.


Sie wollen über spannende Neuerscheinungen aus Ihrem Lieblingsgenre auf dem Laufenden gehalten werden? Abonnieren Sie hier unseren Newsletter.


Sie wollen selbst Autor werden? Publizieren Sie Ihre eBooks auf unserer Akquise-Plattform www.neobooks.com und werden Sie von Droemer Knaur oder Rowohlt als Verlagsautor entdeckt. Auf eBook-Leser warten viele neue Autorentalente.


Wir freuen uns auf Sie!

Endnoten

Zu weiteren Details siehe M. M. Monti, A. Vanhaudenhuyse, M. R. Coleman, M. Boly, J. D. Pickard, J.-F. L. Tshibanda, A. M. Owen und S. Laureys, »Willful Modulation of Brain Activity and Communication in Disorders of Consciousness«, New England Journal of Medicine, Bd. 362, 2010, S. 579–589, sowie D. Cruse, S. Chennu, C. Chatelle, T. A. Bekinschtein, D. Fernandez-Espejo, D. J. Pickard, S. Laureys und A. M. Owen, »Bedside Detection of Awareness in the Vegetative State«, The Lancet, Nr. 378 (9809), 2011, S. 2088–2094.

Jean-Dominique Bauby, Schmetterling und Taucherglocke, deutsche Übersetzung Uli Aumüller, Wien: Paul Zsolnay Verlag, 1997. Dieses faszinierende und bewegende Buch kann ich dem Leser begeistert empfehlen; ich habe es im Lauf der Jahre mehrfach gelesen.

Verschiedene Versionen einiger Gedächtnistests, die wir zu jener Zeit entwickelten, sind inzwischen über das Internet zugänglich; siehe www.cambridgebrainsciences.com

Einige frühe Beispiele von Patienten, die Schädigungen dieses Areals erlitten und daraufhin Schwierigkeiten mit der Gesichtserkennung hatten, schildert J. C. Meadows, »The Anatomical Basis of Prosopagnosia«, Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry, 1974, Bd. 37, S. 489–501.

Zu weiteren Details siehe A. M. Owen, A. C. Evans und M. Petrides, »Evidence for a Two-Stage Model of Spatial Working Memory Processing Within the Lateral Frontal Cortex: A Positron Emission Tomography Study«, Cerebral Cortex, 1996, Bd. 6, Nr. 1, S. 31–38, sowie A. M. Owen, »The Functional Organization of Working Memory Processes Within Human Lateral Frontal Cortex: The Contribution of Functional Neuroimaging«, European Journal of Neuroscience, 1997, Bd. 9, Nr. 7, S. 1329–1339.

Einige der Tests zum Arbeitsgedächtnis, die wir damals bei unseren PET-Aktivierungsstudien einsetzten, können inzwischen im Internet absolviert werden: www.cambridgebrainsciences.com

Zu weiteren Details siehe A. M. Owen, J. Doyon, A. Dagher, A. Sadikot und A. C. Evans, »Abnormal Basal-Ganglia Outflow in Parkinson’s Disease Identified with Positron Emission Tomography: Implications for Higher Cortical Functions«, Brain, 1998, Bd. 121, (Pt 5), S. 949–965.

D. K. Menon, A. M. Owen, E. Williams, P. S. Minhas, C. M. C. Allen, S. Boniface und J. D. Pickard, »Cortical Processing in the Persistent Vegetative State«, The Lancet, 1998, 352, Nr. 9123, S. 200.

Aus dem Fall Kate zog ich meine ersten Erfahrungen auf diesem Gebiet, und ich denke, alle Kollegen gingen damals sofort davon aus, dass eine positive Gehirnreaktion im Scanner auf eine mögliche Besserung hindeuten könnte. Erst zwölf Jahre später konnten wir in der britischen Fachzeitschrift für Neurologie Brain Befunde vieler Patienten wie Kate veröffentlichen, die belegten, dass eine positive Gehirnreaktion im Scanner ein gutes Zeichen ist, das eine bestimmte Besserung ankündigen kann und somit ein wertvolles prognostisches Instrument darstellt. Zu weiteren Details siehe M. R. Coleman, M. H. Davis, J. M. Rodd, T. Robson, A. Ali, J. D. Pickard und A. M. Owen, »Towards the Routine Use of Brain Imaging to Aid the Clinical Diagnosis of Disorders of Consciousness«, Brain, 2009, Bd. 132, S. 2541–2552.

Wer wissen möchte, wie viele Zahlen er sich merken kann, hat die Möglichkeit, sein Zahlenreihengedächtnis in Internet zu testen: www.cambridgebrainsciences.com

Siehe D. Bor, J. Duncan und A. M. Owen, »The Role of Spatial Configuration in Tests of Working Memory Explored with Functional Neuroimaging«, Journal of Scandinavian Psychology, Bd. 42, Nr. 3, 2001, S. 217–224; D. Bor, J. Duncan, R. J. Wiseman und A. M. Owen, »Encoding Strategies Dissociates Prefrontal Activity from Working Memory Demand«, Neuron, Bd. 37. Nr. 2, 2003, S. 361–367; D. Bor, N. Cumming, C. E. M. Scott und A. M. Owen, »Prefrontal Cortical Involvement in Verbal Encoding Strategies«, European Journal of Neuroscience, Bd. 19, Nr. 12, 2004, S. 3365–3370; D. Bor und A. M. Owen, »A Common Prefrontal-parietal Network for Mnemonic and Mathematical Recoding Strategies within Working Memory«, Cerebral Cortex, Bd. 17, 2007, S. 778–786.

Der Begriff »Halbwertszeit« im Zusammenhang mit einem Radioisotop wie 15O bezieht sich auf die Zeit, die es dauert, bis die Hälfte der radioaktiven Atomkerne zerfallen sind. Somit hat sich ein Bestand an 15O nach zwei Halbwertszeiten (in diesem Fall 244,48 Sekunden) auf ein Viertel der ursprünglichen Menge verringert und so weiter.

Zu weiteren Details siehe A. M. Owen, D. K. Menon, I. S. Johnsrude, D. Bor, S. K. Scott, T. Manly, E. J. Williams, C. Mummery und J. D. Pickard, »Detecting Residual Cognitive Function in Persistent Vegetative State (PVS)«, Neurocase, 2002, Bd. 8, Nr. 5, S. 394–403.

Zu weiteren Details siehe N. D. Schiff, U. Ribary, F. Plum und R. Llinas, »Words Without Mind«, Journal of Cognitive Neuroscience, 1999, Bd. 11, S. 650–656.

Fred Plum prägte die Begriffe persistent vegetative state (andauernder vegetativer Zustand) und locked-in syndrome (Syndrom des Eingeschlossenseins). Sein Buch The Diagnosis of Stupor and Coma, das 1966 erschien, ist bis heute die Bibel der Komaforscher. Zu weiteren Details siehe F. Plum und J. B. Posner, Diagnosis of Stupor and Coma, Philadelphia: F. A. Davis, 1966. Die neueste Ausgabe ist J. B. Posner, C. B. Saper, N. D. Schiff und F. Plum, Plum and Posner’s Diagnosis of Stupor and Coma, 4. Auflage, Oxford: Oxford University Press, 2007.

Siehe S. Laureys, S. Goldman, C. Phillips, P. Van Bogaert, J. Aerts, A. Luxen, G. Franck und P. Maquet, »Impaired Effective Cortical Connectivity in Vegetative State: Preliminary Investigation Using PET«, NeuroImage, Bd. 9, 1999, S. 377–382.

Zu weiteren Details siehe J. T. Giacino, S. Ashwal, N. Childs, R. Cranford, B. Jennett, D. I. Katz, J. P. Kelly, J. H. Rosenberg, J. Whyte, R. D. Zafonte und N. D. Zasler, »The Minimally Conscious State: Definition and Diagnostic Criteria«, Neurology, 2002, Bd. 58, Nr. 3, S. 349–353.

Daniel Bor, The Ravenous Brain: How the New Science of Consciousness Explains Our Insatiable Search for Meaning, New York: Basic Books, 2012.

Francis Crick, Was die Seele wirklich ist. Die naturwissenschaftliche Erforschung des Bewusstseins, München: Artemis und Winkler, 1994.

Zu weiteren Details siehe M. H. Davis und I. S. Johnsrude, »Hierarchical Processing in Spoken Language Comprehension«, Journal of Neuroscience, 2003, Bd. 23, Nr. 8, S. 3423–3431.

Zu weiteren Details siehe A. M. Owen, M. R. Coleman, D. K. Menon, I. S. Johnsrude, J. M. Rodd, M. H. Davis, K. Taylor und J. D. Pickard, »Residual Auditory Function in Persistent Vegetative State: A Combined PET and fMRI Study«, Neuropsychological Rehabilitation, 2005, Bd. 15, Nr. 3–4, S. 290–306.

Zu weiteren Details siehe J. M. Rodd, M. H. Davis und I. S. Johnsrude, »The Neural Mechanisms of Speech Comprehension: fMRI Studies of Semantic Ambiguity«, Cerebral Cortex, 2005, Bd. 15, S. 1261–1269.

Zu weiteren Details siehe A. M. Owen, M. R. Coleman, D. K. Menon, I. S. Johnsrude, J. M. Rodd, M. H. Davis, K. Taylor und J. D. Pickard, »Residual Auditory Function in Persistent Vegetative State: A Combined PET and fMRI Study«, Neuropsychological Rehabilitation, 2005, Bd. 15, Nr. 3–4, S. 290–306.

Diesen Ausdruck (»Neurons that fire together, wire together« – Neuronen, die gleichzeitig feuern, verdrahten sich), oder zumindest eine Abwandlung davon, verwendeten erstmals Siegrid Löwel und Wolf Singer in einem Artikel, der 1992 in der Fachzeitschrift Science erschien (S. Löwel und W. Singer, »Selection of Intrinsic Horizontal Connections in the Visual Cortex by Correlated Neuronal Activity«, Science, 1992, Bd. 255, S. 209–212). Die beiden Autoren paraphrasierten jedoch eine These des kanadischen Neuropsychologen Donald Hebb, der für seine Arbeit auf dem Gebiet des assoziativen Lernens bekannt geworden war. Hebb hatte bereits 1949 geschrieben: »Wenn ein Axon der Zelle A […] Zelle B erregt und wiederholt und dauerhaft zur Erzeugung von Aktionspotentialen in Zelle B beiträgt, so resultiert dies in Wachstumsprozessen oder metabolischen Veränderungen in einer oder in beiden Zellen, die bewirken, dass die Effizienz von Zelle A in Bezug auf die Erzeugung eines Aktionspotentials in B größer wird.« Dieses Postulat wurde als Hebbsche Lernregel bekannt. Zu weiteren Details siehe D. O. Hebb, The Organization of Behavior, New York: Wiley & Sons, 1949.

Zu weiteren Details siehe A. M. Owen, B. J. Sahakian, J. Semple, C. E. Polkey und T. W. Robbins, »Visuo-Spatial Short Term Recognition Memory and Learning After Temporal Lobe Excisions, Frontal Lobe Excisions or Amygdalo-Hippocampectomy in Man«, Neuropsychologia, 1995, Bd. 33, Nr. 1, S. 1–24.

Im Lauf der Jahre habe ich mit meinem Team spezielle kognitive Tests entwickelt, um zu messen, wie gut der dorsolaterale frontale Cortex funktioniert. Einige dieser Tests sind im Internet zugänglich: www.cambridgebrainsciences.com. Wer seinen dorsolateralen frontalen Cortex prüfen möchte, versuche es mit dem Test »Token Search«.

Zu weiteren Details siehe J. Duncan, R. J. Seitz, J. Kolodny, D. Bor, H. Herzog, A. Ahmed, F. N. Newell und H. Emslie, »A Neural Basis for General Intelligence«, Science, 2000, Bd. 289, S. 457–460, sowie A. Hampshire, R. Highfield, B. Parkin und A. M. Owen, »Fractioning Human Intelligence«, Neuron, 2012, Bd. 76, Nr. 6, S. 1225–1237.

Zu weiteren Details siehe A. Dove, M. Brett, R. Cusack und A. M. Owen, »Dissociable Contributions of the Mid-Ventrolateral Frontal Cortex and the Medial Temporal-Lobe System to Human Memory«, NeuroImage, 2006, Bd. 31, Nr. 4, S. 1790–1801.

Zu weiteren Details siehe J. O’Keefe und J. Dostrovsky, »The Hippocampus as a Spatial Map. Preliminary Evidence from Unit Activity in the Freely-Moving Rat«, Brain Research, 1971, Bd. 34, Nr. 1, S. 171–175.

Die Funktionen dieser Hirnregion wurden erst 1998 von meinen Kollegen Russell Epstein und Nancy Kanwisher nach fMRT-Experimenten an Menschen detailliert beschrieben. Eine fMRT-Studie, die zwei Jahre zuvor von Geoffrey Aguirre und seinen Kollegen an der University of Pennsylvania durchgeführt worden war, hatte bereits darauf hingewiesen, dass dieser Teil des Gehirns eine potenzielle Rolle für die »mentale Landkarte« im Gehirn spielt. In jener Studie sollten sich die freiwilligen Probanden mental durch ein Labyrinth bewegen, das sie sich zuvor mithilfe eines Virtual-Reality-Systems innerhalb des Scanners eingeprägt hatten. Es wurde festgestellt, dass allein die Vorstellung, sich durch die inzwischen vertraute Umgebung zu bewegen, den Gyrus parahippocampalis aktivierte. Zu weiteren Details siehe G. K. Aguirre, J. A. Detre, D. C. Alsop und M. D’Esposito, »The Parahippocampus Subserves Topographical Learning in Man«, Cerebral Cortex, 1996, Bd. 6, Nr. 6, S. 823–829, sowie R. Epstein, A. Harris, D. Stanley und N. Kanwisher, »The Parahippocampal Place Area: Recognition, Navigation, or Encoding?«, Neuron, 1999, Bd. 23, S. 115–125.

Siehe M. Boly, M. R. Coleman, M. H. Davis, A. Hampshire, D. Bor, G. Moonen, P. A. Maquet, J. D. Pickard, S. Laureys und A. M. Owen, »When Thoughts Become Actions: An fMRI Paradigm to Study Volitional Brain Activity in Non-Communicative Brain Injured Patients«, NeuroImage, Bd. 36, Nr. 3, 2007, S. 979–992.

Zu weiteren Details siehe A. M. Owen, M. R. Coleman, M. H. Davis, M. Boly, S. Laureys und J. D. Pickard, »Detecting Awareness in the Vegetative State«, Science, 2006, Bd. 313, S. 1402.

Siehe R. P. Clauss, W. M. Güldenpfennig, H. W. Nel, M. M. Sathekge und R. R. Venkannagari, »Extraordinary Arousal from Semi-Comatose State on Zolpidem«, South African Medical Journal, Bd. 90, Nr. 1, 2000, S. 68–72.

Zu weiteren Details siehe M. Thonnard, O. Gosseries, A. Demertzi, Z. Lugo, A. Vanhaudenhuyse, M. Bruno, C. Chatelle, A. Thibaut, V. Charland-Verville, D. Habbal, C. Schnakers und S. Laureys, »Effect of Zolpidem in Chronic Disorders of Consciousness: A Prospective Open-Label Study«, Functional Neurology, 2013, Bd. 28, Nr. 4, S. 259–264.

In den Vereinigten Staaten leben schätzungsweise rund 5,3 Millionen Menschen mit einer Behinderung, die mit einer traumatischen Hirnschädigung zusammenhängt. In Europa liegt die Zahl bei knapp 7,7 Millionen. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge tragen viele der jährlich 15 Millionen Menschen, die einen Schlaganfall erleiden, langfristige kognitive und körperliche Behinderungen davon. Verbesserungen in der Unfall- und Intensivmedizin haben dazu geführt, dass mehr Menschen massive Hirnschädigungen überleben und weiterleben, allerdings ohne Hinweis auf ein aktives Bewusstsein. Solche Patienten finden sich praktisch in jeder Groß- und Kleinstadt mit einer qualifizierten Pflegeeinrichtung.

Siehe A. M. Owen und L. Naci, »Decoding Thoughts in Behaviourally Non-Responsive Patients«, in Sinnott-Armstrong (Hrsg.), Finding Consciousness, Oxford University Press, 2016, S. 100–121.

Zu weiteren Details siehe http://jewinthecity.com/2014/09/can-you-ever-pull-the-plug-life-support-jewish-law.

Zu weiteren Details siehe D. J. Palombo, C. Alain, H. Södurland, W. Khuu und B. Levine, »Severely Deficient Autobiographical Memory (SDAM) in Healthy Adults: A New Mnemonic Syndrome«, Neuropsychologia, 2015, Bd. 72, S. 105–118.

Zu weiteren Details siehe M. M. Monti, A. Vanhaudenhuyse, M. R. Coleman, M. Boly, J. D. Pickard, J.-F. L. Tshibanda, A. M. Owen und S. Laureys, »Willful Modulation of Brain Activity and Communication in Disorders of Consciousness«, New England Journal of Medicine, 2010, Bd. 362, S. 579–589.

Das Video findet sich im Internet unter dem Link www.intothegrayzone.com/mindreader.

Wie so viele der interessantesten Fallgeschichten, die ich im Lauf der letzten Jahre mitbekommen habe, erfuhr ich auch diese Episode von meiner hochbegabten Studentin Loretta Norton.

Siehe D. Fernandez Espejo und A. M. Owen, »Detecting Awareness after Severe Brain Injury«, Nature Reviews Neuroscience, 2013, Bd. 14, Nr. 11, S. 801–809.

Zu weiteren Details siehe W. B. Scoville und B. Milner, Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry, 1957, Bd. 20, S. 11–21.

Dieses Zitat stammt von dem antiken Arzt Hippokrates; siehe Apologie des Hippokrates und seiner Grundsätze, übersetzt und herausgegeben von Kurt Sprengel, Leipzig: Schwickert, 1792, Band 2.

Den Begriff »Pie vegetative« verwendeten M. Arnaud, R. Vigouroux und M. Vigouroux in ihrem Aufsatz, »États frontières entre la vie et la mort en neuro-traumatologie«, Neurochirurgia (Stuttgart: Thieme), 1963, Bd. 6, S. 1–21. Von »Vegetative Survival« sprachen M. Valpalahti und H. Troupp in »Prognosis for patients with severe brain injuries«, British Medical Journal, 1971, Bd. 3, Nr. 5771, S. 404–407. Der klassische Aufsatz von Bryan Jennett und Fred Plum erschien unter dem Titel »Persistent Vegetative State After Brain Damage: A Syndrome in Search of a Name«, The Lancet, 1972, Bd. 299, Nr. 7753, S. 734–737.

Die von meinem Kollegen Mel Goodale und mir geleitete Konferenz war eine der ersten im Rahmen des CIFAR-Azrieli-Programms für Gehirn, Geist und Bewusstsein. Der Titel der Veranstaltung an der Royal Society in London lautete »Biomarker des Bewusstseins«. Die 1660 gegründete Royal Society fördert seit Jahrhunderten die Wissenschaften und deren Leistungen, berät die Politik in wissenschaftlichen Fragen und unterstützt auf internationaler und globaler Ebene Zusammenarbeit, Bildung sowie öffentliches Engagement. Zum Mitglied dieser ehrwürdigen Institution ernannt zu werden gehört zu den höchsten Ehrungen, die einem Wissenschaftler weltweit zuteilwerden kann.

Meinem jahrelangen Freund und Kollegen Dr. John Duncan von der MRC Cognition and Brain Sciences Unit in Cambridge muss ich dafür danken, dass er diese lebhafte Debatte angestoßen hat. John war einer unserer Gäste bei der Konferenz an der Royal Society, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er die Diskussion mit genau diesem Satz einleitete.

Beim Locked-in-Syndrom ist der Patient bei vollem Bewusstsein, kann sich aber aufgrund einer Querschnittslähmung und Anarthrie nicht bewegen und sprachlich ausdrücken. Das Syndrom gilt im Allgemeinen nicht als »Störung des Bewusstseins«, wird aber häufig mit solchen Störungen verwechselt. Wenn Anzeichen von Bewusstsein fehlen (etwa Augenbewegungen oder Blinzeln), können Locked-in-Patienten fälschlicherweise für reaktionslos oder minimalbewusst gehalten werden. Zu weiteren Details siehe M. A. Bruno, J. Bernheim, D. Ledoux, F. Pellas, A. Demertzi und S. Laureys, »A Survey on Self-Assessed Wellbeing in a Cohort of Chronic Locked-In Syndrome Patients: Happy Majority, Miserable Minority«, British Medical Journal Open, 2011; 1:e000039. doi:10.1136/bmjopen-2010-000039.

M. M. Monti, J. D. Pickard und A. M. Owen, »Visual Cognition in Disorders of Consciousness: From V1 to Top-Down Attention«, Human Brain Mapping, Bd. 34, Nr. 6, 2012, S. 1245–1253.

Siehe U. Hasson, Y. Nir, I. Levy, G. Fuhrmann und R. Malach, »Intersubject Synchronization of Cortical Activity During Natural Vision«, Science, Bd. 303, 2004, S. 1634–1640.

Zu weiteren Details siehe S. Baron-Cohen, A. M. Leslie und U. Frith, »Does the Autistic Child Have a ›Theory of Mind‹?«, Cognition, 1985, Bd. 21, Nr. 1, S. 37–46.

Zu weiteren Details siehe L. Naci, R. Cusack, M. Anello und A. M. Owen, »A Common Neural Code for Similar Conscious Experiences in Different Individuals«, Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014, Bd. 111, Nr. 39, S. 14277–14282.

Zu weiteren Details siehe A. M. Owen, M. James, P. N. Leigh, B. A. Summers, C. D. Marsden, N. P. Quinn, K. W. Lange und T. W. Robbins, »Fronto‑Striatal Cognitive Deficits at Different Stages of Parkinson’s Disease«, Brain, 1992, Bd. 115, Pt. 6, S. 1727–1751.

Im Jahr 2012 veröffentlichten wir einen Fachartikel, in dem wir den Begriff der »allgemeinen Intelligenz« (»IQ«) in Frage stellten und eine Methode beschrieben, die Unterschiede bei Gehirnfunktionen in Hinsicht auf Denken, Erinnern und Sprachfähigkeit verständlich zu machen. Wir rekrutierten mehr als 44 000 Teilnehmer aus der Allgemeinbevölkerung und analysierten deren Abschneiden bei vielfältigen kognitiven Tests. Wer diese Untersuchungen selbst durchlaufen möchte, findet die Tests im Internet unter www.cambridge brainsciences.com. Zu weiteren Einzelheiten siehe A. Hampshire, R. Highfield, B. Parkin und A. M. Owen, »Fractioning Human Intelligence«, Neuron, Bd. 76, Nr. 6, 2012, S. 1225–1237.

S. Beukema, L. E. Gonzalez-Lara, P. Finoia, E. Kamau, J. Allanson, S. Chennu, R. M. Gibson, J. D. Pickard, A. M. Owen und D. Cruse, »A Hierarchy of Event-Related Potential Markers of Auditory Processing in Disorders of Consciousness«, NeuroImage: Clinical, Bd. 12, 2016, S. 359–371.

Zu weiteren Details siehe T. Bayne, A. Cleeremans und P. Wilken, The Oxford Companion to Consciousness, New York: Oxford University Press, 2009.

Zu weiteren Details siehe L. A. Farwell und E. Donchin, »Talking Off the Top of Your Head: Toward a Mental Prosthesis Utilizing Event-Related Brain Potentials«, Electroencephalography and Clinical Neurophysiology, 1988, Bd. 70, S. 510–523.

Zu weiteren Details siehe L. R. Hochberg, D. Bacher, B. Jarosiewicz, N. Y. Masse, J. D. Simeral, J. Vogel, S. Haddadin, J. Liu, S. S. Cash, P. van der Smagt und J. P. Donoghue, »Reach and Grasp by People with Tetraplegia Using a Neurally Controlled Robotic Arm«, Nature, 2012, Bd. 485, S. 372–375.

Fernsehserie Perception, erste Staffel, vierte Folge »Cipher«, 2012, Regie Deran Serafian, Drehbuch Jerry Shandy, Produzent Turner Network Television TNT. Die entsprechende Szene kann auch im Internet angesehen werden: www.intothegrayzone.com/perception

Alive Inside: A Story of Music and Memory, 2014, Drehbuch und Regie Michael Rossato-Bennett, Produzenten Projector Media und The Shelley & Donald Rubin Foundation.

http://www.loveorabove.com/blog/universal-consciousness/

Der kanadische Psychiater Richard Maurice Bucke (1837–1902) war ein Pionier der Erforschung mystischer Erfahrungen. 1901 publizierte er sein Hauptwerk Cosmic Consciousness: A Study in the Evolution of the Human Mind.

Für Jackson

 

Für den Fall, dass ich nicht da bin,

um dir die Geschichte selbst zu erzählen

That you may see the meaning of within

It is being, it is being

 

John Lennon und Paul McCartney

Prolog

Ich hatte Amy fast eine Stunde lang beobachtet, bis sie sich endlich regte. Sie hatte geschlafen, als ich ihr Zimmer in einem kleinen kanadischen Krankenhaus unweit der Niagarafälle betrat. Es erschien unnötig, fast ein wenig unhöflich, sie aufzuwecken. Ich wusste, es war kaum sinnvoll, einen Wachkomapatienten beurteilen zu wollen, wenn er sich im Halbschlaf befand.

Die Bewegung war kaum der Rede wert. Amys Augen öffneten sich abrupt, und ihr Kopf hob sich vom Kissen. In dieser Haltung verharrte sie, starr und reglos, während ihr Blick über die Decke schweifte. Ihr dichtes dunkles Haar war kurz geschnitten, aber tadellos gestylt – so als hätte es gerade eben jemand zurechtgemacht. Rührte diese plötzliche Bewegung bloß von automatischen Impulsen des Nervenschaltkreises in ihrem Gehirn her?

Ich blickte in Amys Augen, sah darin aber nichts als Leere – genau jenen tiefen Brunnen der Unergründlichkeit, den ich schon zahllose Male bei Menschen gesehen hatte, die wie Amy als »wach, aber ohne Bewusstsein« galten. Amy gab nichts zurück. Sie öffnete den Mund weit zu einem Gähnen und ließ ein fast schwermütiges Seufzen vernehmen. Dann plumpste ihr Kopf wieder auf das Kissen.

Sieben Monate nach ihrem Unfall konnte man sich kaum noch vorstellen, was für ein Mensch Amy einmal gewesen sein muss – eine aufgeweckte Studentin, die in der Universitätsmannschaft Basketball spielte und der das ganze Leben offenstand. Eines Nachts kam sie mit einigen Freunden aus einer Bar. Ihr Boyfriend, von dem sie sich an jenem Abend getrennt hatte, wartete draußen. Plötzlich ging er auf sie zu und schubste sie, Amy stürzte und schlug mit dem Kopf gegen den Bordstein.

Jemand anderes wäre vielleicht mit einer Platzwunde oder einer Gehirnerschütterung davongekommen, doch Amy hatte Pech. Ihr Gehirn prallte so stark gegen die Schädelwand, dass es aus seinen Verankerungen gerissen wurde; Nervenfasern wurden überdehnt, Blutgefäße barsten. Dabei wurden auch wichtige Areale gequetscht und geschädigt, die nicht direkt am Aufprallpunkt lagen. Seither wurden Amy durch eine Magensonde lebensnotwendige Flüssigkeiten und Nährstoffe zugeführt. Die Blase wurde über einen Katheter geleert. Sie besaß keinerlei Stuhlkontrolle und trug deswegen Windeln.

Zwei Ärzte betraten das Zimmer. »Was meinen Sie?«, fragte der ältere, während er mich scharf fixierte.

»Ich kann erst etwas sagen, wenn wir die Scans gemacht haben«, erwiderte ich.

»Ich stehe nicht so auf Wetten, aber ich würde sagen, sie befindet sich in einem vegetativen Zustand!« Er klang optimistisch, fast heiter.

Ich sagte nichts.

Die beiden Ärzte wandten sich an Amys Eltern, Bill und Agnes, die geduldig dasaßen, während ich ihre Tochter beobachtete. Die beiden waren Ende vierzig, wirkten gepflegt, aber ausgelaugt. Agnes griff nach Bills Hand, als die Ärzte erklärten, Amy würde nichts Gesprochenes verstehen, keine Erinnerungen, Gedanken oder Gefühle haben und keinerlei Freude oder Schmerz empfinden können. Die Mediziner machten Bill und Agnes behutsam klar, dass ihre Tochter ihr Leben lang rund um die Uhr gepflegt werden müsse. Da keine anderslautende Patientenverfügung vorlag, sollten sie sich vielleicht überlegen, Amy nicht mehr künstlich am Leben zu halten, sondern sterben zu lassen. Hätte sie selbst das nicht auch so gewollt?

Amys Eltern waren noch nicht bereit zu diesem Schritt und willigten stattdessen per schriftlicher Einverständniserklärung ein, dass ich die Patientin mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) durchleuchte und nach Anzeichen dafür suche, dass irgendein Teil jener Amy, die sie liebten, noch existierte. Mit einem Krankenwagen brachte man Amy zur Western University in London im kanadischen Ontario, wo ich ein spezielles Labor betreibe, in dem Patienten begutachtet werden, die massive Hirnverletzungen erlitten haben beziehungsweise an den verheerenden Auswirkungen neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson leiden. Mithilfe neuartiger Bildgebungsverfahren schließen wir uns mit diesen Gehirnen kurz, machen ihre Funktionen sichtbar und kartieren ihr gesamtes Inneres. Auf diese Weise lässt sich erkennen, wie der Betreffende denkt und fühlt. Man sieht gleichsam das Baugerüst des Bewusstseins und die Architektur des eigenen Ich-Erlebens. Im Scan wird deutlich, was es im Grunde heißt, ein lebender Mensch zu sein.

Fünf Tage später trat ich wieder in Amys Krankenzimmer, wo Bill und Agnes saßen. Sie blickten erwartungsvoll zu mir auf. Ich hielt kurz inne, holte tief Luft und teilte ihnen dann die Neuigkeit mit, die sie nicht einmal zu erhoffen gewagt hatten.

»Die Scans haben uns gezeigt, dass sich Amy doch nicht in einem ›vegetativen Zustand‹ befindet. Vielmehr nimmt sie alles bewusst wahr«, erklärte ich.

Nach fünf Tagen intensiver Untersuchung hatten wir festgestellt, dass Amy mehr als bloß noch vor sich hinvegetierte – sie war im vollen Besitz ihres Bewusstseins. Sie hatte jedes Gespräch mitbekommen, jeden Besucher erkannt und aufmerksam zugehört, wenn etwas über sie entschieden wurde. Aber sie war nicht in der Lage gewesen, einen Muskel zu bewegen, um der Welt mitzuteilen: »Ich bin noch hier. Ich bin noch nicht tot!«

In diesem Buch schildere ich unsere Bemühungen zu ergründen, wie man mit Menschen wie Amy Kontakt aufnimmt. Zugleich möchte ich aufzeigen, wie tiefgreifend sich ein neues und rasant wachsendes Forschungsgebiet auf Wissenschaft, Medizin, Philosophie und Rechtswesen auswirkt. Vielleicht am wichtigsten ist unsere Entdeckung, dass 15 bis 20 Prozent der Wachkomapatienten, die mutmaßlich kaum mehr Bewusstsein besitzen als ein Brokkoli-Kopf, tatsächlich über ein volles Bewusstsein verfügen, auch wenn sie auf keinerlei äußere Reize reagieren.[1] Sie öffnen vielleicht die Augen, knurren und stöhnen oder geben gelegentlich einzelne Worte von sich. Wie Zombies scheinen sie ausschließlich in ihrer eigenen Welt zu leben, ohne jegliche Gedanken oder Gefühle. Viele sind tatsächlich so selbstvergessen und unfähig zu denken, wie ihre Ärzte glauben. Eine beträchtliche Zahl erlebt jedoch etwas ganz anderes: Ihr intakter Geist driftet gleichsam in den Tiefen eines defekten Körpers und Gehirns.

Das Wachkoma ist ein Bezirk im Schattenreich der Zwischenwelten. Ein weiterer ist das Koma, also eine völlige Bewusstlosigkeit. Menschen im Koma öffnen die Augen nicht und wirken so, als hätten sie keinerlei Bewusstsein. In dem Disney-Film Dornröschen und auch im gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm fällt die junge Prinzessin Aurora, nachdem sie sich an einer Spindel gestochen hat, durch eine Verwünschung in einen tiefen Schlaf, der einem Koma ähnelt. Im wirklichen Leben sieht die Sache viel weniger romantisch aus; entstellende Kopfverletzungen, verkrümmte Gliedmaßen, Knochenbrüche und aufzehrende Krankheiten sind die Regel.

Einige Menschen in der Grauzone können zu erkennen geben, dass sie ein Bewusstsein haben. Patienten mit »minimalem Bewusstsein« reagieren gelegentlich auf die Aufforderung, einen Finger zu bewegen oder mit den Augen einem Gegenstand zu folgen. Ihr Bewusstsein scheint sich ein- und auszublenden. Hin und wieder tauchen sie aus einem bodenlosen Teich der Besinnungslosigkeit auf, brechen an die Oberfläche durch und geben ihre Präsenz zu erkennen, bevor sie wieder in unergründliche Tiefen versinken.

Das Locked-in-Syndrom (Eingeschlossensein- bzw. Gefangensein-Syndrom) gehört genau genommen nicht ins Spektrum der Zwischenwelten, kommt dem aber so nah, dass es uns Aufschluss darüber gibt, wie sich das Leben einiger unserer Versuchspersonen anfühlen könnte. Querschnittsgelähmte mit Kommunikationsstörungen sind bei vollem Bewusstsein und können meist die Augen bewegen oder blinzeln.

Jean-Dominique Bauby, der ehemalige Chefredakteur der Frauenzeitschrift Elle, war ein berühmtes Beispiel für das Locked-in-Syndrom. Bauby war nach einem Schlaganfall zwar bei Bewusstsein, aber körperlich fast vollständig gelähmt und konnte sich weder sprachlich noch gestisch verständlich machen. Er war lediglich imstande, mit seinem linken Augenlid zu blinzeln. Mithilfe eines Assistenten und einer Buchstabentafel verfasste er den Memoirenband Schmetterling und Taucherglocke, wofür er mehr als 200000 Mal blinzeln musste.

Bauby schilderte seine Erfahrung sehr anschaulich: »… der Geist kann wie ein Schmetterling umherflattern. Es gibt so viel zu tun. … Man kann die geliebte Frau besuchen, sich neben sie legen und ihr noch schlafendes Gesicht streicheln. Man kann Luftschlösser bauen, das goldene Vlies erkämpfen, Atlantis entdecken, seine Kinderträume und Erwachsenenphantasien verwirklichen.«[2]

Für Bauby ist das der »Schmetterling«: Ein ungehemmter Geist, frei von Körperlichkeit und Verantwortung, der hierhin und dorthin flattern kann. Bauby war aber zugleich gefangen – in der »Taucherglocke«, einer eisernen Kammer, aus der es kein Entrinnen gab und die immer tiefer in den Abgrund sank.

Als ich ein paar Tage nach Amys MRT-Scans wieder an ihrem Krankenbett saß, beobachtete ich sie nochmals ganz genau. Ich wollte unbedingt wissen, was sie dachte und fühlte. Was hatten all diese zuckenden Bewegungen und das krampfhafte Gurgeln zu bedeuten? Erlebte sie Ähnliches wie Bauby? War auch sie in eine imaginäre Sphäre der Freiheit und der offenen Möglichkeiten eingetreten? Oder glich ihre Innenwelt einem qualvollen Gefängnis, aus dem es kein Entrinnen gab?

Nach unseren Scans veränderte sich Amys Leben grundlegend. Agnes wich kaum noch von ihrer Seite und las ihr fast ununterbrochen vor. Bill schaute jeden Morgen herein, brachte die Tageszeitungen und berichtete seiner Tochter, was es in der Familie Neues gab. Ständig kamen Freunde und Verwandte zu Besuch. An den Wochenenden holte man Amy nach Hause. An ihrem Geburtstag wurde gefeiert. Man ging auch mit ihr ins Kino. Die Pflegemitarbeiter stellten sich ihr stets vor, wenn sie an ihr Bett traten, und erklärten ihr, dass man sie jetzt waschen oder umziehen werde. Jeder Eingriff, jede Medikamentengabe, jede Veränderung im Behandlungsprogramm wurde sorgfältig erläutert. Nach sieben Monaten in der Zwischenwelt wurde Amy wieder ein Mensch.

Als ich mich in dieses neue Wissensgebiet einarbeitete, hatte ich keine klare Vorstellung davon, was mir überhaupt vorschwebte.

Am Anfang stand eher so etwas wie ein Zufall, aber im Rückblick wird deutlich, dass mich jenes innere Gefüge faszinierte, das uns alle auf ungeheuer komplexe und unmöglich vorhersehbare Weise zusammenhält. Meine Erkundung der Zwischenwelt entsprang einer recht düsteren und seltsamen Begebenheit in einem vornehmen grünen Vorort von London, Ontario, an einem warmen Julitag vor 20 Jahren …

1

Der Dämon, der mich verfolgt

People don’t live or die, people just float

She went with the man in the long black coat

 

Bob Dylan

Die Wissenschaft entwickelt sich auf rätselhafte Weise.

Als ich an der Universität Cambridge die Beziehungen zwischen Verhalten und Gehirn studierte, verliebte ich mich in eine Schottin namens Maureen, die ebenfalls in Neuropsychologie eingeschrieben war. Wir lernten uns im Herbst 1988 in Newcastle-upon-Tyne kennen, einer Stadt im Nordosten Englands, 60 Meilen von der schottischen Grenze entfernt. Ich sollte an der Newcastle University ein Gemeinschaftsprojekt meines Chefs, Trevor Robbins, und Maureens Boss, Patrick Rabbitt, betreuen. Professor Rabbitt betrieb damals innovative Studien zum Altern des Gehirns. Maureen und ich verliebten uns Hals über Kopf. Von Anfang an faszinierten mich ihr trockener Humor, ihr unbändiger kastanienbrauner Haarschopf und ihre entzückenden Augen, die sie jedes Mal zusammenkniff, wenn sie lachte – was sie ständig tat. Schon bald kehrte ich aus weniger akademischen Gründen nach Newcastle-upon-Tyne zurück. In meinem uralten, verbeulten Ford Fiesta, den ich für wenig Geld gebraucht gekauft hatte, fuhr ich im nervtötenden Wochenendverkehr die sechs Stunden hinauf nach Newcastle und wieder zurück nach Cambridge.

Maureen machte mich mit Musik vertraut, die ich bisher nicht gekannt hatte. Sie stand nicht auf die Glam-Rocker der frühen Achtziger mit ihren schrillen Outfits, Haarsprayfrisuren und Make-up, wie Adam and the Ants und Culture Club oder auch die Simple Minds, für die ich in meiner Jugend geschwärmt hatte, sondern auf jene Art von Musik, die ich auch heute noch schätze: leidenschaftliche Balladen über Menschen und ihre Geschichte, ihre Beziehungen und ihr sehnliches Verlangen. Dies war die gefühlvolle Musik, die sich an die keltische Tradition anlehnte, etwa von The Waterboys, Christy Moore und Dick Gaughan. Maureens Bruder Phil, der in St. Albans wohnte, ungefähr eine Autostunde von Cambridge, überzeugte mich schnell, dass eine Zukunft ohne eigene Gitarre überhaupt keine Zukunft sein konnte, und begleitete mich beim Kauf meines ersten Bretts, einer Yamaha, die ich immer noch besitze und nie hergeben werde.

Nachdem ich einige Monate zwischen Cambridge und Newcastle-upon-Tyne gependelt war, zog ich nach London, weil dort die Patienten, die ich untersuchte, behandelt wurden. Ich arbeitete weiterhin als Neuropsychologe im Auftrag meines Chefs in Cambridge. Dann wurde ich zusätzlich Doktorand am Institut für Psychiatrie an der University of London. Fortan fuhr ich mehrmals in der Woche zwischen den beiden Städten hin und her, um meine Verpflichtungen an beiden Stellen zu erfüllen. Der Terminplan war mörderisch, aber die Arbeit begeisterte mich. Maureen gab ihren Job in Newcastle auf und nahm eine Stellung in London an. Bald darauf kauften wir uns eine Wohnung, ein kleines Apartment nicht weit vom Maudsley Hospital und dem Institut für Psychiatrie im Süden von London, wo wir beide beschäftigt waren.

Als Gebäude wirkte das Institut absolut ernüchternd. Dem ausladenden, verschachtelten Baukomplex fehlte die physische Präsenz, die seinem beachtlichen Ruf entsprochen hätte. Mein Büro war ein Mietcontainer – eiskalt im Winter und brütend heiß im Sommer. Die Kiste bebte jedes Mal, wenn die Eingangstür zuknallte. Fortwährend wurden uns dauerhaftere Behausungen versprochen; die Container sollten ausrangiert werden. Als ich Jahrzehnte später wieder dort war, stellte ich zu meiner Überraschung und Erheiterung fest, dass die Container tatsächlich noch dort standen und wahrscheinlich nach wie vor aufstrebende Doktoranden beherbergten.

Die anfängliche Begeisterung und romantische Schwelgerei, die Maureen und ich empfunden hatten, als wir zusammenzogen, wich bald einer eintönigen Alltagsroutine, die darin bestand, durch ganz Südengland zu fahren und Patienten aufzusuchen. Und das bedeutete, meinen Fiesta morgens mit Starthilfe in Gang zu bringen, wenn er nicht von selbst ansprang, was so gut wie immer der Fall war, dann im zähen Londoner Straßenverkehr steckenzubleiben und abends vergeblich nach einem Parkplatz in der Nähe unserer Wohnung zu suchen.

Bei der Arbeit am Institut und im Maudsley Hospital war es unmöglich, ungerührt zu bleiben angesichts der zahllosen depressiven, schizophrenen, epileptischen und dementen Seelen, die auf den zugigen Gängen umherwandelten. Maureen, ein ausgesprochen einfühlsamer und fürsorglicher Mensch, war zutiefst bewegt vom Los der Patienten. Schon bald beschloss sie, sich zur Psychiatriepflegerin ausbilden zu lassen. Obwohl dieser Berufung zweifellos etwas Edles innewohnte, hatte ich den Eindruck, sie entsagte mit ihrer Entscheidung einer vermutlich glänzenden akademischen Laufbahn. Fortan ging sie häufig mit ihren neuen Kollegen aus und kam spät heim, während ich zu Hause blieb und an meinen ersten wissenschaftlichen Aufsätzen arbeitete, in denen ich die Verhaltensänderungen von Patienten beschrieb, bei denen als Maßnahme gegen Epilepsie oder aggressive Tumoren Teile des Gehirns entfernt worden waren.

Mich faszinierte, was mit diesen Patienten nach den Eingriffen in ihrem Gehirn geschah. Ein Patient, mit dem ich arbeitete, wies eine minimale Frontallappenschädigung auf, die eine wahnsinnige Enthemmung auslöste. Vor seiner Verletzung wurde er als »schüchterner und intelligenter junger Mann« beschrieben. Nach dem Trauma beschimpfte er Passanten auf der Straße und hatte immer einen Kanister mit Farbe dabei, mit der er alle möglichen öffentlichen und privaten Fassaden verschandelte. Er äußerte ständig Schimpfwörter und Flüche. Sein ungezügeltes Gebaren eskalierte: Er überredete einen Freund, ihn an den Fußgelenken festzuhalten, während er sich aus dem Fenster eines fahrenden Zuges lehnte – in jeder Hinsicht ein wahnwitziges Verhalten. Sein Schädel und fast der gesamte vordere Teil seines Cortex wurden zerquetscht, als er mit dem Kopf voraus gegen eine Brücke prallte. Durch eine kuriose Wendung des Schicksals führte seine minderschwere Frontallappenschädigung unmittelbar zu einer massiven Verletzung im selben Hirnareal.

In dem vielleicht bizarrsten Fall, der mir je unterkam, ging es um einen jungen Mann mit sogenannten »Automatismen«, kurzen unbewussten Handlungen, derer sich der Betreffende nicht gewahr ist. Solche Automatismen werden normalerweise durch epileptische Anfälle ausgelöst, die im Schläfen- oder Stirnlappen beginnen und sich rasch ausbreiten; eine Kaskade von Nervenimpulsen, die das gesamte Gehirn überflutet. Während solcher Episoden verharren die Patienten in einer Art Grauzone. Ihre Augen sind geöffnet; sie wirken sonderbar lebhaft, und ihr Handeln erscheint zielbewusst. Dabei führen sie in der Regel vertraute Tätigkeiten durch; sie kochen, duschen oder fahren auf bekannten Strecken. Nach dem Schub erlangt der Patient wieder sein Bewusstsein und fühlt sich häufig desorientiert, erinnert sich aber nicht an den Vorfall.

Mein Patient war ein schlaksiger junger Mann mit zerzaustem Haar, den ich auf Gedächtnisstörungen hin untersuchte, nachdem er aufgrund epileptischer Anfälle am Gehirn operiert worden war. Und er war des Mordes angeklagt. Das Opfer war seine eigene Mutter gewesen. Er hatte sie stranguliert, während sie ganz allein mit ihm im Haus war. In dem Gerichtsverfahren drehte es sich darum, dass der geübte Kampfsportler schon früher epileptische Automatismen aufwies und seine Mutter mit routinemäßigen Kampfsportgriffen getötet haben könnte, ohne sich dieser schrecklichen Tat überhaupt bewusst gewesen zu sein (wobei der ganze Fall nur auf Indizien beruhte).

Als ich sein Gedächtnis mit den damals modernsten Computertests untersuchte, saß ich nah an der Tür – diese Strategie hatte ich mir aus zahlreichen Fernsehkrimis abgeschaut. Ich fühlte mich nicht sicher. Ich brauchte eine Waffe. Heute erscheint mir das Ganze lächerlich, doch damals saß ich in einem geschlossenen Büroraum zusammen mit einem Mann, der beschuldigt wurde, seine eigene Mutter mit bloßen Händen getötet zu haben, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Konnte man ihn – falls er es tatsächlich getan hatte – überhaupt für die Tat zur Verantwortung ziehen? Ich war mir nicht sicher. Damals ging man davon aus – und das gilt auch heute noch –, dass Automatismen nicht etwa unterbewusste Impulse zum Ausdruck bringen, sondern automatische Programme darstellen, die jenseits jeglicher Kontrolle im Gehirn aktiviert werden. Wäre der junge Mann Schreiner gewesen, hätte er vielleicht ein Stück Holz zersägt, anstatt seine Mutter mit Karatehieben zu zerlegen.

Konnte sein Gehirn ihn wieder zum Morden anstiften? Das war für mich die entscheidende Frage. Was konnte ich hernehmen, um mich zu verteidigen? Im Büro meines Kollegen stapelten sich ganze Berge von Büchern, Akten und anderweitige Forschungsutensilien – nicht gerade ein wirksames Waffenarsenal. Neben dem Schreibtisch entdeckte ich einen Squashschläger. Ich griff ihn mir und malte mir vage aus, wie ich eventuelle Hiebe abwehren konnte. Zum Glück überstanden wir beide die Sitzung ohne jegliche Zwischenfälle. Ich habe mir oft gedacht, was für ein befremdlicher Anblick das gewesen sein müsste: Ein Patient attackiert mich wie ein Ninja, und ich versuche, ihm mit einem Squashschläger eins überzuziehen.

Die Arbeit war spannend, doch während dieser Zeit drifteten Maureen und ich auseinander. Ein Jahr nachdem wir die Wohnung gekauft hatten, zerbrach unsere Beziehung. Wir entwickelten uns in unterschiedliche Richtungen; ich steuerte auf eine wissenschaftliche Laufbahn zu und sie auf eine Tätigkeit in der psychiatrischen Pflege. In unserer Beziehung hatte sich etwas verändert. Wir hatten uns beide derart intensiv mit den Funktionen des Gehirns und den Auswirkungen von Verletzungen und Krankheiten auf dieses wichtige Organ beschäftigt, und ich konnte nicht verstehen, weshalb sie dieses Interesse nun verloren hatte. Ich konnte nicht begreifen, welcher Reiz darin bestehen sollte, ein Problem scheinbar nur zu verwalten, anstatt zu versuchen, es zu lösen.

Ich hatte bereits einige Jahre zuvor beschlossen, nicht eine traditionelle medizinische Laufbahn einzuschlagen. Ich hatte nie Arzt werden wollen. Mir hatte nie vorgeschwebt, mir die Krankengeschichten von Leuten anzuhören und ihnen Standardmedikamente zu verabreichen. Ich wollte versuchen, die rätselhaften Funktionen des menschlichen Geistes zu verstehen, und vielleicht neue Ansätze zur Behandlung und Heilung entdecken. Genau das tun Neurowissenschaftler. Ich bildete mir ein, den größeren Zusammenhang im Blick zu haben, aber ich war wohl bloß unerträglich selbstgerecht und vom Ehrgeiz und Idealismus eines jungen Forschers getrieben. Ich glaubte, wir könnten Parkinson und Alzheimer vielleicht verstehen und dann heilen. In meiner Naivität war ich auch beeindruckt und geblendet von dem Glamour, den mir eine Karriere in den Neurowissenschaften zu verheißen schien. Mein Chef schickte mich an exotische Orte, um an seiner Stelle Vorträge zu halten. Bei einer wissenschaftlichen Konferenz in Phoenix, Arizona, aalte ich mich einmal mit zwei anderen englischen Hirnforschern mitten in der Wüste in einem Whirlpool. Kann man sich das vorstellen? Einen Tag zuvor hatten wir uns noch durch den ewigen Nieselregen und die Tristesse Englands geschleppt, und nun genossen wir puren Luxus unter Riesenkakteen.

Ich muss ein wenig eingebildet gewirkt haben, wenn ich von solchen Reisen zurückkehrte. Maureen und ich stritten uns ständig über die Pros und Kontras psychiatrischer Pflege, einer Forschung um der Forschung willen und die immanenten Spannungen zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und medizinischer Versorgung.

»Es ist ja gut und schön, diese Leute zu beobachten«, sagte Maureen einmal. »Aber wenn man ihnen hilft, ihre Probleme zu bewältigen, werden verfügbare Ressourcen viel besser genutzt.«

»Wenn wir nicht wissenschaftlich arbeiten, werden diese Probleme fortbestehen«, entgegnete ich.

»Die Forschung mag irgendwann einmal, in Jahren, jemandem nützen. Aber meistens führt sie zu nichts. Und sie kommt nicht jenen Patienten zugute, die ihre Zeit für deine Forschungsprojekte opfern und naiverweise glauben, dass du ihre Lebenssituation verbesserst.«

»Ich sage ihnen natürlich, dass meine Forschung ihnen persönlich nichts bringen wird.«

»Ach! Wie nett von dir.«

In unserem Dauerstreit schwang als Unterton der Konflikt zwischen England und Schottland mit. Seit Urzeiten fühlen sich die Schotten von den Engländern ausgebeutet, die sie als kalte, blutleere Landsknechte ansehen, wogegen sie sich selbst für ehrlich, bodenständig und leidenschaftlich halten. Rückblickend hatte ich den Eindruck, dass in unserer Kontroverse – praktische Fürsorge versus reine Wissenschaft – dieser jahrhundertealte Zwist widerhallte.

Schließlich lernte ich eine andere Frau kennen und trennte mich von Maureen. Im Jahr 1990 zog ich aus, gerade als in Großbritannien die Wirtschaft und der Immobilienmarkt einbrachen. Unsere Wohnung war plötzlich nur noch die Hälfte wert. Das bedeutete einen gewaltigen Verlust. Der Zinssatz für unsere Hypothek verdoppelte sich, was kaum noch tragbar war, während Maureen allein dort wohnte. Die Lage verschlimmerte sich rapide, als auch sie mit jemand anderem zusammenzog. Um die Hypothek tilgen zu können, mussten wir die Wohnung vermieten, aber Maureen wollte nichts mehr damit zu tun haben. Ich kassierte die Miete, zahlte das Darlehen ab und kümmerte mich um die Steuern und Reparaturen. Zu dem Zeitpunkt redeten Maureen und ich längst nicht mehr miteinander; wir tauschten nur noch erboste Briefe aus. Zuletzt schlief ich auf dem Boden im Apartment eines Freundes im nördlichen London. Von dort brauchte ich im Stoßverkehr eine ganze Stunde zum Maudsley Hospital. Die Vormieter hatten ihre Katzen mitgenommen, die Flöhe aber dortgelassen. Es war eine schlimme Zeit.

In jenem Jahr, in dem ich im Londoner Süden Patienten mit Hirnverletzungen aufsuchte und deren Krankengeschichte dokumentierte, begann meine eigene Mutter, merkwürdige Symptome zu entwickeln. Sie bekam starke Kopfschmerzen, und ihr Verhalten veränderte sich auf sonderbare Weise. Eines Nachmittags verschwand sie für mehrere Stunden und erklärte später, sie habe sich im Kino einen Film angeschaut. Seit Jahren war sie nicht ins Kino gegangen, und schon gar nicht allein und am helllichten Tag. Sie war gerade 50 Jahre alt geworden, und unser Hausarzt meinte, die Wechseljahre seien wohl schuld, sowohl an ihren Kopfschmerzen als auch an den ungewöhnlichen Ausflügen. Er hätte sich nicht gründlicher irren können. Als sie eines Abends mit meinem Vater vor dem Fernseher saß, wurde noch klarer, dass etwas nicht stimmte.

»Was sagst du zu dem Kleid der Frau?«, fragte mein Vater und deutete auf eine Frau am linken Rand des Bildschirms.

»Welche Frau?«, erwiderte meine Mutter. Sie konnte die Frau gar nicht sehen. Wie sich herausstellte, konnte sie in ihrem linken Gesichtsfeld überhaupt nichts erkennen.